Angemessenheit von Sachverständigenkosten bei Verkehrsunfällen: Rechtliche Klarstellungen durch das AG Zittau

Das Urteil des Amtsgerichts Zittau, Zweigstelle Löbau, vom 10. September 2024 (8 C 149/24), behandelt die Vergütungsforderung eines Kfz-Sachverständigen gegenüber einer Versicherungsgesellschaft im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall.

Der Kläger hatte demnach einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gemäß §§ 115 VVG und 249 BGB. In Fällen eines Verkehrsunfalls umfasst der erstattungsfähige Schaden auch die Kosten der Schadensermittlung durch einen Sachverständigen. Ein wesentlicher Punkt des Urteils ist die Auslegung des „Erforderlichkeitsbegriffs“. Der Geschädigte muss bei der Auswahl eines Sachverständigen nicht nach den preisgünstigsten Angeboten suchen. Es genügt, dass ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten das Gutachten als zweckmäßig und notwendig erachten durfte. Die Entscheidung stellt klar, dass der Geschädigte nicht zugunsten der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers sparen muss. Dies ist ein häufiger Streitpunkt in Schadensersatzprozessen, bei dem Versicherungen oft argumentieren, dass die Kosten zu hoch seien und die günstigsten Sachverständigen gewählt werden müssten.

Die richterliche Schätzung der erforderlichen Kosten erfolgte gemäß § 287 ZPO. Hierbei orientierte sich das Gericht an der Honorarbefragung des BVSK (Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen), was in der Rechtsprechung – auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs – als geeignete Schätzungsgrundlage gilt. Das geforderte Honorar des Sachverständigen wurde in diesem Rahmen nicht beanstandet.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]Kfz-Sachverständigenbüro[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Vergütungsforderung

hat das Amtsgericht Zittau durch

Richter am Amtsgericht […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 10.09.2024

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 393,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Pro-
    zentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 17.4.2024 zu
    zahlen.
  2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber der Rechtsanwälte
    Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 44,59 € freizustellen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 394,20 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 313 a I 1 ZPO abgesehen, da ein
Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt € 600,00 nicht (§ 511 II 1 ZPO).
Die Berufung wird nicht zugelassen (§ 511 II 2 ZPO), da die Rechtssache weder grund-
sätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer ein-
heitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert ( § 511 IV
1ZPO).

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Bezahlung der weiteren Sachverständigenkosten gemäß §§ 115 VVG, 249 BGB.

Der bei einem Verkehrsunfall erstattungsfähige Schaden umfasst gemäß § 249 BGB auch die erforderlichen Kosten der Schadensermittlung durch einen Sachverständigen. Erforderlich sind die Aufwendungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dabei hat der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich den im Rahmen des ihm Zumutbaren wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Geschädigte bei der Beauftragung des Sachverständigen zuvor eine Marktforschung betreiben müsste, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu finden; kurz: der Geschädigte muss nicht zu Gunsten der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers sparen.

Der Geschädigte kann für die Gutachtenerstellung die tatsächlich erforderlichen Kosten ersetzt verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat.

Im Rahmen der richterlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO kann der Tatrichter nach überwiegender Rechtsprechung, inzwischen auch des BGH, der sich das erkennende Gericht anschließt, die Honorarbefragung der BVSK – hier 2022 – als geeignete Schätzungsgrundlage heranziehen.
Das geltend gemachte Honorar des Sachverständigen ist danach nicht zu beanstanden.
Es wird insoweit auf die zutreffende Berechnung der Klägerseite […] verwiesen.

Der Anspruch auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs, 2, 286 BGB. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 II 3, 288 I BGB.

II.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91; 269 Abs. 3 S. 3, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.“

AG Zittau, Zweigstelle Löbau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24

Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten: BVSK-Honorartabelle unabhängig von Verbandszugehörigkeit

Das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 25.06.2024 (Az. 121 C 573/24) behandelt einen Rechtsstreit zwischen einem Ingenieurbüro und einer Haftpflichtversicherung zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Die Klägerin hatte die Ansprüche des Geschädigten aus abgetretenem Recht geltend gemacht.

Das Gericht hat entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten hat. Die Entscheidung stützt sich dabei auf § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 VVG und den Regelungen des BGB.

Wesentlich in der Entscheidung ist die Frage der Angemessenheit und Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten. Das Gericht hat anerkannt, dass der Geschädigte grundsätzlich das Recht hat, die Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen ersetzt zu bekommen, jedoch unterliegt dieser Anspruch dem sogenannten Wirtschaftlichkeitsgebot. Das bedeutet, dass die Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zur Schadenshöhe stehen müssen und der Geschädigte nicht automatisch jeden Preis ersetzt verlangen kann, den der Sachverständige in Rechnung stellt.

Ein zentraler Punkt war die Bewertung der einzelnen Kostenpositionen, wie z.B. Grundhonorar, Fahrtkosten, Fotokosten und Schreibkosten. Das Gericht hat hier die BVSK-Honorartabelle 2022 als Schätzgrundlage herangezogen und festgestellt, dass die in Rechnung gestellten Beträge größtenteils angemessen waren, mit Ausnahme der Fahrtkosten, die teilweise als überhöht angesehen wurden.

Besonders bemerkenswert ist die Entscheidung des Gerichts, dass eine Mitgliedschaft im BVSK (Berufsverband der Sachverständigen) nicht Voraussetzung für die Heranziehung der BVSK-Honorartabelle als Schätzgrundlage ist. Das Gericht hat die Verwendung dieser Tabelle als repräsentativ und geeignet bewertet, um die Angemessenheit der Sachverständigenhonorare zu bestimmen.

Das Gericht betrachtet die BVSK-Honorartabelle als einen bundesweit anerkannten und repräsentativen Querschnitt der üblichen Honorare von Sachverständigen. Diese Honorartabelle wird vom Berufsverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen (BVSK) erstellt und basiert auf umfangreichen Umfragen unter Sachverständigen in Deutschland. Dadurch erlangt sie nach Auffassung des Gerichts eine hohe Aussagekraft für die Bestimmung angemessener Vergütungen in der Praxis.

Eine zentrale Argumentation des Gerichts ist, dass es nicht erforderlich ist, dass der beauftragte Sachverständige Mitglied im BVSK ist, um die BVSK-Honorartabelle als Schätzgrundlage heranziehen zu können. Diese Entscheidung beruht auf der Überlegung, dass die Tabelle selbst unabhängig von der Mitgliedschaft repräsentative Werte liefert, die den gängigen Marktbedingungen entsprechen. Wäre die Heranziehung der Tabelle auf BVSK-Mitglieder beschränkt, würde dies einen unzulässigen Druck auf Sachverständige ausüben, dem Verband beizutreten, was das Gericht als unsachgerecht ansieht.

Das Gericht argumentiert weiter, dass eine Differenzierung nach Mitgliedern und Nichtmitgliedern des BVSK zur Erhöhung der Einkommensmöglichkeiten von Sachverständigen durch eine erzwungene Mitgliedschaft führen könnte. Dies wäre nicht nur sachlich unangemessen, sondern würde auch dem Grundsatz der freien Berufsausübung widersprechen. Das Gericht stellt daher klar, dass es die BVSK-Honorartabelle auch dann als Schätzgrundlage nutzen kann, wenn der Sachverständige nicht Mitglied im BVSK ist.

Im Rahmen des § 287 ZPO hat das Gericht einen weiten Ermessensspielraum bei der Schätzung von Schadensersatzbeträgen. Es ist nicht verpflichtet, alle möglichen Schätzgrundlagen heranzuziehen, sondern kann sich auf solche stützen, die es als angemessen und praktisch durchführbar erachtet. Die BVSK-Honorartabelle erfüllt diese Anforderungen, da sie auf breiter Datenerhebung basiert und für die gängige Praxis repräsentativ ist.

Das Gericht weist zudem darauf hin, dass eine Differenzierung nach der Qualität einzelner Sachverständiger nicht erforderlich ist, da dies den Sinn und Zweck der Schätzmöglichkeit nach § 287 ZPO untergraben würde. Die Honorartabelle stellt eine durchschnittliche Vergütung dar, die typischerweise für Sachverständigenleistungen in diesem Bereich erwartet wird. Damit wird vermieden, dass im Einzelfall aufwendig geprüft werden muss, ob ein bestimmter Sachverständiger besonders qualifiziert oder erfahren ist.

Das Gericht setzt die BVSK-Honorartabelle auch in den Kontext anderer denkbarer Schätzgrundlagen und stellt fest, dass diese Tabelle eine zuverlässige und praxisnahe Grundlage bietet, die den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) entspricht. Der BGH hat in verschiedenen Urteilen betont, dass die Ermittlung der erforderlichen Kosten durch eine solche Honorartabelle zulässig ist, solange sie auf einer repräsentativen Datenerhebung basiert und die durchschnittlichen Marktbedingungen widerspiegelt.

Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die BVSK-Honorartabelle eine geeignete Grundlage für die Schätzung der erforderlichen Sachverständigenkosten ist. Diese Entscheidung ermöglicht es, die Kostenfrage in Verkehrsunfallsachen auf eine einheitliche und nachvollziehbare Weise zu klären, ohne dass es zu einer übermäßigen Belastung der Gerichte durch individuelle Prüfungen kommt.

In dem Urteil des Amtsgerichts Braunschweig wird zudem ausführlich auf die Erstattungsfähigkeit von Nebenkosten im Rahmen der Sachverständigenhonorare eingegangen. Das Gericht befasst sich dabei mit mehreren Arten von Nebenkosten, darunter Fotokosten, Schreibkosten, Fahrtkosten und eine Pauschale für Porto und Telefon. Die Argumentation des Gerichts stützt sich dabei auf verschiedene rechtliche und praktische Überlegungen.

Das Gericht stellt zunächst fest, dass es allgemein üblich ist, dass Sachverständige neben ihrem Grundhonorar auch Nebenkosten geltend machen. Diese Nebenkosten sind als Auslagen für bestimmte Aufwendungen im Rahmen der Sachverständigentätigkeit zu verstehen und werden üblicherweise zusätzlich zum eigentlichen Entgelt für die Hauptleistung (die Erstellung des Gutachtens) in Rechnung gestellt. Das Gericht führt hierzu aus, dass es gerichtsbekannt sei, dass Sachverständige in der Regel Nebenkosten für verschiedene Posten wie Fahrten, das Anfertigen von Lichtbildern und das Erstellen von schriftlichen Gutachten gesondert abrechnen.

