Grenzen der Erstattung von Mietwagenkosten nach Verkehrsunfällen

Nach dem Urteil des Landgerichts Görlitz Außenkammern Bautzen vom 28. Februar 2024 (Az. 5 O 502/22) kann ein Geschädigter nicht die Kosten für einen Mietwagen für einen längeren Zeitraum bis zur Auslieferung eines Neufahrzeugs beanspruchen, wenn die Möglichkeit besteht, ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug in einem deutlich kürzeren Zeitraum anzuschaffen.

In der Schadensregulierung nach Verkehrsunfällen besteht der Grundsatz, dass der Geschädigte Anspruch auf Ersatz notwendiger Aufwendungen hat, um den Zustand vor dem Unfall wiederherzustellen. Dazu gehören auch die Kosten für einen Mietwagen gehören, falls das Fahrzeug repariert wird oder ein Ersatzfahrzeug beschafft werden muss.

Das Landgericht Görlitz legt in seinem Urteil fest, dass die Erstattung der Mietwagenkosten auf den Zeitraum begrenzt ist, der notwendig ist, um ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Ein Geschädigter kann also nicht die Kosten für die Miete eines Wagens für die gesamte Dauer bis zur Auslieferung eines neu bestellten Fahrzeugs verlangen, wenn ein vergleichbares Ersatzfahrzeug schneller verfügbar wäre.

Dieses Urteil spiegelt das allgemeine Prinzip der Schadensminderungspflicht wider. Es wird erwartet, dass der Geschädigte angemessene Anstrengungen unternimmt, um den Schaden gering zu halten. In diesem Fall bedeutet das, dass der Geschädigte ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug in einem angemessenen Zeitraum beschaffen sollte, anstatt auf die Auslieferung eines Neufahrzeugs zu warten, was möglicherweise länger dauert und höhere Kosten verursacht.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

gegen

1. […]

– Beklagte –

2. […] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
[…]

Unterbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz […]

am 28.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 808,05 Euro zu zahlen nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz des BGB seit dem 01.02.2022.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 86 % und die Beklagten zu 14 %
zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 6.081,47 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in An-
spruch.

Am 17.05.2021 ereignete sich in Bautzen auf der August-Bebel-Straße in Höhe der Hausnummer 10 ein Verkehrsunfall unter Beteiligung des Pkw Peugot M der Klägerin und des Busses der Beklagten zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

Der Unfall wurde allein durch den Bus verursacht.

An dem Fahrzeug der Klägerin entstand Totalschaden. Die Klägerin beauftragte ein Schadensgutachten, welches am 25.05.2021 erstellt wurde […].

Am 27.05.2021 entschied sich die Klägerin, als Ersatzfahrzeug einen Neuwagen zu bestellen. Dieser wurde am 05.10.2021 an die Klägerin ausgeliefert. Für die Zeit bis zum 04.10.2021 mietete die Klägerin ein Ersatzfahrzeug an. Der Autovermieter berechnete ihr dafür 7.021,00 Euro brutto […]. Die Beklagten regulierten Mietwagenkosten im Umfang von 944,53 Euro. Den Differenzbetrag macht die Klägerin geltend.

Die Klägerin trägt vor, das Neufahrzeug habe ihr Verkäufer seinerseits bereits vor dem Unfalltage bestellt und es sei eine baldige Auslieferung zugesichert worden. Aufgrund von Lieferengpässen konnte jedoch das Neufahrzeug auch an ihren Verkäufer erst später ausgeliefert werden.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.081,47 €
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz p.a. seit dem 01.02.2022 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 160,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagten beantragen:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten tragen vor, dass ein Wiederbeschaffungszeitraum von 29 Tagen ausreichend gewesen wäre. Die erforderlichen und erstattungsfähigen Kosten für eine Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeuges für 29 Tage würde sich auf 944,53 Euro belaufen. Damit sei der erstattungsfähige Schaden reguliert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen und auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten nach dem Verkehrsunfall vom 17.05.2021 Anspruch auf Zahlung weiterer 808,02 Euro nebst Verzinsung (§§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG, § 115
VVG).

Im übrigen war die Klage abzuweisen.

Unstreitig haften die Beklagten für unfallbedingte Schäden der Klägerin zu 100 %.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten für die Dauer von 29 Tagen, und zwar in Höhe von 808,05 Euro.

Der Betrag des Schadenersatzes wird geschätzt (§ 287 ZPO).

