Kostenerhebung für Genehmigungen: Gebühren nicht vom Antragsteller, sondern vom Nutznießer zu tragen

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes (VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 589/12) darf eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen eines ausländischen Speditionsunternehmens in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen. Diese Entscheidung basiert auf der Tatsache, dass die Behörde die Kosten nicht demjenigen auferlegen kann, der lediglich die Anträge einreicht und nicht der tatsächliche Nutznießer der genehmigten Leistungen ist. Das Gericht stellte fest, dass die Kostenpflicht auf dem tatsächlichen Nutznießer, in diesem Fall dem ausländischen Speditionsunternehmen, liegen muss. Der Unternehmer, der die Anträge stellt, tritt lediglich als Vermittler auf und übernimmt nicht die direkte Verantwortung für die Kosten der genehmigten Maßnahmen. Diese Rechtsprechung unterstreicht die Notwendigkeit der klaren Zurechnung der Kostenpflicht zu demjenigen, der die tatsächliche Leistung empfängt und nicht zu intermediären Akteuren im Verwaltungsprozess.

Urteile, wonach eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen für ein ausländisches Speditionsunternehmen in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen kann:
VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 589/12; VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 588/12; VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„VERWALTUNGSGERICHT
DES SAARLANDES

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Verwaltungsrechtsstreit

der Firma T[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

das Landespolizeipräsidium, […]

– Beklagter –

wegen Kosten für Polizeibegleitung

hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis durch den Richter am Verwaltungsgericht […] als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 23. April 2013

für Recht erkannt:

Der Bescheid des Beklagten vom 05.01.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2012 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Der Streitwert wird auf 366,60 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich die Erhebung von Gebühren für die polizeiliche Begleitung eines Schwer- und Großraumtransports.

Die Klägerin unterstützt Speditionen bei der Antragstellung für die Durchführung von Schwer- und Großraumtransporten sowie von Transporten gefährlicher und gefährdeter Güter auf der Straße in Deutschland. Infolge dessen beantragte sie beim Ordnungsamt der Großen Kreisstadt Bautzen für das polnische Speditionsunternehmen „W[…]“ eine Genehmigung zur Durchführung von Großraum- und/oder Schwerverkehr/ über die Beförderung von Ladungen mit überhöhten Abmessungen und/oder Gewichten für den Zeitraum vom 06.12.2011 bis zum 05.01.2012 für die Fahrstrecke von Pomellen nach Mannheim bzw. für die Fahrstrecke von Pomellen nach Creutzwald. Nach Erteilung der Genehmigungen wurden die Transporte am 14.12.2011 und am 21.12.2011 durchgeführt und von jeweils zwei Funkstreifenwagenbesatzungen ab 22.30 Uhr von der Autobahnabfahrt Saarlouis/Mitte bis zum französischen Grenzübergang Überherrn/Forbach begleitet.

Mit Gebührenbescheid vom 05.01.2012 forderte der Beklagte die Klägerin zur Zahlung der Kosten für die Begleitung der Transporte in Höhe von 366,60 € auf. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.01.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, der Kostenbescheid sei rechtswidrig, da sie nicht Gebührenschuldnerin im Sinne von § 12 SaarlGebG sei. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 SaarlGebG sei Gebührenschuldner, wem die Amtshandlung zuzurechnen sei. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 SaarlGebG sei Gebührenschuldner, wer die Kosten durch eine gegenüber der Behörde abgegebene schriftliche Erklärung übernommen habe. Die Amtshandlung sei allein dem Spediteur „W[…]“ zuzurechnen, der faktisch der Antragsteller sei. Sie selbst unterstütze lediglich (zumeist ausländische) Spediteure bei der bekanntlich schwierigen und umfangreichen Antragstellung vor deutschen Behörden für die Genehmigung von Großraum- und Schwerlasttransporten. Hierbei übe sie dieselbe Tätigkeit aus, die üblicherweise ein Mitarbeiter eines Spediteurs ausführe. Bekanntlich würden die Gebührenbescheide auch nicht den Mitarbeitern der Spedition persönlich zugestellt. Darüber hinaus habe sie eine schriftliche Erklärung des betroffenen Spediteurs mit der ausdrücklichen Übernahme der entstehenden Kosten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 3 SaarlGebG überreicht. Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit sei es nicht nachvollziehbar, dass eine Behörde eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union den Kontakt mit einem Unternehmen aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union scheue und versuche, etwaige Kosten gegen über Dritten aus dem eigenen Staat durchzusetzen und damit die öffentlichen Aufgaben der Verwaltung auf Dritte abzuwälze. Soweit eine Behörde Zweifel an der Insolvenz des Unternehmens aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union habe bzw. sich nicht in der Lage sehe, die Kostenforderung auf dem Rechtsweg gegen ein Unternehmen aus einem anderen Mitgliedsstaat durchzusetzen, könne eine Behörde als milderes Mittel im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine Vorauszahlung zur Deckung der in Betracht kommenden Kosten von dem Speditionsunternehmen verlangen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2012 wies das Ministerium für Inneres und Sport des Saarlandes den Widerspruch zurück. Zur Begründung ist in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, die Rechtmäßigkeit des Entsendens von Kräften der ehemaligen Polizeibezirksinspektion Saarlouis zur beantragten polizeilichen Begleitung der genehmigten Schwertransporte am 14. und 21.12.2011 sei unstreitig und werde auch nicht beanstandet. Ebenfalls nicht zu beanstanden sei die Höhe der festgesetzten Gebühr. Diese betrage gemäß §§1,5 und 12 SaarlGebG i.V.m. § 2 Nr. 5 der SPolKostVO bei der Begleitung eines Schwertransports 4,70 € pro Kilometer einschließlich An- und Abfahrt der Polizeifahrzeuge. Im vorliegenden Fall seien insgesamt 78 (52 + 26) Anfahrts-, Abfahrts- und Begleitkilometer angefallen, so dass die Gebührenforderung in ihrer Höhe korrekt festgesetzt worden sei (78 x 4,70 € = 366,60 €). Der Widerspruch sei insbesondere damit gegründet worden, dass der Widerspruchsführer nicht Kostenschuldner sei. Unstreitig sei der von dem Widerspruchsführer beantragte Schwertransport von der polnischen Firma „W[…]“ durchgeführt worden, so dass diese Firma Gebührenschuldner im Sinne des § 12 SaarlGebG sei. Das Vorbringen des Widerspruchsführers, ersei nur Erfüllungsgehilfe gewesen und einzig die Firma „W[…]“ sei rechtmäßiger Adressat der Gebührenforderung, könne nicht überzeugen. Der Widerspruchsführer sei ebenfalls Gebührenschuldner, da er die polizeiliche Transportbegleitung individuell zurechenbar als sogenannter Zweckveranlasser mit verursacht habe, indem er die erforderliche Genehmigung bei der Kreisstadt Bautzen eingeholt und damit eine gebührenrechtlich relevante Sonderrechtsbeziehung zu den in der Sache involvierten Behörden mit ihren Amtshandlungen geknüpft habe.

Zwar sei die Gefahr zum Zeitpunkt des Überschreitens der Gefahrengrenze für die öffentliche Sicherheit durch die Schwertransportfahrzeuge der Firma „W[…]“ ausgegangen. Die zu einer effizienten Gefahrenabwehr erforderlichen Polizeieinsätze seien aber kausal darauf zurückzuführen gewesen, dass der Widerspruchsführer in der Sache die Transportbegleitungen durch Polizeifahrzeuge (individuell) zurechenbar verursacht gehabt habe, weil er die hierzu jeweils erforderliche Transportgenehmigung bei der Stadt Bautzen beantragt und eingeholt habe. Die polizeilich zur Gefahrenabwehr erforderlichen Transportbegleitungen seien dem nach vom Widerspruchsführer veranlasst worden. Daran ändere auch nichts, dass die Firma „W[…]“ in dem Genehmigungsbescheid im Anschriftenfeld („zur Verfügung von und als Rechnungsempfänger für die Polizei“) aufgeführt sei.

Dies betreffe lediglich das Innenverhältnis der Vertragsparteien. Im Außenverhältnis gelte allein die Kostenpflicht aus § 12 SaarlGebG, welches durch die Aufnahme der Firma „W[…]“ als Rechnungsadressatin in der Genehmigung oder schriftliche Kostenübernahmeerklärung nicht ausgehebelt werden könne. Bei der pflichtgemäßen Auswahl des Kostenschuldners sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich die Firma „W[…]“ in Polen befinde und öffentlich-rechtliche Forderungen wie im vorliegenden Fall in Ermangelung entsprechender zwischen staatlicher Abkommen in Polen nicht vollstreckt werden könnten. Die Polizei befände sich – richtete sie ihre Forderung an die Firma „W[…]“ in Polen – in einer für sie rechtlich ungünstigeren und im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand möglicherweise schwierigeren Position. Somit sei es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie im Rahmen des ihr zustehenden Ermessensspielraums die Kosten für die durchgeführte Polizeimaßnahme dem Widerspruchsführer als verhaltensverantwortlichem Störer in der Rechtsfigur des Zweckveranlassers dem Grunde und der Höhe nach aufbürde.

Hiergegen richtet sich die am 25.06.2012 bei Gericht eingegangene Klage. Die Klägerin wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Sie macht ergänzend dazu geltend, aufgrund der für ausländische Unternehmen schwierigen Antragsverfahren in Deutschland bedienten sich ausländische Speditionen oftmals der Hilfe von sachkundigen Personen, die das Unternehmen bei der Antragstellung unterstützten. Nach der Erteilung einer entsprechenden Genehmigung durch die jeweils zuständige Behörde ende ihre Unterstützung für das jeweilige Speditionsunternehmen. Für die eigentliche Durchführung des Transports sei der jeweilige verantwortliche, im Antrag aufgeführte Disponent des Speditionsunternehmens verantwortlich. Die für die Durchführung der Schwer- und Großraumtransporte erforderliche Begleitung durch die Polizei sei durch das Speditionsunternehmen „W[…]“ selbst beantragt worden. Sie habe weder vom tatsächlichen Zeitpunkt noch von der Art und Weise der konkreten Durchführung der Schwer- und Großraumtransporte Kenntnis gehabt. Des Weiteren verweist die Klägerin auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29.01.2013 – 3 K 1513/12 -. Dort sei ein entsprechender Gebührenbescheid für rechtswidrig erklärt worden.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid des Beklagten vom 05.01.2012 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2012 aufzuheben.

2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, in der Sache könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt auch Zweckveranlasser (= Handlungsstörer gemäß § 4 SPolG) war, da die Eigenschaft als Gebührenschuldner allein auf § 12 Abs. 1 Nr. 1 SaarlGebG beruhe. Die Klägerin sei Antragstellerin der Transportgenehmigungen gewesen und habe damit die Sonderrechtsbeziehung zu den in der Sache involvierten Behörden (wissentlich oder unwissentlich auch zur Vollzugspolizei des Saarlandes) geknüpft und mithin die Amtshandlungen einschließlich der polizeilichen Begleitung des Schwertransports zurechenbar und gebührenrechtlich relevant ausgelöst. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG seien Amtshandlungen insbesondere demjenigen individuell zuzurechnen, der die Amtshandlung beantragt habe. Diese direkte Verknüpfung von Antragstellung und Kostenpflicht sei im Gebührengesetz Baden-Württemberg nicht enthalten. Der Auffassung des VG Freiburg, die polnische Spedition sei von Anfang an in einer den Zurechnungszusammenhang zwischen Kostenschuld und Antragstellung des deutschen Antragstellers unterbrechenden Weise Herrin des Verfahrens, könne nicht gefolgt werden. Der Anfang definiere sich bei genehmigungspflichtigen Großraum- und Schwertransporten immer durch die Antragstellung bei der jeweiligen Straßenverkehrsbehörde.

Ohne Antragstellung und nachfolgende Genehmigung könne der Transport durch die Spedition nicht durchgeführt werden. Durch Einholung der Genehmigung, die den eigentlichen Transport sowohl hinsichtlich des Durchführungszeitpunktes, der Fahrtstrecke, der Abmessungen als auch der erforderlichen Polizeimaßnahmen genau bezeichne, würden eben diese Polizeimaßnahmen beim Transport ausgelöst.

Insofern bestehe nicht nur zur polnischen Spedition, sondern auch zum deutschen Antragsteller eine besondere Beziehung der Behörde, die die Amtshandlung (auch) dem Antragsteller individuell zuzurechnen gestatte. Der Gesetzgeber habe einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen will. Der saarländische Gesetzgeber habe in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG ausdrücklich die Beantragung der gebührenpflichtigen Amtshandlung als individuelles Zurechnungskriterium formuliert. Dies allein rechtfertige vorliegend die Gebührenerhebung. Darüber hinaus sei die gebührenpflichtige Amtshandlung zugunsten des deutschen Antragstellers nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG erfolgt. Der Auffassung des VG Freiburg, dem deutschen Antragsteller sei ein wirtschaftlicher Vorteil nicht spezifisch und individualisierbar zuzurechnen, könne nicht gefolgt werden. Unternehmenszweck des Antragstellers sei die gewinnorientierte Einholung von Genehmigungen für ausländische Spediteure im Bereich Großraum- und Schwertransporte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genüge es für die gebührenrechtliche Heranziehung des Einzelnen, das er durch die öffentliche Leistung einen besonderen tatsächlichen Vorteil erhält. Würden ausländische Spediteure die spezifischen Kenntnisse des inländischen Antragstellers nicht nutzen, ginge dessen Existenzgrundlage verloren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der Entscheidung.

Entscheidungsgründe

[..]

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 05.01.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Klägerin ist zu Unrecht von dem Beklagten als Gebührenschuldnerin für die Begleitung zweier Schwer- und Großraumtransporte durch die Polizei herangezogen worden. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 SaarlGebG ist Kostenschuldnerin oder Kostenschuldner, wem die Amtshandlung oder die Benutzung der im öffentlichen Interesse unterhaltenen Einrichtung des Landes zuzurechnen ist. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG sind individuell zurechenbar insbesondere Amtshandlungen, die beantragt, sonst willentlich in Anspruch genommen oder zugunsten der Leistungsempfängerin oder des Leistungsempfängers erbracht werden. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Entgegen der Ansicht des Beklagten hat die Klägerin die hier in Rede stehenden Amtshandlungen, die polizeiliche Begleitung der Groß- und Schwerraumtransporte der polnischen Firma „W[…]“ am 14.12.2011 und am 21.12.2011, nicht beantragt. Die Klägerin hat zwar bei der Stadt Bautzen den Antrag auf Erteilung der für die Durchführung der Großraum- und Schwertransporte in der Zeit vom 06.12.2011 bis 05.01.2012 gemäß § 29 Abs. 3 StVO erforderlichen Erlaubnis bzw. der Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StVO gestellt. Der Antrag auf Polizeibegleitung durch die saarländische Polizei ist jedoch durch die polnische Firma „W[…]“ erfolgt. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang unwidersprochen vorgetragen, dass ihre Verpflichtungen gegenüber der polnischen Spedition mit der Beantragung und Erteilung der Erlaubnis- bzw. Ausnahmegenehmigung durch die Stadt Bautzen erfüllt gewesen sind. Die Notwendigkeit der Polizeibegleitung ergibt sich zwar aus den mit der eingeholten Genehmigung verbundenen Auflagen. Gleichwohl hat die Klägerin selbst keinen Antrag auf Polizeibegleitung gestellt. Sie wusste nach ihrem unwiderlegbaren und in sich schlüssigen Vorbringen überhaupt nicht, wann die Großraum- und Schwertransporte durchgeführt wurden. Vorliegend ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Genehmigungsbehörde (dem Ordnungsamt der Stadt Bautzen) und dem für die Erhebung der Gebühren für die Polizeibegleitung im Saarland zuständigen Beklagten um zwei verschiedene Behörden in zwei unterschiedlichen Bundesländern handelt, die organisatorisch nicht miteinander verflochten sind. Voraussetzung für die Begründung von Gebührenpflichten ist, dass zwischen der Verwaltungsleistung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, diesem die Amtshandlung individuell zuzurechnen [Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.08.1999 – 8 C 12/98 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom

26.01.2009 – 1 S 1678/07-, jeweils bei juris]. Eine solche Beziehung der Klägerin zu dem Beklagten bestand vor deren gebührenrechtlicher Inanspruchnahme gerade nicht. Hinsichtlich der Amtshandlung, die den Gebührentatbestand ausgelöst hat, ist nur von Seiten der Firma „W[…]“, die mit der Bitte um Polizeibegleitung an den Beklagten herangetreten ist, ein Antrag gestellt worden. Die Klägerin hatte hingegen mit der Beantragung der Polizeibegleitung nichts zu tun.

Dass die Klägerin durch den Antrag auf Erteilung der für die Durchführung des Groß- und Schwertransports erforderlichen Erlaubnis- bzw. Ausnahmegenehmigung erst die Voraussetzungen für die spätere Durchführung des Transports und damit auch die polizeiliche Begleitung geschaffen hat, reicht für eine individuelle Zurechnung nicht aus [Vgl. VG Freiburg, Urteil vom 29.01.2013 – 3 K1513/12 -]. Insbesondere genügt die bloße Ursächlichkeit der Einholung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung – ohne Bewilligung kein von der Polizei begleiteter Groß- und Schwertransport und folglich auch keine Verwaltungsgebühren – für eine Zurechnung nicht. Zwar dürfte im Hinblick auf den für den Groß- und Schwertransport vorgegebenen Fahrweg von Anfang an festgestanden haben, dass eine polizeiliche Begleitung erforderlich sein würde. Andererseits lag nach Einholung der erforderlichen Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung die Entscheidung, ob die Groß- und Schwertransporte in dem von der Erlaubnis bzw. Ausnahmegenehmigung erfassten Zeitraum vom 06.12.2011 bis 05.01.2012 überhaupt durchgeführt werden und wann dies im Einzelnen erfolgt, allein bei der polnischen Firma „W[…]“. Diese hat die für die Erfüllung des Gebührentatbestandes relevante Amtshandlung (die Polizeibegleitung) eigenständig herbeigeführt und damit die Entstehung der Gebühren zurechenbar veranlasst. In Anbetracht des maßgeblichen und aufgrund eigener Entscheidungsgewalt erfolgten Verursachungsbeitrags der polnischen Firma kann eine gebührenrechtliche individuelle Zurechnung der Polizeibegleitung gegenüber der Klägerin nicht angenommen werden.