Im Hinblick auf die Fotokosten erkennt das Gericht eine Erstattungsfähigkeit an, da diese Kosten als notwendige Auslage für die Begutachtung des Fahrzeugs anzusehen sind. Im vorliegenden Fall wurden Kosten in Höhe von 2,00 Euro pro Foto für insgesamt 7 Fotos geltend gemacht. Das Gericht sieht diese Kosten als angemessen an. Daher wurden die Fotokosten in voller Höhe als erstattungsfähig anerkannt.

Die Schreibkosten wurden im Urteil ebenfalls als erstattungsfähig bewertet. Das Gericht führt aus, dass die abgerechneten Schreibkosten in Höhe von 10,80 Euro nicht überhöht seien. Es wurde ein Betrag von 1,80 Euro pro Seite für das schriftliche Gutachten abgerechnet, was insgesamt 6 Seiten umfasst. Das Gericht bezieht sich hierbei auf die BVSK-Honorarvereinbarung 2022, die auch eine Orientierung an den Regelungen des JVEG (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz) ermöglicht.

Das Gericht argumentiert, dass es sich bei den Schreibkosten um eine Pauschale handelt und es daher unerheblich sei, ob jede Seite des Gutachtens tatsächlich umfangreichen schriftlichen Inhalt aufweist. Entscheidend ist vielmehr, dass die Pauschale als marktüblich und angemessen anzusehen ist. Die Bemessung der Schreibkosten anhand einer Pauschale vereinfacht die Abrechnung und stellt sicher, dass die Kosten im üblichen Rahmen bleiben.

Die Fahrtkosten wurden differenziert betrachtet. Das Gericht erkennt an, dass Fahrtkosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, legt jedoch Wert darauf, dass die Höhe der geltend gemachten Kosten angemessen ist. Im vorliegenden Fall wurden Fahrtkosten in Höhe von 0,99 Euro pro Kilometer geltend gemacht, was das Gericht als überhöht ansieht. Stattdessen hält das Gericht einen Kilometersatz von 0,70 Euro für angemessen, basierend auf verschiedenen Autokostentabellen und einer Marktanalyse, die im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz durchgeführt wurde.

Das Gericht verweist zudem darauf, dass der Geschädigte in der Lage sein muss, überhöhte Fahrtkosten zu erkennen und diese zu hinterfragen. Der Bundesgerichtshof hat in früheren Entscheidungen klargestellt, dass ein Kilometersatz von 0,70 Euro angemessen erscheinen kann, während der gesetzliche Satz nach dem JVEG von 0,30 Euro als unrealistisch niedrig bewertet wird.

Die Pauschale für Porto und Telefon in Höhe von 15,00 Euro netto wurde vom Gericht ebenfalls als erstattungsfähig anerkannt. Diese Pauschale entspricht der BVSK-Honorarvereinbarung 2022 und wurde seitens der Beklagten nicht substantiiert angegriffen. Das Gericht bewertet diese Pauschale als marktüblich und angemessen, da Sachverständige typischerweise solche Kommunikations- und Versandkosten als Teil ihrer Nebenkosten abrechnen.

Insgesamt sieht das Gericht die geltend gemachten Nebenkosten, mit Ausnahme eines Teils der Fahrtkosten, als angemessen und erstattungsfähig an. Die Entscheidung basiert auf der Praxis der freien Berufsausübung und den Prinzipien des Zivilrechts, insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot, das in Schadenersatzprozessen eine zentrale Rolle spielt. Das Gericht betont, dass der Geschädigte bei der Beauftragung eines Sachverständigen nicht zu einer umfassenden Marktforschung verpflichtet ist, um den günstigsten Anbieter zu finden.

Durch die Verwendung von Pauschalen und allgemein anerkannten Honorartabellen wird die Abrechnung der Nebenkosten vereinfacht und standardisiert, was sowohl den Gerichten als auch den Parteien eine verlässliche Grundlage bietet, um die Angemessenheit der Kosten zu beurteilen. Die Entscheidung des Gerichts zeigt, dass Nebenkosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, solange sie sich im Rahmen des Üblichen bewegen und durch marktübliche Pauschalen oder Honorartabellen gedeckt sind.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Blinken reicht nicht: Gericht stellt volle Haftung des Abbiegenden fest

Das Landgericht Görlitz Außenkammer Bautzen (LG Görlitz, Urteil vom 24. Juli 2024 – 6 O 65/23) hat in einem Urteil klargestellt, dass ein abbiegender, wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer die volle Haftung für einen Unfall trägt, selbst wenn der vorfahrtsberechtigte Fahrer den Blinker gesetzt hat. Im zugrunde liegenden Fall fuhr der Kläger auf einer Vorfahrtsstraße und signalisierte durch (unbewusstes) Blinken ein Abbiegen, setzte dieses jedoch nicht um. Die Unfallgegnerin, die abbiegen wollte, vertraute auf das Blinken und verursachte einen Unfall. Das Gericht stellte fest, dass das Setzen des Blinkers allein nicht ausreichend ist, um dem Wartepflichtigen das Vertrauen auf eine sichere Abbiegeaktion zu gewähren. Entscheidend ist, dass der Vorfahrtsberechtigte eindeutig abbiegt oder abbremst, um eine entsprechende Vertrauensgrundlage zu schaffen. Der Wartepflichtige bleibt in der Verantwortung, die Vorfahrt zu beachten und darf nicht allein auf den Blinker vertrauen.

Dieses Urteil verdeutlicht, dass das Blinken nur ein Indiz für das Abbiegen ist und keine verbindliche Zusicherung darstellt. Der Wartepflichtige muss weiterhin sicherstellen, dass der Vorfahrtsberechtigte tatsächlich abbiegt, bevor er selbst abbiegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…] Versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch

Richter am Landgericht […] als Einzelrichter

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2024 am 24.07.2024

für Recht erkannt:

1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Görlitz – Außenkammern Bautzen – vom 02.11.2023 – Az. 6 O 65/23 – bleibt aufrechterhalten.

2. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

[…]

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Teilklage auf Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalles vom 09.12.2022 gegen 9:45 Uhr in Anspruch.

Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug Kia Venga […] in Bautzen die Stieberstraße Richtung Dr.-Peter-Jordan-Straße. Die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs Ford Kuga […] befuhr die Goethestraße und wollte nach rechts in die Stieberstraße einbiegen. Beide Fahrzeuge kollidierten im Einmündungsbereich. Die Stieberstraße ist mit dem Verkehrsschild: „Vorfahrtsstraße“ ausgestattet. An der Einmündung der Goethestraße zur Stieberstraße steht das Verkehrsschild „Vorfahrt gewähren“.

Der Kläger behauptet, er sei auf der vorfahrtsberechtigten Straße gefahren. Soweit er aufgrund vorher abknickenden Vorfahrt seinen Blinker noch angehabt hätte, hätte dies die Fahrerin des Ford Kuga erkannt, aber nicht auf die Abbiegeabsicht vertrauen dürfen, da er keine Geschwindigkeitsverzögerung vorgenommen habe.

[…]

Die Beklagte behauptet, die Fahrerin des Ford Kuga habe sich mit dem von ihr gesteuerten
Fahrzeug der Kreuzung Goethestraße/ Stieberstraße genähert und sei bis zur Sichtlinie vorgefahren. In diesem Moment sei von links der Kläger mit seinem Fahrzeug mit eingeschaltetem rechten Fahrtrichtungsanzeiger gekommen. In der Erwartung, der Kläger würde in die Goethestraße einbiegen, sei die Fahrerin des Ford Kuga vorgefahren, um rechts abzubiegen. Völlig überraschend habe das klägerische Fahrzeug den Abbiegevorgang plötzlich abgebrochen, um dann geradeaus weiterzufahren.

Hinsichtlich des weitergehenden Vortrags der Parteien wird auf sämtliche wechselseitig eingereichte Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

[…]

Auf der Grundlage der klägerischen Anträge ist in der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2023 ein Versäumnisurteil ergangen, gegen das die Beklagtenseite Einspruch eingelegt hatte.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist erfolglos und die Klage begründet. Das Versäumnisurteil war aufrecht zu erhalten.

[…]

Das Versäumnisurteil war aufrechtzuerhalten und die Klage abzuweisen, da der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz in voller Höhe hat (§§ 7, 8, 17 StVG, 249 BGB 115 VVG).

Der Kläger befuhr die bevorrechtigte Straße. Das Vorfahrtsrecht des Klägers hat die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs missachtet. Sie konnte sich dabei nicht auf ein vertrauensbildendes Verhalten der Klägerseite berufen.

Da sich beide Fahrzeugführer nicht ideal verhalten haben, so dass der Unfall für beide Seiten nicht unvermeidbar war, sind die gegenseitigen Verursachungsbeiträge gegeneinander abzuwägen.

Die Abwägung der beidseitigen Verursachungsbeiträge ergibt, dass die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs den Unfall allein verursacht hat und eine mögliche Betriebsgefahr des vorfahrtsberechtigten durch die Vorfahrtsverletzung zurücktritt.

Der Wartepflichtige hat die Vorfahrt des Berechtigten zu gewähren. Er muss sich entsprechend verhalten, so dass für den Vorfahrtsberechtigten klar ist, dass er die Vorfahrt beachten werde (§ 8 Abs. 2 StVO). Der Wartepflichtige darf nur dann in die Vorfahrtstraße einfahren, wenn er übersehen kann, dass er den, der die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert. Den Wartepflichtigen trifft insoweit eine gesteigerte Sorgfalt, die bedingt, dass er auch mit einem verkehrswidrigen Verhalten des Vorfahrtberechtigten rechnen muss und somit regelmäßig nur auf das Unterbleiben atypischer, grober Verstöße des Vorfahrtberechtigten vertrauen darf (OLG Dresden, Beschluss vom 24. April 2014 – 7 U 1501/13 –, Rn. 7, m.w.N., juris)

Der Wartepflichtige darf nur dann auf ein Abbiegen des Vorfahrtberechtigten vertrauen, wenn über das bloße Betätigen des Blinkers hinaus in Würdigung der Gesamtumstände, sei es durch eine eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit oder aber einen zweifelsfreien Beginn des Abbiegemanövers, eine zusätzliche tatsächliche Vertrauensgrundlage geschaffen worden ist, die es im Einzelfall rechtfertigt, davon auszugehen, das Vorrecht werde nicht (mehr) ausgeübt (OLG Dresden, Urteil vom 20. August 2014 – 7 U 1876/13 –, Rn. 3, juris). Erforderlich ist, dass neben dem Blinken zumindest ein weiteres deutliches Anzeichen dafür gegeben ist, dass der Vorfahrtberechtigte tatsächlich vor dem Wartepflichtigen abbiegt.

