Sachverständigenkosten in Höhe der BVSK-Honorarbefragung und Honorartabelle der HUK-Coburg bei Schadengutachten nach Verkehrsunfällen sind angemessen

Das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 3. Juli 2024 (23 C 134/24) befasst sich mit der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Der Kläger, ein Kfz-Sachverständiger, forderte von der beklagten Versicherung restliche Sachverständigenkosten, die diese aufgrund eines Prüfberichts von ControlExpert als überhöht ablehnte. Das Gericht entschied zugunsten des Klägers und bestätigte, dass die in Rechnung gestellten Kosten, die sich an der BVSK-Honorarbefragung und der Honorartabelle der HUK-Coburg orientierten, angemessen und erstattungsfähig sind.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter am Amtsgericht […] im schriftlichen Verfahren nach § 128 (2) ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 26.06.2024

am 03.07.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 651,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 20.3.2024 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber der Rechtsanwälte
Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 77,20 € freizustellen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 651,64 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall , der sich am 22.12.2023 in Großdubrau zugetragen hat .

Die 100 %-ige Einstandspflicht der Beklagten als Kfz-Haftpflichtversicherer für alle unfallbedingten Schäden ist unstreitig . Gegenstand dieses Rechtsstreits ist allein die Schadensposition restliche Sachverständigenkosten in Höhe der Klageforderung.

In einer Erklärung der Geschädigten , überschrieben mit Abtretung / Auftrag / Zahlungsanweisung vom 27.12.2023 ist – auszugsweise – folgendes geregelt:

„Aus Anlass des oben beschriebenen Schadenfalles beauftrage ich das oben genannte Kfz-Sachverständigenbüro, ein Gutachten zur Schadenhöhe zu erstellen. Das Sachverständigenbüro berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Schadenhöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg zzgl. erforderlicher Nebenkosten.

Das Kfz-Sachverständigenbüro ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offen zu legen und den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Kfz-Sachverständigenbüros aus dem Sachverständigenvertrag gegen mich nicht berührt. Es kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. Eine Inanspruchnahme meinerseits erfolgt nur Zug um Zug gegen Rückabtretung der noch offenen Forderung. Aus Anlass des oben beschriebenen Schadenfalles beauftrage ich das oben genannte Kfz-Sachverständigenbüro, ein Gutachten zur Schadenhöhe zu erstellen. Das Sachverständigenbüro berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Schadenhöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg zzgl. erforderlicher Nebenkosten.“

Die Geschädigte beauftragte nach dem Unfall den Kläger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Dieser fertigte das Schadensgutachten und stellte der Geschädigten hierfür mit Rechnung vom 28.12.2023 insgesamt 978,89 € brutto in Rechnung, bestehend aus den Positionen Schadensgutachten (735,00 € netto) sowie als Nebenkosten die Positionen Lichtbilder ( 12 Stück zu je 2,00 € = 24,00 € netto), Fahrtkosten (48 km zu je 0,70 € = 33,60 € netto), Schreibkostenpauschale 21,00 € netto , sowie Porto & Telefon pauschal 9,00 € netto zzgl. 19% USt auf diese Positionen iHv. insgesamt 156,29 € . […].

Die Beklagte zahlte hierauf bislang 327,25 € […].

Grundlage hierfür ist ein von der Beklagten veranlasster Prüfbericht von ControlExpert . Dieser veranschlagte – abweichend von der Rechnung des Sachverständigen – das Grundhonorar bei 205,00 € netto (anstelle 735,00 € netto) , Fahrkosten bei 28,00 € netto (anstelle 33,60 € netto) sowie Schreibkosten pauschal bei 9,00 € netto (anstelle 21,00 € netto).

Der Kläger geht davon aus , dass die abgerechnete Vergütung angemessen , orts- und marktüblich ist , insbesondere weil vom Honorartableau der HUK-Coburg sowie der Honorarbefragung des BVSK 2022 gedeckt . Die von Beklagtenseite vorgelegte Rspr. zur Abtretung sei nicht einschlägig . Nach der regionalen Rspr. sind Sachverständigenkosten, die sich an der aktuellen BVSK-Honorarbefragung und dem Honorartableau der HUK-Coburg orientieren, zu erstatten . Die Orientierung am JVEG beziehe sich nur auf gerichtlich bestellte Sachverständige und werde so von der Rspr. nicht gedeckt . Eine Abrechnung nach Zeitaufwand als ortsübliche Praxis wie auch der Vortrag zur DEKRA AG als marktbeherrschende Organisation werde bestritten. Bei den Schreibkosten setze die Beklagte sich in Widerspruch, als sie zwar die Pauschale iHv 21,00 € als übersetzt ansieht, bei den vorgelegten Beispielrechnungen der DEKRA AG indessen eine Ausfertigungspauschale iHv 50,00 € netto unbeanstandet lässt. Die Fahrtkosten seien erforderlich, da nicht der Sachverständige mit der kürzesten Anfahrtsstrecke auszuwählen sei, zumal die Anfahrtstrecke einfach 24 km betrage .

Der Kläger beantragt

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 651,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 20.3.2024 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber den Rechtsanwälten Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 77,20 € freizustellen.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Klage abzuweisen.

Die Aktivlegitimation wird bestritten, die Abtretungserklärung enthalte zudem einen Verstoß gegen das Transparenzgebot . Die begehrten Sachverständigenkosten seien nicht erforderlich , da überhöht: erforderlich seien ausweislich des eingeholten Prüfberichts der ControlExpert […] lediglich die bereits gezahlten 327,25 € . Das Grundhonorar sei nach Zeitaufwand und in Anlehnung an § 9 (4) S.1 JVEG zu berechnen und abzurechnen , wie es die DEKRA AG als größte Sachverständigenorganisation mache. Der Zeitaufwand und nicht die Schadenshöhe sei die maßgebliche Bemessungsgrundlage . Bei der Frage der Ortsüblichkeit sei auf die Anzahl der erstellten Gutachten und nicht auf die Anzahl der tätigen Sachverständigen abzustellen.

Zum Sach- und Streitstand wird im übrigen auf die gewechselten Schriftstücke nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen .

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und ist in der Sache begründet .

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der noch offenen Kosten des
Sachverständigengutachtens vom 28.12.2023 aus den §§ 7 , 18 StVG , 115 (1) Nr.1 VVG, 398, 249 (2) BGB iVm. § 287 ZPO zu .

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert aufgrund der von der Zedentin mit eigenhändiger Unterschrift erteilten Abtretungserklärung vom 27.12.2023 . Die zur Abtretung getroffenen Regelungen verstoßen nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 (1) S.2 BGB, insbesondere ist diese hinreichend bestimmt : Sie enthält Name und Anschrift der Geschädigten sowie der Unfallgegnerin, die Kennzeichennummer der Unfallgegnerin, ferner die namentliche Nennung der Beklagten als zuständigen Haftpflichtversicherer mit Schadensnummer. Inhaltlich ist klar und unmissverständlich geregelt , dass das Sachverständigenbüro berechtigt ist , den abgetretenen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen wie auch, unter welchen Voraussetzungen die Geschädigte gleichwohl in Anspruch genommen werden kann. Das erkennende Gericht teilt zudem die Auffassung des Klägervertreters, dass die von Klägerseite angeführten höchstrichterlichen Entscheidungen in der Sache nicht einschlägig sind.

Die geschuldete Wiederherstellung des ohne den Schadensfall bestehenden Zustands beinhaltet nach einem Verkehrsunfall die Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Ein Geschädigter ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei und berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Gutachtens zu beauftragen (BGH, Urteil vom 24.10.2017, VI ZR 61/17).

Ob der Herstellungsaufwand erforderlich iSd. 249 (2) S.1 BGB ist, bemisst sich nach der
gängigen Rechtsprechung zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung im Ergebnis danach, ob im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle das beanspruchte Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist und, wenn ja, diese deutliche Überhöhung für den geschädigten Laien erkennbar sein musste. Ferner ist zu beachten , dass der in Rechnung gestellte Betrag nur dann erforderlich ist , wenn und soweit er sich aus den vereinbarten, zutreffenden Anknüpfungstatsachen ableiten lässt (BGH, Urteil vom 24.10.2017, VI ZR 61/17).

