Keine volle Anrechnung der Geschäftsgebühr bei Streitigkeiten über deren Höhe

Die Entscheidung des Amtsgerichts Leipzig vom 6. Juni 2024 (Az. 117 C 1924/23) betrifft einen Streit um die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren. Die Klägerin hatte gegen den ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung eingelegt, da die Geschäftsgebühr ihrer Ansicht nach nicht vollständig angerechnet werden durfte. Das Gericht folgte der Argumentation der Klägerin und berücksichtigte verschiedene Entscheidungen anderer Gerichte sowie Kommentarliteratur.

Gemäß § 15a II RVG und Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG erfolgt die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur, wenn die Gebühr bereits gezahlt wurde oder der Gegner zur Zahlung verurteilt wurde. In diesem Fall war es strittig, ob die Geschäftsgebühr korrekt angerechnet wurde. Das Gericht entschied, dass bei streitigen Anrechnungen die materielle Rechtsfrage im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu beachten sei. Stattdessen müsste der Beklagte die Erfüllung im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage geltend machen und beweisen.

Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren setzt voraus, dass die Geschäftsgebühr im Erkenntnisverfahren tituliert wurde oder vom Kostenschuldner außergerichtlich erstattet wurde und dies unstreitig ist. Der Grund dafür ist, dass der Kostenfestsetzungsbeamte keine materielle Prüfung der vorgerichtlichen Tätigkeit und der dabei angefallenen Gebühren vornehmen kann. Ohne Titel oder unstreitige Erstattung würde dies zu einer unzulässigen Überprüfung der materiell-rechtlichen Einwendung führen, was im Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen ist​.

KG Berlin, Beschluss vom 17.07.2007 – 1 W 256/05; AG Leipzig, Beschluss vom 6.6.2024 – 117 C 1924/23; AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22

Aus den Entscheidungsgründen:

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

ergeht am 06.06.2024

nachfolgende Entscheidung:

Der Erinnerung des Klägervertreters vom 09.11.2023 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 01.11.2023 wird abgeholfen und der Kostenfestsetzungsbeschluss wie folgt abgeändert:
Die von der Beklagtenpartei an die Klagepartei aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Endurteils des Amtsgerichts Leipzig vom 30.06.2023 zu erstattenden Kosten werden einschließlich Gerichtskosten in Höhe von 234,00 EUR festgesetzt auf 509,75 EUR (in Worten: fünfhundertneun 75/100 EUR) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 05.07.2023.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

Die Erinnerung rechtfertigt eine abweichende Entscheidung.

Mit Schriftsatz vom 09.11.2023 legte die Klagepartei Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01.11.2023 ein mit der Begründung, dass keine vollständige Anrechnung einer Geschäftsgebühr hätte erfolgen dürfen. Beantragt wird die Festsetzung eines weiteren Betrages in Höhe von 67,60 €. Die Klagepartei verwies hierzu auf die Entscheidung des LG Würzburg vom 31.03.2022, 14 O 2373/20 sowie auf die Entscheidung des AG Bautzen, Beschluss vom 03.01.2024, 20 C 173/22 und auf die Entscheidung des Kammergerichts Berlin, Beschluss vom 17.07.20207, 1 W 256/05.

Gem. § 15 a II RVG und den Anrechnungsvorschriften gem. Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG erfolgt die Anrechnung auf die Verfahrensgebühr dann, wenn der erstattungspflichtige Gegner die Geschäftsgebühr bereits gezahlt hat oder er im Hauptsachetitel zur Zahlung der Geschäftsgebühr verurteilt wird.

Die Parteien streiten über die korrekte Anrechnung der Geschäftsgebühr. […]
Gemäß Gerold/Schmidt-RVG-Kommentar, 26. Auflage, zu § 15 a, Rn. 23 heißt es dazu: „Ist aber im Kostenfestsetzungsverfahren streitig, ob die Verfahrensgebühr wegen Bezahlung der Geschäftsgebühr zu reduzieren ist, so handelt es sich um eine materiellrechtliche Einwendung im Kostenfestsetzungsverfahren, die, wenn sie streitig ist, nicht zu beachten ist. Der Beklagte kann die Erfüllung dann nur noch im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage geltend machen und beweisen.“
Aus diesem Grund war der Erinnerung abzuhelfen und entsprechend dem Erinnerungsschreiben vom 09.11.2023 ein Betrag in Höhe von insgesamt 509,75 € festzusetzen.“