Ein solches deutliches weiteres Anzeichen, dass der Kläger vor der Beklagtenseite abbiegen wird, ist nicht ersichtlich. Dies folgt auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, die ein weiteres Anzeichen für einen bevorstehenden Abbiegevorgang nicht behauptet. Die Mitteilung, dass der Abbiegevorgang abgebrochen ist, ist hierfür keine ausreichende Behauptung. Das Gericht sah sich nach der Einlassung des Klägers daher nicht gehalten, eine weitere Beweisaufnahme durchzuführen, da sie lediglich ein Ausforschungsbeweis zugunsten der Beklagtenseite darstellen würde. Eine solche Beweisführung ist unzulässig.

Dieses Ergebnis geht zu Lasten der Klägerseite, da der Wartepflichtige den Anschein der schuldhaften Vorfahrtsverletzung gegen sich hat (vgl. Hentschel/König/Dauer, Rn.: 68 zu § 8 StVO). Wie oben ausgeführt, konnte die Beklagtenseite diesen Anschein durch ihren Vortrag nicht erschüttern.

Über den Hilfsantrag hatte das Gericht nicht zu befinden, da eine Haftung der Beklagtenseite in voller Höhe festgestellt worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last, da sie im Prozess unterliegt. Die Kosten des Rechtsstreits fallen insgesamt der Beklagtenseite zur Last, unabhängig davon, ob sie zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit oder erst nach Rechtshängigkeit gezahlt hat.

In beiden Fällen hat sie die Kosten des Rechtsstreits nach den obigen Erwägungen zu tragen. Es macht insofern auch kein Unterschied, ob die Klage zurückgenommen ist oder für erledigt erklärt hat, da durch das Versäumnisurteil keine Kostenreduzierung durch die Klagerücknahme bzw. eine Erledigungserklärung stattgefunden hätte (§§ 91, 269 Abs. 3, S. 3 ZPO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 u. 3 ZPO).

Die Wertfestsetzung des Streitgegenstandes ergibt sich aus der Höhe der jeweiligen Klageforderung (§§ 48 Abs. 1, 39 GKG, 3, 4 ZPO).“

LG Görlitz, Urteil vom 24. Juli 2024 – 6 O 65/23

Wirtschaftlichkeitsgebot bei Schadensersatz: BGH urteilt zur Eigenreparatur in Werkstätten

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. Mai 2023 (Az. VI ZR 274/22) befasst sich mit der Frage, ob ein Geschädigter, der einen Reparaturbetrieb führt, im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Fremdreparatur einschließlich des Gewinnanteils hat.

Grundsätzlich hat ein Geschädigter gemäß § 249 Abs. 1 BGB Anspruch darauf, den Zustand wiederhergestellt zu bekommen, der vor dem schädigenden Ereignis bestand. Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann er anstelle der Wiederherstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dies gilt auch für die Reparaturkosten, selbst wenn der Geschädigte das Fahrzeug selbst repariert oder nicht repariert. Der BGH hat entschieden, dass in solchen Fällen der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt hat, selbst wenn er die Reparatur günstiger in Eigenregie durchführen könnte.

In diesem Fall hatte die Klägerin jedoch keinen Erfolg mit ihrer Revision, da sie nicht nachweisen konnte, dass ihr Reparaturbetrieb ausgelastet war und sie deshalb die Reparatur nicht selbst durchführen konnte. Der BGH betonte, dass der Geschädigte seine betriebliche Auslastung konkret darlegen muss, um den Anspruch auf die höheren Kosten einer Fremdreparatur zu rechtfertigen. Andernfalls könnte der Geschädigte nicht mehr verlangen, als was wirtschaftlich vernünftig wäre, um zu verhindern, dass er am Schadensfall „verdient“.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der BGH die Prinzipien der subjektbezogenen Schadensbetrachtung und der Schadensminderungspflicht bestätigt hat. Dies bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensabrechnung sowohl die Besonderheiten seiner individuellen Situation als auch wirtschaftliche Vernunft berücksichtigen muss. Der Schädiger trägt die Beweislast dafür, dass eine günstigere Reparaturmöglichkeit in der eigenen Werkstatt des Geschädigten besteht, während der Geschädigte seine betriebliche Auslastungssituation darlegen muss.

Kreuzungsräumer: Rechtliche Bewertung von Kreuzungsunfällen: Die Rolle echter und unechter Nachzügler


In dem vom Landgericht Görlitz Außenkammern Bautzen (LG Görlitz, Urteil vom 30.4.2024 – 5 O 193/22) entschiedenen Fall ging es um die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall, bei dem die Unterscheidung zwischen einem „echten Nachzügler“ und einem „unechten Nachzügler“ zentral war. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die Beklagtenseite als unechter Nachzügler agierte und somit nicht berechtigt war, in den Kreuzungsbereich einzufahren.

Ein echter Nachzügler ist ein Fahrzeugführer, der sich bereits im Kreuzungskern befindet, wenn die Ampel für den Querverkehr auf Grün schaltet. Diese Fahrer dürfen den Kreuzungsbereich vorrangig verlassen, um den Verkehrsfluss nicht zu stören. Im Gegensatz dazu befindet sich ein unechter Nachzügler außerhalb des Kreuzungskerns, wenn die Ampel umschaltet. Ein solcher Fahrer muss warten und hat kein Vorrangrecht.

Die Beklagte handelte fahrlässig, indem sie bei Rotlicht in die Kreuzung einfuhr, während die Ampel für die Klägerseite auf Grün geschaltet war. Diese Handlung führte zur Feststellung ihrer Haftung für den entstandenen Schaden. Das Gericht wies damit die Ansprüche der Klägerseite zu, indem es auf die Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten hinwies und entsprechend Schadenersatzforderungen zugunsten der Klägerin entschied.

Urteile zur Haftungsverteilung bei Unfällen mit echten und unechten Nachzüglern im Kreuzungsbereich.

Volle Haftung des unechten Nachzüglers:
 OLG Koblenz, Urteil vom 8.9.1997 – 12 U 1355/96; LG Görlitz, Urteil vom 30.4.2024 – 5 O 193/22; AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2023 – 21 C 279/22

Haftungsverteilung bei echten Nachzüglern:
OLG Hamm, Urteil vom 26.8.2016 – 7 U 22/16

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch Richter am Landgericht […] als Einzelrichter im schriftlichen Verfahren am 30.04.2024

für Recht erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. an die Klägerin 725 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4% aus für die Zeit vom 12.3.2022 bis zum 29.3.2022 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 30.3.2022 zu zahlen,
2. die Klägerin gegenüber der Reparaturwerkstatt […] von restlichen Reparaturkosten in Höhe von 3.238,60 € aus der Reparaturkostenrechnung […] freizustellen,
3. die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von Mietwagenkosten in Höhe von 719,95 € aus der Rechnung […] vom 28.3.2022 freizustellen,
4. an die Vollkaskoversicherung der Klägerin […] einen Betrag in Höhe von 6.466,29 Euro auf die erstatteten Reparaturkosten der Reparaturwerkstatt Autohaus […] aus der Reparaturkostenrechnung […] vom 28.3.2022 zu zahlen,
5. an die Vollkaskoversicherung der Klägerin […] einen Betrag in Höhe von 1.091,23 Euro auf die erstatteten Sachverständigenkosten des Kfz-Sachverständigenbüros […] aus der Rechnung […] vom 16.3.2022 zu zahlen,
6. die Klägerin gegenüber den Rechtsanwälten Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 550,85 € freizustellen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Geldbetrages.

Streitwert: 12.241,07 EUR.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch.

Die Klägerin ist Eigentümerin und Halterin des unfallbeteiligten PKW Kia. Die Beklagte ist der Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten PKW Fiat.

Am 11.03.2022 gegen 11.25 Uhr kam es auf der Kreuzung Zeppelinstraße/Wilthener-Straße/B96 (Siemensstraße) in Bautzen zu dem Zusammenstoß der benannten Fahrzeuge.

Die Klägerin mit dem PKW Kia kam von der Siemensstraße (B96) und fuhr in Richtung Zeppelinstraße. Sie hielt zunächst an der in ihrer Fahrtrichtung auf „rot“ geschalteten Ampelanlage an. Als diese auf „grün“ umschaltete, fuhr sie weiter geradeaus.

Die Zeugin H[…] führte den PKW Fiat. Sie befuhr die Wilthener Straße stadtauswärts. An der benannten Kreuzung hielt sie bei Lichtzeichenanlage rot zunächst an. Bei grün fuhr sie zunächst über die Haltelinie, wobei zwischen den Parteien umstritten ist, ob und wie weit sie danach in den Kreuzungsbereich einfuhr. Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes der Fahrzeuge war die Lichtzeichenanlage, die die Zeugin H[…] überquert hatte, bereits wieder auf rot gestellt.

Die Klägerin trägt vor, sie habe den PKW Fiat wahrgenommen, als dieser auf der Wilthener Straße auf der Fußgängerfurt stand. Danach habe sie den PKW Fiat erst wieder wahrgenommen, als es auf der Kreuzung zur Kollision kam, indem der PKW Fiat in die hintere linke Seite des PKW Kia gefahren sei.

Der Vollkaskoversicherer der Klägerin regulierte die klägerischen Schäden am Fahrzeug im Umfange von 6.466,29 €. Das Fahrzeug der Klägerin wurde begutachtet und inzwischen repariert in der Werkstatt Authohaus […].

Das klägerische Fahrzeug erlitt einen merkantilen Minderwert von 700 €. Die Gutachterkosten belaufen sich auf 1.091,23 €.

Die Klägerin trägt vor, die Kosten für die fachgerechte Reparatur beliefen sich auf 9.704,89 € brutto.

Unstreitig sind Mietwagenkosten in Höhe von 719,95 € angefallen.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt,

a.
an die Klägerin 725 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4% aus für die Zeit vom 12.3.2022 bis zum 29.3.2022 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 30.3.2022 zu zahlen.

b.
die Klägerin gegenüber der Reparaturwerkstatt Autohaus […] von restlichen Reparaturkosten in Höhe von 3.238,60 € aus der Reparaturkostenrechnung […] vom 28.3.2022 freizustellen.

c.
die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von Mietwagenkosten in Höhe von 719,95 € aus der Rechnung […] vom 28.3.2022 freizustellen.

d.
an die Vollkaskoversicherung der Klägerin […] einen Betrag in Höhe von 6.466,29 Euro auf die erstatteten Reparaturkosten der Reparaturwerkstatt Autohaus […] aus der Reparaturkostenrechnung […] vom 28.3.2022 zu zahlen.

e.
an die Vollkaskoversicherung der Klägerin […] einen Betrag in Höhe von 1.091,23 Euro auf die erstatteten Sachverständigenkosten des Kfz-Sachverständigenbüros […] aus der Rechnung […] vom 16.3.2022 zu zahlen.

f.
die Klägerin gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 550,85 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklage trägt vor, die Zeugin H[…] sei mit dem PKW Fiat bis in die Kreuzungsmitte gefahren, habe dort angehalten, um den Gegenverkehr durchzulassen. Dies habe eine ganze Weile gedauert. Dann sei die Klägerin mit ihrem Fahrzeug in den PKW Fiat hineingefahren.