Über den Zeitraum von 29 Tagen hinaus, den die Beklagten zugestanden haben, durfte die
Klägerin unfallbedingt einen Mietwagen nicht nehmen. Soweit sie darüber hinaus einen
Mietwagen genommen hat, sind die damit verbundenen Kosten nicht mehr unfallbedingt.

Der Zeitraum von 29 Tagen war ausreichend, um ein vergleichbares Ersatzfahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu finden. Zunächst durfte die Klägerin abwarten, bis ihr das
Schadensgutachten vom 25.05.2021 vorlag. Danach durfte sie überlegen, wie sie weiter
vorgehen will. Anschließend war von einer Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen
auszugehen. Dieser Aufwand kann aufgrund des Gutachtens geschätzt werden, das die
Klägerin eingeholt hat […]. Dort wird ein Wiederbeschaffungszeitraum von 14 Tagen
ausgewiesen.

Wenn sich der Geschädigte, wie vorliegend die Klägerin, dazu entschließt, ein Ersatzfahrzeug nicht auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu erwerben, sondern ein Neufahrzeug bestellt, so trägt er das Risiko, dass eine derartige Ersatzbeschaffung länger dauert, als die Ersatzbeschaffung auf dem Gebrauchtwagenmarkt selbst. Denn er hat – lediglich – Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wäre der Unfall nicht passiert. Wäre der Unfall nicht passiert, hätte die Klägerin ein Fahrzeug vom Typ Peugot M gehabt, mit einer Laufleistung von 42.272 km bei einer Erstzulassung vom 21.01.2019. Ein solches Fahrzeug wieder zu beschaffen, hätte etwa zwei Wochen gedauert (so die sachverständige Einschätzung […]).

Der erforderliche Aufwand für einen Mietwagen wird geschätzt – auf Grundlage der
Frauenhofer-Erhebung für 2021 – mit einem Aufschlag von 30 %.

Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 12.02.2024 aus der Frauenhofer-Tabelle zitierten
Daten sind zutreffend und unstreitig. Der Berechnung sind außerdem zutreffend die Daten
aus der Frauenhofer-Erhebung für 4 mal 7 Tage plus einen Tag zugrunde zu legen. Es ist
auch richtig, die Fahrzeugklasse VI zugrunde zu legen. Dies wird bestätigt durch das
Schadensgutachten […].
Für den Zeitraum von 29 Tagen ermittelt sich damit ein Aufwand für einen Mietwagen in Höhe von 1.752,58 Euro. Hiervon haben die Beklagten 944,53 Euro reguliert, sodass noch ein Schadensbetrag von 808,05 Euro offen bleibt.

Die unfallbedingten und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben die Beklagten bereits vollständig reguliert. Sie sind dabei zutreffend von einem Gegenstandswert bis 16.000,00 Euro ausgegangen. Die von der Klägerin geltend gemachte Differenz von 160,88 Euro beruht darauf, dass sie von einem Gegenstandswert für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten von 22.000,00 Euro ausgegangen ist.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 3
ff. ZPO.“

LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22

Keine Fristsetzung zur Schadensbeseitigung durch den Vermieter bei Substanzschäden an der Mietsache erforderlich

Nach dem Beschluss des Landgerichts Görlitz mit Außenkammern Bautzen vom 28. Februar 2024 (Az. 5 S 10/23), mit dem die Berufung der Mieterin gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 02.02.2023 (Az. 21 C 160/22) zurückgewiesen wurde, besteht bei Substanzschäden an einer Mietsache, die durch Verletzung der Obhutspflicht des Mieters entstanden sind, kein Erfordernis einer vorherigen Fristsetzung durch den Vermieter (so auch BGH, Urteil vom 27.06.2018 – XII ZR 79/17).

Aus den Entscheidungsgründen:

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]

– Beklagte, Widerklägerin und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

erlässt die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz […]

am 28.02.2024

nachfolgende Entscheidung:

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 02.02.2023, Az. 21 C 160/22 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
  3. Das in Ziff. 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Bautzen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
  4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.473,08 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 02.02.2023, Az. 21 C 160/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Die Berufung ist offensichtlich unbegründet. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Die Kammer hat die Parteien mit einstimmigen Beschluss vom 20.12.2023 insoweit bereits auf folgendes hingewiesen:

Die zulässig eingelegte und begründete Berufung verspricht nach übereinstimmender Auffassung der Kammer keine Aussicht auf Erfolg. Das Urteil ist frei von Rechtsfehlern. Der Sachvortrag der Berufung bietet keinen Ansatz für eine hiervon abweichende rechtliche Beurteilung.

Aus Sicht der Kammer hat das Amtsgericht im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei entschieden.