Der erforderliche Herstellungsaufwand ist anhand des Gutachtenauftrags , der von der Zedentin nicht beglichenen Rechnung sowie dem Parteivortrag zum Aufwand des Sachverständigen zu bestimmen, § 287 ZPO.

Ausgehend hiervon ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts im Rahmen der sog. Plausibilitätskontrolle das beanspruchte Honorar Ausgangspunkt für die Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwands iSd. § 249 (2) S.1 BGB, wenn und soweit dieses Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist und dies dem Geschädigten subjektiv erkennbar sein musste . Eine Erkennbarkeit auf subjektiver Ebene ( subjektive Schadensbetrachtung ) kann dabei im Ergebnis nur bei auffällig krassem Missverhältnis von Preis/ Leistung angenommen werden .

Bei Anlegen dieses Maßstabs – deutliche Überhöhung auf objektiver Ebene sowie Erkennbarkeit dieser deutlichen Überhöhung auf subjektiver Ebene – bestehen gegen das abgerechnete Grundhonorar (735,00 € netto) keine Bedenken :

Im Rahmen der Prüfung der Höhe der erforderlichen Gutachterkosten orientiert sich das erkennende Gericht (weiterhin) in einer Gesamtschau der BVSK – Honorarbefragung mit dem Honorartableau der HUK-Coburg, mithin mehrerer im Rahmen des § 287 ZPO von der
höchstrichterlichen Rspr. anerkannten Orientierungswerten und Maßstäben. Gegen eine Orientierung am Zeitaufwand spricht vor allem , dass der erforderliche Zeitaufwand von einem fachunkundigen Geschädigten in der Regel nicht festzustellen ist wie auch, dass eine Ableitung aus der Schadenshöhe für einen Laien höhere Transparenz und Nachvollziehbarkeit biete. Der abgerechnete Grundhonorar iHv. 735,00 € netto bewegt sich vorliegend sowohl im Korridor der Honorartabelle des BVSK 2022 wie auch dem Honorartableau der HUK-Coburg.

Der vorgelegte Prüfbericht der ControlExpert ist nicht geeignet , die Angemessenheit in Frage zu stellen, da die Bewertung per Ferndiagnose und ohne hinreichend tragfähige Anknüpfungstatsachen zum geschätzten Zeitaufwand und damit willkürlich erfolgt; die Anlehnung des Stundensatzes an die Regelungen des JVEG ist nicht angezeigt, da diese sich nur auf gerichtlich bestellte Sachverständige bezieht .

Ob eine andere Berechnungsgrundlage möglich oder wie die Beklagte meint , vorzuziehen ist, kann dahinstehen, als es zu Vortrag der Erkennbarkeit einer objektiv deutlichen Überhöhung – diese mal unterstellt – auf subjektiver Ebene bei der Geschädigten fehlt .

3. Dem Kläger steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der abgerechneten Nebenkosten zu .

Anknüpfend an 2. steht einem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz der tatsächlich entstandenen Nebenkosten zu, wenn und soweit diese nicht deutlich überhöht und der Geschädigten erkennbar sein mussten. Hierzu ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Orientierung anhand der Vorgaben des JVEG im Rahmen des § 287 ZPO anerkannt (BGH vom 26.04.2024, VI ZR 50/15). Hieran orientiert sich auch das hiesige Gericht . Die abgerechneten Nebenkosten entsprechen im Ergebnis den aus Sicht eines durchschnittlichen Unfallbeteiligten erwartbaren Sätzen. Danach ergibt sich zu den beanstandeten Positionen folgendes:

a) Schreibkosten iHv. 21,00 € netto sind als angemessen anzusehen. Nach § 12 (1) Nr. 3
JVEG darf ein Sachverständiger 0,90 € pro Seite bis zum 1.000 Anschlag abrechnen, danach 1,50 € /Seite. (vgl. LG Bremen, Urteil vom 02.09.2016 – 3 S 289/15) . Vorliegend umfasst das Gutachten 22 Seiten . Hieran im Rahmen des § 287 ZPO orientierend sind die abgerechneten Gutachterkosten erstattungsfähig.

b) Die abgerechneten Fahrtkosten sind ebenfalls in der begehrten Höhe von 33,60 € (= 48
Fahrkilometer x 0,70 €) zu erstatten. Eine Fahrtkostenpauschale von 0,70 € netto wird der
Honorarbefragung zugrunde gelegt, ist von der Rspr. so anerkannt – und wird im übrigen von Beklagtenseite der Höhe nach nicht beanstandet -.

Soweit die Beklagte meint, es sei ein Sachverständiger mit kürzerer Anfahrtstrecke auszuwählen und deshalb eine Kürzung um 5,60 € netto – was bei einer Kilometerpauschale von 0,70 € einer Fahrstrecke von 8 km entspricht – vorzunehmen, trifft dies aus Sicht des hiesigen Gerichts bereits im Ausgangspunkt so nicht zu: es gilt der Grundsatz der freien Sachverständigenwahl. Eine Anfahrtstrecke von 24 Fahrkilometern einfach bewegt sich aus Sicht des hiesigen Gerichts jedenfalls im ländlichen Bereich im üblicherweise hinzunehmenden Rahmen; der vorgenommene Abzug von 8 Fahrkilometern erscheint zudem willkürlich. In diesem Kontext möge zudem bedacht werden , dass Unfalltag der 22.12.2023 war: allgemein bekannt ein Freitag vor den Weihnachtsfeiertagen, wegen der ideal anschließenden möglichen Brückentage das Finden eines Gutachters möglicherweise erschwert gewesen sein kann.

II.

Der Anspruch auf Freistellung von den zugesprochenen vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten sowie auf Zinsen ergibt sich aus den 280 (1) , 286 (1) , 288 (1) BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 , 708 Nr. 11 , 711 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24

BGH stärkt Geschädigte: Werkstattrisiko auf Sachverständigenkosten übertragen

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. März 2024 (Az. VI ZR 280/22) befasst sich mit der Übertragung der Grundsätze des Werkstattrisikos auf die Kosten von Kfz-Sachverständigen. Der VI. Zivilsenat hat entschieden, dass die Grundsätze, die für überhöhte Reparaturkosten in Werkstätten gelten, auch auf die Kostenansätze von Sachverständigen anwendbar sind, sofern kein Verschulden des Geschädigten vorliegt.

Das Werkstattrisiko besagt, dass überhöhte Kosten, die durch unsachgemäße oder unwirtschaftliche Arbeitsweise einer Werkstatt entstehen, vom Versicherer des Unfallverursachers zu tragen sind, wenn dem Geschädigten kein Verschulden zur Last gelegt werden kann. Diese Grundsätze wurden nun auf die Kosten von Sachverständigen übertragen.

Auch überhöhte Sachverständigenkosten müssen vom Versicherer getragen werden, sofern der Geschädigte kein Verschulden trifft. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Rechnung bereits vollständig bezahlt wurde oder nicht. Der Versicherer kann jedoch eventuelle Regressansprüche gegen den Sachverständigen vom Geschädigten abtreten lassen.

Das Urteil des BGH vom 12. März 2024 stärkt somit die Position der Geschädigten und trägt zur Rechtssicherheit bei, indem es klare Regeln für die Erstattung von Sachverständigenkosten aufstellt. Diese Regelung schützt die Geschädigten vor unberechtigten finanziellen Belastungen durch überhöhte Sachverständigenrechnungen und stellt sicher, dass der Versicherer des Unfallverursachers die Kosten im Verhältnis zum Geschädigten tragen muss. Gleichzeitig wird durch die Abtretung von Regressansprüchen eine Möglichkeit geschaffen, überhöhte Forderungen direkt beim Sachverständigen geltend zu machen. Diese Entscheidung ist besonders wichtig, da Geschädigte die tatsächlichen Kosten und deren Angemessenheit oft nicht ohne weiteres beurteilen können. Insgesamt stellt das Urteil einen wichtigen Beitrag zur Klärung der Haftungsfragen im Zusammenhang mit überhöhten Sachverständigenkosten dar und berücksichtigt sowohl den Schutz der Geschädigten als auch die Interessen der Versicherer.