Als echter Nachzügler habe der PKW Fiat Vorrang gehabt vor dem Fahrzeug der Klägerin, um die Kreuzung ordnungsgemäß räumen zu können. Die Beklagte haftete deshalb nicht für die Schäden der Klägerin.

Der Fahrzeugschaden der Klägerin belaufe sich auf – lediglich – 9.138,74 €. Wegen der Einwendungen im Einzelnen wird [die] Akte verwiesen.

Der Haftpflichtversicherer der Klägerin regulierte seinerseits vorgerichtlich die Schäden an dem PKW Fiat in Höhe von 1/3.

Die Halterin und Eigentümerin des PKW Fiat führte bei dem Amtsgericht Bautzen mit umgekehrten Vorzeichen einen Schadensersatzprozess gegen die hiesige Klägerin und deren Haftpflichtversicherer (Az.: 21 C 279/22). In dem amtsgerichtlichen Verfahren wurden die Unfallbeteiligten und Zeugen vernommen sowie ein unfallanalytisches Gutachten eingeholt. Die Verfahrensakte des Amtsgerichts wurde beigezogen. Nach Abschluss des amtsgerichtlichen Verfahrens erklärten sich die Verfahrensbeteiligten im vorliegenden landgerichtlichen Verfahren mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, sowie auf den Inhalt der beigezogenen Akte nebst schriftlichem Gutachten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat Anspruch auf materiellen Schadensersatz gegen die Beklagte wie tenoriert (§§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG, § 115 VVG).

Im Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht Bautzen, mit deren Verwertung sich die Parteien im hiesigen Verfahren (stillschweigend) einverstanden erklärt haben, ist festzustellen, dass die Zeugin H[…], die den PKW Fiat führte, in die Kreuzung einfuhr, obgleich für ihre Fahrtrichtung die Lichtzeichenanlage auf rot geschaltet war und die Lichtzeichenanlage für die Klägerin auf grün geschaltet war (§ 37 Abs. 2 StVO). Angesichts der unstreitig langen Wartezeit der Zeugin H[…], nachdem sie die Lichtzeichenanlage passierte (als diese noch für sie grün zeigte), um zunächst ihren Gegenverkehr durchzulassen, musste die Zeugin H[…] damit rechnen, dass inzwischen ihre Fahrtrichtung nicht mehr freigegeben war und für sie die Lichtzeichenanlage wieder auf rot umgeschaltet hat. Hätte die Zeugin H[…] die erforderliche, äußerste Sorgfalt in dieser Verkehrssituation walten lassen, hätte sie erkannt, dass sie weiter hätte stehen bleiben müssen, um den bevorrechtigten Querverkehr durchzulassen. Die Zeugin H[…] trifft ein ganz überwiegendes Verschulden an dem Verkehrsunfall. Dadurch hat sich die Betriebsgefahr des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges so deutlich erhöht, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges dahinter völlig zurück tritt. Das hat zur Folge, dass die Beklagte für den gesamten unfallbedingten Schaden der Klägerin haftet.

Ein Mitverschulden der Klägerin, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges wiederum erhöht hätte, sodass auf Seiten der Klägerin ein Mithaftungsbeitrag verbliebe, konnte die Beklagte nicht nachweisen. Sie konnte insbesondere nicht nachweisen, dass die Zeugin H[…] mit dem PKW Fiat sich bereits im Kernbereich der Kreuzung befunden hätte, als die Lichtzeichenanlage für die Klägerin auf grün umschaltete, sodass die Zeugin H[…] als sogenannte echte Nachzüglerin gegenüber der Klägerin bevorrechtigt gewesen wäre, um die Kreuzung zu räumen.

Diese Feststellungen beruhen auf folgenden Überlegungen:

Unstreitig ist es zunächst, dass die Klägerin in die Kreuzung einfuhr, als die Lichtzeichenanlage für sie auf grün umgesprungen war.

Mit dem unfallanalytischen Gutachten ist festzustellen, dass die Schilderung der Klägerin technisch nachvollziehbar ist, dass die Zeugin H[…] mit dem PKW Fiat zunächst auf der Fußgängerfurt, die die Wilthener Straße quert, stand und anschließend in den PKW Kia der Klägerin hineinfuhr und zwar in die linke Seite mit dem Schwergewicht auf dem hinteren Fahrzeugteil, als sie ihrerseits die Kreuzung geradeaus überquerte in Richtung Zeppelinstraße.
Mit dem Sachverständigen ist diese Unfallschilderung plausibel und aus technischer Sicht nachvollziehbar. Der Sachverständige konnte sicher feststellen, dass die Zeugin H[…] (entgegen deren Aussage) mit dem Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht stand, sondern dass sich dieses ebenfalls in Bewegung befand zum Zeitpunkt der Kollision. Dies ist zu begründen mit der Charakteristik der Beschädigungen an beiden Fahrzeugen, sowie der daraus ableitbaren Kollisionspositionen der beiden Fahrzeuge zueinander und der weiterhin herzustellenden Beziehung zu dem dokumentierten Splitterfeld auf der Kreuzung. Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen.

Mit dem Gutachten ist festzustellen, dass demgegenüber die Aussage der Zeugin H[…], sie habe auf der Mitte der Kreuzung gestanden (die genaue Position, die die Zeugin H[…] angab, ist ersichtlich aus Abbildung 24 des Gutachtens) unzutreffend ist. Vielmehr ist festzustellen, dass die Zeugin H[…] fahrend an dem Unfall beteiligt war.

Ausreichende Anknüpfungstatsachen dafür, mit Hilfe eines unfallanalytischen Gutachtens sicher festzustellen, wo die Zeugin H[…] begann, in die Kreuzung einzufahren bis zur Unfallstelle, liegen nicht vor. Damit kann die Beklagte auch nicht nachweisen, dass sich der PKW Fiat bereits im Kernbereich der Kreuzung befunden hätte, als die Lichtzeichenanlage für die Klägerin auf grün umschaltete und diese ihrerseits in die Kreuzung einfuhr.

Die geltend gemachten materiellen Schäden sind zwischen den Parteien unstreitig mit Ausnahme der erforderlichen unfallbedingten Reparaturkosten.

Die erforderlichen unfallbedingten Reparaturkosten werden geschätzt auf 9.704,89 €, wie von der Klägerin geltend gemacht (§ 287 Abs.1 ZPO).

Die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten für die Reparatur bei der Autohaus […] sind nur geringfügig höher als die aus dem Privatgutachten des Sachverständigen […] ausgewiesenen Reparaturkosten. Das Werkstattrisiko trägt der Schädiger.

Das heißt, wenn im Ergebnis der tatsächlich durchgeführten Reparatur die Reparaturkosten etwas höher ausfallen als sachverständig eingeschätzt, so ist das ein Umstand, den nicht der Geschädigte, sondern der Schädiger zu tagen hat. Der Kläger hat es auch nicht in der Hand, ob die Werkstatt zum Beispiel einzelne Fahrzeugteile zur Lackierung ausbaut oder ob die Werkstatt diese Wiederherstellung der Fahrzeugfarbe, des Fahrzeuglacks im eingebauten Zustand der Bauteile vornimmt. Gleiches gilt für die Frage, ob eine Werkstatt einen besonderen Desinfektionsaufwand vornimmt oder nicht und in welchem Umfange.
Die in solchem Zusammenhang entstehenden Preisunterschiede von Werkstatt zu Werkstatt liegen im Risikobereich des Schädigers. Im Übrigen wäre die Beweisaufnahme durch Einholung eines weiteren Schadensgutachtens unverhältnismäßig angesichts einer Differenz in der Schadensvorstellung zwischen den Parteien von lediglich rund 550,00 €.

III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO, § 48 Abs.1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.“

LG Görlitz, Urteil vom 30.4.2024 – 5 O 193/22

Beitragsbild: fiktives, mit DALL·E 3 erstelltes Bild

Grenzen der Erstattung von Mietwagenkosten nach Verkehrsunfällen

Nach dem Urteil des Landgerichts Görlitz Außenkammern Bautzen vom 28. Februar 2024 (Az. 5 O 502/22) kann ein Geschädigter nicht die Kosten für einen Mietwagen für einen längeren Zeitraum bis zur Auslieferung eines Neufahrzeugs beanspruchen, wenn die Möglichkeit besteht, ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug in einem deutlich kürzeren Zeitraum anzuschaffen.

In der Schadensregulierung nach Verkehrsunfällen besteht der Grundsatz, dass der Geschädigte Anspruch auf Ersatz notwendiger Aufwendungen hat, um den Zustand vor dem Unfall wiederherzustellen. Dazu gehören auch die Kosten für einen Mietwagen gehören, falls das Fahrzeug repariert wird oder ein Ersatzfahrzeug beschafft werden muss.

Das Landgericht Görlitz legt in seinem Urteil fest, dass die Erstattung der Mietwagenkosten auf den Zeitraum begrenzt ist, der notwendig ist, um ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Ein Geschädigter kann also nicht die Kosten für die Miete eines Wagens für die gesamte Dauer bis zur Auslieferung eines neu bestellten Fahrzeugs verlangen, wenn ein vergleichbares Ersatzfahrzeug schneller verfügbar wäre.

Dieses Urteil spiegelt das allgemeine Prinzip der Schadensminderungspflicht wider. Es wird erwartet, dass der Geschädigte angemessene Anstrengungen unternimmt, um den Schaden gering zu halten. In diesem Fall bedeutet das, dass der Geschädigte ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug in einem angemessenen Zeitraum beschaffen sollte, anstatt auf die Auslieferung eines Neufahrzeugs zu warten, was möglicherweise länger dauert und höhere Kosten verursacht.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

gegen

1. […]

– Beklagte –

2. […] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
[…]

Unterbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz […]

am 28.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 808,05 Euro zu zahlen nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz des BGB seit dem 01.02.2022.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 86 % und die Beklagten zu 14 %
zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 6.081,47 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in An-
spruch.

Am 17.05.2021 ereignete sich in Bautzen auf der August-Bebel-Straße in Höhe der Hausnummer 10 ein Verkehrsunfall unter Beteiligung des Pkw Peugot M der Klägerin und des Busses der Beklagten zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

Der Unfall wurde allein durch den Bus verursacht.

An dem Fahrzeug der Klägerin entstand Totalschaden. Die Klägerin beauftragte ein Schadensgutachten, welches am 25.05.2021 erstellt wurde […].