Des Weiteren ist nicht davon auszugehen, dass die von dem angefochtenen Gebührenbescheid erfassten Leistungen von der Klägerin willentlich in Anspruch genommen oder diese zu ihren Gunsten erbracht wurden (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG). Eine Inanspruchnahme der in der Polizeibegleitung liegenden Leistung durch die Klägerin liegt ersichtlich nicht vor. Die Leistung wurde auch nicht zu ihren Gunsten erbracht. Die Gebühr setzt eine ihr gegenüberstehende Leistung voraus und soll ein finanzieller Ausgleich für diese sein [Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.10.1994 -1 BvL 19/90 -, bei juris]. Die Leistung muss dem Gebührenpflichtigen mit anderen Worten einen größeren Nutzen als der Allgemeinheit bringen  [Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2009 – 2 S 2036/07 -, bei juris]. Auch wirtschaftliche Vorteile können dazu führen, die öffentliche Leistung als im Interesse des Gebührenschuldners erbracht anzusehen. Lediglich mittelbare Vorteile reichen allerdings insoweit nicht aus. Im vorliegenden Fall lag die polizeiliche Begleitung zwar insoweit im Interesse der Klägerin, als sie entsprechende Erlaubnisse und Genehmigungen gewerbsmäßig für Speditionsunternehmen einholt und sie bei Ermöglichung des Transports durch die Polizeibegleitung und Sicherung der Existenz des Speditionsunternehmens auch in Zukunft damit rechnen kann, erneut Aufträge zur Einholung von straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnissen bzw. Ausnahmegenehmigungen zu erhalten. Dies hängt allerdings unter anderem davon ab, ob das betreffende Speditionsunternehmen sich entschließt, die Klägerin erneut zu beauftragen, oder ob dieses die erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen künftig durch eigene Mitarbeiter einholt. Der mit der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung verbundene wirtschaftliche Vorteil kommt der Klägerin danach keineswegs zwangsläufig und unmittelbar zu Gute, sondern hängt von weiteren, durchaus ungewissen Faktoren ab. Ein solcher lediglich mittelbarer, von Entscheidungen anderer abhängiger Vorteil reicht für eine gebührenrechtlich relevante Zurechnung der Polizeibegleitung in dem Sinne, dass diese als zu Gunsten der Klägerin erbracht anzusehen wäre, nicht aus [Vgl. ebenso VG Freiburg, Urteil vom 29.01.2013 – 3 K1513/12 -].

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11,711 ZPO.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da es der Klägerin im Hinblick auf die rechtliche Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Verfahren selbst zu führen.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 52 Abs. 1 und 3, 63 Abs. 2 GKG.“

VG des Saarlandes, Beschluss vom 23.4.2013 – 6 K 589/12

Gerüstbauverträge: Vertragliche Pflichten bei unvorhergesehener Standzeitverlängerung

Durch den Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 11.4.2013 – VII ZR 201/12) wurde zur vertraglichen Auslegung eines Bauvertrages bei einer Überschreitung der geplanten Bauzeit entsprechend den nachfolgenden Leitlinien des BGH entschieden:

BGB §§ 133, 157
a) Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, schuldet ein Gerüstbauer die Vorhaltung des Gerüstes so lange, wie es für die Ausführung der Bauarbeiten am Bauwerk benötigt wird.

VOB/B (2006) § 2 Nr. 3
b) Haben die Parteien eines Gerüstbau- und -Vorhaltevertrages Einheitspreise nach Gerüstmaß und Zeit vereinbart, kann die in den Vertrag von den Parteien einbezogene VOB/B und damit die Vergütungsregelung in § 2 Nr. 3 bei Überschreitung des vertraglichen Zeitmaßes anwendbar sein.

Das Urteil betrifft einen Rechtsstreit zwischen einer Klägerin, die Gerüstarbeiten durchführte, und einer beklagten Gemeinde, welche die Klägerin für den Umbau einer Schule beauftragt hatte. Die Klägerin verlangte eine Restvergütung für das Aufstellen und Vorhalten eines Baugerüsts, während die Beklagte mit einem Schadensersatzanspruch aufrechnete, da die Klägerin das Gerüst abgebaut hatte, obwohl es noch für die Bauarbeiten benötigt wurde.

Die Klägerin hatte das Gerüst bis Juli 2010 aufgestellt und vorgehalten, baute es jedoch ab, obwohl die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen waren. Ein Angebot der Klägerin zur Verlängerung der Gerüststandzeit wurde von der Beklagten nicht angenommen. Die Klägerin legte eine Schlussrechnung vor, die einen noch offenen Restbetrag von 2.161,52 Euro auswies. Die Beklagte rechnete jedoch mit einem Schadensersatzanspruch von 3.228,34 Euro aufgrund des vertragswidrigen Gerüstabbaus auf.

Die Klage der Klägerin wurde in den Vorinstanzen abgewiesen, und die Revision der Klägerin wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) zurückgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin durch die Aufrechnung der Beklagten erloschen war. Die Klägerin hatte das Gerüst vertragswidrig abgebaut und der Beklagten dadurch einen Schaden zugefügt, der ihren Vergütungsanspruch überstieg.

Die Entscheidung des BGH basierte auf der Auslegung des Vertrages zwischen der Klägerin und der beklagten Gemeinde. Der Vertrag sah vor, dass die Klägerin das Gerüst für die Dauer der Bauarbeiten aufstellen und vorhalten sollte. Die Gerichtsentscheidung stellte klar, dass der Zweck des Vertrages darin bestand, die Bauarbeiten an dem Schulgebäude zu ermöglichen, und dieser Zweck konnte nur erfüllt werden, wenn das Gerüst bis zum Ende der Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird, vorgehalten wird.

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin nach dem Inhalt des Vertrages das Gerüst so lange vorhalten musste, wie es die Bauarbeiten am Schulgebäude erforderten. Die Klägerin war daher nicht berechtigt, das Gerüst vorzeitig abzubauen, da es zu diesem Zeitpunkt nach den Feststellungen des Gerichts für die Bauarbeiten noch erforderlich war.

Die Vereinbarung, dass die Einzelfristen des Bauzeitenplans bindende Vertragsfristen sein sollten, hatte nach Ansicht des Gerichts nicht den Sinn, den Zeitraum zu begrenzen, für den das Gerüst vorgehalten werden muss. Daher konnte die Klägerin das Gerüst nicht abbauen, selbst wenn die im Vertrag festgelegte Zeit überschritten wurde, solange das Gerüst für die Bauarbeiten noch benötigt wurde.

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin durch den Abbau des Gerüsts die Erfüllung des Vertrages endgültig verweigert hatte, was zu einem Schadensersatzanspruch der beklagten Gemeinde führte. Daher wurde die Klage der Klägerin abgewiesen.

Vorinstanzen:

Aus den Entscheidungsgründen:

„BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

VII ZR 201/12

in dem Rechtsstreit

[…]

Klägerin und Revisionsklägerin,

[…]

gegen

Gemeinde C[…]

Beklagte und Revisionsbeklagte,

[…]
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11.4.2013 […]

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bautzen vom 6. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der beklagten Gemeinde Restvergütung für das Aufstellen und Vorhalten eines Baugerüstes. Die Beklagte rechnet mit einem die Werklohnforderung übersteigenden Schadensersatzanspruch auf, weil die Klägerin das Gerüst abgebaut hat, obwohl es für die Bauarbeiten noch benötigt wurde.

Die Beklagte beauftragte am 4. September 2009 die Klägerin mit Gerüstarbeiten und der Vorhaltung des Gerüstes für den Umbau einer Schule. Dem Auftrag lag das Angebot der Klägerin zugrunde, in dem die Gebrauchsüberlassung des Gerüstes über die Grundeinsatzzeit hinaus mit Einheitspreisen für die ausgeschriebenen Gerüstteile pro Woche angeboten worden war. Der Vertrag 1 sieht die Geltung der VOB/B vor. Weiter enthält er unter der Rubrik „Fertigstellung der auszuführenden Leistung“ folgende Regelung:

„Schulaltbau/Verbinderbau Beginn: 16.09.09 Ende: 06/2010 Schulergänzungsbau Beginn: 04/2010 Ende: 07/2010 sowie Einzelfristen entsprechend dem beiliegenden Bauablaufplan.“

Im Bauablaufplan ist der Abbau der Gerüste am Schulergänzungsbau für die Zeit vom 16. bis 19. Juli 2010 vorgesehen. In den Besonderen Vertragsbedingungen, die Bestandteil des Auftrags geworden sind, sind die Einzelfristen des Bauablaufplans als Vertragsfristen vereinbart.

Die Klägerin hat die Gerüste aufgestellt und bis Juli 2010 vorgehalten. Mit Schreiben vom 12. Juli 2010 kündigte sie den Abbau der Gerüste in der Zeit vom 16. bis 19. Juli 2010 an und bat um schriftliche Freimeldung oder gegebenenfalls um Bestätigung des diesem Schreiben beigefügten Nachtrags gleichen Datums, der Zulagen zu den verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses vorsah, bis spätestens 14. Juli 2010.

Die Beklagte nahm das Nachtragsangebot nicht an. Daraufhin baute die Klägerin bis zum 19. Juli 2010 sämtliche Gerüste ab und legte Schlussrechnung über 11.150,19 € mit einem noch offenen Restbetrag von 2.161,52 €. Das ist die Klageforderung. Die Beklagte hat mit angeblichen Schadensersatzansprüchen wegen des nach ihrer Auffassung vertragswidrigen Gerüstabbaus in Höhe von 3.228,34 € aufgerechnet.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Restforderung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Restvergütung wegen der erfolgreichen Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen aus dem vorzeitigen Abbau der Gerüste zum 19. Juli 2010 nicht zu.

Der Klägerin habe zwar ein fälliger Anspruch auf Zahlung von restlicher Vergütung in Höhe von 2.161,52 € zugestanden. Dieser sei jedoch durch Aufrechnung der Beklagten mit dem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung in Höhe von 2.240,64 € erloschen. Die Klägerin habe die von ihr geschuldete Leistung nicht vollständig erbracht, der Gerüstabbau am 19. Juli 2010 stelle eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung dar, so dass es einer Fristsetzung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht bedurft habe (§§ 280, 281 BGB).

Die Klägerin habe sich vertraglich dazu verpflichtet, für das beabsichtigte Bauvorhaben des Schulumbaus die erforderlichen Gerüstbauarbeiten vorzunehmen, wozu auch gehöre, die erforderlichen Gerüste während der gesamten Bauarbeiten zur Verfügung zu stellen. Dies ergebe die Auslegung des Vertrages unter Berücksichtigung seiner Eigenart als Werkvertrag sowie des für beide Seiten erkennbaren Zwecks der vertraglichen Leistung. Die Gerüstvorhaltung sei nicht lediglich bis zum 19. Juli 2010 vereinbart gewesen. Das Gerüst habe den Zweck erfüllen sollen, diejenigen Baumaßnahmen im Rahmen des Schulumbaus zu ermöglichen, für welche ein Gerüst benötigt wurde. Mit der 7 Vereinbarung der Fristen des Bauzeitenplans als Vertragsfristen wolle der Bauherr lediglich Verzugsvoraussetzungen schaffen, nicht aber zum Ausdruck bringen, dass eine bestimmte Leistung, wenn das Baugeschehen sich anders entwickele und die Leistung „außerhalb“ des dafür vorgesehenen Zeitraums im Bauzeitenplan erbracht werden müsse, nicht mehr erbracht werden müsste. Auch die Gestaltung des Vertrages als Einheitspreisvertrag spreche für diese Auslegung. Die Verlängerung der Gerüststandzeiten über die im Vertrag vorläufig angesetzten Gerüststandzeiten hinaus sei ein Fall des § 2 Nr. 3 VOB/B. Die Klägerin selbst habe im April 2010 zwei Nachträge über § 2 Nr. 3 VOB/B abgerechnet. Die Klägerin sei daher ohne weiteres – auch ohne das Erfordernis einer Anordnung nach § 1 Nr. 4 VOB/B – zur weiteren Vorhaltung der Gerüste verpflichtet gewesen.

Die Beklagte habe durch die Pflichtverletzung der Klägerin einen Schaden in Höhe von zumindest 2.240,64 € erlitten.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Der der Klägerin zustehende Vergütungsanspruch ist durch die Aufrechnung der Beklagten erloschen. Die Klägerin hat das Gerüst vertragswidrig abgebaut und der Beklagten dadurch einen Schaden zugefügt, der ihren Vergütungsanspruch übersteigt.

1. Ob die Klägerin berechtigt war, das Gerüst bis zum 19. Juli 2010 abzubauen, hängt davon ab, wie die vertragliche Vereinbarung, das Gerüst aufzubauen und für das Bauvorhaben vorzuhalten, unter Berücksichtigung der als Vertragsfristen im Bauzeitenplan vorgesehenen Einzelfristen auszulegen ist. 11 Die Auslegung der insoweit getroffenen Vereinbarungen obliegt dem Tatrichter. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 67/11, BGHZ 192, 172 Rn. 12; Urteil vom 22. Juli 2010 – VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 Rn. 13 m.w.N.).

2. Das Berufungsgericht hat den Vertrag dahin ausgelegt, dass die Klägerin die Vorhaltung des Gerüstes so lange schuldete, wie es für die Ausführung der Arbeiten am Schulgebäude benötigt wurde und die Parteien dafür eine Vergütung vereinbart haben, die nach Zeiteinheiten bemessen war. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

a) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Gerüstbau- und -vorhaltevertrag dem Zweck diente, die Bauarbeiten an dem Schulgebäude zu ermöglichen und dieser Zweck nur erfüllt werden konnte, wenn das Gerüst bis zum Ende der Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird, vorgehalten wird. Es hat daraus zutreffend den Schluss gezogen, dass das Gerüst nach dem Inhalt des Vertrages so lange vorgehalten werden musste, wie es die Bauarbeiten am Schulgebäude (hier: Schulergänzungsbau) erforderten. Diese Auslegung lässt Verstöße gegen anerkannte Auslegungsregeln nicht erkennen. Sie ist auch interessengerecht, denn die Beklagte hatte ein auch für die Klägerin erkennbar nachhaltiges Interesse daran, dass diese vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung nicht berechtigt ist, das Gerüst schon zu einem Zeitpunkt abzubauen, in dem es noch benötigt wird, oder das weitere Vorhalten des Gerüstes von einer neuen Vereinbarung über die Vergütung abhängig zu machen.

b) Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, dass der Vertrag die Fertigstellung der Leistung bis zum Juli 2010 und der Bauzeitenplan den Abbau des Gerüstes bis zum 19. Juli 2010 vorsahen und die Einzelfristen des Bauzeitenplans als Vertragsfristen vereinbart worden waren. Seine Auslegung, daraus folge nicht, dass das Gerüst ungeachtet des Baufortschritts abgebaut werden könne, ist nicht zu beanstanden. Sie allein trägt dem Zweck des Vertrages Rechnung. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, hat die Vereinbarung, die Einzelfristen des Bauzeitenplans sollten bindende Vertragsfristen sein, nicht den Sinn, den Zeitraum zu begrenzen, für den das Gerüst vorgehalten werden muss. Die zur Fertigstellung der Leistung getroffenen Vereinbarungen lassen sich deshalb nicht dahin auslegen, dass der Auftragnehmer auch dann berechtigt ist, das Gerüst bis zum 19. Juli 2010 abzubauen, wenn es für die Baumaßnahmen noch benötigt wird.

c) Die Erwägung des Berufungsgerichts, mit der Erhebung der Einzelfristen des Bauzeitenplans zu Vertragsfristen habe die Beklagte bezweckt, die Voraussetzungen für einen Verzugsanspruch zu schaffen, ist nicht zu beanstanden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Auftraggeber in ihren Vertragsbedingungen Fristen des Bauzeitenplans zu Vertragsfristen erheben, um unabhängig von einer Mahnung Verzugsansprüche geltend machen zu können. Darüber hinaus hat die Vereinbarung der Fertigstellungs- und Abbaufristen noch eine andere Bedeutung. Die Parteien haben für die Vorhaltung des Gerüstes über die Grundstandzeit hinaus nach Wochen bemessene Einheitspreise und zudem die Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B vereinbart. Nach der gleichfalls nicht zu beanstandenden Auslegung des Berufungsgerichts ist die Klägerin aufgrund dieser Vereinbarung berechtigt, bei einer Überschreitung des vertraglichen Zeitansatzes von über zehn Prozent eine Anpassung der Vergütung unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu verlangen. Der vertragliche Zeitansatz ergibt sich aus den Daten des Bauzeitenplans für den Abbau des Gerüstes. Die 17 Klägerin hat das nicht anders gesehen und für den Altbau eine verlängerte Standzeit entsprechend abgerechnet sowie zudem einen Mehrvergütungsanspruch auf dieser Grundlage für den Ergänzungsbau geltend gemacht. Die Rüge der Revision, § 2 Nr. 3 VOB/B sei nur bei Mengenveränderungen anwendbar, berücksichtigt nicht, dass die von den Parteien getroffene Einheitspreisvereinbarung im Vordersatz auch eine Zeiteinheit beinhaltet.

3. Haben die Parteien vereinbart, dass das Gerüst so lange vorzuhalten ist, wie es benötigt wird, war die Klägerin nicht berechtigt, es am 19. Juli 2010 abzubauen. Denn zu diesem Zeitpunkt war das Gerüst nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für die Bauarbeiten noch erforderlich. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Sachvortrag der Klägerin übergangen, das Gerüst sei nicht mehr benötigt worden, geht fehl. Das Amtsgericht hat über diese Behauptung Beweis erhoben und die Beweise zu Lasten der Klägerin gewürdigt. Das Landgericht hat auf die Bindung an die insoweit getroffenen Feststellungen, § 529 ZPO, hingewiesen. Im Übrigen wäre das Angebot der Klägerin, das Gerüst zu anderen Bedingungen weiter zur Verfügung zu stellen, sinnlos gewesen, wenn es nicht mehr benötigt worden wäre.

4. Unerheblich ist nach allem, ob der von den Parteien geschlossene Vertrag über den Aufbau des Gerüstes und dessen Vorhaltung als Werkvertrag, Mietvertrag oder als Vertrag einzuordnen ist, der sowohl werkvertragliche als auch mietvertragliche Elemente aufweist. Denn die Frage, wie lange die Vorhaltung des Gerüstes geschuldet ist und welche Vergütung bzw. Miete für den Fall zu zahlen ist, dass eine vertraglich vorgesehene Zeit überschritten wird, ist unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Vertrages zu beantworten. Auch der Mietvertrag lässt eine Vereinbarung zu, nach der die Überlassung solange geschuldet wird, wie sie benötigt wird, und der Mieter eine Anpassung der Miete unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten verlangen kann, wenn der vertragliche Zeitansatz für die Überlassung um zehn Prozent überschritten wird. 19 5. Die Erwägung des Berufungsgerichts, mit dem Abbau des Gerüstes habe die Klägerin die Erfüllung des Vertrages endgültig verweigert, lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

6. Die von der Revision zur Höhe des bei der Beklagten entstandenen Schadens erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.“

BGH, Urteil vom 11.4.2013 – VII ZR 201/12

Haftung einer Pflegeeinrichtung bei einem unbeaufsichtigten, geistig behinderten Menschen in einem Badezimmer

Nach dem Urteil des Landgerichts Görlitz (LG Görlitz, Urteil vom 15.3.2013 – GR 1 O 373/09) haftet die Betreiberin einer Pflegeeinrichtung für geistig behinderte Menschen für gesundheitliche Schäden eines Patienten, wenn eine Pflegekraft einen geistig behinderten Menschen in einem Badezimmer unbeaufsichtigt zurücklässt und er dort in dieser Zeit verletzt wird.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

A[…]

v.d.d. Vorstand, d.v.d.d.Vorstandsvorsitzenden

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

A[…]

vertreten durch den Vorstand

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

Klinikum […]

v.d.d. Geschäftsführer

– Nebenintervenientin –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch

Richter am Landgericht […] als Einzelrichter

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2013 am 15.03.2013

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 284.921, 34 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 (BGBl. I S. 1242) aus 284.443,36 Euro seit dem 07.06.2007 und aus 477,98 Euro ab 06.11.2009 zu zahlen.
  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren materiellen Schäden, die Zukunft aus dem Vorfall vom 03.10.2006 im Pflegeheim E[…] entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche auf sie als Sozialversicherungsträger übergehen.
  3. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin 3.275,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 (BGBl. IS. 1242) hieraus seit dem 06.11.2009 zu zahlen.
  4. Die Nebenintervenientin trägt die Kosten ihrer Nebenintervention und die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  5. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 580.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung darf auch im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO erbracht werden.