Falls jedoch der Sachverständige aus abgetretenem Recht des Geschädigten seine Kosten geltend macht, ist eine vollständige Überprüfung der Kostenrechnung möglich.

BGH-Urteil: BVSK-Honorarbefragung als Schätzgrundlage für Sachverständigenkosten bestätigt

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11.02.2014 (VI ZR 225/13) behandelt die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Das zentrale Thema dieses Urteils ist die Frage, welche Kosten als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gelten und somit vom Schädiger bzw. dessen Versicherung zu tragen sind.

Das Urteil bestätigt, dass der Kläger berechtigt war, einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe zu beauftragen und die dafür angefallenen Kosten von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erstattet zu bekommen. Diese Kosten müssen objektiv erforderlich sein, was bedeutet, dass ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten sie als notwendig ansehen würde.

Der BGH betont, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, vorab eine umfassende Marktanalyse durchzuführen, um den günstigsten Sachverständigen zu finden. Vielmehr darf er den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen beauftragen. Das bedeutet, dass er nicht gezwungen ist, den billigsten Anbieter zu wählen, sondern einen Anbieter, der ihm angemessen erscheint und dessen Kosten im üblichen Rahmen liegen.

Die tatsächliche Rechnungshöhe des Sachverständigen dient als Indiz für die Erforderlichkeit der Kosten. Der BGH stellt klar, dass es für die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO entscheidend ist, dass die Kosten im Rahmen des wirtschaftlich vernünftigen Herstellungsaufwands liegen und den individuellen Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten entsprechen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit der Kosten durch die Beklagte reicht daher nicht aus, um die geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu verwerfen.

Das Gericht erläutert weiter, dass der Geschädigte keine Recherche nach einem günstigeren Sachverständigen anstellen muss, sofern die Kosten im Rahmen der üblichen Honorare liegen. Dies schließt die Nutzung der BVSK-Honorarbefragung als Schätzgrundlage ein, da diese repräsentative Durchschnittswerte für marktübliche Honorare bietet. Nur wenn die Honorarsätze deutlich über den branchenüblichen Preisen liegen, ist der Geschädigte gehalten, einen günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Dies stellt sicher, dass die Kosten für den Schaden in einem angemessenen und wirtschaftlich vernünftigen Rahmen bleiben.

Zusammenfassend stärkte der BGH mit diesem Urteil die Rechte der Geschädigten, indem er festlegte, dass die Beauftragung eines Gutachters und die dabei entstehenden Kosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, solange sie nicht von vornherein als überhöht erkennbar sind. Dies bedeutet, dass der Geschädigte nicht übermäßig sparsam agieren muss, sondern die Kosten, die in seiner Lage vernünftig erscheinen, geltend machen kann.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Keine volle Anrechnung der Geschäftsgebühr bei Streitigkeiten über deren Höhe

Die Entscheidung des Amtsgerichts Leipzig vom 6. Juni 2024 (Az. 117 C 1924/23) betrifft einen Streit um die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren. Die Klägerin hatte gegen den ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung eingelegt, da die Geschäftsgebühr ihrer Ansicht nach nicht vollständig angerechnet werden durfte. Das Gericht folgte der Argumentation der Klägerin und berücksichtigte verschiedene Entscheidungen anderer Gerichte sowie Kommentarliteratur.

Gemäß § 15a II RVG und Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG erfolgt die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur, wenn die Gebühr bereits gezahlt wurde oder der Gegner zur Zahlung verurteilt wurde. In diesem Fall war es strittig, ob die Geschäftsgebühr korrekt angerechnet wurde. Das Gericht entschied, dass bei streitigen Anrechnungen die materielle Rechtsfrage im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu beachten sei. Stattdessen müsste der Beklagte die Erfüllung im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage geltend machen und beweisen.

Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren setzt voraus, dass die Geschäftsgebühr im Erkenntnisverfahren tituliert wurde oder vom Kostenschuldner außergerichtlich erstattet wurde und dies unstreitig ist. Der Grund dafür ist, dass der Kostenfestsetzungsbeamte keine materielle Prüfung der vorgerichtlichen Tätigkeit und der dabei angefallenen Gebühren vornehmen kann. Ohne Titel oder unstreitige Erstattung würde dies zu einer unzulässigen Überprüfung der materiell-rechtlichen Einwendung führen, was im Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen ist​.

KG Berlin, Beschluss vom 17.07.2007 – 1 W 256/05; AG Leipzig, Beschluss vom 6.6.2024 – 117 C 1924/23; AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22

Aus den Entscheidungsgründen:

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

ergeht am 06.06.2024

nachfolgende Entscheidung:

Der Erinnerung des Klägervertreters vom 09.11.2023 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 01.11.2023 wird abgeholfen und der Kostenfestsetzungsbeschluss wie folgt abgeändert:
Die von der Beklagtenpartei an die Klagepartei aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Endurteils des Amtsgerichts Leipzig vom 30.06.2023 zu erstattenden Kosten werden einschließlich Gerichtskosten in Höhe von 234,00 EUR festgesetzt auf 509,75 EUR (in Worten: fünfhundertneun 75/100 EUR) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 05.07.2023.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

Die Erinnerung rechtfertigt eine abweichende Entscheidung.

Mit Schriftsatz vom 09.11.2023 legte die Klagepartei Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01.11.2023 ein mit der Begründung, dass keine vollständige Anrechnung einer Geschäftsgebühr hätte erfolgen dürfen. Beantragt wird die Festsetzung eines weiteren Betrages in Höhe von 67,60 €. Die Klagepartei verwies hierzu auf die Entscheidung des LG Würzburg vom 31.03.2022, 14 O 2373/20 sowie auf die Entscheidung des AG Bautzen, Beschluss vom 03.01.2024, 20 C 173/22 und auf die Entscheidung des Kammergerichts Berlin, Beschluss vom 17.07.20207, 1 W 256/05.

Gem. § 15 a II RVG und den Anrechnungsvorschriften gem. Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG erfolgt die Anrechnung auf die Verfahrensgebühr dann, wenn der erstattungspflichtige Gegner die Geschäftsgebühr bereits gezahlt hat oder er im Hauptsachetitel zur Zahlung der Geschäftsgebühr verurteilt wird.

Die Parteien streiten über die korrekte Anrechnung der Geschäftsgebühr. […]
Gemäß Gerold/Schmidt-RVG-Kommentar, 26. Auflage, zu § 15 a, Rn. 23 heißt es dazu: „Ist aber im Kostenfestsetzungsverfahren streitig, ob die Verfahrensgebühr wegen Bezahlung der Geschäftsgebühr zu reduzieren ist, so handelt es sich um eine materiellrechtliche Einwendung im Kostenfestsetzungsverfahren, die, wenn sie streitig ist, nicht zu beachten ist. Der Beklagte kann die Erfüllung dann nur noch im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage geltend machen und beweisen.“
Aus diesem Grund war der Erinnerung abzuhelfen und entsprechend dem Erinnerungsschreiben vom 09.11.2023 ein Betrag in Höhe von insgesamt 509,75 € festzusetzen.“

AG Leipzig, Beschluss vom 6.6.2024 – 117 C 1924/23

Wirtschaftlichkeitsgebot bei Schadensersatz: BGH urteilt zur Eigenreparatur in Werkstätten

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. Mai 2023 (Az. VI ZR 274/22) befasst sich mit der Frage, ob ein Geschädigter, der einen Reparaturbetrieb führt, im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Fremdreparatur einschließlich des Gewinnanteils hat.

Grundsätzlich hat ein Geschädigter gemäß § 249 Abs. 1 BGB Anspruch darauf, den Zustand wiederhergestellt zu bekommen, der vor dem schädigenden Ereignis bestand. Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann er anstelle der Wiederherstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dies gilt auch für die Reparaturkosten, selbst wenn der Geschädigte das Fahrzeug selbst repariert oder nicht repariert. Der BGH hat entschieden, dass in solchen Fällen der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt hat, selbst wenn er die Reparatur günstiger in Eigenregie durchführen könnte.