AG Leipzig, Beschluss vom 6.6.2024 – 117 C 1924/23

Begrenzung der Reisekosten eines von einem Versicherungsunternehmen beauftragten Rechtsanwalts

Durch das Amtsgericht Pirna wurde im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.2.2024 (Az. 12 C 625/21) entschieden, dass die Reisekosten eines von einem Versicherungsunternehmen beauftragten Rechtsanwalts, der seinen Sitz weder am Gerichtsorts noch am Sitz des Versicherungsnehmer hat, entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur Für die längste Fahrtstrecke innerhalb des Gerichtsbezirks von der unterliegenden Partei erstattet erhalten kann.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Es wurden Einwendungen gegen die Reisekosten des Beklagtenvertreters erhoben, die über die Bezirksgrenze des Amtsgerichts Pirna hinaus gehend beantragt wurden. Auf die Schriftsätze der Klagepartei vom 15.11.2023 und 24.11.2023, welche der Beklagtenpartei zum rechtlichen Gehör übersandt wurden, wird insoweit Bezug genommen. […]

Bezüglich der beantragten Reisekosten ist festzustellen, dass bei einem am dritten Ort ansässigen Anwalt, Reisekosten nur insoweit zu erstatten sind, als die Reisekosten auch bei einem am Sitz der Partei ansässigen Anwalt angefallen wären (vgl. BGH, NJW 2011, 3520).
Zur Beurteilung dessen ist jedoch vorerst eine Notwendigkeitsprüfung durchzuführen. Gemäß ständiger Rechtsprechung gilt die Zuziehung eines in der Nähe des eigenen Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig (vgl. BGH, NJW 2003, 898).
Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen jedoch, insofern bereits bei Auftragserteilung feststeht, dass für die Prozessführung persönliche Mandantengespräche nicht erforderlich sein werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es sich bei der Partei um ein Unternehmen handelt welches über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, sodass eine fernmündliche oder schriftliche Kommunikation möglich und ausreichend wäre. Da es sich bei der Beklagten um eine Versicherungsgesellschaft handelt, ist davon auszugehen, dass eine eigene Rechtsabteilung besteht. Insbesondere in Zeiten von Fernkommunikationsmitteln ist somit zu erwarten, dass für die Partei keine Notwendigkeit bestand, einen Anwalt an Ihrem Sitz zu beauftragen. Für den Fall, dass die Notwendigkeit wie vorliegend verneint wird, entfällt die Erstattungsfähigkeit zwar nicht komplett, jedoch ist nun eine Begrenzung der Reisekosten auf die Distanz des am weitesten vom Gericht entferntesten Ortes innerhalb des Gerichtsbezirks vorzunehmen. […]“

AG Pirna, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.2.2024 – 12 C 625/21

Nichtberücksichtigung streitiger Anrechnungen im Kostenfestsetzungsverfahren

Nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22) sind streitige Einwendungen zur Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in einem Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen.

Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren setzt voraus, dass die Geschäftsgebühr im Erkenntnisverfahren tituliert wurde oder vom Kostenschuldner außergerichtlich erstattet wurde und dies unstreitig ist. Der Grund dafür ist, dass der Kostenfestsetzungsbeamte keine materielle Prüfung der vorgerichtlichen Tätigkeit und der dabei angefallenen Gebühren vornehmen kann. Ohne Titel oder unstreitige Erstattung würde dies zu einer unzulässigen Überprüfung der materiell-rechtlichen Einwendung führen, was im Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen ist​.

KG Berlin, Beschluss vom 17.07.2007 – 1 W 256/05; AG Leipzig, Beschluss vom 6.6.2024 – 117 C 1924/23; AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22

Aus den Entscheidungsgründen:

„Der Festsetzung liegt der Antrag vom 27.07.2023 zugrunde.

Zu dem Antrag wurde der Gegenseite rechtliches Gehör gewährt. Es wurde eingewendet, dass im Antrag die Anrechnung der Geschäftsgebühr durch den Kläger unterblieb. Es wurde vorgetragen, dass durch die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 453,87 EUR auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten geleistet wurde.

Gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG ist eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr des Teils 2 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens zur Hälfte anzurechnen. Gemäß § 15a Abs. 3 RVG kann sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung der Grundgebühr berufen, unter anderem wenn dieser eine der Gebühren beglichen hat.

Zu beachten ist hier, dass es sich bei dem Gegenstand, der dem Gegenstandswert für die Geschäftsgebühr zugrunde gelegt wird und dem Gegenstand für das gerichtliche Verfahren um verschiedene Gegenstände handelt. Die Geschäftsgebühr ist aus einem Gegenstandswert in Höhe von 6.364,27 EUR entstanden – es ergibt sich damit eine Geschäftsgebühr in Höhe von 579,80 EUR. Der Gegenstandswert für das gerichtliche Verfahren beläuft sich lediglich auf 3.182,12 EUR.

Die Beklagte trägt im Schreiben vom 27.09.2023 vor, dass sie die Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert in Höhe von 3.182,12 EUR gezahlt hat. Tatsächlich ist die Gebühr jedoch aus einem Wert in Höhe von 6.364,23 EUR entstanden. Daraus geht hervor, dass die Zahlung auf einen anderen Gegenstand geleistet wurde. Eine Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG erfolgt dann nicht.

Weiterhin bestehen offensichtlich Streitigkeiten über den Gegenstand der Zahlung und ob die Zahlung auf die geringere Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert des gerichtlichen Verfahrens auf die Verfahrensgebühr erfolgen kann.

Ist streitig und nicht ohne weiteres feststellbar, ob die Verfahrensgebühr wegen der Bezahlung der Geschäftsgebühr zu reduzieren ist, so handelt es sich um eine in der Kostenfestsetzung nicht zu berücksichtigenden materiell-rechtliche Einwendung (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG § 15a Rn. 23).

Damit wurde der Einwand der Beklagten nicht berücksichtigt. Die geltend gemachten Gebühren und Auslagen sind entstanden und daher antragsgemäß festzusetzen.“

AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22

Rechtspfleger muss im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich eine Aufrechnungserklärung einer Partei beim Kostenfestsetzungsbeschluss berücksichtigen

Nach der Entscheidung des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Beschluss vom 12.2.2020 – 21 C 784/15) muss ein Rechtspfleger die Aufrechnungserklärung einer Partei mit ihren Zahlungsansprüchen aus einem Urteil gegen den Kostenerstattungsanspruch der anderen Partei grundsätzlich berücksichtigen, selbst wenn hierfür durch den Rechtspfleger die Verzugszinsen ausgerechnet werden müssen.

Aus den Entscheidungsgründen:

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit
[…]
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Bautzen […]
am 12.02.2020

nachfolgende Entscheidung:

1. Auf die Erinnerung der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 10.04.2018, der sich zu dem Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin verhält (GA 182), teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Bautzen vom 09.11.2017 von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 66,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hier aus seit dem 17.11.2017. Der weitergehende Antrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Die – unanfechtbare – Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Beklagte nach einem Wert von 89,58 Euro (155,89 Euro ./. 66,31 Euro).

Gründe

I.

Mit dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil vom 09.11.2017 hat das erkennende Gericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 83,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 20.01.2016 zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nach der zugleich getroffenen Kostenentscheidung, soweit diese hiervon Belang ist, haben die Klägerin 90% und die Beklagte 10% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Auf den am 17.11.2017 gestellten Antrag der Beklagten hat die Rechtspflegerin die ihm von der Klägerin zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 11.04.2018 auf 155,89 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 17.11.2017 festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 23.04.2018 eingelegten Erinnerung nur insoweit, als die Rechtspflegerin die Hauptforderung und Zinsen, die der Klägerin nach dem Urteil gegen die Beklagte zustehen und gegen die der Beklagte mit Anwaltschreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 17.11.2017 (GA 168) seinen Kostenerstattungsanspruch aufgerechnet hat, nicht in Abzug gebracht hat. Die Rechtspflegerin hält an ihrer in dem angefochtenen Beschluss niedergelegten Auffassung fest, es sei nicht Sinn des Kostenfestsetzungsverfahrens, die von der Klägerin nur mit dem Zinssatz und Verzinsungsbeginn angegeben Zinsen auszurechnen. Sie hat deswegen der Erinnerung nicht abgeholfen und diese dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Erinnerung ist gemäß § 11 Abs. 2 RPflG i.V.m. § 667 Abs. 2 ZPO zulässig. Das Erinnerungsverfahren ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht dadurch gegenstandslos geworden, dass die Klägerin auf den von der Rechtspflegerin festgesetzten Kostenerstattungsanspruch eine Zahlung über 67,56 Euro an die Beklagte geleistet und diese mit Rücksicht auf die von ihr erklärte Aufrechnung auf weitergehende Ansprüche aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss verzichtet hat. Die Klägerin hat nach wie vor ein berechtigtes Interesse an zutreffender Festsetzung, da sie diese Zahlung unter dem Vorbehalt der (teilweisen) Rückforderung im Falle einer von ihrer eigenen Berechnung abweichenden Festsetzung geleistet hat.