In dem auch vom Amtsgericht zitierten Urteil des BGH Az. XII ZR 79/17 vom 27.6.2018 hat der Bundesgerichtshof die Frage nach einer Fristsetzung auch bei Substanzschäden entschieden. Hier heißt es, dass Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung von Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, auch nach Beendigung des Mietverhältnisses nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung oder durch Geldzahlung vom Mieter zu ersetzen sind, ohne dass es einer vorherigen Fristsetzung des Vermieters bedarf. Für die Abgrenzung zwischen dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 281 Abs. 1 Satz 1, 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB kommt es nur darauf an, ob die Verletzung einer zur Anwendbarkeit der §§ 281 Abs. 1, 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB führenden Leistungspflicht oder die Verletzung einer in § 241 Abs. 2 BGB geregelten vertraglichen Nebenpflicht, bei
der sich die Anspruchsvoraussetzungen allein nach § 280 Abs. 1 BGB bestimmen, in Rede steht. Unerheblich ist dabei hingegen, ob der Schadensersatz vor oder nach Rückgabe der Mietsache geltend gemacht wird (BGH Urteil vom 28. Februar 2018 – VIII ZR 157/17 – NZM 2018, 320 Rn. 19). Im Falle eines Mietverhältnisses entstehen solche Schäden zwar an dem Mietgegenstand, sie beruhen aber auf einer Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs und sind damit außerhalb des mietrechtlichen Leistungsprogramms verursacht worden. Bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassene Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch nach Maßgabe von § 538 BGB entsprechenden Zustand zu halten, insbesondere die Räume aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen kann, handelt es sich um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB, deren Verletzung allein nach den in § 280 Abs. 1 BGB geregelten Voraussetzungen eine Schadensersatzpflicht begründet. Daher hat der Vermieter in solchen Fällen ein Wahlrecht zwischen der in § 280 Abs. 1 vorgesehenen Naturalrestitution und dem in Abs. 2 Satz 1 geregelten Zahlungsanspruch auf den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag.

Dies vorangestellt kommt es also darauf an, ob die hier behaupteten Schäden eine Substanzverletzung darstellen, welche über den ordnungsgemäßen Gebrauch hinausgehen. Dies bejaht die Kammer. Insbesondere die sehr anschaulich dargestellten Tapetenablösungen können einen vertragsgemäßen Gebrauch nicht mehr darstellen und es scheint auch lebensfremd, dass es sich hier um Materialermüdung handelt. Gleiches gilt im Ergebnis auch für die eindrucksvollen Kratzer auf dem Fußbodenbelag. Die Beklagte überspannt nach Auffassung der Kammer die Anforderung an die Feststellung des Schadens. Es muss nicht festgestellt werden, dass es sich um von der Katze verursachte Schäden handelt auch wenn dies mehr als wahrscheinlich ist. Fakt ist, dass die Tapete an einigen Stellen wie abgerissen aussieht, so dass die Mauer darunter zum Vorschein kommt. Dies stellt keinen vertragsgemäßen Gebrauch mehr dar.

Die erfolgte Schätzung des Schadens ist aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden.

Die Parteien haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, eine solche jedoch nicht abgegeben.

Aus den oben aufgeführten Gründen war die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gegründet auf § 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß §§ 47 GKG, 3 ZPO festgesetzt.“

LG Görlitz Außenkammern Bautzen, Beschluss vom 28. Februar 2024 – 5 S 10/23

Begrenzung der Reisekosten eines von einem Versicherungsunternehmen beauftragten Rechtsanwalts

Durch das Amtsgericht Pirna wurde im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.2.2024 (Az. 12 C 625/21) entschieden, dass die Reisekosten eines von einem Versicherungsunternehmen beauftragten Rechtsanwalts, der seinen Sitz weder am Gerichtsorts noch am Sitz des Versicherungsnehmer hat, entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur Für die längste Fahrtstrecke innerhalb des Gerichtsbezirks von der unterliegenden Partei erstattet erhalten kann.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Es wurden Einwendungen gegen die Reisekosten des Beklagtenvertreters erhoben, die über die Bezirksgrenze des Amtsgerichts Pirna hinaus gehend beantragt wurden. Auf die Schriftsätze der Klagepartei vom 15.11.2023 und 24.11.2023, welche der Beklagtenpartei zum rechtlichen Gehör übersandt wurden, wird insoweit Bezug genommen. […]