Am 27.05.2021 entschied sich die Klägerin, als Ersatzfahrzeug einen Neuwagen zu bestellen. Dieser wurde am 05.10.2021 an die Klägerin ausgeliefert. Für die Zeit bis zum 04.10.2021 mietete die Klägerin ein Ersatzfahrzeug an. Der Autovermieter berechnete ihr dafür 7.021,00 Euro brutto […]. Die Beklagten regulierten Mietwagenkosten im Umfang von 944,53 Euro. Den Differenzbetrag macht die Klägerin geltend.

Die Klägerin trägt vor, das Neufahrzeug habe ihr Verkäufer seinerseits bereits vor dem Unfalltage bestellt und es sei eine baldige Auslieferung zugesichert worden. Aufgrund von Lieferengpässen konnte jedoch das Neufahrzeug auch an ihren Verkäufer erst später ausgeliefert werden.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.081,47 €
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz p.a. seit dem 01.02.2022 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 160,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagten beantragen:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten tragen vor, dass ein Wiederbeschaffungszeitraum von 29 Tagen ausreichend gewesen wäre. Die erforderlichen und erstattungsfähigen Kosten für eine Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeuges für 29 Tage würde sich auf 944,53 Euro belaufen. Damit sei der erstattungsfähige Schaden reguliert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen und auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten nach dem Verkehrsunfall vom 17.05.2021 Anspruch auf Zahlung weiterer 808,02 Euro nebst Verzinsung (§§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG, § 115
VVG).

Im übrigen war die Klage abzuweisen.

Unstreitig haften die Beklagten für unfallbedingte Schäden der Klägerin zu 100 %.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten für die Dauer von 29 Tagen, und zwar in Höhe von 808,05 Euro.

Der Betrag des Schadenersatzes wird geschätzt (§ 287 ZPO).

Über den Zeitraum von 29 Tagen hinaus, den die Beklagten zugestanden haben, durfte die
Klägerin unfallbedingt einen Mietwagen nicht nehmen. Soweit sie darüber hinaus einen
Mietwagen genommen hat, sind die damit verbundenen Kosten nicht mehr unfallbedingt.

Der Zeitraum von 29 Tagen war ausreichend, um ein vergleichbares Ersatzfahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu finden. Zunächst durfte die Klägerin abwarten, bis ihr das
Schadensgutachten vom 25.05.2021 vorlag. Danach durfte sie überlegen, wie sie weiter
vorgehen will. Anschließend war von einer Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen
auszugehen. Dieser Aufwand kann aufgrund des Gutachtens geschätzt werden, das die
Klägerin eingeholt hat […]. Dort wird ein Wiederbeschaffungszeitraum von 14 Tagen
ausgewiesen.

Wenn sich der Geschädigte, wie vorliegend die Klägerin, dazu entschließt, ein Ersatzfahrzeug nicht auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu erwerben, sondern ein Neufahrzeug bestellt, so trägt er das Risiko, dass eine derartige Ersatzbeschaffung länger dauert, als die Ersatzbeschaffung auf dem Gebrauchtwagenmarkt selbst. Denn er hat – lediglich – Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wäre der Unfall nicht passiert. Wäre der Unfall nicht passiert, hätte die Klägerin ein Fahrzeug vom Typ Peugot M gehabt, mit einer Laufleistung von 42.272 km bei einer Erstzulassung vom 21.01.2019. Ein solches Fahrzeug wieder zu beschaffen, hätte etwa zwei Wochen gedauert (so die sachverständige Einschätzung […]).

Der erforderliche Aufwand für einen Mietwagen wird geschätzt – auf Grundlage der
Frauenhofer-Erhebung für 2021 – mit einem Aufschlag von 30 %.

Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 12.02.2024 aus der Frauenhofer-Tabelle zitierten
Daten sind zutreffend und unstreitig. Der Berechnung sind außerdem zutreffend die Daten
aus der Frauenhofer-Erhebung für 4 mal 7 Tage plus einen Tag zugrunde zu legen. Es ist
auch richtig, die Fahrzeugklasse VI zugrunde zu legen. Dies wird bestätigt durch das
Schadensgutachten […].
Für den Zeitraum von 29 Tagen ermittelt sich damit ein Aufwand für einen Mietwagen in Höhe von 1.752,58 Euro. Hiervon haben die Beklagten 944,53 Euro reguliert, sodass noch ein Schadensbetrag von 808,05 Euro offen bleibt.

Die unfallbedingten und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben die Beklagten bereits vollständig reguliert. Sie sind dabei zutreffend von einem Gegenstandswert bis 16.000,00 Euro ausgegangen. Die von der Klägerin geltend gemachte Differenz von 160,88 Euro beruht darauf, dass sie von einem Gegenstandswert für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten von 22.000,00 Euro ausgegangen ist.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 3
ff. ZPO.“

LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22

Angemessenheit der Sachverständigenkosten gemäß BVSK-Honorarbefragung und Honorartabelle der HUK-Coburg bei Schadengutachten nach Verkehrsunfällen

Das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 21. Februar 2024 (23 C 518/23) betrifft die Erstattung von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Im Kern ging es darum, ob die geltend gemachten Kosten für ein Schadengutachten nach einem Verkehrsunfall angemessen und erstattungsfähig sind. Das Gericht bestätigte, dass die Kosten angemessen waren, da sie sich im Rahmen der Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg bewegten. Es wurde entschieden, dass die beklagte Versicherung den restlichen Betrag der Sachverständigenkosten zu zahlen hat.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Vergütungsforderung

hat das Amtsgericht Bautzen […] im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO am 21.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt , an den Kläger 317,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinsssatz hieraus seit dem 22.10.2023 zu zahlen
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 317,46 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 05.09.2023 in Schirgiswalde zugetragen hat. Die 100 %-ige Einstandspflicht der Beklagten für alle unfallbedingten Schäden ist unstreitig.

Gegenstand dieses Rechtsstreits sind allein restliche Sachverständigenkosten in Höhe der
Klageforderung.

In einer Vereinbarung des Geschädigten mit dem Kläger vom 06.09.2023 […] ist – auszugsweise – geregelt

„Aus Anlass des oben beschriebenen Schadenfalles beauftrage ich das oben genannte Kfz-Sachverständigenbüro, ein Gutachten zur Schadenhöhe zu erstellen. Das Sachverständigenbüro berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Schadenhöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg einschließlich Nebenkosten.
Das Kfz-Sachverständigenbüro ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offen zu legen und den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Kfz-Sachverständigenbüros aus dem Sachverständigenvertrag gegen mich nicht berührt.
Es kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet . Eine Inanspruchnahme meinerseits erfolgt nur Zug-um-Zug gegen Rückabtretung der noch offenen Forderung.“

Der Geschädigte beauftragte den Kläger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Dieser fertigte das Gutachten am 13.09.2023 […] und stellte dem Geschädigten hierfür 833,24 € brutto in Rechnung. Die Rechnung beinhaltet folgende Abrechnungspositionen:

Pos Beschreibung / Einzelpreis Gesamtpreis

1. KfZ-Schadensgutachten 1 625,00 € 625,00 €
-Datenerfassung
– Fahrzeugbeschädigungen aufnehmen
– Altschäden fotografieren u. dokumentieren
– Festlegung wirtschaftlichster Reparaturweg
– Erstellung Schadenskalkulation
– Ermittlung Wiederbeschaffungswert

2. Lichtbilder 10 Stück 2,00 € 20,00 €
3. Fahrtkosten 6 Km 0,70 € 4,20 €
4. Schreibkosten (pauschal) 1 21,00 € 21,00 €
5. Porto & Telefon ( pauschal) 1 9,00 € 9,00 €
6. Restwertermittlung 1 pauschal 21,00 € 21,00 €
Gesamtbetrag ohne MwSt. 700,20 €
19 % MwSt 133,04 €
Gesamtbetrag incl. MwSt 833,24 €

Die Beklagte zahlte hierauf bislang 515,78 € .

Der Kläger geht davon aus , dass die abgerechnete Vergütung angemessen , orts- und marktüblich ist, da sowohl von dem Honorartableau der HUK -Coburg ( = 846,09 € ) sowie den Ergebnissen der Honorarbefragung 2020 des BVSK ( Korridor 710,50 € – 780,50 € zzgl. MwSt ) als maßgeblichen Orientierungshilfen gedeckt .

Der Kläger beantragt
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 317,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 22.10.2023 zu zahlen.

Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen

Die Aktivlegitimation wird bestritten: Die Abtretungsvereinbarung sei unwirksam, da gegen das Transparenzgebot verstoßend. Im übrigen seien alle berechtigten Ansprüche mit der vorprozessualen Zahlung abgegolten , der darüberhinausgehende Betrag sei nicht erforderlich iSd. § 249 BGB , wie sich aus dem eigenen Prüfbericht ergebe […] . Das Grundhonorar sei nach tatsächlich angefallenem Zeitaufwand zu ermitteln, wie es z.B. die DEKRA mache, vgl. auch die Stellungnahme der Firma Logicheck […]; hinsichtlich der Nebenkosten sei eine Orientierung am JVEG vorzuziehen. Schreibkosten und Restwertermittlung seien durch das Grundhonorar mit abgedeckt , die Schreibkosten im übrigen übersetzt.

Zum Sach- und Streitstand wird im übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen .

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der restlichen Kosten des
Sachverständigengutachtens in Höhe von weiteren 317,46 € aus den §§ 7 , 18 StVG, 398,
249 S. 2 BGB iVm. § 287 ZPO zu.

1. Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich aus der vom Geschädigten am 06.09.2023 unterschriebenen Abtretungserklärung […]. Anders als die Beklagte meint, verstößt die zur Abtretung getroffenen Regelungen nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 (1) S. 2 BGB. Insbesondere ist diese hinreichend bestimmt: Sie enthält Name und Anschrift des Geschädigten und des Unfallgegners, die Kennzeichennummern des Unfallgegners und die namentliche Nennung der Beklagten als Krafthaftpflichtversicherung mit Versicherungs- und Schadensnummer. Inhaltlich ist klar und an sich unmissverständlich geregelt, dass das
Sachverständigenbüro berechtigt ist , den abgetretenen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen sowie, unter welchen Voraussetzungen der Geschädigte gleichwohl in Anspruch genommen werden kann . Das Gericht teilt im übrigen die Auffassung des Klägervertreters, dass die von der Beklagtenseite zitierten Entscheidungen nicht einschlägig sind.

2. Ob der Herstellungsaufwand erforderlich iSd. § 249 (2) S. 1 BGB ist, bemisst sich nach der gängigen Rechtsprechung zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung danach, ob im Rahmen einer Plausibilitätsbetrachtung das vereinbarte Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist und wenn ja, diese deutliche Überhöhung für den geschädigten Laien erkennbar ist/ sein musste.