III.

Die Erinnerung ist auch begründet.

1. Zwar können materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch, wie etwa diejenige der Aufrechnung, im Kostenfestsetzungsverfahren nur dann berücksichtigt werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weit sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 14.05.2014 – XII ZB 539/11, Rn. 8 m.w.N., zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch gegeben.
Das Urteil vom 09.11.2017, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 83,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 20.01.2016 zu zahlen, ist rechtskräftig (und ist dies auch bereits bei Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses am 11.04.2018 gewesen). Die von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Anwaltschreiben vom 17.11.2017 (GA 168) in deren Namen erklärte Aufrechnung mit ihrem Kostenerstattungsanspruch ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Berechnung eines Zinsanspruchs erfordert einen geringen Aufwand, der mit Hilfe eines für einen Rechtspfleger leicht zugänglichen EDV-Programms – ein Link zu einem solchen befindet sich auf den Intranetseiten des Oberlandesgerichts Dresden – bewältigt werden kann und beispielsweise Gerichtsvollzieher nahezu täglich bewältigt wird. Schließlich können die Wirkungen jener Aufrechnungserklärung anhand einer rechtlichen Prüfung am Maßstab der §§ 387 ff. BGB bestimmt werden.

2. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung gegen die titulierte Hauptforderung und den Zinsanspruch der Klägerin hat dazu geführt, dass sich ihr ursprünglich – insoweit ist der Kostenfestsetzungsbeschluss nicht angefochten – 155.89 Euro betragender Kostenerstattungsanspruch auf 66,31 Euro verringert hat.
Die Aufrechnung wirkt gemäß § 389 BGB auf den Zeitpunkt zurück, in dem sich die Forderungen aufrechenbar gegenüber stehen, also die Forderung des Gläubigers erfüllbar und die Gegenforderung des aufrechnenden Schuldners fällig Ist (§ 387 BGB).
Dementsprechend entfallen in Bezug auf Forderung und Gegenforderung ein etwaiger Zinsanspruch und andere Verzugsfolgen rückwirkend auf diesen Zeitpunkt (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.1991 – VIII ZR 42/90, Rn. 34, zitiert nach juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Auflage, § 389 Rn. 2, jeweils m.w.N.).
Wenngleich im Klageverfahren die Aufrechnung mit einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch aus prozessrechtlichen Gründen wirksam nur erklärt oder geltend gemacht werden kann, wenn dieser Anspruch im Kostenfestsetzungsverfahren rechtskräftig festgesetzt oder – auch der Höhe nach – unbestritten Ist, so wird er doch als auflösend bedingter Anspruch mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostengrundentscheidung fällig (vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2013 – VII ZR 241/12, Rn. 10 f, zitiert nach juris). Aufgrund der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist der Kostengläubiger berechtigt, vom Schuldner die Erstattung seiner Prozesskosten zu verlangen und diese im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß §§ 103 ff. ZPO geltend zu machen (BGH a.a.O.). Ist – wie freilich im Streitfall ohnehin nicht – die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostengrundentscheidung von einer Sicherheitsleistung des Gläubigers der Kostenerstattungsforderung abhängig gemacht, setzt die Wirksamkeit der Aufrechnung mit einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch auch nicht voraus, dass er die angeordnete Sicherheitsleistung erbracht hat (BGH a.a.O., Rn. 14).
Nach den vorstehenden Grundsätzen wirkt die hier von der Beklagten am 17.11.2017 erklärte Aufrechnung mit seinem Kostenerstattungsanspruch zurück auf den Tag, an dem das Urteil mit der Kostengrundentscheidung verkündet worden ist, mithin auf den 09.11.2017. Dementsprechend verringert sich sein Kostenerstattungsanspruch zum einen um die 83,36 Euro betragende Hauptforderung der Klägerin und zum anderen um deren Zinsanspruch aus dieser Hauptforderung für die Zeit vom 20.01.2016 bis zum 09.11.2017; dieser Zinsanspruch beträgt – bei dem variablen Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mithin bei einem Zinssatz von 4,17 % in der Zeit vom 20.01.2016 bis zum 30.06.2016 und einem solchen von 4,12 % in der Zeit vom 01.07.2016 bis zum 09.11.2017 – 6,22 Euro.
Festzusetzen ist daher ein Kostenerstattungsanspruch der Beklagten in Höhe von 66,31 Euro (155,89 Euro ./. 83,36 Euro ./. 6,22 Euro).
Hinzu treten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich für die Zeit ab Antragstellung (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 11 Abs. 4 RPflG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.“