Beschluss:

Der Streitwert des Rechtsstreits wird wie folgt festgesetzt:

1. Klagantrag zu Ziffer 1: 284.921,34 Euro

2. Klagantrag zu Ziffer 2: 3.200,00 Euro.

Tatbestand:

Die klagende Krankenversicherung des geistig behinderten Mitglieds verlangt im Regresswege vom beklagten Träger eines Alten- und Pflegeheims Schadensersatz der aufgewendeten Heilbehandlungskosten, nachdem ihr geistig behindertes Mitglied sich in einem unbeaufsichtigten Moment in der Badewanne im Alten- und Pflegeheim der Beklagten schwere Brandverletzungen durch einlaufendes heißes Wasser zugezogen hat.

Die Klägerin ist die gesetzliche Krankenversicherung des am […] geborenen […] H[…] (im Folgenden: Geschädigter). Der Geschädigte ist geistig behindert. Er leidet unter einer schweren Intelligenzminderung mit deutlichen Verhaltensstörungen (ICD: 10 F 72.1).

Die Beklagte ist Trägerin eines Alten- und Pflegeheims in […]. Der Geschädigte war seit 01.08.1980 im Heim, auch der Rechtsvorgängerin der Beklagten, zur pflegerischen Betreuung untergebracht. Zur Unterbringung des Geschädigten wurde zwischen seiner Betreuerin, seiner Mutter, Frau […] H[…], und der Beklagten am 28.09.1998 ein Heimvertrag geschlossen. Wegen seines Inhalts wird auf diesen Bezug genommen (Anlage K 1 = Blatt 58 bis 71). Der Geschädigte wurde dort in die Pflegestufe II (schwerpflegebedürftig) eingestuft. Zum Unfallzeitpunkt unterhielt die Beklagte in […] ein Seniorenpflegeheim mit einer Abteilung für Insassen mit psychischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen. Die Betroffenen war in einem Haus der Anlage zusammen untergebracht, und zwar mit einer Anzahl von etwas mehr als 40 Personen.

Am Nachmittag des 03.10.2006, gegen 14.30 Uhr, erlitt der Geschädigte einen Unfall. An diesem Tag hatte die Zeugin […] S[…] Dienst. Mit ihr waren anwesend als Dienstpersonal die Zeugin […] C[…], die ihr freiwilliges soziales Jahr in der Einrichtung absolvierte und der Zivildienstleistende und Zeuge […] G[…]. Die Zeugin […] S[…] arbeitete seit 1993 im Pflegeheim der Beklagten und seit 2003 in der Einrichtung für körperlich und geistig Behinderte. Sie ist ausgebildete Altenpflegerin. In dem Bad war zum Unfallzeitpunkt ein Durchlauferhitzer zur Warmwasseraufbereitung installiert mit einer Systemtemperatur von 60 Grad Celsius. An der Badewanne war ein Thermostatmischer installiert, an dem sich die Wassertemperatur an einem Drehknopf verstellen lässt. Der Unfallverlauf ist teilweise streitig zwischen den Parteien. Unstreitig wies die Zeugin […] S[…] den Geschädigten im dortigen Bad an, sich auszuziehen, was der Geschädigte in der Regel selbst bewerkstelligen konnte, ließ ihn dann aber allein im Bad zurück, um Sachen für ihn zu holen. Ihre Rückkehr verzögerte sich, da sie ein Herr L[…] über die Klingel gerufen hatte. Als die Zeugin […] S[…] danach in das Badezimmer zurückkehrte, stand der Geschädigte in der Wanne und das Wasser lief ein. Die Zeugin stellte fest, dass das einlaufende Wasser sehr heiß war und holte den Geschädigten sofort aus der Wanne heraus und leistete Erste-Hilfe-Maßnahmen ein. Laut dem ärztlichen Bericht vom 27.02.2007 des Klinkum […] (Anlage K3 = Blatt 43/46) erlitt der Geschädigte Verbrühungen 3. Grades an Fußrücken, Fersen, Zehen und distalem Unterschenkel beidseitig von ca. 11 % der Körperoberfläche. Eine völlige Wiederherstellung des Geschädigten sei aufgrund der Narbenbildung nicht zu erwarten. Der Geschädigte wurde im Anschluss an den Vorfall zur Erstversorgung mit einem Rettungswagen in das Krankenhaus […] gebracht. Dort wurde er noch am selben Tag entlassen. Wegen einer Verschlechterung des Gesundheitszustands des Geschädigten wurde dieser am 10.10.2006 zunächst wieder in das Krankenhaus […] eingewiesen und von dort am 11.10.2006 in das Brandverletzungszentrum der Spezialklinik […] in Leipzig verbracht.

Gegen die Zeugin […] S[…] wurde von der Staatsanwaltschaft Görlitz ein Ermittlungsverfahren (Az.: […]) eingeleitet. Die Akte des Ermittlungsverfahren wurde beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Nach Anklageerhebung gegen die Zeugin wurde das Strafverfahren gegen sie in der Hauptverhandlung vor dem AG Zittau vom 22.11.2007 gegen eine Geldbuße in Höhe von 500,00 Euro zunächst vorläufig und später endgültig eingestellt.

Die Klägerin bringt vor, dass die Beklagte durch einen Sorgfaltspflichtverstoß die Verletzungen des Geschädigten und die damit einhergehenden Behandlungskosten jedenfalls in haftungsrelevanter Weise mitverursacht hätte. Dabei könne es dahinstehen, wie der Unfall geschehen sei. Für die in Betracht kommenden Ursachen des Unfalls, nämlich das die Zeugin […] S[…] einen Fehler beim Einlassen des Wassers gemacht habe, der Geschädigte selbst oder der Heiminsasse F[…] das Wasser eingelassen hätten und an dem Thermostat eine zu hohe Temperatur eingestellt hätten, sei die Beklagte haftungsrechtlich verantwortlich.

Man hätte den stark geistig behinderten und deshalb handlungs- und hilflosen Geschädigten nicht für den Zeitraum, der für die Verbrennungen mit heißem Wasser erforderlich gewesen sei, alleine im Bad lassen dürfen. Durch die Behandlung seien der Klägerin Kosten in Höhe der Aufstellung in der Anlage K 9 (Blatt 53, 54) in Höhe von 284.921,34 Euro entstanden. Wegen der Einzelheiten wird die Anlage Bezug genommen. Da nach dem ärztlichen Befund die Behandlung des Geschädigten nicht abgeschlossen sei, könne die Feststellung beantragt werden, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin alle weiteren materiellen Schäden zu erstatten, soweit die Ansprüche auf sie übergehen. Außerdem stünde der Klägerin gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.275,00 Euro gemäß der Berechnung in der Klageschrift (Seite 21 = Blatt 21) zu.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.


Die Beklagte bringt im Wesentlichen vor, dass keine haftungsrechtlich relevante Pflichtverletzung der Beklagten vorliegen würde. Der Geschädigte habe aus Sicht der Zeugin […] S[…] am Unfalltag für einen kurzen Augenblick im Bad alleine gelassen werden können, weil nicht zu erwarten gewesen sei, dass dieser selbst oder ein Dritter zu heißes Wasser in die Badewanne einlässt. Der Geschädigte habe seit 28 Jahren in der Einrichtung gelebt. Er hätte Vorrichtungen des täglichen Lebens, wie essen, trinken, Toilettengänge, aus- und ankleiden selbstständig durchführen können. Er hätte auch besondere Fertigkeiten an den Tag gelegt und sich zum Beispiel Geburtsdaten des Pflegepersonals merken können. Er sei gut lenkbar und ruhig gewesen und von ihm seien keinerlei Gefahren für sich selber oder andere ausgegangen. Den Wasserhahn hätte er nie selbstständig betätigt. Es seien keine Erfahrungen vom Pflegepersonal gemacht worden, dass er etwas „auf eigene Faust“ unternimmt. Die Zeugin S[…] hätte den Geschädigten maximal 5 Minuten im Bad alleine gelassen. Der geltend gemachte Schaden werde bestritten. Ein Feststellungsintereresse für den Feststellungsantrag bestehe nicht. Nach den Umständen sei davon auszugehen, dass die vom Geschädigten erlittenen Brandverletzungen im Rahmen der Erstversorgung durch die Ärzte der Nebenintervenientin, dem Klinikum […], fehlerhaft behandelt worden seien. Deshalb hat die Beklagte der Nebenintervenientin den Streit verkündet.

Die Nebenintervenientin ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bringt im Wesentlichen vor, dass die Ärzte der Nebenintervenientin bei der Behandlung des Geschädigten keinen Behandlungsfehler begangen hätten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Nebenintervenientin vom 22.04.2010 (Blatt 101/108) Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben. Auf den Beweisbeschluss vom 14.05.2010 (Blatt 110/112), das Gutachten des Dr.-Ing. H[…] vom 23.03.2011 (Blatt 180/186), das Gutachten des Prof. Dr. H[…] vom 05.05.2011 (Blatt 201/216), das Gutachten des Privatdozenten Dr. S[…] vom 27.06.2012 (Blatt 269/293) und das Protokoll der Beweisaufnahme vom 28.01.2013 (Blatt 330/343) wird Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist begründet.

1.

Ein Feststellungsinteresse der Klägerin für ihren Klagantrag zu Ziffer 2 im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO hält das Gericht für gegeben. Nach dem von der Klägerseite vorgelegten ärztlichen Bericht vom 27.02.2007 (Anlage K3 = Blatt 43/46) ist die Behandlung des Geschädigten noch nicht abgeschlossen. Aufgrund der erlittenen Verletzungen des Geschädigten ist auch nach Einschätzung des Gerichts zu erwarten bzw. nicht ausgeschlossen, dass weitere Behandlungskosten der Klägerin durch den Unfall des Geschädigten entstehen.

2.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 284.921,34 Euro für verauslagte Behandlungskosten der Klägerin für ihr Mitglied, dem am […] geborenen […] H[…], wegen dessen Unfalls am 03.10.2006 im Senioren- und Pflegeheim der Beklagten in […] aus übergegangenem Recht gemäß §§ 280, 823 Abs. 1, 249 ff. BGB zu. Auch ist die Klage bezüglich der Feststellung des materiellen Vorbehalts begründet.

a)

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Geschädigte am Unfalltag und zur Unfallzeit jedenfalls solange in der Badewanne stand und bereits das Wasser einlief, dass er Verbrühungen 3. Grades am Fußrücken, den Fersen, den Zehen und den distalen Unterschenkeln beidseitig von ca. 11 % Körperoberfläche erlitten hat. Wie lange er sich allein im Bad nach Minuten befand und wer das Wasser einlaufen ließ und wer den Thermostatmischer in der möglicherweise voreingestellten Temperatur von nur 38 Grad auf höhere Werte eingestellt hat, lässt sich nicht mehr feststellen. Die Möglichkeit, dass die Zeugin […] S[…] eine Pflichtverletzung dadurch begangen hat, dass sie versehentlich zu heißes Wasser einlaufen ließ und den Raum verließ, als der Geschädigte bereits in der Badewanne stand, ist widerlegt, weil die Zeugin […] S[…] dies nicht derart eingeräumt hat und es zu dem konkreten Unfallhergang keine vernehmbaren weiteren Zeugen gibt. Der Geschädigte ist geistig behindert und kann sich zu dem Unfallgeschehen nicht äußern und der Zeuge F[…] ist wohl ebenfalls behindert und außerdem nicht in der Lage zu sprechen oder sich sonst wie zu erklären.

b)

Die Sanitärinstallation in dem Badezimmer war allerdings zum Unfallzeitpunkt nicht zu beanstanden und verstieß, was ihre Installation betraf, nicht gegen Vorschriften der Heimmindestbauverordnung oder gegen die Planungsgrundlagen für Altenpflegeeinrichtungen in Sachsen oder anderen technischen Vorschriften. Dies entnimmt das Gericht aus dem eingeholten Sachverständigengutachten des Dr.-Ing. H[…] vom 23.03.2011. Dieser hat in seinem Gutachten für das Gericht nachvollziehbar ausgeführt, dass die Warmwasseranlage für die Pflegewanne zum Unfallzeitpunkt im Heim der Beklagten ordnungsgemäß errichtet war. Sie entsprach den Anforderungen des gültigen Vorschriftenwerks. Eine Temperaturbegrenzung im Durchlauferhitzer auf unter 60 Grad sei nicht zulässig, weil dies die Mindesttemperatur sei, um das Legionellenwachstum zu begrenzen.

c)

Mit der Klägerseite geht das Gericht davon aus, dass schon das Alleinelassen des Geschädigten unbeaufsichtigt im Bad eine Pflichtverletzung darstellt. Im Rahmen des hier geschlossenen Heimvertrags und im Rahmen einer Garantenstellung des Pflegepersonals kann sich die Verpflichtung ergeben, dem Geschädigten vor besonderen Gefahren zu bewahren. Hier ergibt sich diese Verpflichtung aus der Hilflosigkeit und der fehlenden Reaktions- und Steuerfähigkeit des Geschädigten sich in Gefahrensituationen adäquat bzw. vernünftig zu verhalten. Der Geschädigte leidet nach dem eingeholten Sachverständigengutachten des Prof. Dr. H[…] vom 05.05.2011, aber auch nach dem weiteren Gutachten des Privatdozenten Dr. S[…] vom 27.06.2012 und dem Ergebnis seiner persönlichen Anhörung am 28.01.2013 an einer schweren Intelligenzminderung mit deutlichen Verhaltensstörungen. Nach seiner persönlichen Untersuchung des Geschädigten und auch nach der Verwertung der Aussagen des Pflegepersonals der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2013 kommt der Sachverständige Dr. S[…] zu dem für das Gericht nachvollziehbare und überzeugen de Ergebnis, dass der Geschädigte nicht in der Lage war, selbstständige Entscheidungen zu treffen und auf Gefahrensituationen adäquat zu reagieren. Der Geschädigte weiß nicht, was konkret vorgeht, wie man zum Beispiel Badarmaturen bedient und wie man reagiert, wenn etwas schief läuft. Der Geschädigte ist insoweit noch nicht einmal mit einem Kleinkind zu vergleichen, welches in einer entsprechenden Situation aus einem natürlichen Instinkt heraus, die Badewanne verlassen würde. Demgemäß kommt es im vorliegenden Fall darauf an, ob trotz der konkreten Gefahrensituation am 03.10.2006 im Pflegeheim der Beklagten es dem pflegerischen Ermessen entsprochen hat, den Geschädigten im Bad alleine zu lassen. Nach der durch die durchgeführte Beweisaufnahme herbeigeführte Überzeugung des Gerichts hätte der Geschädigte für den Zeitraum der zur Herbeiführung der Verbrennungen ausgereicht hat, von der Zeugin […] S[…] im Bad nicht alleine gelassen werden dürfen. Zwar ist das Strafverfahren gegen die Zeugin […] S[…] wegen geringer Schuld eingestellt worden, was nach Einschätzung des Gerichts auch folgerichtig ist, denn die individuelle Schuld der Zeugin ist als gering anzusehen. Sie ist keine ausgebildete Fachkraft im Umgang mit geistig Behinderten und hatte am Unfalltag mehr als 40 Heiminsassen zu betreuen und ihrer Wahrnehmung für Gefahren bezüglich des Geschädigten war möglicherweise getrübt. Denn über mehrere Jahre war ja nichts passiert bei der Betreuung des Geschädigten und dieser schien einen eigenen Tagesablauf zu haben. Im Zivilverfahren gilt indessen ein objektiv abstrakter Sorgfaltsmaßstab (vgl.: BGHZ 39, 283 ). Erforderlich ist danach das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten ist (vgl.: BGH NJW 1972, 151). Den Bekundungen des Sachverständigen Dr. S[…] bei seiner persönlichen Anhörung entnimmt das Gericht insoweit nachvollziehbar, dass geschultes Pflegepersonal für geistig Behinderte Gefahren, wie die vorliegend realisierte, erkennen und vermeiden muss. Objektiv bedeutet das hier, dass die Zeugin […] S[…] den Geschädigten nicht indem Bad alleine lassen durfte, denn, anders als ein gesunder Mensch, war der Geschädigte nicht in der Lage, Gefahren von sich selbst abzuwenden und im Bad gibt es mit dem bis zu 60Grad heißen Wasser eine Gefahrenquelle.

Die Voraussetzungen für die Annahme eines, wenn auch geringen Verschuldens, liegen nach Auffassung des Gerichts vor. Es war für die Zeugin […] S[…] voraussehbar, dass der Geschädigte sich in der Zeit ihrer Abwesenheit verletzen konnte. Denn dass dort ein Heißwasseranschluss war, wusste sie und auch, dass die Thermostate an der Badewanne nicht auf eine geringe Wassertemperatur technisch begrenzt waren. Den genauen Unfallverlauf musste sie in ihren Einzelheiten nicht voraussehen (vgl. BGHZ57, 33; 59, 39; NJW RR 1993, 346; 2006, 965). Sie hätte den Unfall auch ohne Weiteres vermeiden können, indem sie den Geschädigten wieder aus dem Bad geführt hätte und das Bad abgeschlossen hätte. Inwieweit hier möglicherweise ein Dritter, zum Beispiel der Zeuge F[…] das Wasser eingelassen hat, ist unerheblich. Denn auch damit muss das Pflegepersonal rechnen und auch dieser Umstand ändert nichts daran, dass der Geschädigte in einer solchen Situation hilflos ist und nicht adäquat auf Gefahren reagieren kann.

Selbst wenn man annähme, dass die Zeugin […] S[…] am Unfalltag[…] nach ihren eigenen Möglichkeiten gehandelt hat und Handlungsalternativen für sie subjektiv nicht vorhanden gewesen seien, so träfe die Beklagte auch dann die Verantwortung für den Unfall, weil sie in ihrer Einrichtung geistig Behinderte durch Personal betreuen läßt, welches nach seiner Ausbildung für die Betreuung solcher Insassen nicht geeignet ist. Die Zeugin […] S[…] war hier nicht in der Lage realistisch einzuschätzen, zu welchen Leistungen der Geschädigte fähig war und zu welchen nicht. Dies gilt im Übrigen für das gesamte in der Beweisaufnahme vom 28.01.2013 als Zeugen gehörte Pflegepersonal der Beklagten. Nach den Bekundungen der Zeugen war der Geschädigte gut führbar und er wurde deshalb oft sich selbst überlassen, obwohl nach den Bekundungen des Sachverständigen Dr. S[…] der Geschädigte wegen seiner schweren geistigen Behinderung mit deutlichen Verhaltensstörungen keine höheren geistigen Anforderungen genügende Tätigkeiten ausführen konnte. Der Geschädigte ist in für ihn unbekannten und gefährlichen Situationen hilflos und es hängt vom Zufall ab, ob er sich schädigt oder nicht. Dem muss dann aber von Seiten des Heimes Rechnung getragen werden dadurch, dass das geschulte Personal Gefahren erkennt und den Geschädigten diesen Gefahren nicht aussetzt, was indessen hier am Unfalltag nicht geschehen ist.

d)

Nach Auffassung des Gerichts hat die Klägerin ihren Schaden ausreichend dargelegt. Soweit die Beklagte ihn bestreitet, ist dies vorliegend unbeachtlich. Die Klägerin hat eine substantiierte Aufstellung ihrer Behandlungskosten vorgelegt. Eine Beweisaufnahme diesbezüglich wäre eine unnötige Förmelei.

e)

Der Schaden der Klägerin ist vorliegend auch nicht dadurch begrenzt, dass die Beklagte den Vorwurf erhebt, die Kosten werden unnötig durch Fehlbehandlungen der Nebenintervenientin entstanden. Selbst wenn dies so wäre, würde dies den Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten in der Höhe nicht mindern. Denn grundsätzlich trägt der Schädiger auch das Risiko für Fehlbehandlungen und ist diesbezüglich zum Kostenersatz verpflichtet.