Ausgangspunkt für den erforderlichen Herstellungsaufwand ist vorliegend die Honorarvereinbarung, die hierzu korrespondierende, vom Zedenten nicht beglichene Rechnung als auch der Parteivortrag, § 287 ZPO .

Die Parteien haben eine Honorarvereinbarung dahin geschlossen , dass das Sachverständigenbüro sein Honorar in Anlehnung an die Schadenshöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg zzgl. der erforderlichen Nebenkosten abrechnet […].

Das abgerechnete Grundhonorar i.H.v. 743,75 € brutto bewegt sich sowohl im Korridor der Honorartabelle des BVSK wie auch dem Honorartableau der HUK Coburg, mithin mehrerer im Rahmen des § 287 ZPO von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannter Orientierungswerte und Maßstäbe : Auch das hiesige Gericht orientiert sich hieran. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die abgerechnete Vergütung aus Sicht des erkennenden Gerichts keine Bedenken, bereits eine deutliche Überhöhung liegt damit nicht vor. Selbst wenn man dies anders sähe: es fehlt an Vortrag, weshalb das abgerechnete Honorar dem Geschädigten als objektiv deutlich überhöht dem Geschädigten hätte subjektiv erkennbar sein müssen.

Für das erkennende Gericht besteht kein Anlass , bei der Prüfung der Höhe der Gutachterkosten im Rahmen des § 287 ZPO von diesen zulässigen und anerkannten Schätzgrundlagen abzuweichen: Ob eine andere Berechnungsgrundlage, z.B. nach Zeitaufwand, auch möglich oder sogar vorzuziehen sein könnte, kann auch deshalb dahinstehen, als die Erkennbarkeit einer objektiv deutlichen Überhöhung – die hier nicht vorliegt – auf subjektiver Ebene bei dem Geschädigten, der in der Regel abrechnungstechnischer Laie ist, allenfalls bei einem krassen, sich geradezu aufdrängenden Missverhältnis angenommen werden könnte.

3. Dem Kläger steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der abgerechneten Nebenkosten zu .

Auch hinsichtlich der beanstandeten Nebenkosten steht einem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz insoweit zu, soweit sie objektiv nicht deutlich überhöht sind und dies für den Geschädigten subjektiv erkennbar waren. Hierzu ist nach der höchstrichterlichen Rspr. eine Orientierung auch anhand der Vorgaben des JVEG im Rahmen des § 287 ZPO anerkannt (BGH vom 26.04.2016, VI ZR 50/15). Deshalb orientiert sich auch das erkennende Gericht hieran: Die abgerechneten Nebenkosten entsprechen im Ergebnis den insoweit aus Sicht eines durchschnittlichen Unfallbeteiligten erwartbaren Sätzen . Danach ergibt sich folgendes:

a) Die Position Schreibkosten (pauschal) ist iHv. 21,00 € zzgl. MwSt. zu erstatten: Das Gutachten umfasst (ohne Lichtbilder) 12 Seiten. Bei Schreibkosten iHv 1,80 € / Seite (vgl. LG Bremen Urteil vom 02.09.2016 , 3 S 289/15) ist die Höhe der Pauschale im Ergebnis von § 12 (1) S. 2 Nr. 3 JVEG gedeckt.

b) Ebenfalls zu erstatten sind die Kosten der Restwertermittlung iHv 21,00 € zzgl. MwSt : Das Gericht teilt nicht die Rechtsauffassung der Beklagten, dass diese Kosten vom Grundhonorar mit abgedeckt sind . Der Umfang einer Restwertermittlung ist stark abhängig vom jeweiligen Einzelfall und geht über die allgemeine Feststellung eines Fahrzeugschadens hinaus . Abgesehen davon ist für einen Geschädigten nicht erkennbar , dass Restwertermittlungskosten in einem Grundhonorar enthalten sein könnten.

II.

Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus den §§ 280 , 286 , 288 BGB

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 11 , 711 , 713 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23

Rechtsprechung zum Werkstattrisiko: BGH stärkt Rechte der Unfallgeschädigten

In einer Reihe von Entscheidungen zum sogenannten Werkstattrisiko hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Unfallverursacher grundsätzlich die gesamte Werkstattrechnung nach einem Verkehrsunfall erstatten müssen, auch wenn diese möglicherweise überhöht ist. Der BGH führte hierzu aus, dass der Geschädigte, der in der Regel kein Fachwissen hat, um den Schaden und die dafür anfallenden Kosten zu beurteilen, die gesamten Reparaturkosten von der Versicherung des Unfallverursachers erstattet bekommen kann. Dies gilt selbst dann, wenn Teile der Reparatur möglicherweise nicht durchgeführt wurden, aber auf der Rechnung stehen.

Insoweit verbleibt der Versicherung des Unfallverursachers die Möglichkeit selbst von der Reparaturwerkstatt die Kosten für überhöhte oder nicht erforderliche oder erfolgte Reparaturmaßnahmen zurückzufordern.

Allerdings soll dies nicht zu einer Bereicherung des Geschädigten führen. Daher darf er, falls er die Rechnung noch nicht bezahlt hat, nur Zahlung direkt an die Werkstatt, nicht aber an sich selbst verlangen.

  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 38/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 239/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 253/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 266/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 51/23

Differenzierung zwischen echtem und unechtem Nachzügler bei einem Verkehrsunfall auf einer Kreuzung

In den Entscheidungsgründen des Urteils des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2023 – 21 C 279/22) wird der Begriff des „echten Nachzüglers“ und des „unechten Nachzüglers“ im Kontext eines Kreuzungsbereichs erläutert. Diese Begriffe sind relevant für die Frage, welche Verkehrsteilnehmer in einer Kreuzung Vorrang haben, insbesondere wenn die Lichtzeichenanlage (Ampel) ihre Phase wechselt.

Ein echter Nachzügler ist ein Fahrer, der sich bereits im eigentlichen Kreuzungskern befindet, wenn der Querverkehr durch die Lichtzeichenanlage freie Fahrt erhält. In solchen Fällen wäre der Verkehrsfluss erheblich gestört, wenn dem echten Nachzügler nicht gestattet würde, den Kreuzungsbereich vorrangig zu räumen. Der echte Nachzügler hat also das Recht, den Kreuzungsbereich vor dem Querverkehr zu verlassen.

Im Gegensatz dazu ist ein unechter Nachzügler ein Fahrer, der sich außerhalb des eigentlichen Kreuzungskerns befindet, wenn der Querverkehr grünes Licht erhält. In diesem Fall hat der unechte Nachzügler keine Vorfahrt und ist gegenüber dem Querverkehr wartepflichtig.

Der Unterschied liegt also primär in der Position des Fahrzeugs im Moment des Phasenwechsels der Ampel. Ein echter Nachzügler, der sich bereits im Kreuzungskern befindet, hat das Recht, die Kreuzung vor dem Querverkehr zu räumen. Ein unechter Nachzügler hingegen, der sich außerhalb des Kreuzungskerns befindet, muss dem Querverkehr Vorrang gewähren.

Diese Unterscheidung ist von erheblicher Bedeutung für die Haftungsfrage im Falle eines Unfalls. In der vorliegenden Entscheidung konnte die Klägerin nicht nachweisen, dass sie ein echter Nachzügler war, und hat daher ihre Vorfahrtsrechte verwirkt, was zu einer weit überwiegenden Haftung für den Unfall führte.

Urteile zur Haftungsverteilung bei Unfällen mit echten und unechten Nachzüglern im Kreuzungsbereich.

Volle Haftung des unechten Nachzüglers:
 OLG Koblenz, Urteil vom 8.9.1997 – 12 U 1355/96; LG Görlitz, Urteil vom 30.4.2024 – 5 O 193/22; AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2023 – 21 C 279/22

Haftungsverteilung bei echten Nachzüglern:
OLG Hamm, Urteil vom 26.8.2016 – 7 U 22/16

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

gegen

1. […]

– Beklagte –

2. […] versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 28.09.2023 eingereicht werden konnten, am 19.10.2023

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 4.807,19 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 11.03.2022 gegen 11:25 Uhr in Bautzen, Kreuzung Zeppelinstraße/ Wilthener Straße geltend.

Unfallbeteiligt waren der PKW-Kia Ceed […] und der PKW-Fiat Panda […]. Die Klägerin, welche ein Hauskrankenpflege betreibt, war zum Unfallzeitpunkt Halterin und Eigentümerin des PKW-Fiat, der von der Zeugin H[…] gefahren wurde. Die Beklagte zu 1) war Fahrerin des PKW-Kia, welcher bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

Die Zeugin H[…] befuhr zum Unfallzeltpunkt mit dem klägerischen Fahrzeug die Wilthener Straße in stadtauswärtiger Fahrtrichtung. An der Kreuzung wollte sie nach links in die Zeppelinstraße abbiegen. Die Beklagte zu 1) befuhr mit dem Beklagtenfahrzeug die Siemensstraße in Fahrtrichtung Zeppelinstraße und musste zunächst an der dortigen roten Ampel halten. Bei Grünlicht fuhr sie in den Kreuzungsbereich ein, wo es zur Kollision und Beschädigung beider Fahrzeuge kam.

Die Beklagte zu 2 hat die Schäden der Klägerin zu 1/3 ausgehend von einer Verursachungsquote von 2/3 zu Lasten der Klägerin ausgeglichen. Den restlichen Schaden macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend.

Sie behauptet, die Zeugin H[…] sie bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren, habe aber dort verkehrsbedingt anhalten müssen, um dem Gegenverkehr den Vorrang einzuräumen. Die Beklagte zu 1 sei ebenfalls bei Grünlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren, aber ohne auf die sich noch im Kreuzungsbereich befindliche Zeugin H[…] zu achten, wodurch es zur Kollision gekommen sei.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 4.807,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 12.05.2022 zu zahlen;
sowie die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 439,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 12.05.2022 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Zeugin H[…] sei der Beklagten schon an der Ampel aufgefallen, weil sie ohne ersichtlichen Grund zum Teil innerhalb der Fußgängerfurt auf der Fahrspur der Klägerin gestanden hätte. Weitere Fahrzeuge hätten nicht davor gestanden. Während die Beklagte zu 1 bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren sei, sei die Zeugin H[…] bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren, wodurch es zum Unfall gekommen sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H[…], L[…] und G[…] sowie durch Einholung eines schriftlichen verkehrsanalytischen Sachverständigengutachtens […]. […]

Das Gericht hat im Einverständnis mit den Parteien gemäß des Beschlusses vom 05.09.2023 […] im schriftlichen Verfahren […] entschieden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 7, 18 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 VVG oder einer anderen Anspruchsgrundlage.