In diesem Fall hatte die Klägerin jedoch keinen Erfolg mit ihrer Revision, da sie nicht nachweisen konnte, dass ihr Reparaturbetrieb ausgelastet war und sie deshalb die Reparatur nicht selbst durchführen konnte. Der BGH betonte, dass der Geschädigte seine betriebliche Auslastung konkret darlegen muss, um den Anspruch auf die höheren Kosten einer Fremdreparatur zu rechtfertigen. Andernfalls könnte der Geschädigte nicht mehr verlangen, als was wirtschaftlich vernünftig wäre, um zu verhindern, dass er am Schadensfall „verdient“.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der BGH die Prinzipien der subjektbezogenen Schadensbetrachtung und der Schadensminderungspflicht bestätigt hat. Dies bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensabrechnung sowohl die Besonderheiten seiner individuellen Situation als auch wirtschaftliche Vernunft berücksichtigen muss. Der Schädiger trägt die Beweislast dafür, dass eine günstigere Reparaturmöglichkeit in der eigenen Werkstatt des Geschädigten besteht, während der Geschädigte seine betriebliche Auslastungssituation darlegen muss.

Vergütungsumfang eines lediglich für einen Termin der Haftbefehlsverkündung bestellten Pflichtverteidigers

Der Kammerbeschluss des Landgerichts Neuruppin vom 25. März 2024 (Az. 11 Qs 9/24) befasst sich mit der Vergütung eines Pflichtverteidigers, der nur für den Termin der Haftbefehlsverkündung bestellt wurde. Das Gericht entschied, dass trotz der zeitlichen Begrenzung der Bestellung, der Pflichtverteidiger Anspruch auf die volle Vergütung hat, einschließlich der Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr. Dies begründet sich dadurch, dass auch eine zeitlich limitierte Bestellung eine inhaltlich und gebührentechnisch vollumfängliche Bestellung darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Beschluss

ln dem Strafverfahren gegen

[…]
Pflichtverteidiger (und Beschwerdeführer):
Rechtsanwalt Stephan M. Höhne,
Wallstraße 15, 02625 Bautzen,

weiterer Beteiligter (und Beschwerdegegner):
Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Neuruppin
[…]

wegen Computerbetruges

hier: Pflichtverteidigervergütung,

hat das Landgericht Neuruppin – 1. große Strafkammer als Beschwerdekammer in Kostensachen – […] am 25. März 2024 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts Stephan M. Höhne (im Folgenden: Beschwerdeführer) wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 15.12.2023 (Az. 84 Ds 50/20) aufgehoben. Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 03.11.2022 (Az. 84 Ds 50/20) abgeändert und der Tenor zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die dem Beschwerdeführer aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung (Gebühren und Auslagen) wird auf 685,44 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird der Vergütungsfestsetzungsantrag des Beschwerdeführers vom 17.08.2023 als unbegründet zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Die weitere Beschwerde zum Brandenburgischen Oberlandesgericht wird zugelassen.

Beschwerdewert: 491,47 Euro

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Neuruppin – Strafrichter – erließ im vorliegenden Strafverfahren am 29.09.2022 gegen den Angeklagten wegen unentschuldigten Ausbleibens in der Hauptverhandlung einen Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO […]. Der Angeklagte wurde am 16.08.2023 aufgrund dieses Haftbefehls festgenommen […] und dem Amtsgericht Bautzen am selben Tag nach § 115a Abs. 1 StPO zur Verkündung vorgeführt […].
Dort beantragte der Angeklagte – in Anwesenheit des bereits erschienenen Beschwerdeführers – nach der Vernehmung zu seinen Personalien ausdrücklich die Bestellung eines Pflichtverteidigers, woraufhin der Richter zu Protokoll folgenden Beschluss fasste […]:
Dem Beschuldigten wird RA Höhne, Bautzen, für den heutigen Termin der Haftbefehlsverkündung als Pflichtverteidiger beigeordnet, weil der Beschuldigte die Beiordnung beantragt hat.

Im weiteren Terminsverlauf erklärte der Beschwerdeführer für den Angeklagten, dass zum Sachverhalt keine Angaben gemacht würden und auch keine Anträge gestellt würden, zudem äußerte sich der Beschwerdeführer für den Angeklagten zu der Frage, ob dieser die Ladung zum Hauptverhandlungstermin überhaupt erhalten habe. Nach einer weitergehenden Erklärung des Angeklagten selbst zu seinen persönlichen Verhältnissen hielt der Richter telefonisch Rücksprache mit der zuständigen richterlichen Dezernentin beim Amtsgericht Neuruppin und setzte sodann – zwar im Einvernehmen mit der zuständigen Richterin, jedoch gleichwohl unter offenkundiger Überschreitung seiner Entscheidungszuständigkeit nach § 115a Abs. 2 StPO – durch zu Protokoll genommenen Beschluss den Haftbefehl außer Vollzug.

Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 17.08.2023 beim Amtsgericht Neuruppin die Festsetzung seiner Vergütung wie folgt beantragt […]:

– Grundgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4101 VV RVG) 216,00 Euro
– Verfahrensgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4107 VV RVG) 177,00 Euro
– Terminsgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4103 VV RVG) 183,00 Euro
– Auslagenpauschale (Nr. 7002 W RVG) 20,00 Euro
Zwischensumme: 596,00 Euro
– 19 % Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 113,24 Euro
Gesamtsumme: 709.24 Euro

Mit Beschluss vom 03.11.2023 […] hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts lediglich die geltend gemachte Terminsgebühr in Höhe von 183,00 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer von 34,77 Euro – mithin insgesamt 217,77 Euro – zu Gunsten des Beschwerdeführers festgesetzt und seinen Vergütungsantrag im Übrigen zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 09.11.2023 […] hat der Beschwerdeführer gegen diesen Beschluss Erinnerung eingelegt, welcher die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 28.11.2023 […] nicht abgeholfen hat. Die Strafrichterin hat die Erinnerung des Beschwerdeführers sodann mit Beschluss vom 15.12.2023 […] als unzulässig zurückgewiesen, allerdings ausweislich der Beschlussbegründung tatsächlich doch eine Sachentscheidung getroffen und darin anstelle der von der Rechtspflegerin festgesetzten Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG eine Einzeltätigkeitsgebühr nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG als entstanden angenommen, dies allerdings ohne diese mit 220,00 Euro (netto) bzw. 261,80 Euro (brutto) über dem bislang zugesprochenen Betrag liegende Vergütung nunmehr zu Gunsten des Beschwerdeführers festzusetzen. Gegen diesen ihm lediglich formlos übersandten und nach seinen Angaben erst am 05.01.2024 zugegangenen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 05.01.2024 Beschwerde eingelegt […], mit welcher er seinen ursprünglichen Vergütungsantrag in voller Höhe weiterverfolgt. Die Strafrichterin hat dieser Beschwerde mit Verfügung vom 12.01.2024 […] nicht abgeholfen. Mit Stellungnahmeverfügung vom 23.01.2024 […] hat der Beschwerdegegner ausgeführt, dass er lediglich eine Einzeltätigkeitsgebühr nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG als festsetzungsfähig ansehe.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Gegen den richterlichen Beschluss vom 15.12.2023 über die Erinnerung vom 09.11.2023 ist die nunmehr namens des Beschwerdeführers eingelegte Beschwerde vom 05.01.2024 gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG als befristete Beschwerde statthaft. Der Beschwerdewert liegt über 200,00 Euro und auch die zweiwöchige Frist aus § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG seit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung ist eingehalten. Zuständig ist dabei die Kammer, nachdem der geschäftsplanmäßig zuständige Einzelrichter ihr das Verfahren gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG zur Entscheidung übertragen hat.

In der Sache ist die befristete Beschwerde auch überwiegend begründet, denn das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Unrecht eine Festsetzung der durch den Beschwerdeführer geltend gemachten Gebühren abgelehnt.