Gegebenenfalls ist der Beklagten insoweit die Möglichkeit eröffnet, bei der Nebenintervenientin Regress zu nehmen.

3.

Die zugesprochenen Zinsen und vorgerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.275,00 Euro stehen der Klägerin gegenüber der Beklagten wegen Zahlungsverzugs gemäß §§ 284 ff., 286, 288 Abs. 1, 247 Abs. 1 BGB zu.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO. Die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§709 Satz 1.“

LG Görlitz, Urteil vom 15.3.2013 – GR 1 O 373/09

Kostenerhebung für Genehmigungen: Keine Gebührenpflicht für Vermittler bei ausländischen Speditionen

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg (VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12) darf eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen eines ausländischen Speditionsunternehmens in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen. Dieses Urteil basiert auf der Feststellung, dass der Unternehmer lediglich als Vermittler agiert und nicht als direkter Nutznießer der genehmigten Maßnahmen. Die Kostenpflicht muss dem tatsächlichen Nutznießer, in diesem Fall dem ausländischen Speditionsunternehmen, zugerechnet werden. Der Unternehmer, der die Anträge stellt, trägt keine direkte Verantwortung für die Kosten der durchgeführten Handlungen.

Urteile, wonach eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen für ein ausländisches Speditionsunternehmen in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen kann:
VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 589/12; VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 588/12; VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Im Namen des Volkes
Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

T[…],

vertreten durch den Inhaber […],

[…]

– Klägerin –

prozessbevollmächtigt:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstr. 15, 02625 Bautzen, Az: […]

gegen

Land Baden-Württemberg,

dieses vertreten durch das Regierungspräsidium Freiburg,

– Landespolizeidirektion –

[…]

– Beklagter –

wegen Gebühren

hat das Verwaltungsgericht Freiburg – 3. Kammer – durch den Richter am Verwaltungsgericht […] als Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung

vom 29. Januar 2013

für Recht erkannt:

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.08.2013 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Das vom Kläger betriebene Unternehmen unterstützt Speditionen bei der Durchführung von Großraum- und Schwertransporten sowie von Transporten gefährlicher oder gefährdeter Güter auf der Straße in Deutschland. Seine Dienstleistungen werden auch von ausländischen Speditionen in Anspruch genommen, die mit den Rechtsverhältnissen in Deutschland und den bei der Stellung der jeweils erforderlichen Anträge zu beachtenden Anforderungen nicht ausreichend vertraut sind.

Auf Antrag des Klägers erteilte die Stadt Bautzen am […].2012 die Erlaubnis gemäß § 29 Abs. 3 StVO sowie eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StVO zur Durchführung eines Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ von S[…] nach F[…]. Der Großraum und Schwertransport fand tatsächlich am 31.07.2012/01.08.2012 statt.

Mit Bescheid vom 03.08.2012 setzte das Regierungspräsidium Freiburg – Landespolizeidirektion – gegen den Kläger für die Begleitung des Großraum- und Schwertransports am 31.07.2012 von S[…] bis zur Autobahnanschlussstelle L[…] gestützt auf die Verordnung des Innenministeriums über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Innenministeriums und des Landesbeauftragten für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich – GebVO IM – vom 12.07.2011 eine Gebühr i. H. v. insgesamt 83 € fest, und zwar gestützt auf Nr. 15.1.1 des zugehörigen Gebührenverzeichnisses über 25 € für die Planung und Vorbereitung der polizeilichen Begleitung des Großraum- und Schwertransports sowie nach Nr. 15.1.2 des Gebührenverzeichnisses über 58 € für die tatsächliche polizeiliche Begleitung (2 x 29 € je angefangene Halbestunde und eingesetztem Beamten).

Der Kläger hat am 07.08.2012 verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Er macht geltend, er habe die polnische Spedition nur bei der Einholung der für den Großraum- und Schwertransport erforderlichen Genehmigung unterstützt. Mit deren Erteilung durch die Stadt Bautzen sei seine Tätigkeit beendet gewesen. Für die eigentliche Durchführung des Transports sei der Disponent der polnischen Firma verantwortlich gewesen, der auch die erforderliche Polizeibegleitung beantragt habe. Er, der Kläger, sei weder über den Zeitpunkt noch die konkreten Umstände des Großraum- und Schwertransports informiert gewesen. Daher sei er auch nicht Schuldner der Gebühren für die Planung, Vorbereitung und Durchführung des Polizeieinsatzes zu dessen Begleitung. Insbesondere sei ihm diese öffentliche Leistung nicht im Sinne des allenfalls in Betracht kommenden §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 LGebG zuzurechnen. Die Stellung des Antrags auf Erteilung der erforderlichen Genehmigung bei der Stadt Bautzen reiche für die Zurechnung nicht aus. Bei einfacher gelagerten Sachverhalten werde der Antrag von einem Mitarbeiter des Speditionsunternehmens gestellt. Diesem würden die Gebühren für die Polizeibegleitung auch nicht auferlegt. Für ihn, den Kläger, könne nichts anderes gelten. – Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Freiburg habe er in dem Antrag auf Erteilung der Genehmigung für den Großraum- und Schwertransport auch nicht die Übernahme der Haftung für dadurch verursachte Schäden erklärt. Bei der Haftungserklärung im Antrag sei er – wie auch sonst – als bevollmächtigter Vertreter der polnischen Spedition tätig geworden. Er sei deren Gehilfe gewesen und nicht als Bürge für eine ausländische Spedition aufgetreten, denn anderenfalls wäre er unübersehbaren Haftungsansprüchen ausgesetzt, auf die er keinen Einfluss habe. – Schließlich sei es auch ermessensfehlerhaft, anstelle der ebenfalls in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen polnischen Spedition ihn zur Zahlung der Gebühren zu verpflichten. Der Beklagte wolle damit nur die öffentliche Aufgabe der Gebührenbeitreibung auf ihn als Privaten abwälzen. Im Falle von Zweifeln an der Solvenz der polnischen Spedition bzw. der Durchsetzbarkeit der Gebührenforderung auf dem Rechtsweg könne das Regierungspräsidium Freiburg einen Vorschuss verlangen. Dessen Berechnung sei leicht möglich, weil die Fahrstrecke in der Genehmigung des Großraum- und Schwertransports festgelegt sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.08.2012 aufzuheben.

das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Gemäß §§ 1 Abs. 1 PolG, 1, 2, 4 und 5 LGebG i. V. m. Nr. 15.1.1 und 15.1.2 der GebVO IM sei für die Planung, Vorbereitung und Durchführung des Polizeieinsatzes zur Begleitung des Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ zu Recht eine Gebühr i. H. v. 89 € gegen den Kläger festgesetzt worden. Diese öffentliche Leistung sei dem Kläger auch individuell zurechenbar i. S. d. § 2 Abs. 3 LGebG. Weil er die zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten erforderliche Erlaubnis für ausländische Speditionen gewerbsmäßig beantrage, habe er ein eigenes wirtschaftliches Interesse an ihrer polizeilichen Begleitung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei jedes materielle oder immaterielle Interesse ausreichend. Die Voraussetzungen für die individuelle Zurechenbarkeit aus § 2 Abs. 3 Satz 1 LGebG seien daher zweifellos gegeben, zumal der Kläger durch die polizeiliche Begleitung des Groß- und Schwertransports auch individuell begünstigt werde. Ohne den vom Kläger bei der Stadt Bautzen gestellten Antrag, wäre die hier abgerechnete öffentliche Leistung auch nie erbracht worden. Mithin habe sie der Kläger durch den Antrag erst ausgelöst und damit auch i. S. d. § 2 Abs. 3 Satz 2 LGebG. verantwortlich veranlasst. – Der Kläger bilde mit der Spedition auch funktional eine Einheit. Denn mit dem Antrag bei der Stadt Bautzen habe er die Übernahme der Haftung für alle durch den Groß- und Schwertransport verursachten Schäden übernommen. Die polnische Spedition habe zwar vor der Durchführung des Transports bestätigen müssen, dass sie von allen Bedingungen und Auflagen der Großraum- und Schwertransporterlaubnis Kenntnis genommen habe. Dadurch werde der Kläger von seinen Pflichten jedoch nicht entlastet. – Das Regierungspräsidium Freiburg sei auch nicht verpflichtet gewesen, im Rahmen des ihm in § 5 Abs. 2 LGebG eingeräumten Ermessens die polnische Spedition als den anderen Gesamtschuldner vorrangig in Anspruch zu nehmen. Die Erfahrung lehre, dass ausländische Speditionen die Gebühren oft nicht bezahlten und die Rechtsverfolgung dann schwierig und oft wenig erfolgversprechend sei. Während die Erhebung einer Vorausleistung bei der ausländischen Spedition zu einer „doppelten“ Bearbeitung und zu einem unvertretbaren Mehraufwand führe, könne der Kläger seinen (ausländischen) Vertragspartner leicht auch zur Erstattung der Gebühr für die polizeiliche Begleitung des Großraum- und Schwertransports verpflichten.

Dem Gericht liegt die Akte des Regierungspräsidiums Freiburg vor. Darauf sowie auf die Gerichtsakte wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berichterstatter entscheidet im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).

Die gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, 15 Abs. 1 Satz 1 AG VwGO ohne vorherige Durchführung des Widerspruchsverfahrens zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.08.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Kläger ist nicht Schuldner der in diesem Bescheid festgesetzten Verwaltungsgebühr in Höhe von 83 € i.S. des § 5 LGebG. Die Schuldnerschaft des Klägers könnte sich allein aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 LGebG ergeben. Denn er hat weder die Gebühren- und Auslagenschuld eines anderen durch eine gegenüber der Behörde abgegebene schriftliche Erklärung übernommen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 LGebG) noch haftet er dafür kraft Gesetzes (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 LGebG). Die abgerechnete öffenliche Leistung ist dem Kläger jedoch auch nicht i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 LGebG zuzurechnen. Er hat sie nicht verantwortlich veranlasst (§ 2 Abs. 3 Satz 2 LGebG), und sie ist auch nicht in seinem Interesse erbracht worden (§ 2 Abs. 3 Satz 1 LGebG).

Eine öffentliche Leistung wird verantwortlich veranlasst (§ 2 Abs. 3 Satz 2 LgebG), wenn sie willentlich herbeigeführt wird, insbesondere durch Stellung eines Antrags (vgl. Schlabach, Gebührenrecht der Verwaltung in Baden-Württemberg, RN 44 zu § 2 LGebG, Stand: Mai 2007). Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Freiburg hat der Kläger einen solchen, seine Gebührenschuldnerschaft begründen den Antrag jedoch nicht gestellt, wie die nachfolgenden Überlegungen zeigen.

Das Regierungspräsidium Freiburg hat die streitige Gebühr gestützt auch §§ 1 Abs. 1 PolG, 1, 2, 4 und 5 LGebG i.V. mit Nr. 15.1.1 und 15.1.2 des Gebührenverzeichnisse zur GebVO IM für die Planung, Vorbereitung und Durchführung der polizeilichen Begleitung des Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ am 31.07.2012 erhoben. Der Kläger hat allerdings am […].2012 bei der Stadt Bautzen nur den Antrag auf Erteilung der für die Durchführung dieses Großraum- und Schwertransports nach § 29 Abs. 3 StVO erforderlichen Erlaubnis bzw. der Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StVO gestellt. Dagegen sind sich die Beteiligten einig, dass nicht der Kläger, sondern die polnische Spedition an die Polizei mit dem Anliegen herangetreten ist, die für den Großraum- und Schwertransport erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen. Der Kläger hat dazu unwidersprochen vorgetragen, seine Verpflichtungen gegenüber der polnischen Spedition seien mit der Einholung/Erteilung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung der Stadt Bautzen erfüllt gewesen. Mit der Durchführung des Großraum- und Schwertransports sei er nicht mehr befasst gewesen; das habe die polnische Spedition ohne seine Hilfe gemacht. Er habe nicht einmal Kenntnis vom genauen Zeitpunkt und den einzelnen Umständen gehabt.

Der Kläger hat die hier abgerechnete öffentliche Leistung auch sonst nicht willentlich veranlasst. Dass er durch seinen Antrag auf Erteilung der für die Durchführung dieses Großraum- und Schwertransports nach § 29 Abs. 3 StVO erforderlichen Erlaubnis bzw. der Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StVO bei der Stadt Bautzen erst die Voraussetzungen für die Planung, Vorbereitung und Durchführung der polizeilichen Begleitung des Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ am 31.07.2012 und damit für die Erfüllung des Gebührentatbestands geschaffen hat, reicht dafür nicht aus.

Die damit zu bejahende Ursächlichkeit der Einholung der Bewilligung/Ausnahmegenehmigung für die Erbringung der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung (ohne Bewilligung kein von der Polizei begleiteter Großraum- und Schwertransport und folglich auch keine Verwaltungsgebühr) genügt für eine willentliche Veranlassung und damit eine Zurechnung im gebührenrechtlichen Sinne gegenüber dem Kläger indessen nicht. An der Zurechenbarkeit fehlt es, wenn Dritte einen maßgeblichen Einfluss auf die Verursachung der öffentlichen Leistung haben (vgl. dazu VGH Bad.-Württ. Urt. v. 26.01.2009 – 1 S 1678/07 -, NVwZ-RR 2009, 329 zur Frage der Erhebung einer Verwaltungsgebühr für eine versammlungsrechtliche Auflage nach § 15 Abs. 1 VersG beim Anmelder einer Versammlung). So liegen die Dinge hier.

Allerdings kann sich der Kläger nicht darauf berufen, die Durchführung des Großraum- und Schwertransports habe allein in den Händen der polnischen Spedition gelegen, weshalb er auf die konkreten Umstände überhaupt keinen Einfluss mehr gehabt habe. In der vom Kläger einholten Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung ist der Fahrweg genau bestimmt. Unter welchen Voraussetzungen eine polizeiliche Begleitung des Großraum- und Schwertransports erforderlich ist, ergibt sich aus Nr. 131 der Verwaltungsvorschrift zu § 29 StVO (abgedruckt bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., 2011, vor der Komm, zu § 29 StVO). Damit stand wegen des dem Großraum- und Schwertransports vorgegebenen Fahrwegs von Anfang an fest, dass eine polizeiliche Begleitung erforderlich sein würde.

Gleichwohl war die polnische Spedition von Anfang an in einer den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden Weise Herrin des Verfahrens.

Zunächst ist zu beachten, dass auch nach Einholung der erforderlichen Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung die Entscheidung, ob der Großraum- und Schwertransport durchgeführt wird, allein bei ihr lag. Die abgerechnete Gebühr ist aber erst aufgrund dieser Entscheidung entstanden.

Mit der Entscheidung für die Durchführung des Großraum- und Schwertransports stand wegen der Festlegung des Fahrwegs in der Bewilligung/Ausnahmegenehmigung zwar fest, dass überhaupt eine gebührenpflichtige Polizeibegleitung erforderlich ist. Wie hoch die Gebühren sein würden, war aber noch abhängig von den konkreten Umständen der Durchführung des Transports (etwa Zeit mit starker oder schwacher Verkehrsbelastung). Dazu sind in der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung aber keine Regelungen enthalten; die polnische Spedition hatte hier einen nur durch polizeiliche Vorgaben begrenzten Entscheidungsspielraum, auf den der Kläger keinen Einfluss mehr nehmen konnte. All das steht der Zurechnung im Sinne einer willentlichen Veranlassung entgegen.

Verantwortlich veranlasst sind auch solche öffentliche Leistungen, die im „Pflichtenkreis“ des Gebührenschuldners erbracht werden, ohne dass es dabei auf die willentliche Herbeiführung im oben beschriebenen Sinne ankommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.1999 – 8 C 12.98 -, BVerwGE 109, 272). Auch danach ist dem Kläger die hier streitige öffentliche Leistung indessen nicht individuell zurechenbar. Die polizeiliche Begleitung des Großraum- und Schwertransports diente zwar zur Beherrschung der damit verbundenen Gefahren. Da – wie ausgeführt – für dessen Durchführung allein die polnische Spedition zuständig war und dem Kläger insoweit weder Pflichten oblagen noch Einflussmöglichkeiten zustanden, sind diese Gefahren indessen nicht seinem, sondern dem Pflichtenkreis der polnischen Spedition zuzuordnen (zur Haftung für durch den Transport verursachte Schäden näher unten).

Die abgerechnete öffentliche Leistung wurde auch nicht i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 LGebG im Interesse des Klägers erbracht.

Dieses Tatbestandsmerkmal knüpft an die Definition der Gebühr als einer öffentlichrechtlichen Geldleistung an, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt wird und dazu bestimmt ist, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Die Gebühr setzt also eine gegenüberstehende Leistung voraus und soll ein finanzieller Ausgleich für diese sein. Deshalb muss die gebührenpflichtige Leistung an eine besondere Verantwortlichkeit der gebührenpflichtigen Person anknüpfen. Die öffentliche Leistung muss dem Gebührenpflichtigen mit anderen Worten einen größeren Nutzen bringen als der Allgemeinheit (vgl. dazu VGH Bad.-Württ. Urt. v. 26.03.2009 – 2 S 2036/07 -, juris mit Nachweisen aus der Rspr. des BVerfG). Daran fehlt es indessen.

Der Beklagte bezieht sich darauf, dass der Kläger seine Leistung, die Einholung von Erlaubnissen und Ausnahmegenehmigungen nach der Straßenverkehrsordnung, gewerbsmäßig erbringt. Dahinter steht der Gedanke, dass der Kläger sein Gewerbe nur ausüben kann, weil nach Einholung der erforderlichen Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen die Durchführung des Transports durch die polizeiliche Begleitung überhaupt erst ermöglicht wird, oder mit anderen Worten, ohne die Polizeibegleitung der Großraum- und Schwertransporte bekäme der Kläger zukünftig keine Aufträge zur Einholung der erforderlichen Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen mehr und müsste seine Tätigkeit einstellen.

Ob das in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, mag dahin stehen. Der Zurechnung stehen rechtliche Gesichtspunkte entgegen.

Allerdings ist es richtig, dass grundsätzlich auch wirtschaftliche Vorteile für die Zurechnung der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung als im Interesse des Gebührenschuldners erbracht ausreichen. In der Rechtsprechung wird dann aber immer ein spezifischer und individualisierbarer Bezug zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Gebührenschuldners verlangt. So hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Flugsicherheitsgebühr für die Sicherheitskontrollen am Flughafen vor dem Zugang zum Flugzeug den Fluggesellschaften individuell zurechenbar sind, weil sie diese in spezieller und individualisierbarer Weise betreffen und ihnen daher nach dem Vorteilsprinzip zurechenbar sind. Denn diese Kontrollen sind final auf die Sicherheit des Flugs hin ausgerichtet, verringern das Risiko eines Überfalls auf das Flugzeug, führen objektiv zu einem Sicherheitsgewinn und erhöhen subjektiv das Sicherheitsgefühl der Passagiere und der Besatzung (vgl. Kammerbeschi. v. 11.08.1998 – 1 BvR 1270/94 -, NVwZ 1998, 1220). An einer solchen finalen Beziehung fehlt es hier. Die polizeiliche Begleitung dient nur der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit u.a. auch dem Schutz der Speditionsfahrzeuge vor unfallbedingten Schäden. Dem Kläger kommt sie allenfalls mittelbar zu Gute.