1.
Die grundsätzliche Haftung der Parteien hinsichtlich des Verkehrsunfalls ergibt sich für die Klägerin aus der Halterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG, für die Beklagte zu 1) aus der Fahrerhaftung gem. §§ 18, 7 StVG und für die Beklagte zu 2) aus § 115 VVG. Der Unfall ereignete sich beim Betrieb der Fahrzeuge.

2.
Der Unfall stellte für beide Beteiligten kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. StVG dar. Unabwendbar gemäß § 17 Abs. 3 StVG ist nur ein Ereignis, das auch durch äußerste Sorgfalt – nämlich durch ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den persönlichen Maßstab hinaus – nicht abgewendet werden kann (vgl. BGH NZV 2005, 305). Dies erfordert die Berücksichtigung aller möglichen Gefahrmomente einschließlich erheblicher fremder Fehler (vgl. OLG Gelle Urteil vom 28.03.2012 – 14 U 156/11). Weder die Zeugin H[…] als Fahrerin des Klägerfahrzeuges, noch die Beklagte zu 1 als Fahrerin des Beklagtenfahrzeuges haben sich vorliegend wie ein sog. „Idealfahrer“ verhalten. Sie hätten nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Schneider, denen sich das Gericht nach Inaugenscheinnahme der Lichtbilder von der Unfallkreuzung anschließt, das jeweils andere Fahrzeug vor der Kollision sehen können und hätten vorausschauend handeln müssen.

3.
Steht somit die grundsätzliche Haftung der Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit ein Umstand allgemein geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art herbeizuführen. Neben der Verursachung ist auch der Grad eines etwaigen Verschuldens eines Beteiligten beider Schadensverteilung zu berücksichtigen. Bei der Abwägung der für den Unfall ursächlichen Umstände können nur die zugestandenen oder nachgewiesenen Tatsachen berücksichtigt werden (vgl. BGH Urteil vom 27.06.2000 – VI ZR 126/99 m.w.N.). Nimmt der Verursachungsanteil oder das Verschulden einer Partei ein derart hohes Maß an, dass dahinter die Mitursächlichkeit der anderen Partei nicht Ins Gewicht fällt, so hat diese den Schaden alleine zu tragen.
Andernfalls ist die Haftung im Rahmen einer umfassenden Abwägung anhand der jeweiligen Beiträge nach § 17 Abs. 1, 2 StVG aufzuteilen.

4.
Die vorzunehmende Abwägung ergibt vorliegend, dass die Klägerin keinen weiteren Schadenersatz verlangen kann. Dies begründet sich damit, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die Klägerin den streitgegenständlichen Verkehrsunfall in schuldhafter Weise zumindest weit überwiegend selbst verursacht hat.

Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist und alle vernünftigen Zweifel ausgeräumt sind.

Der Klägerin ist der Nachweis, dass die Fahrerin ihres Autos als sog. echte Nachzüglerin den Kreuzungsbereich vorrangig vor dem Querverkehr und damit auch vor dem Beklagtenfahrzeug verlassen durfte, nicht gelungen. Als sog. echte Nachzügler werden diejenigen Fahrer bezeichnet, die sich bereits im eigentlichen Kreuzungskern befinden, wenn der Querverkehr durch die Lichtzeichenanlage freie Fahrt erhält, und die dort im Kreuzungsbereich in aller Regel den Verkehrsfluss erheblich stören würden, wenn ihnen nicht gestattet würde, den Kreuzungsbereich vorrangig zu räumen (BGH Urteil vom 11.05.1971 -VI ZR 11/70; OLG Koblenz Urteil vom 08.09.1997 – 12 U 1355/96; OLG Hamm Urteil vom 26.08.2016 – 1-7 U 22/16). Unter dem Begriff des Kreuzungskerns ist die von den Fluchtlinien der Fahrbahnränder eingegrenzte Fläche zu verstehen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. 2016, § 11 StVO Rn. 2).

Als außerhalb des Kreuzungskerns befindliche sog. unechte Nachzüglerin war die Fahrerin des Klägerfahrzeugs gegenüber dem Querverkehr und damit auch gegenüber der Beklagten zu 1 wartepflichtig. Sie musste auch bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt damit rechnen, dass die Lichtzeichenanlage für den Querverkehr zwischenzeitlich auf Grünlicht geschaltet hat (vgl. OLG Düsseldorf NVZ 1997,481; OLG Hamm Urteil vom 26.08.2016 – i-7 U 22/16 jeweils m. w. N.). Insoweit ist der [Fahrerin des Klägerfahrzeugs] ein schuldhafter Verstoß gegen die ihr gem. gemäß § 1 Abs. 2 StVO obliegende Sorgfaltspflicht vorzuwerfen, da sie dennoch in die Kreuzung einfuhr und ihre Wartepflicht missachtete.

Der Sachverständige hat in seinem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten, dem das Gericht nach eigener Prüfung vollumfänglich folgt, ausgeführt, dass die Behauptung der Klägerseite, die Zeugin H[…] habe zum Unfallzeitpunkt gestanden, technisch nicht nachvollziehbar ist und sich der von der Zeugin H[…] in der mündlichen Verhandlung geschilderte Kollisionsposition nicht mit den örtlichen Gegebenheiten in Einklang bringen lässt, hingegen aber die Darstellung der Beklagten, sie sei bei grün eingefahren, während die Zeugin H[…] bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren sei und gegen die hintere Fahrzeugseite des Beklagtenautos unter verschiedenen Szenarien technisch darstellbar ist.

Soweit die Beklagte zu 1) im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung sowie die Zeugin L[…] als Beifahrerin im Beklagtenfahrzeug im Rahmen ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 24.11,2022 angegeben haben, die Beklagte zu 1 sei bei grün in den Kreuzungsbereich eingefahren, ist das Gericht aufgrund der übereinstimmenden Angaben aller Seiten davon überzeugt. Auch hält es das Gericht aufgrund der Plausibiltätsbetrachtung des Sachverständigen für sehr wahrscheinlich, dass die Zeugin H[…] noch nicht in den Kreuzungskernbereich eingefahren war, als die Ampel für die Beklagte zu 1 auf grün schaltete. Wo genau und warum die Zeugin gehalten hatte, war nicht aufzuklären und kann für die Entscheidung letztlich offen bleiben, weil – wie zuvor beschrieben – die Klägerin jedenfalls den Nachweis, dass die Zeugin H[…] in der Kreuzung gestanden hatte und vor der Beklagten zu 1 vorrangige Kreuzungsräumerin gewesen war, nicht führen konnte. Die gegenteilige Aussage der Zeugin H[…] war technisch, wie vom Sachverständigen anhand der feststehenden Rahmenbedingungen nachvollziehbar dargestellt, technisch nicht plausibel.

Der Zeuge G[…] kam als Polizeibeamter erst nach dem Unfall, als die Unfallfahrzeuge bereits die Kreuzung geräumt hatten, zum Unfallort und konnte daher aus eigener Wahrnehmung zum Unfallhergang nichts sagen. Dennoch konnten seine Beschreibungen als Polizeibeamter dem Sachverständigen Anhaltspunkte liefern.

Die Zeugin H[…] musste angesichts der gegebenen Umstände bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt als sie in den Kreuzungskern fuhr, auch damit rechnen, dass die Schaltung der Lichtzeichenanlagen bereits gewechselt hatte und der Querverkehr Grünlicht bekommen hatte. Sie hätte zudem nach den Ausführungen des Sachverständigen, die das Gericht anhand der mit den Parteien in Augenschein genommenen Lichtbilder aus der beigezogenen Ermittlungsakte das in den Kreuzungsbereich einfahrende Fahrzeug der Beklagten zu 1 sehen können, wie eben auch die Beklagte zu 1 das von der Zeugin H[…] geführte Fahrzeug hätte sehen können, dass ihr zunächst nach ihrer eigenen Angabe aufgrund der ungewöhnlichen Haltepostion im Fußgängerbereich der Kreuzung aufgefallen war. Der Zeugin H[…] fällt daher ein Verstoß gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 StVO zur Last. Der Beklagten zu 1 ist dagegen kein Verstoß gegen § 11 Abs. 3 StVO, wohl aber ein leichter Verstoß gegen § 1 Abs.2 StVO anzulasten. Es lässt sich auch nicht erkennen, dass die Beklagte zu 1 trotz erkennbaren Vorfahrtverstoßes der Zeugin H[…] sich ihren Vorrang hatte erzwingen wollen.

Vielmehr durfte sie darauf vertrauen, dass sich die Zeugin H[…] verkehrsgerecht verhalten und bis zur nächsten Grünphase stehen bleiben würde. Allerdings wäre es ihr bei gehöriger Aufmerksamkeit möglich gewesen das klägerische Fahrzeug vor dem Zusammenstoß zu erkennen und, wenn auch vielleicht nicht den Unfall zu vermeiden, so aber dessen Folgen zu mindern.

7.
Bei Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge gemäß §§ 17 Abs. 1, 2 StVG ergibt sich vorliegend keine Haftung der Beklagten, die eine Quote von 1/3, nach der der Unfallschaden der Klägerin bereits reguliert ist, übersteigen würde.

Auf Seiten der Beklagten war lediglich die Betriebsgefahr, eventuell um einen leichten Verstoß gegen die allgemeine Rücksichtnahmepflicht aus § 1 Abs.2 StVO ihres Fahrzeuges erhöht, zu berücksichtigen. Dem steht der schuldhafte Verkehrsverstoß der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs gegen §§ 37, 1 Abs. 2 StVO gegenüber.

Die Beklagte zu 1 durfte darauf vertrauen, dass sie gefahrlos bei grüner Lichtzeichenanlage die Kreuzung passieren kann und auch die Fahrerin des Klägerfahrzeugs das Vorrecht des Querverkehrs infolge des zwischenzeitlichen Phasenwechsels beachten wird. Nach dem sog. Vertrauensgrundsatz darf ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich andere Verkehrsteilnehmer verkehrsgerecht verhalten, solange er sich selbst derart verhält. So muss ein Kraftfahrer, für den durch grünes Licht der Verkehr freigegeben ist gem. § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 StVO, grundsätzlich nicht damit rechnen, dass andere Fahrzeuge unerlaubter Weise von der Seite her in die Kreuzung einfahren (BGH Urteil vom 11.05.1971 -VI ZR 11/70). Er darf sich in der Regel vielmehr darauf verlassen, dass er bei Grünlicht gegen seitlichen Verkehr abgeschirmt ist (vgl. OLG Düsseldorf NVZ 1997, 481).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2023 – 21 C 279/22

Beitragsbild: fiktives, mit DALL·E 3 erstelltes Bild

Sachverständigenkosten für die Erstellung eines Schadengutachtens nach einem Verkehrsunfall im Sinne der BVSK-Honorarbefragung sind angemessen

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Pirna (AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23) ist die Höhe der erforderlichen Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, soweit der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen nicht vollständig beglichen ist.