Ausgangspunkt der Prüfung der einem Pflichtverteidiger aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütung ist dabei stets die gerichtliche Bestellungsentscheidung. Enthält bereits der Bestellungsbeschluss als Grundentscheidung Einschränkungen der Pflichtverteidigerbestellung in zeitlicher, inhaltlicher oder gebührentechnischer Hinsicht, so obliegt es dem bestellten Pflichtverteidiger – so diese Einschränkungen als rechtswidrig und ihn selbst beschwerend ansieht – bereits die Bestellungsentscheidung selbst aus eigenem Recht mit dem in § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO eröffneten Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anzufechten. Eine inzidente Überprüfung der Rechtmäßigkeit von in die Bestellungsentscheidung aufgenommenen Beschränkungen erst im Vergütungsfestsetzungsverfahren scheidet hingegen aus.

Entgegen dem Dafürhalten des Amtsgerichts und des Beschwerdegegners ergibt sich jedoch im vorliegenden Fall aus der im Bestellungsbeschluss vom 16.08.2023 vorgenommenen Beschränkung der Bestellung „für den heutigen Termin der Haftbefehlsverkündung“ gerade nicht, dass dem Beschwerdeführer für seine Tätigkeit lediglich die für den Termin angefallene Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG bzw. eine Einzeltätigkeitsgebühr nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG zustünde. So stellt eine allein in zeitlicher Hinsicht limitierte Pflichtverteidigerbestellung gleichwohl eine inhaltlich und gebührentechnisch vollumfängliche – wenn auch eben auf einen bestimmten Tätigkeitszeitraum beschränkte – Bestellung dar, weshalb auch der lediglich für einen bestimmten – sei es noch so kurzen – Zeitraum gerichtlich – sprich durch hoheitlichen Akt – bestellte Verteidiger vorbehaltlich des Hinzutretens besonderer Umstände sowohl berufsrechtlich als auch zivilrechtlich gegenüber seinem Mandanten zu einer umfassenden Führung der Verteidigung verpflichtet ist und daher die für die Einarbeitung in das Verfahren anfallende Grundgebühr, die für das jeweilige Verfahrensstadium vorgesehene Verfahrensgebühr sowie – falls in den Bestellungszeitraum wie hier eine Terminsteilnahme fällt – die entsprechende Terminsgebühr beanspruchen kann.

Die Kammer verkennt dabei nun keinesfalls, dass sich hierdurch häufig – und so auch hier – nicht unerhebliche Kosten für die Landeskasse bzw. letztendlich für den zumeist verfahrenskostenpflichtigen Angeklagten ergeben, und zugleich grundsätzlich ein legitimes Bedürfnis aller Verfahrensbeteiligten besteht, diese Mehrkosten so gut es geht zu vermeiden bzw. gering zu halten. Gerade die vorliegende Konstellation ist jedoch durch den Gesetzgeber im Rahmen der zum 13.12.2019 in Kraft getretenen Neuregelung des Rechts der Pflichtverteidigung bereits erkannt und einer abschließenden Lösung zugeführt worden. So stellt nach dieser Neuregelung im Grundsatz auch eine gerichtliche Vorführung aufgrund eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO einen Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO dar, dies allerdings nach Maßgabe des § 141 Abs. 2 Satz 2 StPO mit der Einschränkung, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers in diesem Fall nur dann erfolgt, wenn der Angeklagte dies nach Belehrung – nicht zuletzt über die Kostenfolgen – ausdrücklich verlangt. Vorliegend hat der Angeklagte zu Beginn des Termins nun genau einen solchen Antrag gestellt mit der Konsequenz, dass ihm der hierfür nach § 142 Abs. 2 Nr. 3 StPO zuständige verkündende Richter materiell-rechtlich sogar ohne zeitliche Beschränkung einen Pflichtverteidiger hätte bestellen müssen und eine spätere Aufhebung der Bestellung nach § 143 Abs. 2 Satz 3 StPO – ebenso wie die hierfür erforderliche Außervollzugsetzung des Haftbefehls selbst – dem Amtsgericht Neuruppin oblegen hätte. Dass nun also aufgrund der hier erfolgten Pflichtverteidigerbestellung – ungeachtet der aus Sicht der Kammer ohnehin rechtsfehlerhaften zeitlichen Begrenzung der Bestellung – für den Beschwerdeführer die volle Verteidigervergütung in Gestalt von Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr anfällt und hierfür zunächst die Landeskasse und später gegebenenfalls der Angeklagte einzustehen haben, unterlag mithin nach der eindeutigen gesetzgeberischen Regelungskonzeption ganz bewusst der Disposition durch den Angeklagten und entspricht im Ergebnis exakt dem, was der Gesetzgeber als Folge einer Antragstellung des Angeklagten vorhergesehen und hingenommen hat.
Da dem Angeklagten vor der Bestellung des Beschwerdeführers sodann auch noch kein anderer Pflichtverteidiger bestellt war, lag auch von vornherein kein Fall einer bloßen „Terminsvertretung“ vor, bei welcher auch nach dem Dafürhalten der Kammer in Fällen der konsensualen Bestellung eines Pflichtverteidigers für einen bestimmten Termin – hier einen auswärtigen Hafttermin – anstelle des regulären Pflichtverteidigers eine Beschränkung des Vergütungsanspruchs des „Terminsvertreters“ auf die für den wahrgenommenen Termin anfallende Terminsgebühr in Betracht kommt (siehe hierzu den Beschluss der Kammer vom 25.03.2024 – Az. 11 Qs 76/23 – sowie den Beschluss der 2. großen Strafkammer vom 04.09.2023 – Az. 22 KLs 10/22 -).

Mit Blick auf die in der Bestellungsentscheidung ausdrückliche getätigte Bestellung des Beschwerdeführers als Pflichtverteidiger – sprich als Verteidiger – scheidet es schließlich entgegen dem Dafürhalten des Beschwerdegegners auch aus, dem Beschwerdeführer anstelle der vollen Verteidigervergütung in Gestalt von Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr lediglich eine Einzeltätigkeitsgebühr nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG zuzusprechen. Die von diesem Gebührentatbestand abgedeckte bloße Beistandsleistung stellt – begrifflich ebenso wie in der Sache – etwas kategorial völlig anderes als eine Verteidigung dar. für welche sich die anfallenden Gebühren im Erkenntnisverfahren nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nach Abschnitt 1 des Teils 4 der Anlage 1 zum RVG richten. So erschöpft sich eine Beistandsleistung für einen Beschuldigten durch einen Rechtsanwalt in einem Termin darin, dem Beschuldigten im Hinblick auf die unmittelbaren Verhaltenserfordernisse im Termin beratend zur Seite zu stehen und auf die Wahrung der prozessualen Rechte des Beschuldigten im Terminsablauf zu achten, und ist nicht nur in zeitlicher, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht auf den Termin begrenzt. Die Verteidigung hingegen weist – auch wenn sie nach Maßgabe einer gerichtlichen Bestellungsentscheidung wie hier zeitlich nur in einem einzelnen Termin erfolgt – inhaltlich regelmäßig über den Termin hinaus, da sie auf Basis einer Vorbereitung auf den Verfahrensgegenstand in der Sache und einer hieraus entwickelten Verteidigungsstrategie zu erfolgen und auf die Erreichung der mit dem Angeklagten abgesprochenen Verteidigungsziele hinzuwirken hat. Dementsprechend hat der Beschwerdeführer im hier in Rede stehenden Termin auch ganz typisches Verteidigerhandeln an den Tag gelegt, indem er erklärt hat, inwieweit der Angeklagte Angaben zur Sache bzw. zur Person tätigen wird und dass keine Anträge gestellt werden, insbesondere aber indem er argumentativ mittels eines Hinweises auf einen angeblich nicht erfolgten Ladungszugang die tatbestandlichen Grundlagen des Haftbefehls in Zweifel zu ziehen und hierdurch eine dem Angeklagten günstige richterliche Haftentscheidung herbeizuführen gesucht hat.