Bezüglich der beantragten Reisekosten ist festzustellen, dass bei einem am dritten Ort ansässigen Anwalt, Reisekosten nur insoweit zu erstatten sind, als die Reisekosten auch bei einem am Sitz der Partei ansässigen Anwalt angefallen wären (vgl. BGH, NJW 2011, 3520).
Zur Beurteilung dessen ist jedoch vorerst eine Notwendigkeitsprüfung durchzuführen. Gemäß ständiger Rechtsprechung gilt die Zuziehung eines in der Nähe des eigenen Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig (vgl. BGH, NJW 2003, 898).
Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen jedoch, insofern bereits bei Auftragserteilung feststeht, dass für die Prozessführung persönliche Mandantengespräche nicht erforderlich sein werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es sich bei der Partei um ein Unternehmen handelt welches über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, sodass eine fernmündliche oder schriftliche Kommunikation möglich und ausreichend wäre. Da es sich bei der Beklagten um eine Versicherungsgesellschaft handelt, ist davon auszugehen, dass eine eigene Rechtsabteilung besteht. Insbesondere in Zeiten von Fernkommunikationsmitteln ist somit zu erwarten, dass für die Partei keine Notwendigkeit bestand, einen Anwalt an Ihrem Sitz zu beauftragen. Für den Fall, dass die Notwendigkeit wie vorliegend verneint wird, entfällt die Erstattungsfähigkeit zwar nicht komplett, jedoch ist nun eine Begrenzung der Reisekosten auf die Distanz des am weitesten vom Gericht entferntesten Ortes innerhalb des Gerichtsbezirks vorzunehmen. […]“

AG Pirna, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.2.2024 – 12 C 625/21

Angemessenheit der Sachverständigenkosten gemäß BVSK-Honorarbefragung und Honorartabelle der HUK-Coburg bei Schadengutachten nach Verkehrsunfällen

Das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 21. Februar 2024 (23 C 518/23) betrifft die Erstattung von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Im Kern ging es darum, ob die geltend gemachten Kosten für ein Schadengutachten nach einem Verkehrsunfall angemessen und erstattungsfähig sind. Das Gericht bestätigte, dass die Kosten angemessen waren, da sie sich im Rahmen der Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg bewegten. Es wurde entschieden, dass die beklagte Versicherung den restlichen Betrag der Sachverständigenkosten zu zahlen hat.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Vergütungsforderung

hat das Amtsgericht Bautzen […] im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO am 21.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt , an den Kläger 317,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinsssatz hieraus seit dem 22.10.2023 zu zahlen
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 317,46 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 05.09.2023 in Schirgiswalde zugetragen hat. Die 100 %- ige Einstandspflicht der Beklagten für alle unfallbedingten Schäden ist unstreitig.

Gegenstand dieses Rechtsstreits sind allein restliche Sachverständigenkosten in Höhe der
Klageforderung.

In einer Vereinbarung des Geschädigten mit dem Kläger vom 06.09.2023 […] ist –
auszugsweise – geregelt

„Aus Anlass des oben beschriebenen Schadenfalles beauftrage ich das
oben genannte Kfz-Sachverständigenbüro, ein Gutachten zur Schadenhöhe
zu erstellen. Das Sachverständigenbüro berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Schadenhöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der
HUK-Coburg einschließlich Nebenkosten

Das Kfz-Sachverständigenbüro ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offen zu legen und den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu
machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Kfz-Sachverständigenbüros aus dem Sachverständigenvertrag gegen mich nicht berührt.
Es kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet . Eine Inanspruchnahme meinerseits erfolgt nur Zug-um-Zug gegen Rückabtretung der noch offenen Forderung.“

Der Geschädigte beauftragte den Kläger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Dieser fertigte das Gutachten am 13.09.2023 […] und stellte dem Geschädigten hierfür
833,24 € brutto in Rechnung. Die Rechnung beinhaltet folgende Abrechnungspositionen :

Pos Beschreibung / Einzelpreis Gesamtpreis

1. KfZ-Schadensgutachten 1 625,00 € 625,00 €
-Datenerfassung
– Fahrzeugbeschädigungen aufnehmen
– Altschäden fotografieren u. dokumentieren
– Festlegung wirtschaftlichster Reparaturweg
– Erstellung Schadenskalkulation
– Ermittlung Wiederbeschaffungswert

2. Lichtbilder 10 Stück 2,00 € 20,00 €
3. Fahrtkosten 6 Km 0,70 € 4,20 €
4. Schreibkosten (pauschal) 1 21,00 € 21,00 €
5. Porto & Telefon ( pauschal) 1 9,00 € 9,00 €
6. Restwertermittlung 1 pauschal 21,00 € 21,00 €
Gesamtbetrag ohne MwSt. 700,20 €
19 % MwSt 133,04 €
Gesamtbetrag incl. MwSt 833,24 €

Die Beklagte zahlte hierauf bislang 515,78 € .