AG Bautzen, Beschluss vom 12.2.2020 – 21 C 784/15

Keine Erstattung der zusätzlichen Reisekosten für einen auswärtigen Rechtsanwalt

Nach dem Beschluss des Landgerichts Görlitz (LG Görlitz, Beschluss vom 21.11.2011 – 1 O 278/10) können im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens grundsätzlich nicht die zusätzlichen Reisekosten für einen auswärtigen die Rechtsanwalt geltend gemacht werden, der weder am Sitz der einen noch der anderen Partei seinen Kanzleisitz hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Görlitz vom 26.09.2011 ist zwar zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Die mit Schriftsatz vom 01.09.2011 geltend gemachten Reisekosten in Höhe von zusätzlich 137,56 Euro kann die Beklagte bzw. deren Prozessbevollmächtigter von dem Kläger nicht verlangen. Nach der zu beachtenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 91 Abs. 2 ZPO (vgl.: Beschluss vom 12.12.2002, Az.: I ZB 29/02; 21.02.2007,. Az.: VIII ZB 93/06) können die hier geltend gemachten zusätzlichen Reisekosten nicht verlangt werden. Vorliegend ist der Sachverhalt so, dass die Beklagte in ihrem Gerichtsstand verklagt wurde und zu der Wahrnehmung ihrer Interessen einen Rechtsanwalt aus Berlin beauftragt hat. Bei dieser Konstellation handelt es sich bei dem dadurch anfallenden Mehraufwand durch Reisekosten in der Regel nicht um Kosten, die im Sinne von § 91 Abs. 2 ZPO für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung notwendig sind (vgl.: BGH a. a. O.). Das gilt auch für den Fall, dass der auswärtige Anwalt bereits vorprozessual in derselben Angelegenheit tätig geworden ist. Eine zugelassene Ausnahme von der vorgenannten Regel liegt hier nicht vor. Die wäre zum Beispiel gegeben, wenn ein auswärtiger Rechtsanwalt mit Spezialkenntnissen beauftragt werden müsste und ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann. Der Bundesgerichtshof hat im Übrigen in seinem Beschluss vom 12.12.2002 (vgl.: BGH a. a. O.) Folgendes ausgeführt:

„Dagegen rechtfertigt der Umstand, dass die Partei ständig mit dem beauftragten auswärtigen Rechtsanwalt zusammenarbeitet, kein Abweichen von der Regel. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Einschätzung der Notwendigkeit in diesen Fällen stets subjektiv geprägt ist. Für eine Partei mögen die zusätzlichen Reisekosten unerheblich erscheinen, solange sie nur den Anwalt ihres Vertrauens beauftragen kann. Doch muss sie in diesem Fall bereit sein, diese Zusatzkosten auch dann selbst zu tragen, wenn dem Gegner die Prozesskosten auferlegt worden sind.“

Die Erinnerung war daher als unbegründet zurückzuweisen.“

LG Görlitz, Beschluss vom 21.11.2011 – 1 O 278/10