Das Bundesverfassungsgericht hat weiter für Recht erkannt, dass nicht nur dem Charterer, sondern auch dem Eigner eines Schiffs die Hafengebühren auferlegt werden können. Der aus dem Betrieb des Hafens für den Schiffseigner resultierende Vorteil besteht darin, dass ihm so überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet wird, sein Schiff bestimmungsgemäß zu verwenden. Denn ohne Häfen könnte er keine Charterverträge abschließen und sein Schiffseigentum auch sonst nicht zweckentsprechend nutzen (Beschl. v. 12.10.1994 – 1 BvL 19/90 -, BVerfGE 91, 207). Beim Kläger liegen die Dinge anders. Er ist für die Ausübung seiner Tätigkeit nicht in dieser spezifischen Weise darauf angewiesen, dass die Transporte, für die er die Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung eingeholt hat, dann von der Polizei begleitet werden.

Das ergibt sich zunächst aus den Vertragsbeziehungen zwischen dem Kläger und den Transportunternehmen. Der Kläger schuldet diesen die Einholung der jeweils für den konkreten Transport erforderlichen Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen.

Mit deren Erteilung hat er gegen das Transportunternehmen den zivilrechtlichen Anspruch auf seine Gegenleistung. Von der Durchführung des Transports ist dieser nicht abhängig. Zu beachten ist auch, dass ein Großraum- und Schwertransport eine polizeiliche Begleitung nicht zwingend voraussetzt. Eine polizeiliche Begleitung bzw. sonstige polizeiliche Maßnahmen sind folglich nach Nr. 131 und 132 VwV zu § 29 StVO auch nicht bei jedem Großraum- und Schwertransport vorgeschrieben.

Nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg können die Kosten einer Badegewässeruntersuchung dem Betreiber eines nahegelegenen Campingplatzes mit Bademöglichkeit im untersuchten See zugerechnet werden. Sein spezifischer und individualisierbarer Vorteil besteht darin, dass die Überwachung der Gewässergüte einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg seines Betriebs leistet, weil er mit der Sauberkeit des Sees werben kann (Urt. v. 26.03.2009 – 2 S 2036/07 -, juris).

An einem solchen Vorteil fehlt es im Falle des Klägers. Während die Besucher einen bestimmten Campingplatz vielleicht wegen der besseren Qualität des Badegewässers auswählen mögen, ist die Entscheidung der Speditionsunternehmen für die Inanspruchnahme der Hilfe des Klägers von anderen Kriterien (etwa der Komplexität des Antragsverfahrens) abhängig. Denn die polizeiliche Begleitung eines Großraum- und Schwertransports ist allein von der Gefahrenlage im Straßenverkehr abhängig.

Wer die die dafür erforderliche Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung eingeholt hat, ist dagegen ohne Belang.

In allen oben dargelegten Fallgruppen kommt der mit der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung verbundene wirtschaftliche Vorteil dem Gebührenschuldner auch zwangsläufig und unmittelbar zu Gute. Auch daran fehlt es beim Kläger.

Wie dargelegt, besteht der Vorteil für den Kläger höchstens darin, dass die Existenz des Speditionsunternehmens gesichert wird und er dann in der Zukunft wieder Aufträge zur Einholung von straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnissen/Ausnahmegenehmigungen erhalten kann. Ob der Kläger von dem Vorteil tatsächlich profitiert, hängt mithin davon ab, dass die Speditionsunternehmen auch in Zukunft wieder ihn beauftragen, anstatt die erforderlichen Erlaubnisse/Ausnahmegenehmigungen durch eigene Mitarbeiter selbst einzuholen. Im letztgenannten Fall haben ausschließlich die Speditionsmitarbeiter über die Sicherung ihres Arbeitsplatzes einen Vorteil.

Ein solcher nur über Zwischenschritte vermittelter Vorteil reicht für die gebührenrechtlich relevante Zurechnung der öffentlichen Leistung nicht aus. Zutreffend weist der Kläger daraufhin, dass jedenfalls die Mitarbeiter der Spedition, die über die Sicherung ihres Arbeitsplatzes auf jeden Fall von der Durchführung des Großraum- und Schwertransports profitieren, zu Recht nicht als Gebührenschuldner in Anspruch genommen werden.

Auch dem Argument des Beklagten, der Kläger habe aus der Polizeibegleitung des Großraum- und Schwertransports einen die Zurechnung dieser öffentlichen Leistung rechtfertigenden Vorteil, weil er im Antrag auf Erteilung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung die Haftung für alle durch den Transport verursachten Schäden übernommen habe, ist nicht zu folgen. Diese Haftungsübernahmeerklärung ist dahin auszulegen, dass der Kläger die Haftung nicht selbst übernommen, sondern insoweit als Vertreter der polnischen Spedition gehandelt hat.

Der Kläger hat den Antrag bei der Stadt Bautzen zwar im eigenen Namen gestellt.

Denn im Antragsvordruck ist unter der Rubrik „Antragsteller“ seine Firma genannt.

Gleichwohl ergibt sich aus dem Antrag, dass er die Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung nicht für sich selbst, sondern für die polnische Spedition beantragt hat. Denn unter der Überschrift „Zur Verfügung von“ ist deren Firma angegeben. In der Sache heißt das, dass der Kläger bei der Antragstellung zwar im eigenen Namen aufgetreten ist, die erforderliche Erlaubnis aber – als Verfahrensstandschafter – für die polnische Spedition beantragt hat. In der Rechtsprechung ist dazu geklärt, dass die Antragstellung strikt von der Frage zu trennen ist, wer materiell Inhaber der straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis ist (vgl. OVG-NRW, Beschl. v. 26.02.1992 – 13 B 149/92 -, VRS 83, 298). Davon, dass die Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung der polnischen Spedition erteilt wurde, ist auch der Beklagte ausgegangen, denn wenn diese nicht Inhaberin der erforderlichen Erlaubnisse gewesen wäre, hätte der Großraum- und Schwertransport nicht von ihr, sondern nur vom Kläger durchgeführt werden dürfen. So wurde aber nicht verfahren.

Die Straßenverkehrsbehörde (Stadt Bautzen) konnte aber nicht annehmen, dass der Kläger unter diesen Umständen die Haftung für alle von der polnischen Spedition bei der Durchführung des Großraum- und Schwertransports verursachten Schäden übernehmen will, zumal die damit verbundenen Haftungsrisiken in keiner Relation zu seinem Lohn für die Beschaffung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung stehen dürften.

Konsequent dazu heißt es im Antragsvordruck über dem Text der Erklärung zur Haftung: „Handelt der Antragsteller im Auftrag eines anderen, ist eine Vollmacht diesem Antrag beizufügen“.

Auch der unter der Erklärung zur Haftung gleichfalls ausgesprochene Anspruchsverzicht für den Fall, dass die Straßenbeschaffenheit nicht den besonderen Anforderungen des Transports entspricht, macht nur Sinn, wenn der Kläger insoweit nicht im eigenen, sondern im Namen der polnischen Spedition handelt, denn nur dieser können solche Ansprüche ggf. zustehen. Der Kläger kann darauf im eigenen Namen aber nicht verzichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.“

VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12

Unzulässige Ablehnung der Räumung durch einen Gerichtsvollzieher aufgrund einer unklaren Bezeichnung der Lage einer betroffenen Mietsache mit „rechts“ und „links“

Nach den Entscheidungsgründen des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Beschluss vom 5.12.2012 – 9 M 6780/12) kann ein Gerichtsvollzieher die Vollstreckung eines Räumungstitels nicht mit der Begründung ablehnen, die im Titel mit „rechts“ oder „links“ bezeichnete Lage der Wohnung wäre aus der Sicht einer im Treppenhaus anstelle eines aus der Sicht einer vor dem Haus stehenden Person nicht ausreichend bestimmbar.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„BESCHLUSS

In der Zwangsvollstreckungssache

G[…] GmbH, […]

– Gläubigerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen

gegen

G[…]

– Schuldnerin –

wegen Erinnerung gg. Art u. Weise d. Zwangsvollstreckung § 766 ZPO

hat das Amtsgericht Bautzen durch Richter am Amtsgericht […] am 05.12.2012 beschlossen:

1. Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, die Räumung der Wohnung der Schuldnerin nicht allein deswegen abzulehnen, weil diese Wohnung im Haus […], von der im Wohnhaus befindlichen Treppe aus gesehen sich nicht rechts befindet.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe:

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Räumungsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bautzen vom 27.06.2012, Az.: 21 C 408/12. Durch das Versäumnisurteil wurde die Schuldnerin verurteilt, die Wohnung auf der […]-Straße […] „3. Obergeschoss, rechts“ zu räumen und herauszugeben. Der Gerichtsvollzieher hat die Räumung abgelehnt. Seiner Meinung nach wird die Lage einer Wohnung in einem Wohnhaus dadurch bestimmt, dass man das Haus durch den Hauseingang betritt, die Treppe hinauf steigt und von der Treppe ausgehend schaut, wo die Wohnung zu finden sei.

Die der[g]estalt bestimmte Wohnung im 3. Obergeschoss rechts des Wohnhauses auf der […]-Straße […] in […] werde jedoch nicht von der Schuldnerin, sondern von einer Frau […]P[…] bewohnt.

Der Rechtsbehelf der Erinnerung ist statthaft und hat in der Sache teilweise auch Erfolg.

Die Erinnerungsführerin ist zur Einlegung der Erinnerung berechtigt. Aus dem Schuldtitel ergibt sich als Gläubigerin zwar eine Firma G[…] GmbH. Die Erinnerungsführerin firmiert unter G[…] GmbH. Im Rahmen des Erinnerungsverfahrens hat die Erinnerungsführerin allerdings belegt, dass sie Inhaberin der Rechte aus dem Schuldtitel ist. Es hat eine Umfirmierung stattgefunden.

In der Sache war der Gerichtsvollzieher anzuweisen, die Lage der Wohnung auch vom Standort einer vor dem Hauseingang – mit dem Gesicht zum Haus – stehenden Person zu prüfen.

Ergibt sich von diesem Standpunkt aus, dass die Schuldnerin im 3. Obergeschoss, rechts wohnt, weil sich an der Wohnungseingangstür der dort gelegenen Wohnung ein Namensschild mit dem Namen der Schuldnerin befindet, dann sollte die Vollstreckung nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die Wohnung der Schuldnerin vom Treppenaufgang her betrachtet nicht rechts liege. Denn der Standort von dem aus in einem Wohnhaus die Lage der im Titel bezeichneten Wohnung zu bestimmen ist, ist durch Rechtsvorschriften oder verbindliche Verwaltungsvorschriften nicht vorgegeben. Es mag zwar richtig sein, dass „gewöhnlich“ die Lage einer Wohnung bestimmt wird, indem man das Haus durch den Hauseingang betritt, die Treppe hinaufsteigt und von der Treppe ausgehend sieht, ob sich die Wohnung rechts oder links befindet. Mangels einer rechtlichen Vorgabe ist jedoch diese Sichtweise nicht zwingend. Der Gerichtsvollzieher ist daher auch gehalten, die Lage der Wohnung vom Standort einer vor dem Haus stehenden Person festzustellen. Ergibt sich von diesem Standort aus, dass die Wohnung entsprechend dem Schuldtitel verortet werden kann – und zwar dadurch, dass sich ein Namensschild an der Wohnungseingangstür befindet -, dann darf die Vollstreckung jedenfalls nicht deswegen abgelehnt werden, weil der Schuldtitel zu unbestimmt sei.“

AG Bautzen, Beschluss vom 5.12.2012 – 9 M 6780/12

Unterlassungsansprüche eines Unternehmens bezüglich der Verbreitung falscher Tatsachen über Zeitungen und das Internet

Nach dem Urteil des Amtsgericht Görlitz (AG Görlitz, Urteil vom 12.11.2012 – 4 C 688/12) hat ein Unternehmen ein Anspruch auf Unterlassung der  Verbreitung falscher Tatsachen über Zeitungen und das Internet.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

T[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

[…] B[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Unterlassung

hat das Amtsgericht Görlitz durch

Richter am Amtsgericht […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2012 am 12.11.2012

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Dritten zu behaupten, dass die Klägerin Personen aus Kaltwasser den Verkauf von Kiesprodukten verweigere.

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 1500,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für vorgerichtliche Anwaltskosten 203,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2012 zu zahlen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages, hinsichtlich Ziffer 1. des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte hat der Sächsischen Zeitung einen Leserbrief geschickt der in deren Papier-Ausgabe vom 03.11.2011 sowie in der online – Ausgabe veröffentlicht wurde.

Der Leserbrief befasst sich mit der Installation einer Straßenbeleuchtung in Kaltwasser, für die die Mitarbeiter des damit von der Gemeinde beauftragten Elektrountemehmens Kies benötigten. Die Beklagte führte in dem von ihr für die Veröffentlichung durch die Zeitung bestimmten Brief u.a. aus:

„… Das kann wohl nicht das Problem sein, dachten sich die Mitarbeiter der Elektrofirma, denn ganz in der Nähe gibt es ja die T[…], deren Geschäft es neben dem Betreiben einer Deponie auch ist, Kies zu fördern und zu verkaufen. Auf die Frage der T[…], wofür der Kies gebraucht werde, gab die arglose Elektrofirma bereitwillig Auskunft zur Verwendung. Daraufhin wurde der Elektrofirma eine Abfuhr erteilt, denn „für die Bürger von Kaltwasser gäbe es keinen Kies“.

Die Klägerin stellt in Abrede, dass dieser Satz wörtlich oder sinngemäß gefallen sei.

Von dem im Leserbrief dargestellten Sachverhalt hat die Beklagte, die nicht selbst zugegen war, Kenntnis von der Ortschaftratsvorsitzenden […] W[…] erlangt, die ihrerseits hiervon auch nur von anderen gehört haben will. Die Beklagte selbst hat vor der Veröffentlichung nicht mit den Elektrikern oder der Klägerin bzw. deren Mitarbeitern gesprochen.

Die Elektriker haben in einem von der Beklagten gegen die Klägerin angestrengten polizeilichen Ermittlungsverfahren die zitierte Äußerung nicht bestätigt. Die Beklagte hatte die Klägerin angezeigt, nachdem diese sie mit anwaltlichem Schreiben vom 09.11.2011 – fruchtlos – aufgefordert hatte, eine strafbewerte Unterlas[]sungserklärung bezüglich der streitigen Äußerung abzugeben. Die Beklagte fühlte sich durch das Unterlassungsbegehren genötigt (§ 240 StGB).

Das Ermittlungsverfahren wurde nach § 170 II StPO eingestellt.

Die Klägerin mußte ihren Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit 203,75 € zahlen.

Die Klägerin bestreitet, dass ein Mitarbeiter ihres Unternehmens geäußert habe, für die Bürger von Kaltwasser gäbe es keinen Kies.

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber Dritten, insbesondere durch Veröffentlichung von Zeitungsartikeln die falsche Tatsache zu behaupten, dass die Klägerin Personen aus Kaltwasser den Verkauf von Kiesprodukten verweigere,
  2. der Beklagten anzudrohen, dass sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 1500,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festgesetzt wird,
  3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 203,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beharrt. Die von ihr zitierte Äußerung sei so gefallen. Sie ist der Auffassung, berechtigt gewesen zu sein den kolportierten Satz zu verbreiten.

Das Gericht hat Beweis durch Vernehmung der Zeugen […] R[…],[…] M[1…], […] M[2…], […] W[…],[…] M[3…] und […] S[…] erhoben. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.10.12 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

  • 823 II BGB i.V.m. § 187 StGB scheidet allerdings als Anspruchsgrundlage aus, weil auch die Klägerin nicht Tatsachen behauptet, aus denen sich ergibt, dass der Beklagten die Unwahrheit der streitigen Tatsachenbehauptung positiv bekannt gewesen sei (vgl. Fischer, StGB, § 187, Rn. 4). Unstreitig hat die Beklagte, die bei dem beschriebenen Vorgang nicht selbst zu gegen war, ihre – allerdings unzutreffenden – Informationen von Dritter Seite bekommen und – zur Überzeugung des Gerichts – deren Richtigkeit angenommen.
  • 823 II BGB i.V.m. § 186 StGB scheidet als Anspruchsgrundlage ebenfalls aus. Es mangelt an der Eignung der streitigen Äußerung, die Klägerin in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder verächtlich zu machen. Diese setzt voraus, daß die verbreitete Behauptung einen Sachverhalt zum Inhalt hat, der nach objektiver Beurteilung regelmäßig negativ bewertet und dem Betroffenen in Verbindung mit einem negativen Werturteil zugeschrieben wird (Fischer, StGB, § 186, Rn. 4). An der Eignung fehlt es vorliegend, weil es der Klägerin nach den gesellschaftlich allgemein akzeptierten und der geltenden Rechtsordnung entsprechenden Grundsätzen der Vertragsfreiheit freisteht, mit wem sie (Kauf-) Verträge abschließt. Eine besondere, allgemein als negativ zu bewertende Motivlage für die nach Darstellung der Beklagten fehlende Kontrahierungsbereitschaft intendiert die streitige Tatsachenbehauptung nicht.

Es geht vorliegend vielmehr um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der durch §§ 823 I, 1004 BGB geschützt ist.

Nach den genannten Vorschriften werden Beeinträchtigungen abgewehrt, die sich gegen die ungestörte rechtmäßige Betätigung und Entfaltung eines funktionierenden Betriebes im Wirtschaftsleben auf Grundlage der schon getroffenen Betriebsveranstaltungen richten (Palandt/Sprau, BGB, § 823, Rn. 127). Diese lösen Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche aus.

Eine solche unmittelbar betriebsbezogene Beeinträchtigung liegt insbesondere in der Veröffentlichung von Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, einen bestimmten Kreis potentieller Kunden davon abzuhalten, mit dem Betriebsinhaber Geschäfte anzubahnen. Dies wird insbesondere bei Kunden der Fall sein, die einer Mitteilung Glauben schenken, nach der ein Unternehmen habe verlauten lassen, mit ihnen bestimmte Geschäfte nicht abzuschließen. Gerade um eine derartige, mit Bezug auf eine dem Geschäftssitz naheliegende, potentielle Kunden beherbergende Ortschaft aufgestellte Behauptung geht es hier.

Nur soweit die Beklagte beweist, dass ihre Tatsachenbehauptung zutrifft, ist diese nicht widerrechtlich – Art 5 11 GG. Anderenfalls hat sie sie zu unterlassen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, vor § 823, Rn. 18 ff). Die Beklagte konnte indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht den Nachweis erbringen, dass die von ihr kolportierte Äußerung tatsächlich gefallen ist. Die Beweisaufnahme hat vielmehr den Gegenbeweis erbracht.

Die an den Verhandlungen wegen Kieses mit der Mitarbeiterin […] R[…] der Klägerin unmittelbar beteiligten Zeugen […] M[1…] und […] M[2…] haben in Abrede gestellt, dass diestreitige Äußerung seitens der Zeugin R[…] gefallen sei, die einzig als Urheberin in Betracht kommt. Nach übereinstimmender Angabe der Zeugen war es so, dass die Zeugin R[…] Kies erst nach Rücksprache mit der Geschäftsleitung herausgeben wollte und sie dies auch so geäußert hat. Die Notwendigkeit der Rücksprache ergab sich nach der Erinnerung der Zeugin daraus, dass die Zeugen M[…] und M[…] sich nicht darüber erklären konnten, wem die Ware in Rechnung gestellt werden sollte, nach der Erinnerung der beiden anderen Zeugen deshalb, weil sie diese umsonst erhalten wollten.