Da schließlich die für einen Pflichtverteidiger als gerichtlich bestellten Rechtsanwalt anfallenden Gebühren ihrer Höhe nach jeweils gesetzlich fixiert sind, kann der Beschwerdeführer seine Vergütung insoweit unabhängig von seinem tatsächlich vor, in, am Rande und im Nachgang des Termins betriebenen Verteidigungsaufwand – und damit im Ergebnis wie von ihm beantragt – beanspruchen. Dies gilt hingegen nicht für die von ihm geltend gemachte Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG, nachdem der Beschwerdeführer nach Aktenlage ausschließlich in dem Termin vor dem Amtsgericht Bautzen für den Angeklagten aufgetreten ist und er außerhalb dieses Termins erfolgte Kommunikation mit dem Angeklagten oder Dritten nicht behauptet hat. Die dem Beschwerdeführer zustehende Vergütung berechnet sich nach alledem wie folgt:

– Grundgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4101 VV RVG) 216,00 Euro
– Verfahrensgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4107 VV RVG) 177,00 Euro
– Terminsgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4103 VV RVG) 183,00 Euro
Zwischensumme: 576,00 Euro
– 19 % Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 109,44 Euro
Gesamtsumme: 685,44 Euro

Die Gebührenfreiheit dieses Beschwerdeverfahrens sowie die Nichterstattung von Kosten ergeben sich aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 RVG.

Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. 33 Abs. 6 Satz 1 RVG die weitere Beschwerde zum Brandenburgischen Oberlandesgericht zuzulassen, da die zur Entscheidung stehende Frage grundsätzliche Bedeutung hat. Die vorliegend entscheidungserhebliche Rechtsfrage, welche Gebühren ein ausweislich des jeweiligen Bestellungsbeschlusses ausdrücklich nur für einen bestimmten Tag bzw. einen bestimmten Termin bestellter Pflichtverteidiger beanspruchen kann, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten (siehe etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.02.2023 – 2 Ws 13/23 – m.w.N.), wobei die zu diesem Themenkreis im weiteren Sinne zuletzt veröffentlichte Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts – soweit ersichtlich – aus dem Jahr 2009 stammt (OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.08.2009 – 2 Ws 111/09 -) und mithin auf die Zeit vor den zum 13.12.2019 in Kraft getretenen umfangreichen Änderungen des Rechts der Pflichtverteidigung datiert.“

LG Neuruppin, Kammerbeschluss vom 25. März 2024 – 11 Qs 9/24

Grenzen der Erstattung von Mietwagenkosten nach Verkehrsunfällen

Nach dem Urteil des Landgerichts Görlitz Außenkammern Bautzen vom 28. Februar 2024 (Az. 5 O 502/22) kann ein Geschädigter nicht die Kosten für einen Mietwagen für einen längeren Zeitraum bis zur Auslieferung eines Neufahrzeugs beanspruchen, wenn die Möglichkeit besteht, ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug in einem deutlich kürzeren Zeitraum anzuschaffen.

In der Schadensregulierung nach Verkehrsunfällen besteht der Grundsatz, dass der Geschädigte Anspruch auf Ersatz notwendiger Aufwendungen hat, um den Zustand vor dem Unfall wiederherzustellen. Dazu gehören auch die Kosten für einen Mietwagen gehören, falls das Fahrzeug repariert wird oder ein Ersatzfahrzeug beschafft werden muss.

Das Landgericht Görlitz legt in seinem Urteil fest, dass die Erstattung der Mietwagenkosten auf den Zeitraum begrenzt ist, der notwendig ist, um ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Ein Geschädigter kann also nicht die Kosten für die Miete eines Wagens für die gesamte Dauer bis zur Auslieferung eines neu bestellten Fahrzeugs verlangen, wenn ein vergleichbares Ersatzfahrzeug schneller verfügbar wäre.

Dieses Urteil spiegelt das allgemeine Prinzip der Schadensminderungspflicht wider. Es wird erwartet, dass der Geschädigte angemessene Anstrengungen unternimmt, um den Schaden gering zu halten. In diesem Fall bedeutet das, dass der Geschädigte ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug in einem angemessenen Zeitraum beschaffen sollte, anstatt auf die Auslieferung eines Neufahrzeugs zu warten, was möglicherweise länger dauert und höhere Kosten verursacht.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

gegen

1. […]

– Beklagte –

2. […] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
[…]

Unterbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz […]

am 28.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 808,05 Euro zu zahlen nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz des BGB seit dem 01.02.2022.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 86 % und die Beklagten zu 14 %
zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 6.081,47 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in An-
spruch.

Am 17.05.2021 ereignete sich in Bautzen auf der August-Bebel-Straße in Höhe der Hausnummer 10 ein Verkehrsunfall unter Beteiligung des Pkw Peugot M der Klägerin und des Busses der Beklagten zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

Der Unfall wurde allein durch den Bus verursacht.

An dem Fahrzeug der Klägerin entstand Totalschaden. Die Klägerin beauftragte ein Schadensgutachten, welches am 25.05.2021 erstellt wurde […].

Am 27.05.2021 entschied sich die Klägerin, als Ersatzfahrzeug einen Neuwagen zu bestellen. Dieser wurde am 05.10.2021 an die Klägerin ausgeliefert. Für die Zeit bis zum 04.10.2021 mietete die Klägerin ein Ersatzfahrzeug an. Der Autovermieter berechnete ihr dafür 7.021,00 Euro brutto […]. Die Beklagten regulierten Mietwagenkosten im Umfang von 944,53 Euro. Den Differenzbetrag macht die Klägerin geltend.

Die Klägerin trägt vor, das Neufahrzeug habe ihr Verkäufer seinerseits bereits vor dem Unfalltage bestellt und es sei eine baldige Auslieferung zugesichert worden. Aufgrund von Lieferengpässen konnte jedoch das Neufahrzeug auch an ihren Verkäufer erst später ausgeliefert werden.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.081,47 €
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz p.a. seit dem 01.02.2022 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 160,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagten beantragen:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten tragen vor, dass ein Wiederbeschaffungszeitraum von 29 Tagen ausreichend gewesen wäre. Die erforderlichen und erstattungsfähigen Kosten für eine Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeuges für 29 Tage würde sich auf 944,53 Euro belaufen. Damit sei der erstattungsfähige Schaden reguliert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen und auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten nach dem Verkehrsunfall vom 17.05.2021 Anspruch auf Zahlung weiterer 808,02 Euro nebst Verzinsung (§§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG, § 115
VVG).

Im übrigen war die Klage abzuweisen.

Unstreitig haften die Beklagten für unfallbedingte Schäden der Klägerin zu 100 %.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten für die Dauer von 29 Tagen, und zwar in Höhe von 808,05 Euro.

Der Betrag des Schadenersatzes wird geschätzt (§ 287 ZPO).

Über den Zeitraum von 29 Tagen hinaus, den die Beklagten zugestanden haben, durfte die
Klägerin unfallbedingt einen Mietwagen nicht nehmen. Soweit sie darüber hinaus einen
Mietwagen genommen hat, sind die damit verbundenen Kosten nicht mehr unfallbedingt.

Der Zeitraum von 29 Tagen war ausreichend, um ein vergleichbares Ersatzfahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu finden. Zunächst durfte die Klägerin abwarten, bis ihr das
Schadensgutachten vom 25.05.2021 vorlag. Danach durfte sie überlegen, wie sie weiter
vorgehen will. Anschließend war von einer Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen
auszugehen. Dieser Aufwand kann aufgrund des Gutachtens geschätzt werden, das die
Klägerin eingeholt hat […]. Dort wird ein Wiederbeschaffungszeitraum von 14 Tagen
ausgewiesen.

Wenn sich der Geschädigte, wie vorliegend die Klägerin, dazu entschließt, ein Ersatzfahrzeug nicht auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu erwerben, sondern ein Neufahrzeug bestellt, so trägt er das Risiko, dass eine derartige Ersatzbeschaffung länger dauert, als die Ersatzbeschaffung auf dem Gebrauchtwagenmarkt selbst. Denn er hat – lediglich – Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wäre der Unfall nicht passiert. Wäre der Unfall nicht passiert, hätte die Klägerin ein Fahrzeug vom Typ Peugot M gehabt, mit einer Laufleistung von 42.272 km bei einer Erstzulassung vom 21.01.2019. Ein solches Fahrzeug wieder zu beschaffen, hätte etwa zwei Wochen gedauert (so die sachverständige Einschätzung […]).