Das Urteil behandelt die Frage der Erstattungsfähigkeit von Gutachterkosten nach einem Verkehrsunfall, bei dem die Haftung der Beklagten grundsätzlich feststeht. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Gutachterkosten gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB. Da die Rechnung für das Gutachten vom Kläger nicht (vollständig) bezahlt wurde, prüft das Gericht die Angemessenheit der Kosten nach § 287 ZPO. Es orientiert sich dabei an der BVSK-Honorarbefragung, die vom Bundesgerichtshof als zulässige Schätzgrundlage anerkannt wurde. Die Beklagte hatte argumentiert, dass die BVSK-Honorarbefragung nicht geeignet sei, die Angemessenheit der Kosten zu überprüfen, was das Gericht jedoch zurückweist. Das Gericht stellte zudem fest, dass auch die Nebenkosten erstattungsfähig sind. Es orientiert sich dabei ebenfalls an der BVSK-Honorarbefragung. Die Beklagte hatte die Erstattungsfähigkeit der Nebenkosten in Frage gestellt. Schlussendlich hat die Beklagte auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 255 BGB. Eine analoge Anwendung dieses Paragraphen scheidet aus, da die Sachverständigenkosten nicht dem sogenannten Werkstattrisiko unterliegen, das bei Reparaturkosten relevant wäre.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]
Inhaber des Kfz-Sachverständigenbüros […]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Pirna […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 01.09.2023

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 257,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 25.5.2023 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 257,58 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe

I.

Die Parteien streiten um weitere Schadensersatzansprüche – konkret: Gutachterkosten – nach einem Verkehrsunfall und bei dem Grunde nach unstreitiger Haftung der Beklagten.
Die zulässige Klage ist begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von restlichen Gutachterkosten in Höhe von EUR 257,58 gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB.

a) Die – abgesehen vom Stichwort „hinreichende Bestimmbarkeit“ nicht näher begründeten – Zweifel der Beklagten an der Aktivlegitimation des Klägers vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Die […] vorliegende Abtretungserklärung ist hinreichend bestimmt, da die anzutretende Forderung – nämlich der Schadensersatzanspruch aus dem Unfallereignis, soweit er auch Ersatz der Kosten des Gutachtens gerichtet ist – ohne weiteres identifizierbar ist.

b) Die nach § 249 Abs. 1 BGB geschuldete Wiederherstellung des ohne das Schadensereignis bestehenden Zustands umfasst nach einem Verkehrsunfall regelmäßig auch die Erstellung eines entsprechenden Unfallgutachtens, da dem Geschädigten die Weiterverfolgung seiner rechtlichen Ansprüche ohne ein solches Gutachten regelmäßig nicht möglich wäre.

Anders als bei Reparaturkosten liegt bei Gutachterkosten nur im Falle einer durch den Schädiger bereits bezahlten Rechnung ein Indiz für die Angemessenheit der ausgewiesenen Kosten vor (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2016, Az. VI ZR 491/15). Die Beklagte hat die Zahlung der Rechnung durch den Kläger bestritten, dieser hat keinen entsprechenden Beweis angeboten, womit von einer noch nicht bezahlten Rechnung auszugehen war. Dies führt dazu, dass das Gericht die streitigen Kosten am Maßstab des § 287 ZPO zu prüfen hat.

c) Im Rahmen der Prüfung der Höhe der Gutachterkosten gemäß § 287 ZPO orientiert sich das hiesige Gericht grundsätzlich am Maßstab der BVSK-Honorarbefragung, welche vom Bundesgerichtshof wiederholt als zulässige Schätzgrundlage bestätigt wurden (vgl. etwa NJW 2014, 1947). Dabei gilt allerdings, dass abgerechnete Sachverständigenkosten, die höher liegen als die BVSK Sätze, nicht zwingend mit einem Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gleichzusetzen sind (BGH, NJW 2014, 1947).

Dass sich die vom Gutachter abgerechneten Kosten im Rahmen der BVSK-Honorarbefragung halten, steht zwischen den Parteien letztlich nicht in Streit. Die Beklagte ist jedoch der Ansicht, dass die BVSK-Honorarbefragung grundsätzlich kein geeignetes Mittel sei, um die Angemessenheit der Sachverständigenkosten zu überprüfen. Dies schon deshalb, weil nach Ansicht der Beklagten der Zeitaufwand und nicht die Schadenshöhe die maßgebliche Bemessungsgrundlage darstellen sollte. Die Beklagte verweist diesbezüglich auch auf die Abrechnungspraxis zum JVEG.

Mit dieser Argumentation kann die Beklagte im Ergebnis nicht durchdringen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die BVSK-Honorarbefragung sehr wohl als taugliche Schätzgrundlage ansieht (vgl. etwa BGH NJW 2014, 1947). Zwar ist es zutreffend, dass dem erkennenden Gericht damit gleichwohl die Möglichkeit offen bleibt, auch andere Grundlagen zur Ermittlung der Gutachterkosten heranzuziehen. Auch der Zeitaufwand – gegebenenfalls ohne Berücksichtigung der Schadenshöhe – wäre somit potenziell eine mögliche Grundlage für die Prüfung am Maßstab des § 287 ZPO.

Das hiesige Gericht sieht allerdings im Rahmen seines gemäß § 287 ZPO eröffneten Ermessens von dieser Möglichkeit ab und verbleibt bei der Orientierung an der BVSK-Honorarbefragung. Gegen die Orientierung allein am Zeitaufwand spricht im Vergleich zu einer Orientierung an der BVSK-Honorarbefragung vor allem, dass der erforderliche Zeitaufwand regelmäßig nicht ohne weiteres festzustellen ist. Die Parteien, insbesondere die beklagte Partei, kann hierzu regelmäßig maximal eine Einschätzung abgegeben. Diese Einschätzung müsste – sofern man denn tatsächlich allein nach Maßgabe des Zeitaufwandes vorgehen wollte – regelmäßig aber noch im Rahmen eines gerichtlich einzuholenden Sachverständigengutachtens überprüft werden. Gleiches würde auch in Bezug auf den anzusetzenden Stundensatz des Gutachters gelten. Ein solches Vorgehen ist ersichtlich weitaus weniger prozessökonomisch als die Orientierung an der vom Bundesgerichtshof wiederholt bestätigten BVSK-Honorarbefragung.

d) Dass sich die hier konkret abgerechneten Nebenkosten im Rahmen der nach BVSK-Honorarbefragung anzusetzenden Kosten halten, ist zwischen den Parteien unstreitig.

e) Dem Kläger steht dabei auch ein Anspruch auf Ersatz der abgerechneten Nebenkosten zu. Zwar hat der Geschädigte mit dem Gutachter keine ausdrückliche Vereinbarung über die Nebenkosten und deren konkrete Höhe geschlossen.

Allerdings handelt es sich bei den typischerweise als Nebenkosten abgerechneten Tätigkeiten für KfZ-Gutachten um Leistungen, welche im Regelfall nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Nach § 631 Abs. 1, 2 BGB ist in einem solchen Fall die übliche Vergütung zu leisten, wobei die durch das Gericht gemäß § 287 ZPO zu schätzen ist. Auch hier orientiert sich das Gericht erneut an der BVSK-Honorarbefragung.

Im Übrigen soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen zur Schätzung der Gutachterkosten nach der BVSK-Honorarbefragung insbesondere auch hinsichtlich der Nebenkosten von einer Orientierung an den eben für diese Nebenkosten in der BVSK-Honorarbefragung aufgeführten Sätzen ausgeht (vgl. etwa NJW 2014, 1947). Soweit ersichtlich, lag auch in dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes keine ausdrückliche Abrede hinsichtlich der Nebenkosten vor. Die Rechtsauffassung der Beklagten zur Nichterstattbarkeit der Nebenkosten mangels ausdrücklicher Abrede überzeugt (auch deshalb) nicht.

Soweit die Beklagte die Höhe einzelner Nebenkosten angreift, dringt sie im Ergebnis nicht durch. Wie bereits oben dargelegt, orientiert sich das Gericht – im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – an der BVSK-Honorarbefragung und den dort vorgesehenen Sätzen. Dass diese im konkreten Fall nicht wesentlich überschritten sind, ist unstreitig.

Soweit die Beklagte sich gegen die Erstattbarkeit einzelner Kategorien von Nebenkosten – beispielsweise Schreibkosten oder Kosten für Fotokopien – bereits dem Grunde nach richtet, dringt sie auch damit nicht durch. Im Wesentlichen führt die Beklagte hierzu allgemein aus, dass und warum die Erbringung oder zumindest Abrechnung entsprechender Leistungen nicht mehr zeitgemäß sei. Es ist allerdings schon nicht substantiiert vorgetragen worden, dass entsprechende Leistungen auch im konkreten Fall nicht erbracht worden seien.

2. Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nach § 255 BGB besteht nicht. § 255 BGB ist unmittelbar schon deshalb nicht anwendbar, sofern die abzutretenden Ansprüche sich aus einem selbstständigen, mit einem Dritten abgeschlossenen Vertrag über die jeweilige Sache – hier das zu begutachtende Fahrzeug – ergeben (BeckOK BGB, § 255, Rn. 38).

Auch eine analoge Anwendung – wie sie insbesondere bei Ansprüchen auf Ersatz von Reparaturkosten teilweise erwogen wird – scheidet aus. Beim Ersatz von Reparaturkosten gilt zu Lasten des Schädigers bzw. dessen Versicherung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum sogenannten Werkstattrisiko. Dem Schädiger ist es deshalb letztlich versagt, im Verhältnis zum Geschädigten eine objektive Prüfung der Erforderlichkeit der Reparaturkosten vorzunehmen. Gegenüber der Werkstatt dürfte der Schädiger eine entsprechende objektive Überprüfung aber veranlassen und muss daher die Möglichkeit behalten, nach Befriedigung des Geschädigten gegen die Werkstatt vorzugehen.

Das gilt nicht in gleicher Weise für die hier streitgegenständlichen Sachverständigenkosten. Sofern nur die Höhe der konkret abgerechneten Kosten in Streit steht, werden diese vom Gericht unabhängig von der Parteienkonstellation nach Maßgabe von § 287 ZPO geschätzt. Jedenfalls wenn – wie auch hier – kein Rückgriff auf den subjektiven Maßstab des Geschädigten hinsichtlich der subjektiven Erkennbarkeit der objektiv möglicherweise überhöhten Nebenkosten erfolgt, besteht kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung von § 255 BGB.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.“

AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23