Das Anlass der Verzögerung die Verwendung des Materials für Zwecke der Gemeinde Kaltwasser gewesen sei, hat keiner der Zeugen angegeben. Dass eine mit der Warenausgabe eines Unternehmens betraute Mitarbeiterin nicht nach eigenem Gusto Produkte kostenlos oder bei Unklarheiten über die Person des Käufers herausgeben kann, dürfte auf der Hand liegen.

Sie verstößt gegen arbeitsrechtliche Pflichten und riskiert Schadenersatzforderungen ihres Arbeitgebers, strafrechtliche und arbeitsrechtliche Sanktionen.

Das Gericht gelangt auch aufgrund der Angaben des Zeugen S[…] nicht zu einer anderen Überzeugung. Dieser hat zunächst angegeben, der Zeuge M[1…] habe ihm gegenüber geäußert, bei der Klägerin sei ihm gesagt worden, die Bürger von Kaltwasser würden von der TKK keinen Sand bekommen. Im Verlauf der Vernehmung hat er dies dann dahingehend präzisiert, nach Angabe des Elektrikers habe die Dame an der Waage der Klägerin gesagt, für Kaltwasser gebe es keinen Sand, jedenfalls nicht am 17.10.. Dies wiederum läßt sich gut in Übereinstimmung mit den Angaben der zuvor gehörten 3 Zeugen bringen, nach der am Tag des Geschehens die Ausgabe von Kies lediglich daran scheiterte, daß die Zeugin R[…] nicht die erforderliche Rücksprache mit der Geschäftsleitung halten konnte.

Die Zeugin W[…] wurde von dem Zeugen S[…] von der Kiesangelegenheit informiert.

Dieser habe ihr, so die Zeugin, erzählt, der Elektriker habe ihm erzählt, die Mitarbeiterin der Klägerin habe sinngemäß geäußert, daß Kies nicht für Kaltwasser abgegeben werde. Sie habe sich daraufhin mit dem Zeugen M[2…] in Verbindung gesetzt. Dieser habe ihr sinngemäß gesagt, dass ihm bedeutet worden sei: „Für die nicht.“. Der Zeuge M[1…] habe ihr bestätigt, dass er bei der TKK keinen Kies bekommen habe und sinngemäß gesagt, dass dies sich gegen die Gemeinde Kaltwasser richte. Die Zeugin M[3…] hat angegeben, ein solches Gespräch aus einem Kraftfahrzeug heraus quer über die Straße hinweg verfolgt zu haben.

Über die näheren Umstände, insbesondere ob der Abgabe des Kieses wohlmöglich andere Hinderungsgründe, namentlich die Frage der Bezahlung, entgegen standen oder ob die Ablehnung endgültig war, hat sich die Zeugin W[…] bei den Elektrikern dabei nicht erkundigt.

Insoweit ist beachtlich, dass nach insoweit nicht anzuzweifelnder Angabe der Zeuginnen W[…] und M[3…] zwischen der Klägerin und einer Bürgerinitiative in Kaltwasser ein Streit schwelt, der sich auf die Absicht der Klägerin, ihren Betrieb zu erweitern, bezieht. In dieser Initiative sind u.a. die Zeugen S[…], W[…] und M[3…] sowie die Beklagte aktiv. Es liegt deshalb nahe, anzunehmen, dass sich für die Zeugin W[…] subjektiv ohne weiteres Nachfragen die Überzeugung bildete, die von ihr als endgültig fehlinterpretierte Ablehnung der Abgabe von Kies stehe im Zusammenhang mit den bestehenden Meinungsverschiedenheiten und dem daraus resultierenden unguten Verhältnis. Tatsächlich war dies allerdings, wie sich aus den Angaben der Zeugen M[1…], R[…] und M[2…] zweifelsfrei ergibt, nicht der Fall.

Die Beklagte hätte sich problemlos durch eigene Rückfrage bei den Zeugen R[…], M[1…] und M[2…] über den tatsächlichen Verlauf der versuchten Kiesbesorgung erkundigen und so die Verbreitung der unzutreffenden Behauptung vermeiden können.

Wie bereits dargelegt, liegt in der dennoch erfolgten Kolportage ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin. Es besteht auch die Gefahr, dass die Beklagte ihre unzutreffende Behauptung wiederholt. Sie hat die begehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben und beharrt auch im Verlauf des Rechtsstreits auf der Richtigkeit. Sie war deshalb strafbewehrt zur Unterlassung zu verurteilen.

Der Beklagten waren für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das erlassene Verbot die in § 890 I ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel, begrenzt durch den Klageantrag, anzudrohen.

Die Beklagte hat als Schadenersatz (§ 823 BGB) auch die Abmahnkosten zu tragen. […]

Für die Kostenentscheidung war § 91 ZPO maßgeblich.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.“

AG Görlitz, Urteil vom 12.11.2012 – 4 C 688/12

Zur Beweislast für das Vorliegen von Mängeln bei Gefahrenübergang bei Lieferung und Einbau von Fenstern

Durch das Amtsgericht Esslingen (AG Esslingen, Urteil vom 11.10.2012 – 5 C 691/12) wurde zur Beweislast für das Vorliegen von Mängeln bei Gefahrenübergang bei Lieferung und Einbau von Fenstern entschieden:

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

1) […]

– Beklagte –

2) […]

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:

[…]

hat das Amtsgericht Esslingen

durch die Richterin am Amtsgericht […]

am 11.10.2012 auf die mündliche Verhandlung vom 23.08.2012

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 1.003,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 07.09.2011 zu bezahlen. Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar:

Die Beklagtenseite kann die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Streitwert: 1.003,72 €

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die restliche Bezahlung ihrer Rechnung vom 08.12.2010 (Bl. 25) über 3.011,16 €, von der noch 1.003,72 € offen stehen.

Der Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagten, die von der Firma B[…] als Bauträger ein fertiges Einfamilienhaus erworben hatten, beauftragten die Klägerin, die dort die Fensterarbeiten im Auftrag der Firma B[…] ausgeführt hat, mit einem Sonderwunsch, nämlich einer Sonderausführung der Fenster mit Einbruchshemmung und Sonderverglasung P 4 A (Angebot der Klägerin vom 03.09.2010, Bl. 24; Auftragsbestätigung vom 05.09.2010, Bl. 23). Auf Grund ihrer darüber erstellten Rechnung vom 08.12.2010 (Bl. 25) begehrt die Klägerin nunmehr von den Beklagten die restliche Bezahlung dieses Sonderwunsches und stellt

den in der Entscheidung zuerkannten Antrag mit der Maßgabe, dass Zinsen seit 17.12.2010 begehrt werden.

Die Beklagten beantragen

Klagabweisung.

Sie tragen vor, dass eines der feststehenden Fensterelemente in ihrem Wohnzimmer an der Außenseite der Verglasung Kratzer aufweise und daher mangelhaft sei (Lichtbilder, Bl. 64, Skizze Bl. 63, Grundriss Bl. 49). Diese Kratzer seien ihnen bei der gemeinsamen Besichtigung und Übergabe des Hauses am 09.06.2011 (Abnahme/Übernahmeprotokoll, Bl. 53) nicht aufgefallen.

Auch bei ihrem Einzug Ende Juni 2011 – die Fenster seien bereits geputzt gewesen – hätten sie diese nicht bemerkt. Sie hätten die Kratzer erst zwei bis drei Wochen nach ihrem Umzug entdeckt und sofort die Firma B[…] verständigt, die sich diesbezüglich mit der Klägerseite in Verbindung gesetzt habe (Mail vom 22.08.2011, Bl. 68). Die Beklagten selbst hätten dann mit einer weiteren Mail vom 28.11.2011 (Bl. 35) die Beseitigung der Kratzer in der Festverglasung begehrt. Sie sind der Ansicht, dass es sich dabei um einen typischen Transportschaden handele und sie den streitgegenständlichen Restbetrag der Rechnung vom 08.12.2010 erst nach dessen Beseitigung bezahlen müssten.

Die Klägerin tritt dem entgegen. Sie verweist darauf, dass die Kratzer ausweislich des Abnahme- und Übergabeprotokolls vom 09.06.2011 nicht vorhanden gewesen seien. Falls es sich um einen Werklieferungsvertrag handeln sollte, bei dem Kaufrecht zur Anwendung käme, sei auch die Vorschrift des § 476 BGB im Hinblick auf die Art des Mangels nicht anwendbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat bis auf einen Teil des Zinsanspruchs in der Sache Erfolg.

Die Beklagten sind verpflichtet, den Restbetrag aus der Rechnung vom 08.12.2010 in Höhe von 1.003,72 € zu bezahlen. Ein Zurückbehaltungsrecht aus einem Anspruch gegen die Klägerin auf Mängelbeseitigung steht ihnen nicht zu.

Zwar betrifft der streitgegenständliche Kratzer die von den Beklagten selbst bei der Klägerin in Auftrag gegebene Sonderverglasung, so dass den Beklagten insoweit eigene Gewährleistungsrechte zustehen. Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die streitgegenständlichen Kratzer im Hinblick auf die nach der mündlichen Verhandlung vorgelegte Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bauwesen (Bl. 74 f) als Mangel zu beurteilen oder zulässig sind. Selbst wenn es sich um einen Mangel handeln würde, müsste die Klägerin dafür nicht einstehen.

Beurteilt man den streitgegenständlichen Sonderwunsch-Vertrag als Werklieferungsvertrag, auf den gemäß §§ 651, 433 f BGB Kaufrecht anzuwenden wäre, käme es darauf an, ob der streitgegenständliche Mangel im maßgeblichen Übergabezeitpunkt vorgelegen hat. Es ist fraglich, wann dieser anzunehmen ist. In Betracht käme insoweit entweder der Lieferungs-/Einbauzeitpunkt, der vor dem 08.12.2010 gelegen haben dürfte, oder spätestens die Abnahme/Übergabe am 09.06.2011. Beurteilt man den Sonderwunsch-Vertrag als Werkvertrag, käme es auf die Abnahme vom 09.06.2011 an.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Kratzer zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhanden gewesen sind. Das Abnahme/Übergabeprotokoll vom 09.06.2011 (Bl. 53 f) das 14 Seiten umfasst, belegt, dass insbesondere auch die Fenster einer genauen Sichtprüfung unterzogen worden sind, bei der die streitgegenständlichen Kratzer, die sich auf den Lichtbildern deutlich zeigen, sowohl von den Beklagten als auch der Vertreterin der Firma B[…] nicht wahrgenommen worden sind, obwohl ansonsten etliche, auch sehr geringfügige Beschädigungen dokumentiert wurden.

Die Beklagten haben die Kratzer erst einige Wochen nach ihrem Einzug, also Ende Juni/Anfang Juli 2011 bemerkt. Des Weiteren handelt es sich um eine mechanisch verursachte Beschädigung, für deren Verursachung verschiedenartige Geschehensabläufe in Betracht kommen. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass die Kratzer erst nach Abnahme/Übergabe entstanden sind.

Die Beweislast dafür, dass der streitgegenständliche Mangel im maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen ist, tragen die Beklagten. Der Kratzer wurde erstmals erst nach Abnahme, nämlich durch die Mail der Firma B[…] vom 22.08.2011 (Bl. 68), und die Mail der Beklagtenseite vom 28.11.2011 (Bl. 35) gerügt. Die vorangegangenen Mails der Beklagten vom 27.02.2011 (Bl. 36) und 25.12.2010 (Bl. 48) betrafen nach Angaben der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung die Vermutung, dass „falsche“ Scheiben, also nicht das bestellte Sonderglas eingebaut worden seien, worauf das Klopfgeräusch hingedeutet habe.

Auch bei Anwendung von Kaufrecht bleibt die Beweislast auf der Beklagtenseite. § 476 BGB kommt auf Grund der Art des streitgegenständlichen Mangels nicht zur Anwendung. Dieser kann nämlich jederzeit durch Dritteinwirkung zustande gekommen sein.

Die Beklagten sind insoweit beweisfällig geblieben. Eine Beweisaufnahme war nicht durchzuführen. Zwar haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, es handele sich um einen typischen Transportschaden und dies unter Sachverständigenbeweis gestellt. Dieser Beweisantritt ist zum Beweis der entscheidungserheblichen Tatsache jedoch nicht geeignet. Es mag nicht auszuschließen sein, dass ein derartiger Schaden auch durch den Transport der Fensterelemente entstanden sein kann. Ebenso sind jedoch auf Grund des Erscheinungsbildes des Schadens und im Hinblick darauf, dass dort mehrere Häuser zugleich samt Aussenanlagen neu errichtet worden sind, etliche andere Geschehensabläufe denkbar, die zu dessen Entstehung geführt haben könnten. Ausreichend sichere Feststellungen dazu, ob das Fensterelement im maßgeblichen Zeitpunkt bereits diese Beschädigung aufgewiesen hat oder nicht, würden sich damit nicht treffen lassen.

Die Beklagten haben daher die restliche Rechnung zu bezahlen.

Der Anspruch auf Bezahlung von Verzugszinsen beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB.Verzugseintritt ist allerdings erst ab Zugang der Mahnung vom 05.09.2011 (Bl. 26) anzunehmen. Die Vorschrift des §286 Abs. 3 BGB ist im Hinblick auf die Beklagten als Verbraucher nicht anwendbar. Weitere Mahnungen sind nicht vorgetragen. Im Gegenteil hatten die Parteien ausweislich der Mahnung vom 05.09.2011 weitere Zahlungen wohl zunächst von der Übersendung der Prüfberichte abhängig gemacht. Verzugseintritt ist damit erst ab 07.09.2011 anzunehmen.

Es war daher wie geschehen zu entscheiden.

Kosten: § 91 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.“

AG Esslingen, Urteil vom 11.10.2012 – 5 C 691/12

Unvorhergesehene Verlängerung der Standzeit von Gerüsten: Rechtliche Konsequenzen

Das Landgericht Bautzen (LG Bautzen, Urteil vom 6.7.2012 – 1 S 143/11) hat als Berufungsgericht im Anschluss an das erstinstanzliche Urteil des Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 1091/10) über den Rechtscharakter eines Gerüststellungsvertrages und die daraus resultierenden vertraglichen Pflichten im Falle einer unvorhergesehenen Verlängerung der Standzeit entschieden. Das Gericht urteilte, dass der Gerüststellungsvertrag als Werkvertrag zu qualifizieren ist, weshalb die Klägerin verpflichtet war, das Gerüst entsprechend den vertraglichen und baurechtlichen Erfordernissen bis zum Abschluss der Bauarbeiten vorzuhalten. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen, da sie durch den vorzeitigen Abbau des Gerüsts eine Vertragsverletzung begangen hatte, die der Beklagten einen Schadensersatzanspruch zusprach, der den Vergütungsanspruch der Klägerin überstieg.

Der Rechtscharakter eines Gerüststellungsvertrages wird in der Regel nach Werkvertragsrecht beurteilt, insbesondere wenn die Überlassung des Gerüsts eng mit dem Baufortschritt und der Anpassung des Gerüsts an die Bauarbeiten verbunden ist. Das Gericht betonte, dass Verzögerungen im Bauablauf zu den typischen Risiken gehören, die vom Gerüstbauunternehmer berücksichtigt werden müssen. Ein vertraglich vereinbarter Bauzeitenplan dient nicht dazu, die Dauer der Gerüstvorhaltung zu begrenzen, sondern die Fertigstellung der Bauarbeiten zu koordinieren. Insofern bleibt der Gerüstbauunternehmer verpflichtet, das Gerüst bis zur tatsächlichen Beendigung der Bauarbeiten bereitzustellen, selbst wenn dies über die ursprünglich geplante Bauzeit hinausgeht.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin das Gerüst vorzeitig abgebaut und damit ihre vertraglichen Pflichten verletzt, was die Beklagte berechtigte, Schadensersatz wegen der durch den Abbau verursachten Bauverzögerungen und zusätzlichen Kosten geltend zu machen. Die Aufrechnung der Beklagten mit dem Schadensersatzanspruch führte dazu, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin erlosch.

Vorinstanz:

1. Instanz: AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 1091/10

Nachfolgende Instanz:

Revision: BGH, Urteil vom 11.4.2013 – VII ZR 201/12

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin und Berufungsklägerin –

[…]

gegen

Gemeinde C[…], […]

– Beklagte und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

wegen Forderung

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Bautzen durch Vorsitzenden Richter am Landgericht […] als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2012 am 06.07.2012

für Recht erkannt:

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Amtsgericht vom 19.10.2011, Aktenzeichen: 20 C 1091/10, wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
  4. Die Revision wird zugelassen.

[…]

Gründe:

Die Klägerin macht Restansprüche für das Aufstellen und Vorhalten eines Baugerüstes geltend. Die Klägerin erhielt für das Bauvorhaben „Umbau der Grundschule […]“ der Beklagten unter dem […].2009 den Auftrag zur Ausführung der Gerüstarbeiten und zur Vorhaltung der Gerüste auf der Grundlage des Angebotes der Klägerin vom […].2009 […]. Zwischen den Parteien war unstreitig die Geltung der VOB/B vereinbart. Grundlage des Vertrages war unter anderem die Geltung des von der Beklagten aufgestellten Bauzeitenplanes […]. Nach dem Bauzeitenplan sollten die Arbeiten, für welche das Gerüst benötigt wurde, bis Juli 2010 abgeschlossen sein. Für den Abbau der Gerüste war in dem Bauzeitenplan die Zeit vom 16.7.2010 bis 19.7.2010 angegeben. Die Klägerin hat das Gerüst gestellt und bis Juli 2010 vorgehalten. Nachdem ihr Angebot auf Abschluss eines neuen Gerüstbau- und Überlassungsvertrages durch die Gemeinde nicht angenommen worden war, hat die Klägerin das Baugerüst am 19.7.2010 abgebaut. Mit Schreiben vom 12.7.2010 hatte die Klägerin der Beklagten ihre Rechtsauffassung mitgeteilt, das Vertragsende sei zum 19.7.2010 „klar definiert“, so dass die Klägerin „das beiliegende Angebot als neues Angebot im Sinne der VOB für einen geänderten Leistungszeitraum“ ansehe.

Ansonsten werde sie das Gerüst abbauen. Beigelegt war das „Nachtragsangebot“ vom 12.7.2010 mit mehreren Zulage und Bereitstellungspositionen. Einzelheiten ergeben sich aus der Anlage […]. Die Beklagte nahm dieses Angebot nicht an. Sie erklärte mit Schreiben vom 16.7.2010 „Behinderung“ der auszuführenden Arbeiten und protestierte durch Schreiben des Bürgermeisters vom 19.7.2010 gegen den Abbau des Gerüstes.

Die Klägerin hat nach Abbau des Gerüstes Schlussrechnung über insgesamt 11.150,19 € gelegt und unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen einen Restbetrag von 2.161,52 € – den Betrag der Klageforderung – eingefordert (Einzelheiten: […]). Die Parteien streiten wegen der geltend gemachten Schlusszahlungsforderung der Klägerin um das Vorliegen einer wirksamen Abnahme (nachfolgend 1), um die Berechtigung von Nachträgen (nachfolgend 2.) sowie um die Berechtigung von Gegenforderungen mit denen die

Beklagte die Aufrechnung erklärt hat (nachfolgend 3).