Der erforderliche Aufwand für einen Mietwagen wird geschätzt – auf Grundlage der
Frauenhofer-Erhebung für 2021 – mit einem Aufschlag von 30 %.

Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 12.02.2024 aus der Frauenhofer-Tabelle zitierten
Daten sind zutreffend und unstreitig. Der Berechnung sind außerdem zutreffend die Daten
aus der Frauenhofer-Erhebung für 4 mal 7 Tage plus einen Tag zugrunde zu legen. Es ist
auch richtig, die Fahrzeugklasse VI zugrunde zu legen. Dies wird bestätigt durch das
Schadensgutachten […].
Für den Zeitraum von 29 Tagen ermittelt sich damit ein Aufwand für einen Mietwagen in Höhe von 1.752,58 Euro. Hiervon haben die Beklagten 944,53 Euro reguliert, sodass noch ein Schadensbetrag von 808,05 Euro offen bleibt.

Die unfallbedingten und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben die Beklagten bereits vollständig reguliert. Sie sind dabei zutreffend von einem Gegenstandswert bis 16.000,00 Euro ausgegangen. Die von der Klägerin geltend gemachte Differenz von 160,88 Euro beruht darauf, dass sie von einem Gegenstandswert für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten von 22.000,00 Euro ausgegangen ist.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 3
ff. ZPO.“

LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22

Angemessenheit der Sachverständigenkosten gemäß BVSK-Honorarbefragung und Honorartabelle der HUK-Coburg bei Schadengutachten nach Verkehrsunfällen

Das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 21. Februar 2024 (23 C 518/23) betrifft die Erstattung von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Im Kern ging es darum, ob die geltend gemachten Kosten für ein Schadengutachten nach einem Verkehrsunfall angemessen und erstattungsfähig sind. Das Gericht bestätigte, dass die Kosten angemessen waren, da sie sich im Rahmen der Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg bewegten. Es wurde entschieden, dass die beklagte Versicherung den restlichen Betrag der Sachverständigenkosten zu zahlen hat.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Vergütungsforderung

hat das Amtsgericht Bautzen […] im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO am 21.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt , an den Kläger 317,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinsssatz hieraus seit dem 22.10.2023 zu zahlen
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 317,46 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 05.09.2023 in Schirgiswalde zugetragen hat. Die 100 %-ige Einstandspflicht der Beklagten für alle unfallbedingten Schäden ist unstreitig.

Gegenstand dieses Rechtsstreits sind allein restliche Sachverständigenkosten in Höhe der
Klageforderung.

In einer Vereinbarung des Geschädigten mit dem Kläger vom 06.09.2023 […] ist – auszugsweise – geregelt

„Aus Anlass des oben beschriebenen Schadenfalles beauftrage ich das oben genannte Kfz-Sachverständigenbüro, ein Gutachten zur Schadenhöhe zu erstellen. Das Sachverständigenbüro berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Schadenhöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg einschließlich Nebenkosten.
Das Kfz-Sachverständigenbüro ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offen zu legen und den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Kfz-Sachverständigenbüros aus dem Sachverständigenvertrag gegen mich nicht berührt.
Es kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet . Eine Inanspruchnahme meinerseits erfolgt nur Zug-um-Zug gegen Rückabtretung der noch offenen Forderung.“

Der Geschädigte beauftragte den Kläger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Dieser fertigte das Gutachten am 13.09.2023 […] und stellte dem Geschädigten hierfür 833,24 € brutto in Rechnung. Die Rechnung beinhaltet folgende Abrechnungspositionen:

Pos Beschreibung / Einzelpreis Gesamtpreis

1. KfZ-Schadensgutachten 1 625,00 € 625,00 €
-Datenerfassung
– Fahrzeugbeschädigungen aufnehmen
– Altschäden fotografieren u. dokumentieren
– Festlegung wirtschaftlichster Reparaturweg
– Erstellung Schadenskalkulation
– Ermittlung Wiederbeschaffungswert

2. Lichtbilder 10 Stück 2,00 € 20,00 €
3. Fahrtkosten 6 Km 0,70 € 4,20 €
4. Schreibkosten (pauschal) 1 21,00 € 21,00 €
5. Porto & Telefon ( pauschal) 1 9,00 € 9,00 €
6. Restwertermittlung 1 pauschal 21,00 € 21,00 €
Gesamtbetrag ohne MwSt. 700,20 €
19 % MwSt 133,04 €
Gesamtbetrag incl. MwSt 833,24 €

Die Beklagte zahlte hierauf bislang 515,78 € .

Der Kläger geht davon aus , dass die abgerechnete Vergütung angemessen , orts- und marktüblich ist, da sowohl von dem Honorartableau der HUK -Coburg ( = 846,09 € ) sowie den Ergebnissen der Honorarbefragung 2020 des BVSK ( Korridor 710,50 € – 780,50 € zzgl. MwSt ) als maßgeblichen Orientierungshilfen gedeckt .

Der Kläger beantragt
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 317,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 22.10.2023 zu zahlen.

Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen

Die Aktivlegitimation wird bestritten: Die Abtretungsvereinbarung sei unwirksam, da gegen das Transparenzgebot verstoßend. Im übrigen seien alle berechtigten Ansprüche mit der vorprozessualen Zahlung abgegolten , der darüberhinausgehende Betrag sei nicht erforderlich iSd. § 249 BGB , wie sich aus dem eigenen Prüfbericht ergebe […] . Das Grundhonorar sei nach tatsächlich angefallenem Zeitaufwand zu ermitteln, wie es z.B. die DEKRA mache, vgl. auch die Stellungnahme der Firma Logicheck […]; hinsichtlich der Nebenkosten sei eine Orientierung am JVEG vorzuziehen. Schreibkosten und Restwertermittlung seien durch das Grundhonorar mit abgedeckt , die Schreibkosten im übrigen übersetzt.

Zum Sach- und Streitstand wird im übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen .

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der restlichen Kosten des
Sachverständigengutachtens in Höhe von weiteren 317,46 € aus den §§ 7 , 18 StVG, 398,
249 S. 2 BGB iVm. § 287 ZPO zu.

1. Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich aus der vom Geschädigten am 06.09.2023 unterschriebenen Abtretungserklärung […]. Anders als die Beklagte meint, verstößt die zur Abtretung getroffenen Regelungen nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 (1) S. 2 BGB. Insbesondere ist diese hinreichend bestimmt: Sie enthält Name und Anschrift des Geschädigten und des Unfallgegners, die Kennzeichennummern des Unfallgegners und die namentliche Nennung der Beklagten als Krafthaftpflichtversicherung mit Versicherungs- und Schadensnummer. Inhaltlich ist klar und an sich unmissverständlich geregelt, dass das
Sachverständigenbüro berechtigt ist , den abgetretenen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen sowie, unter welchen Voraussetzungen der Geschädigte gleichwohl in Anspruch genommen werden kann . Das Gericht teilt im übrigen die Auffassung des Klägervertreters, dass die von der Beklagtenseite zitierten Entscheidungen nicht einschlägig sind.

2. Ob der Herstellungsaufwand erforderlich iSd. § 249 (2) S. 1 BGB ist, bemisst sich nach der gängigen Rechtsprechung zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung danach, ob im Rahmen einer Plausibilitätsbetrachtung das vereinbarte Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist und wenn ja, diese deutliche Überhöhung für den geschädigten Laien erkennbar ist/ sein musste.

Ausgangspunkt für den erforderlichen Herstellungsaufwand ist vorliegend die Honorarvereinbarung, die hierzu korrespondierende, vom Zedenten nicht beglichene Rechnung als auch der Parteivortrag, § 287 ZPO .

Die Parteien haben eine Honorarvereinbarung dahin geschlossen , dass das Sachverständigenbüro sein Honorar in Anlehnung an die Schadenshöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg zzgl. der erforderlichen Nebenkosten abrechnet […].

Das abgerechnete Grundhonorar i.H.v. 743,75 € brutto bewegt sich sowohl im Korridor der Honorartabelle des BVSK wie auch dem Honorartableau der HUK Coburg, mithin mehrerer im Rahmen des § 287 ZPO von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannter Orientierungswerte und Maßstäbe : Auch das hiesige Gericht orientiert sich hieran. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die abgerechnete Vergütung aus Sicht des erkennenden Gerichts keine Bedenken, bereits eine deutliche Überhöhung liegt damit nicht vor. Selbst wenn man dies anders sähe: es fehlt an Vortrag, weshalb das abgerechnete Honorar dem Geschädigten als objektiv deutlich überhöht dem Geschädigten hätte subjektiv erkennbar sein müssen.

Für das erkennende Gericht besteht kein Anlass , bei der Prüfung der Höhe der Gutachterkosten im Rahmen des § 287 ZPO von diesen zulässigen und anerkannten Schätzgrundlagen abzuweichen: Ob eine andere Berechnungsgrundlage, z.B. nach Zeitaufwand, auch möglich oder sogar vorzuziehen sein könnte, kann auch deshalb dahinstehen, als die Erkennbarkeit einer objektiv deutlichen Überhöhung – die hier nicht vorliegt – auf subjektiver Ebene bei dem Geschädigten, der in der Regel abrechnungstechnischer Laie ist, allenfalls bei einem krassen, sich geradezu aufdrängenden Missverhältnis angenommen werden könnte.

3. Dem Kläger steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der abgerechneten Nebenkosten zu .

Auch hinsichtlich der beanstandeten Nebenkosten steht einem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz insoweit zu, soweit sie objektiv nicht deutlich überhöht sind und dies für den Geschädigten subjektiv erkennbar waren. Hierzu ist nach der höchstrichterlichen Rspr. eine Orientierung auch anhand der Vorgaben des JVEG im Rahmen des § 287 ZPO anerkannt (BGH vom 26.04.2016, VI ZR 50/15). Deshalb orientiert sich auch das erkennende Gericht hieran: Die abgerechneten Nebenkosten entsprechen im Ergebnis den insoweit aus Sicht eines durchschnittlichen Unfallbeteiligten erwartbaren Sätzen . Danach ergibt sich folgendes:

a) Die Position Schreibkosten (pauschal) ist iHv. 21,00 € zzgl. MwSt. zu erstatten: Das Gutachten umfasst (ohne Lichtbilder) 12 Seiten. Bei Schreibkosten iHv 1,80 € / Seite (vgl. LG Bremen Urteil vom 02.09.2016 , 3 S 289/15) ist die Höhe der Pauschale im Ergebnis von § 12 (1) S. 2 Nr. 3 JVEG gedeckt.

b) Ebenfalls zu erstatten sind die Kosten der Restwertermittlung iHv 21,00 € zzgl. MwSt : Das Gericht teilt nicht die Rechtsauffassung der Beklagten, dass diese Kosten vom Grundhonorar mit abgedeckt sind . Der Umfang einer Restwertermittlung ist stark abhängig vom jeweiligen Einzelfall und geht über die allgemeine Feststellung eines Fahrzeugschadens hinaus . Abgesehen davon ist für einen Geschädigten nicht erkennbar , dass Restwertermittlungskosten in einem Grundhonorar enthalten sein könnten.

II.

Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus den §§ 280 , 286 , 288 BGB

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 11 , 711 , 713 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23

Rechtsprechung zum Werkstattrisiko: BGH stärkt Rechte der Unfallgeschädigten

In einer Reihe von Entscheidungen zum sogenannten Werkstattrisiko hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Unfallverursacher grundsätzlich die gesamte Werkstattrechnung nach einem Verkehrsunfall erstatten müssen, auch wenn diese möglicherweise überhöht ist. Der BGH führte hierzu aus, dass der Geschädigte, der in der Regel kein Fachwissen hat, um den Schaden und die dafür anfallenden Kosten zu beurteilen, die gesamten Reparaturkosten von der Versicherung des Unfallverursachers erstattet bekommen kann. Dies gilt selbst dann, wenn Teile der Reparatur möglicherweise nicht durchgeführt wurden, aber auf der Rechnung stehen.

Insoweit verbleibt der Versicherung des Unfallverursachers die Möglichkeit selbst von der Reparaturwerkstatt die Kosten für überhöhte oder nicht erforderliche oder erfolgte Reparaturmaßnahmen zurückzufordern.

Allerdings soll dies nicht zu einer Bereicherung des Geschädigten führen. Daher darf er, falls er die Rechnung noch nicht bezahlt hat, nur Zahlung direkt an die Werkstatt, nicht aber an sich selbst verlangen.

  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 38/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 239/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 253/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 266/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 51/23

Nichtberücksichtigung streitiger Anrechnungen im Kostenfestsetzungsverfahren

Nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22) sind streitige Einwendungen zur Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in einem Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen.

Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren setzt voraus, dass die Geschäftsgebühr im Erkenntnisverfahren tituliert wurde oder vom Kostenschuldner außergerichtlich erstattet wurde und dies unstreitig ist. Der Grund dafür ist, dass der Kostenfestsetzungsbeamte keine materielle Prüfung der vorgerichtlichen Tätigkeit und der dabei angefallenen Gebühren vornehmen kann. Ohne Titel oder unstreitige Erstattung würde dies zu einer unzulässigen Überprüfung der materiell-rechtlichen Einwendung führen, was im Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen ist​.

KG Berlin, Beschluss vom 17.07.2007 – 1 W 256/05; AG Leipzig, Beschluss vom 6.6.2024 – 117 C 1924/23; AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22

Aus den Entscheidungsgründen:

„Der Festsetzung liegt der Antrag vom 27.07.2023 zugrunde.

Zu dem Antrag wurde der Gegenseite rechtliches Gehör gewährt. Es wurde eingewendet, dass im Antrag die Anrechnung der Geschäftsgebühr durch den Kläger unterblieb. Es wurde vorgetragen, dass durch die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 453,87 EUR auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten geleistet wurde.

Gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG ist eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr des Teils 2 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens zur Hälfte anzurechnen. Gemäß § 15a Abs. 3 RVG kann sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung der Grundgebühr berufen, unter anderem wenn dieser eine der Gebühren beglichen hat.

Zu beachten ist hier, dass es sich bei dem Gegenstand, der dem Gegenstandswert für die Geschäftsgebühr zugrunde gelegt wird und dem Gegenstand für das gerichtliche Verfahren um verschiedene Gegenstände handelt. Die Geschäftsgebühr ist aus einem Gegenstandswert in Höhe von 6.364,27 EUR entstanden – es ergibt sich damit eine Geschäftsgebühr in Höhe von 579,80 EUR. Der Gegenstandswert für das gerichtliche Verfahren beläuft sich lediglich auf 3.182,12 EUR.

Die Beklagte trägt im Schreiben vom 27.09.2023 vor, dass sie die Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert in Höhe von 3.182,12 EUR gezahlt hat. Tatsächlich ist die Gebühr jedoch aus einem Wert in Höhe von 6.364,23 EUR entstanden. Daraus geht hervor, dass die Zahlung auf einen anderen Gegenstand geleistet wurde. Eine Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG erfolgt dann nicht.

Weiterhin bestehen offensichtlich Streitigkeiten über den Gegenstand der Zahlung und ob die Zahlung auf die geringere Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert des gerichtlichen Verfahrens auf die Verfahrensgebühr erfolgen kann.

Ist streitig und nicht ohne weiteres feststellbar, ob die Verfahrensgebühr wegen der Bezahlung der Geschäftsgebühr zu reduzieren ist, so handelt es sich um eine in der Kostenfestsetzung nicht zu berücksichtigenden materiell-rechtliche Einwendung (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG § 15a Rn. 23).

Damit wurde der Einwand der Beklagten nicht berücksichtigt. Die geltend gemachten Gebühren und Auslagen sind entstanden und daher antragsgemäß festzusetzen.“

AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22