Im Einzelnen:

Die Klägerin behauptet, sie habe ihre Leistungen vertragsgemäß und mangelfrei erbracht. Sie meint zwischen ihr und der Beklagten sei ein fester Überlassungszeitraum für das Baugerüst vereinbart worden. Dies ergebe sich aus dem Inhalt des schriftlichen Vertrages sowie aus dem in Bezug genommenen Bauzeitenplan. In rechtlicher Hinsicht vertritt sie den Standpunkt, die Überlassung des Gerüstes beurteile sich nach Mietrecht; der Überlassungszeitraum sei bis 19.7.2010 befristet gewesen. Sie sei berechtigt gewesen, das Gerüst bis zum 19.7.2010 abzubauen und habe damit ihre Leistung vollständig erbracht gehabt. Im Übrigen komme es auf eine Abnahme nicht mehr an, nachdem die Bauleistungen abgeschlossen seien und die Beklagte mit Schadensersatzansprüchen die Aufrechnung erklärt habe.

Die Beklagte vertritt in diesem Zusammenhang den Standpunkt, eine wirksame Abnahme liege nicht vor; die von der Klägerin geschuldete Leistung sei nicht vollständig erbracht worden.

Abnahme und Fälligkeit der Vergütung würden zudem durch das (unstreitige) Fehlen von Bautagebüchern und Unternehmererklärung gehindert.

Aus der Schlussrechnung der Beklagten sind die beiden Positionen […] und […] über 120,70 € netto und 77,01 € netto […] streitig. Nach unwidersprochenem Vortrag der Klägerin wurden allerdings die auf der Grundlage einer Mengenüberschreitung geltend gemachten Nachtragsangebote der Klägerin, welche eine Verlängerung der Standzeit des Gerüstes für den Altbau bis […].2012 vorsahen, bestätigt […]. Im Aufma[ß] zur Schlussrechnung sind die beiden Nachtragspositionen auf Seite […] enthalten.

Die Klägerin behauptet, die Nachtragsleistungen seien auch ausgeführt worden. Sie hätten den Altbau betroffen. Dort sei es zu einer Mengenmehrung, die Folge einer erheblichen Bauzeitüberschreitung, gekommen. Die Mengenmehrung selbst sei durch die unstreitige Schlussrechnungspositionen […] und […] inzident belegt.

Die Beklagte bestreitet, dass die in den Nachtragspositionen vereinbarten Leistungen ausgeführt worden seien.

Zu 3.

Die Beklagte hat mit behaupteten Schadensersatzansprüchen wegen Pflichtverletzung in Höhe von 3.228,34 € gegen den Schlusszahlungsanspruch der Klägerin aufgerechnet. Sie ist der Auffassung, im Abbau des Gerüstes durch die Klägerin zum 19.7.2010 liege eine Pflichtverletzung. Hierdurch sei der Beklagten ein Schaden in vorbezeichneter Höhe entstanden. Wegen das durch den Gerüstabbau bedingten Baustillstandes hätten Arbeitskräfte der Fassadendämmfirma umgesetzt werden müssen. Hierfür habe die Fassadendämmfirma 987,70 € berechtigt in Rechnung gestellt. Darüber hinaus seien zusätzliche Planungskosten auf Seiten des planenden und bauüberwachenden Unternehmens in Höhe von Brutto 728,07 € angefallen unter Zugrundelegung von 12 zu vergütender Mehrstunden über 49,50 €. Schließlich seien durch die Beauftragung einer anderen Gerüstbaufirma Mehrkosten in Höhe von 1.512,55 € entstanden; wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Aufstellung des Planers […] und auf die Schlussrechnung der Firma Claus Gerüstbau […] verwiesen.

Die Klägerin wendet hiergegen ein, eine Pflichtverletzung könne ihr nicht vorgeworfen werden (vgl. oben zu 1). Jedenfalls fehle eine bei Annahme eines Werkvertrages erforderliche Anweisung gemäß § 1 Nr. 4 VOB/B. Diese könne insbesondere nicht in der „Behinderungsanzeige“ vom 16.7.2010 gesehen werden. Die Schadensberechnung der Beklagten sei schon deshalb verfehlt, da der Beklagte im Falle der weiteren Vorhaltung des Gerüstes durch die Klägerin Mehrkosten hätte aufwenden müssen.

Das Amtsgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme zur Höhe der Schadensersatzpositionen der Beklagten die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Die Leistungen der Klägerin sei abgenommen, nach den Regeln über die fiktive Abnahme, jedenfalls sei sie abnahmefähig gewesen. Die Forderung der Klägerin sei bis auf die streitigen Nachträge auch berechtigt gewesen. Wegen der streitigen Nachträge habe dagegen die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung davon geführt, dass die in Rechnung gestellten Leistungen auch erbracht wurden.

Die Beklagte sei jedoch mit der Aufrechnung erfolgreich, weswegen die Forderung der Klägerin erloschen sei. Die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, das Gerüst zum 19.7.10 abzubauen. Auf den streitgegenständlichen Vertrag finde ausschließlich Werkvertragsrecht Anwendung. Hierfür sprächen abweichend von der Rechtsansicht verschiedener Obergerichte die Eigenart der vertraglichen Leistung sowie auch die Bedürfnisse der Praxis. Kaum ein Bauvorhaben werde zu dem vorher geplanten Fertigstellungstermin wirklich abgeschlossen. Bei der überwiegenden Anzahl der Bauvorhaben, kommt es aus vorher nicht vollständig kalkulierbaren Umständen zu Verzögerungen. Dies wisse auch der Gerüstbauunternehmer. Ale Baubeteiligten müssten daher bei sorgfältiger Planung solche Verzögerungen berücksichtigen. Der Gerüstbauer müsse mit einer Verlängerung der Vorhaltezeiten rechnen. Aufgrund dieser Gegebenheiten müsse auf eine Standzeitverlängerung § 1 Nr. 4 VOB/B Anwendung finden. Im Gegenzug könne der Gerüstbauunternehmer nach § 2 VOB für die verlängerte Standzeit die vorgesehene Vergütung verlangen. Vorliegend sei eine Standzeitverlängerung durch die „Behinderungsanzeige“ vom 16.7.2010 gefordert und durch die Klägerin pflichtwidrig nicht gewährt worden. Darüber hinaus habe die Beweisaufnahme ergeben, dass zumindest die Forderung der Beklagten nach dem Ersatz von Mehraufwendungen für zusätzliche Planungsaufwendungen und für zusätzliche Gerüstbauaufwendungen berechtigt seien.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das amtsgerichtliche Urteil verwiesen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch weiter. Sie rügt Fehler des Amtsgerichts bei der Rechtsanwendung und Tatsachenfeststellung. Im Rahmen der Tatsachenfeststellung habe das Gericht zu unrecht die Nachtragspositionen aus der Schlussrechnung für unberechtigt gehalten; bei einer sachgerechten Beweiswürdigung hätte das Gericht zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Die Rechtsansicht des Amtsgerichts zur Rechtsnatur des Gerüstbauvertrages sei unzutreffend. Sie widerspreche zahlreichen obergerichtlichen Entscheidungen und werde den konkreten Gegebenheiten des Falles ebenso wenig gerecht, wie den allgemeinen Gegebenheiten bei Ausführung von Gerüstbauverträgen. Insbesondere habe das Amtsgericht zu Unrecht für die Vorhaltung des Gerüstes die Anwendung mietrechtlicher Vorschriften verneint und die nach dem Vertrag und Bauzeit geplanten Befristung des Vertrages verkannt. Bei Zugrundelegung werkvertraglicher Grundsätze seien vom Amtsgericht die Voraussetzung von § 1 Nr. 4 VOB/B zu unrecht bejahrt worden. Schließlich habe das Amtsgericht auch fehlerhafte Feststellungen zur Schadenshöhe getroffen. Die Angaben des erstinstanzlich vernommenen Zeugen […] seien unergiebig, pauschal und teilweise widersprüchlich.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Berufungsvorbringen der Klägerin verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.10.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bautzen, gerichtliches Aktenzeichen: 20 C 1091/10, abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.161,52 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem […].2010 und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 272,87 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das amtsgerichtliche Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die gerichtlichen Sitzungsprotokolle und das amtsgerichtliche Urteil verwiesen.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der Klägerin stand zwar ein fälliger Anspruch aus der Schlussrechnung in Höhe der Klageforderung über 2.161,52 zu; berechtigt waren dabei – insoweit entgegen der Entscheidung des Amtsgerichts – auch die beiden streitigen Nachträge über netto 120,70 € und netto 77,01 € (zusammen netto 197,71 €; brutto 235,27 € [nachfolgend 1.]). Der Anspruch der Klägerin ist jedoch durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß § 280, 281 BGB über insgesamt 2.240,64 € und in die Forderung der Klägerin übersteigender Höhe erloschen (§ 387 – 389 BGB [nachfolgend 2.]).

Im Einzelnen:

1. Der Klägerin stand ein fälliger Anspruch über 2.161,52 € aus dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag über den Aufbau und die Vorhaltung von Gerüsten zu. Auch die eingeforderten, streitigen Nachtragsforderungen waren berechtigt: Die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat in überzeugender Weise ergeben, dass den beiden streitgegenständlichen Nachtragsforderungen nicht nur (was unstreitig ist) wirksame vertragliche Vereinbarungen zugrunde lagen, sondern dass die in den beiden Nachtragspositionen abgerechneten Leistungen auch erbracht worden sind. Dies ergibt bereits die Dokumentenlage, was der Geschäftsführer der Klägerin plausibel aufzuzeigen vermochte: Die Klägerin hat der Beklagten nämlich mit Schreiben vom […].2010 […] eine Mengenüberschreitung in den Positionen […] sowie […] angezeigt und wegen der 110 % der vertraglich vorgesehenen Menge („Quadratmeterwochen“) die Vereinbarung einer Zulage für beide Positionen angeboten. Dieses Angebot wurde angenommen […]. Aus den unstreitigen, in der Schlussrechnung abgerechneten Leistungspositionen […] und […] ergibt sich – wie ein Einblick in das vom Geschäftsführer der Klägerin vorgelegte Leistungsverzeichnis und der Vergleich zu den abgerechneten Mengen in der Schlussrechnung ergab – eine Mengendifferenz, die den abgerechneten Zulagepositionen […] und […] entspricht.

Auf die Abnahme der klägerischen Leistung als Fälligkeitsvoraussetzung kommt es nicht an. Die Bauleistungen, für welche die Klägerin ein Gerüst vorzuhalten hatte, sind abgeschlossen; ein Nacherfüllungsanspruch der Beklagten jedweder Art ist damit zwingend ausgeschlossen. Schon deshalb bedarf es der Abnahme zur Herbeiführung der Fälligkeit nicht mehr. Darüber hinaus hat die Beklagte durch die von ihr erklärte Aufrechnung die Forderung der Klägerin nicht nur erfüllt (was eine Fälligkeit der Hauptforderung voraussetzt), sondern auch zum Ausdruck gebracht, dass sie eine abschließende Abrechnung der klägerischen Leistungen herbeiführen wolle.

2. Der Zahlungsanspruch der Klägerin aus der Schlussrechnung ist durch Aufrechnung erfüllt (§ 399 BGB). Der Beklagten stand ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung i. H. v. 2.240,64 € zu.

a) Die Klägerin hat die von ihr geschuldete Leistung nicht vollständig erbracht; der Gerüstabbau zum 19.07.2010 stellte eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung dar, so dass es einer Fristsetzung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht bedurfte (§§ 280, 281 BGB).

Die Klägerin hatte sich vertraglich dazu verpflichtet, für das beabsichtigte Bauvorha[]ben des Schulumbaues die erforderlichen Gerüstbauarbeiten vorzunehmen, wozu es nicht nur gehörte, die erforderlichen Gerüste aufzubauen und entsprechend dem Baufortschritt abzuändern, sondern sie auch während der gesamten Bauarbeiten zur Verfügung zu stellen. Dies ergibt die Auslegung des Vertrages (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung von dessen Eigenart als Werkvertrag (§ 631 BGB) sowie den für beide Seiten erkennbaren Zweck der vertraglichen Leistung.

Der zwischen den Parteien vorliegend geschlossene Gerüstbauvertrag ist als Werkvertrag zu qualifizieren. Entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin unterfällt die Überlassung des aufgestellten Gerüstes nicht den mietvertraglichen Regeln. Das Berufungsgericht macht sich zunächst die in jeder Hinsicht überzeugende Begründung des Amtsgerichts zu eigen und nimmt hierauf Bezug. Ergänzend ist unter Beachtung der hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Klägerin anzumerken: Die „Erfolgsbezogenheit“ der Arbeiten zum Aufstellen und Vorhalten eines Gerüstes zeigt sich nicht nur daran, dass ein Gerüst nach den individuellen Anforderungen des Gebäudes und der auszuführenden Arbeiten aufgestellt und im Wege des Baufortschrittes angepasst werden muss, sondern zusätzlich darin, dass durch Vorhaltung des Gerüstes die Durchführung der Bauarbeiten ermöglicht werden soll. Dabei findet regelmäßig eine – wenn auch zeitweise – feste Verbindung des Gerüstes mit dem Bauwerk statt; des Weiteren entspricht es der Üblichkeit, dass Gerüste – schon wegen der erhebli[]chen Aufwendungen für das Auf- und Abbauen – für die gesamte Dauer der Baumaßnahmen, für welche ein Gerüst benötigt wird, zur Verfügung gestellt werden. Wegen der damit gegebenen engen und unmittelbaren Verbindung der Gerüstvorhaltung zu den hierdurch unterstützten Bauarbeiten und wegen der Notwendigkeit ein Gerüst auch während seiner Standzeit den Bedürfnissen der Bauarbeiten anzupassen (etwa ein zusätzliches Dachfanggerüst zu stellen) ist aus Sicht des Berufungsgerichts auch bei der Vorhaltung des Gerüstes eine Erfolgsbezogenheit gegeben. Die geschilderten charakteristischen Merkmale unterscheiden die Vorhaltung des Gerüstes auch von der mietvertraglichen Überlassung von Baumaschinen und -geraten. Wegen des damit gegebenen deutlichen Überwiegens einer dem Werkvertrags recht eigenen „Erfolgsbezogenheit“ ist der Vertrag über die Gestellung eines Gerüstes jedenfalls bei einem Bauvorhaben der vorliegenden Art als Werkvertrag zu qualifizieren.

Hinzu kommt: Die Regelungen des Werkvertrags rechtes, namentlich die Bestimmungen der VOB/B tragen dem praktischen Bedürfnissen der Baupraxis und den hierbei typischer Weise auftretenden Konflikten in besonderer Weise Rechnung. Sie bieten auch zur Abwicklung von Verträgen über Gerüstbauarbeiten regelmäßig die „besseren“ Lösungsalternativen, als diejenigen des gesetzlich geschriebenen Mietrechtes. Ist der Vertrag über die Gestellung eines Baugerüstes – wie hier – als Einheitspreisvertrag ausgestaltet (das ist nach der Erfahrung des Gerichts die Regel), dann steht dem Gerüstbauunternehmer im Falle der Überschreitung der im Vertrag vorgesehenen Standzeiten die Rechte aus § 2 Abs. 3 VOB/B zu. Das Mietrecht bietet keine vergleichbare Handhabe. Kommt es zu einer länger andauernden Unterbrechung des Bauvorhabens kann der Gerüstbauer die Rechte nach § 6 Nr. 5 – 7 VOB/B ausüben, insbesondere nach einer mehr als drei Monate dauernden Unterbrechung den Vertrag kündigen. Zugunsten des Bestellers besteht der Vorteil, dass er – soweit nichts Abweichen- des vereinbart ist – die Vorhaltung des Gerüstes auch über den im Rahmen eines Einheitspreisvertrages vorläufig vorgesehenen Leistungszeitraumes hinaus grundsätzlich bis zum Abschluss der Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird, verlangen kann.

Bei der Anwendung des Mietrechts auf denjenigen Teil des Gerüstbauvertrages, der die Überlassung des Gerüstet betrifft, besteht zwar die Konsequenz, dass Schadensersatzansprüche wegen Verschlechterung, Beschädigungen oder Verlust von Gerüstbauteilen innerhalb der Verjährungsfrist von 6 Monaten nach Rückgabe gemäß § 548 BGB verjähren. Es ist durchaus zuzugeben, dass dies mit Blick auf die Eigenart des Gerüstbauvertrages -der nicht die Übereignung an den Besteller, sondern die Rückgabe des Gerüstes an den Unternehmer vor sieht – angemessen erscheint. Dies rechtfertigt aber mit Blick auf die vorgenannten Überlegungen nicht die Anwendung des geschriebenen Mietrechts auf die Überlassung des Gerüstes insge[s]amt. Man könnte vertreten, dass die Verjährungsvorschrift des § 548 BGB wegen der Eigenart des Gerüstbauvertrages bei Geltung von Werkvertragsrecht im Übrigen anzuwenden ist. Das bedarf vorliegend aber keiner Entscheidung. Auch eine Anwendung der Regelverjährung wäre nicht so unangemessen, dass es geboten wäre, von der Anwendung des Werkvertragsrech[t]es auf die Regelung der Vertragsbeziehungen zwischen Gerüstbauunternehmer und Bauherrn abzusehen.

Entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin wurde im vorliegenden Vertrag auch nicht individuell eine Gerüstvorhaltung bis lediglich 19.07.2010 vereinbart. Eine derartige Vereinbarung wäre ohne weiteres auch unter Geltung des Werkvertragsrechtes möglich, was sich bereits aus der Vertragsfreiheit ergibt. Gegen die Annahme einer fest vereinbarten Überlassungszeit sprechen jedoch die nachfolgenden Umstände: Der Vertrag wurde als Werkvertrag geschlossen (siehe oben); das zu stellende Gerüst sollte den Zweck erfüllen, diejenigen Baumaßnahmen im Rahmen des Schulumbaues zu ermöglichen, für welche ein Gerüst benötigt wurde. Dies war für beide Seiten eindeutig erkennbar (§ 133 BGB). Es gibt entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin keinerlei Umstände, die darauf hindeuten, dass die Parteien die Überlassung des Gerüstes durch eine nach dem Kalender bestimmten Endtermin befristen wollten. Der Bauzeitenplan einschließlich der Regelung zu dessen verbindlicher Geltung im Vertrag bildet hierfür kein taugliches Indiz. Mit einer derartigen Vereinbarung will der Bauherr nach der Verkehrssitte (§ 557 BGB) erkennbar verbindliche Fristen für den Beginn und die Ausführung der Einzelleistungen vereinbaren, an deren Überschreitung Verzugsfolgen geknüpft sind, nicht aber zum Ausdruck bringen, dass eine bestimmte Leistung, wenn das Baugeschehen sich anders entwickelt und die Leistung „außerhalb“ des dafür vorgesehenen Zeitraumes im Bauzeitenplan erbracht werden muss, nicht mehr erbracht werden müsste. Ebenso wenig wie der Dachdecker oder das Fassadenunternehmen sich ohne weiteres darauf berufen könnten, sie müssten ihre Leistung nicht mehr ausführen, da diese sich über den Zeitraum der im Bauzeitenplan dafür vorgesehenen Tage hinaus verschoben habe, kann die Klägerin mit dem Argument Erfolg haben, nach Ablauf der im Bauzeitenplan vorgesehenen Zeit für die Gerüststellung sei diese nicht mehr geschuldet. Der für beide Seiten erkennbare Vertragszweck – die Ermöglichung derjenigen Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird – steht dem eindeutig entgegen.

Gestützt wird diese Sichtweise durch die Ausgestaltung der vertraglichen Vereinbarung als Einheitspreisvertrag – auch hinsichtlich derjenigen Positionen für die Vorhaltung der einzelnen Gerüstteile über die Grundstandzeit hinaus. Dafür, dass die Klägerin selber dies so gesehen hat, spricht die Nachtragspraxis der Klägerin, welche sich mit ihrem im April 2010 angebotenen Nachträgen auf die Vorschrift des § 2 Nr. 3 VOB/B berufen hat, dessen Anwendung einen Einheitspreisvertrag voraussetzt.

Die Klägerin war auch ohne weiteres – insbesondere ohne das Erfordernis einer Anordnung nach § 1 Nr. 4 VOB/B – verpflichtet, das Gerüst über den 19.07.2010 hinaus vorzuhalten. Insoweit ist das Berufungsgericht abweichend von der Rechtsmeinung des Amtsgerichts der Auffassung, dass die Vorhaltung des Gerüstes grundsätzlich bis zum Abschluss der hierdurch unterstützten Bauarbeiten geschuldet war. Hierzu wird zunächst auf die obigen Darlegungen verwiesen.

Ergänzend ist auszuführen: Eine Verlängerung der Gerüststandszeiten über die im Vertrag vorläufig angesetzten Gerüststandszeiten hinaus stellt nicht einen Fall von § 1 Nr. 4 VOB/B, sondern einen Fall von § 2 Nr. 3 VOB/B dar. Verzögert sich – wie vorliegend – das Baugeschehen und wird die Vorhaltung des Gerüstes über den im Vertrag vorläufig vorgesehenen Zeitraum hinaus notwendig, dann liegt hierin nicht die Erbringung einer im Vertrag nicht vorgesehenen, aber zur Herbeiführung des werkvertraglichen Erfolges geschuldeten Leistung, sondern es liegt ein Fall der Mengenmehrung vor. Der Fall ist demjenigen vergleichbar, dass ein Maler mehr als die im Vertrag vorläufig angesetzte Fläche malern oder ein Dachdecker mehr als die im Vertrag angesetzte Dachfläche eindecken muss, um den Vertrag zu erfüllen, nicht dagegen den Fall, dass der Maler zur Herbeiführung des Erfolges im Vertrag nicht vorgesehene Putzausbesserungsarbeiten oder der Dachdecker eine im Vertrag nicht vorgesehene Anbringung einer Unterspannbahn vornehmen muss. Offenbar hat dies die Klägerin selbst so gesehen, denn sie hat bei der Verlängerung der Gerüststandszeit für den Atbau auf der Grundlage von § 2 Nr. 3 VOB/B eine Zusatzvergütung verlangt (siehe oben).

Die Klägerin hat damit die vertraglich geschuldete Leistung nicht (vollständig) erbracht; §§ 280, 281 BGB. Einer Fristsetzung zur Leistungserbri[n]gung durch die Beklagte bedurfte es nicht. Mit dem Abbauen des Gerüstes hat die Klägerin nämlich eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie die Weiterführung ihrer Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. In Anbetracht der mit dem Abbau verbundenen und im Falle eines Wiederaufbaues zusätzlich anfallenden Aufwendungen dürfte die Beklagte annehmen, dass die Klägerin mit dem Abbau ihren definitiv gefassten Entschluss, den Vertrag nicht weiter zu erfüllen, zu erkennen gegeben hatte. Darauf, ob die Klägerin „sich im Recht“ und zu einer weiteren Leistungserbringung nicht verpflichtet fühlte kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

b) Die Klägerin hat hierdurch einen Schaden i. H. v. zumindest 2.240,64 € erlitten.

Die Klägerin hat wegen erhöhter Planungskosten Aufwendungen von 728,07 € gehabt. Der zur Begründung dieser Mehraufwendungen gehaltene Sachvortrag der Beklagten auf der Grundlage der Rechnung vom 25.08.2010 […] sind durch den Zeugen […] bei dessen Aussage vor dem Amtsgericht bestätigt worden. Die hierbei gemachten Angaben waren nachvollziehbar. Insbesondere konnte der Zeuge erläutern, warum eine Baustellenbegehung mit einem Aufwand von 3 Stunden erforderlich war, woraus sich der Aufwand für die Leistungstexterstellung und die Angebotswertung ergibt. Auch die Angaben zum Stundensatz können vom Gericht uneingeschränkt nachvollzogen werden und werden von der Klägerin auch nicht ernsthaft infrage gestellt. Es lässt deshalb keinen Rechtsfehler erkennen, dass das Amtsgericht auf der Grundlage dieser Aussage die zusätzlichen Planungskosten als gerechtfertigt angesehen hat. Das Berufungsgericht ist insoweit an die Feststellungen des Amt[s]gerichts gebunden; § 529 ZPO. Gleiches gilt für die Gerüstmehrkosten. Der Zeuge hat in Übereinstimmung mit dem Sachvortrag der Beklagten nachvollziehbar erläutert, auf welche Weise er die Mehrkosten ermittelt hat. Dies lässt sich anhand der Aufstellung des Zeugen und – insoweit entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin – auch anhand der Rechnung der Firma C[…] nachvollziehen. Der „scheinbare“ Widerspruch der Rechnungspositionen aus der Schlussrechnung der Firma C[…] vom […].2011 und der Aufstellung des Zeugen […] folgt daraus, dass die Positionen in der Schlussrechnung der Firma C[…], die die Gebrauchsüberlassung über die Grundstandszeit hinaus betreffen, eine Multiplikation der tatsächlich angefallenen Vorhaltewochen mit dem vertraglichen Einheitspreis pro Quadratmeter und Woche beinhalten, während der Zeuge […] – erkennbar um die Vergleichbarkeit mit der dem Angebot der Klägerin zu ermöglichen – die Quadratmeter der jeweiligen Gerüstteile mit der angefallenen Wochenstandszeit multipliziert hat.

Der Einwand der Klägerin, die Schadensberechnung der Beklagten berücksichtige nicht, dass der Klägerin im Falle der weiteren Vorhaltung des Gerüstes über den 19.07.2010 hinaus Mehrkosten entstanden wären, die sie auf die Beklagte hätte umlegen können, ist unerheblich. Denn die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat die Voraussetzungen eines Mehrvergütungsanspruchs nach § 2 Nr. 3 VOB/B nicht schlüssig dargelegt. Es wäre Aufgabe der Klägerin gewesen, dies zu tun. Zwar ist die Höhe des Schadens vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen. Die Klägerin schuldete jedoch grundsätzlich die Gerüstüberlassung zu den vertraglich vereinbarten Konditionen. Die Mehrvergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B stellt insoweit keinen „Automatismus“, sondern eine Ausnahme dar. Die Voraussetzungen dieser Ausnahme hat auch, wenn es um die Schadensberechnung geht, der Bauunternehme darzulegen und zu beweisen. Eine schlüssige Darlegung der Klägerin hierzu ist ausgeblieben. Die Klägerin hat sich lediglich pauschal darauf berufen, sie hätte bei einer Verlängerung Gerüstteile anmieten müssen. Die konkrete Darlegung eines Mehrpreises unter Berücksichtigung der Ursprungskalkulation und der durch die Mengenmehrung eingetretenen Mehrkosten hat die Klägerin nicht vorgenommen. Dies wäre nach dem Bestreiten der Beklagten spätestens aber mit der Berufungsbegründung – nachdem das Amtsgericht in seinem Urteil Werkvertragsrecht zur Anwendung gebracht hatte – geboten gewesen.

Da die Gegenforderung der Beklagten die Klageforderung übersteigt, ist diese erloschen.

[…]

Die Revisionszulassung war nach § 543 ZPO geboten. Die Frage nach dem Rechtscharakter des Gerüststellungsvertrages ist vorliegend entscheidungserheblich. Sie ist dabei grundsätzlicher Natur, da sie in einer Vielzahl von Fällen entscheidungsrelevant ist. Die Rechtsfrage ist bisher vom Bundesgerichtshof nicht entschieden worden. Da es hierzu auch abweichende Ansichten in der Rechtsprechung gibt, erscheint die Zulassung der Revisio[]n (auch) zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung geboten.“

LG Bautzen, Urteil vom 6.7.2012 – 1 S 143/11

Siehe auch:

Kein einheitlicher und gemeinsamer Gerichtstand bei Entsorgungsvertrag

Nach dem Beschluss des Landgerichts Görlitz liegt (LG Görlitz, Beschluss vom 16.5.2012 – 1 O 433/11) bei einem Entsorgungsvertrag kein einheitlicher und gemeinsamer Gerichtstand im Sinne des § 29 ZPO vor.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

E[…] GmbH, […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

H[…] GmbH & Co. KG, […]

– Beklagte –

Prozess bevollmächtigte:

[…]

wegen Forderung

erlässt die 1. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz […]

am 16.05.2012

nachfolgende Entscheidung:

Das Landgericht Görlitz erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist die Sache auf Antrag der Klägerin […] gem. § 281 ZPO an das

Landgericht Koblenz

Gründe:

Die Parteien streiten über die Bezahlung von Leistungen der Klägerin aus einem Vertrag zur Entsorgung von Klärschlamm aus einer Anlage aus D[…].

Die Klägerin ist geschäftsansässig in […] B[…]. B[…] gehört zum Zuständigkeitsbezirk des LG Görlitz. Die Beklagte ist geschäftsansässig in […] W[…]. W[…] liegt im Gerichtssprengel des LG Koblenz. Gegenstand des Vertrags, aus dem die Klägerin einen Zahlungsanspruch in Höhe von […] Euro herleitet, ist die Klärschlammentsorgung für die Stadt D[…].

Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des LG Görlitz gerügt und meint, dass das Geschäftssitzgericht am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten, das LG Koblenz, zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufen sei.

Die Klägerin meint, dass sich trotz des Umstandes, dass sie Zahlungsansprüche aus einem wechselseitigen Vertrag geltend macht, aus § 29 ZPO ein einheitlicher und gemeinsamer Gerichtstand ergeben würde, der beim LG Görlitz liege. Die Rechtssprechung nehme dies u.a. an, wenn die Umstände des Einzelfalles einen Ort der gemeinsamen Leistungserbringung nahe legen.

Hilfsweise hat die Klägerin beantragt, den Rechtsstreit an das Geschäftssitzgericht der Beklagten (LG Koblenz) zu verweisen.

Auf den Hilfsantrag der Klägerin war der Rechtsstreit an das LG Koblenz zu verweisen, da der Zahlungsanspruch der Klägerin aus dem Entsorgungsvertrag im allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zu verfolgen ist.

Die Voraussetzungen für eine gesetzliche Zuweisung des Rechtsstreits an das LG Görlitz liegen nicht vor. Schwerpunkt des streitgegenständlichen Vertrages ist die Entsorgung von Klärschlamm, nicht jedoch z.B. der Transport desselben.

Richtig ist zwar, dass im Rahmen der Zuständigkeitsvorschrift des § 29 ZPO abweichend von der Grundannahme, dass der Erfüllungsort im gegenseitigen Vertrag für die Verbindlichkeiten beider Vertragsteile selbständig zu bestimmen ist (vgl.: BGH, NJW 2004, 54; NJW-RR 2007, 777) bei Ortsgebundenheit/ – bezogenheit und unter Hinzutreten weiterer Umstände, wie Gewohnheiten und Gebräuche, beiderseitige Mitwirkungspflichten am Hauptleistungsort oder sofortigem Leistungsaustausch vor Ort, ein gemeinsamer Erfüllungsort ergeben kann (vgl. BayObLG MDR 2005, 1357), aber diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor.

Leistung und Gegenleistung sind getrennt. Eine besondere Fokussierung der Leistungspflichten auf den Entsorgungsort ist nicht gegeben. Besondere Mitwirkungspflichten der Beklagten am Geschäftssitz der Klägerin sind nicht zu erbringen. Es läßt sich auch nicht annehmen, dass die Parteien konkludent einen gemeinsamen Erfüllungsort vereinbart hätten.

Soweit ersichtlich, wurde in Rechtssprechung und Schrifttum noch kein gemeinsamer Gerichtsstand bezüglich der Leistungspflichten bei einem Entsorgungsvertrag bejaht.“

LG Görlitz, Beschluss vom 16.5.2012 – 1 O 433/11

Keine erstattungsfähigen Zwangvollstreckungskosten bei fehlendem Nachweis des Zugangs einer korrigierten Kostenrechnung

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„In der Zwangsvollstreckungssache

Landesjustizkasse Chemnitz,
[…]

– Gläubigerin –

gegen

[…]

Verfahrensbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne,
Wallstraße 15, 02625 Bautzen

– Schuldner-

wegen Erinnerung

hat das Amtsgericht Bautzen durch Richter am Amtsgericht […] am 28. März 2012 beschlossen:

1. Auf die Erinnerung des Schuldners vom […].2011 wird die Landesjustizkasse Chemnitz angewiesen, die Vollstreckungskosten in Höhe von 18,00 EUR […] gegen den Schuldner nicht zu vollstrecken.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe:

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen entstandener Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 18,00 EUR.

Nachdem der Schuldner einen Kostenvorschuss in Höhe von 1.244,00 EUR für eine Berufung im Zivilverfahren gegen die Firma […] beim Landgericht Zwickau ([…]) bei der Gerichtskasse einzahlen sollte, kam es im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem

Oberlandesgericht Dresden zu einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits. Deswegen ist die ursprüngliche Kostenrechnung für das Berufungsverfahren in Höhe von 1244,00 EUR geändert worden, und zwar dergestalt, dass der Schuldner 311,00 EUR für das Berufungsverfahren zu zahlen hatte. Diesen Betrag zahlte der Schuldner nicht, weshalb die Gläubigerin nach einer Mahnung vom […].2011 die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner einleitete. Sie erteilte unter dem […].2011 dem zuständigen Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag. Ferner richtete die Gläubigerin ein Aufrechnungsersuchen an das Finanzamt Bautzen. Am […].2011 erfolgte Zahlungseingang in Höhe von 311,00 EUR durch das Finanzamt Bautzen, weshalb die Gläubigerin den Vollstreckungsauftrag beim Gerichtsvollzieher zurücknahm, wofür der Gerichtsvollzieher durch Kostenrechnung vom […].2011 18,00 EUR berechnete.

Gegen diese Vollstreckungskosten, die die Gläubigerin vom Schuldner fordert, richtet sich dessen Erinnerung, mit der er vorträgt, dass ihm eine (korrigierte) Kostenrechnung über 311,00 EUR nicht zugegangen sei, nachdem er zuvor vom Landgericht Zwickau darüber benachrichtigt worden sei, dass er die Kostenrechnung über 1.244,00 EUR zunächst nicht zahlen müsse, sondern eine neue Kostenrechnung abwarten könne.

Der Rechtsbehelf der Erinnerung ist zulässig und hat in der Sache auch Erfolg. Den Ersatz der Gerichtsvollzieherkosten kann die Gläubigerin vom Schuldner nicht nach § 6 der Justizbeitreibungsordnung in Verbindung mit § 788 ZPO verlangen. Nach den genannten Bestimmungen hat der Schuldner auch die Kosten des Vollstreckungsverfahrens dem Gläubiger zu erstatten. Hierzu gehören auch Gerichtsvollzieherkosten, die die Gläubigerin hier geltend macht. Die Anwendung der Vorschriften zu Lasten des Schuldners hängt jedoch weiter davon ab, dass der Schuldner vor Beginn der Vollstreckung zur Leistung innerhalb von 2 Wochen schriftlich aufgefordert und nach vergeblichem Ablauf der Frist besonders gemahnt worden ist. Bei der Beitreibung der Gerichtskosten ist dem Schuldner vorher eine Gerichtskostenrechnung zu übermitteln. Erst dann darf gemahnt und die Vollstreckung begonnen werden. Die Übermittlung einer Gerichtskostenrechnung vor der Vollstreckung an den Schuldner konnte nach den Ermittlungen des Gerichts nicht nachgewiesen werden. Die Einwendungen des Schuldners gegen die Vollstreckung, nämlich seine Behauptung, dass er keine Kostenrechnung über 311,00 EUR erhalten habe, war Gegenstand einer Prüfung der Bezirksrevisorin beim Landgericht in Zwickau. Im Rahmen dieser Überprüfung hat die Kostenbeamtin beim Landgericht Zwickau eine dienstliche Stellungnahme abgegeben. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme hat es ein Telefonat zwischen einem Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten des Schuldners und ihr gegeben. In diesem Telefonat hat sie dem Mitarbeiter mitgeteilt, dass der für das Berufungsverfahren angeforderte Vorschuss von 1.244,00 EUR sich ermäßigen würde, weil es zu einem Vergleich gekommen sei. Es werde eine sogenannte „Teillöschung“ erfolgen. Diese Teillöschung habe sie dann am […].2010 vorgenommen. In einem Telefonat vom […].2010 mit einem Mitarbeiter des Schuldnervertreters habe sie in diesem auch mitgeteilt, dass diese Teillöschung erfolgt sei. Sie bezweifle indessen, dass sie dem Mitarbeiter des Schuldnervertreters auch gesagt habe, der Schuldner solle vorerst keine Zahlungen vornehmen. Genau könne sie sich an diese Vorgänge nicht mehr erinnern. Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Zwickau hat festgestellt, dass sich in der Prozessakte zwar ein Erledigungsvermerk der Kostenbeamtin über die Abfertigung der Teillöschung finde. In der Prozessakte befinde sich indessen nicht – wie sonst üblich – eine Durchschrift der entsprechenden Kostenrechnung über die Teillöschung. Dies wird von der Bezirksrevisorin ausdrücklich beanstandet (Verbleib ist aufzuklären!!!).Die Bezirksrevisorin stellte ferner fest, dass die von der Kostenbeamtin gefertigte Sollstellung der Teillöschung an das Oberlandesgericht weitergeleitet sei, ohne dass ein Grund hierfür ersichtlich sei. Unter diesen, teilweise ungeklärten Umständen der Teillöschung, erscheint es dem erkennenden Gericht plausibel und nachvollziehbar, dass jedenfalls die (konkrete) Möglichkeit besteht, dass die Teillöschung vom […].2010 dem Schuldner nicht übermittelt wurde. Ebenso erscheint es dem Gericht nachvollziehbar, dass einem Kanzleimitarbeiter des Schuldnervertreters vor der Teillöschung vom […].2010 in einem Telefonat entweder gesagt wurde, dass er von der Bezahlung der Kostenrechnung über die 1.244,00 EUR wegen der bevorstehenden Teillöschung zunächst Abstand nehmen sollte oder ihm gesagt wurde, dass eine Teillöschung erfolgen wird ohne Klarstellung, dass die Kostenrechnung vom […].2010 trotzdem zu zahlen ist und der Kanzleimitarbeiter aus dieser Mitteilung die nahe liegende Schlussfolgerung gezogen hat, dass die (ursprüngliche) Kostenrechnung vom 23.09.2010 nicht mehr bezahlt werden muss, sondern eine neue Kostenrechnung abgewartet werden soll. Dem Schuldner kann allenfalls vorgeworfen werden, dass er auf die von der Gläubigerin behauptete Mahnung vom […].2011 nicht reagiert hat. Die Mahnung ersetzt indessen, die dem Schuldner zugesagte korrigierte Kostenrechnung nicht.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.“

AG Bautzen, Beschluss vom 23.3.2012 – 3 M 3253/11