Der Kläger geht davon aus , dass die abgerechnete Vergütung angemessen , orts- und marktüblich ist , da sowohl von dem Honorartableau der HUK -Coburg ( = 846,09 € ) sowie den Ergebnissen der Honorarbefragung 2020 des BVSK ( Korridor 710,50 € – 780,50 € zzgl. MwSt ) als maßgeblichen Orientierungshilfen gedeckt .

Der Kläger beantragt
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 317,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 22.10.2023 zu zahlen.

Die Beklagte stellt den Antrag ,
die Klage abzuweisen

Die Aktivlegitimation wird bestritten: Die Abtretungsvereinbarung sei unwirksam , da gegen das Transparenzgebot verstoßend. Im übrigen seien alle berechtigten Ansprüche mit der vorprozessualen Zahlung abgegolten , der darüberhinausgehende Betrag sei nicht erforderlich iSd. § 249 BGB , wie sich aus dem eigenen Prüfbericht ergebe […] . Das Grundhonorar sei nach tatsächlich angefallenem Zeitaufwand zu ermitteln, wie es z.B. die DEKRA mache, vgl. auch die Stellungnahme der Firma Logicheck […]; hinsichtlich der Nebenkosten sei eine Orientierung am JVEG vorzuziehen. Schreibkosten und Restwertermittlung seien durch das Grundhonorar mit abgedeckt , die Schreibkosten im übrigen übersetzt.

Zum Sach- und Streitstand wird im übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen .

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der restlichen Kosten des
Sachverständigengutachtens in Höhe von weiteren 317,46 € aus den §§ 7 , 18 StVG , 398 ,
249 S,2 BGB iVm. § 287 ZPO zu.

1. Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich aus der vom Geschädigten am 06.09.2023 unterschriebenen Abtretungserklärung […]. Anders als die Beklagte meint, verstößt die zur Abtretung getroffenen Regelungen nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 (1) S.2 BGB. Insbesondere ist diese hinreichend bestimmt: Sie enthält Name und Anschrift des Geschädigten und des Unfallgegners, die Kennzeichennummern des Unfallgegners und die namentliche Nennung der Beklagten als Krafthaftpflichtversicherung mit Versicherungs- und Schadensnummer. Inhaltlich ist klar und an sich unmissverständlich geregelt, dass das
Sachverständigenbüro berechtigt ist , den abgetretenen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen sowie, unter welchen Voraussetzungen der Geschädigte gleichwohl in Anspruch genommen werden kann . Das Gericht teilt im übrigen die Auffassung des Klägervertreters, dass die von der Beklagtenseite zitierten Entscheidungen nicht einschlägig sind.

2. Ob der Herstellungsaufwand erforderlich iSd. § 249 (2) S.1 BGB ist, bemisst sich nach der gängigen Rechtsprechung zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung danach, ob im Rahmen einer Plausibilitätsbetrachtung das vereinbarte Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist und wenn ja , diese deutliche Überhöhung für den geschädigten Laien erkennbar ist / sein musste .

Ausgangspunkt für den erforderlichen Herstellungsaufwand ist vorliegend die Honorarvereinbarung, die hierzu korrespondierende, vom Zedenten nicht beglichene Rechnung als auch der Parteivortrag, § 287 ZPO .

Die Parteien haben eine Honorarvereinbarung dahin geschlossen , dass das Sachverständigenbüro sein Honorar in Anlehnung an die Schadenshöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg zzgl. der erforderlichen Nebenkosten abrechnet […].

Das abgerechnete Grundhonorar i.H.v. 743,75 € brutto bewegt sich sowohl im Korridor der Honorartabelle des BVSK wie auch dem Honorartableau der HUK Coburg, mithin mehrerer im Rahmen des § 287 ZPO von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannter Orientierungswerte und Maßstäbe : Auch das hiesige Gericht orientiert sich hieran. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die abgerechnete Vergütung aus Sicht des erkennenden Gerichts keine Bedenken, bereits eine deutliche Überhöhung liegt damit nicht vor. Selbst wenn man dies anders sähe: es fehlt an Vortrag, weshalb das abgerechnete Honorar dem Geschädigten als objektiv deutlich überhöht dem Geschädigten hätte subjektiv erkennbar sein müssen.

Für das erkennende Gericht besteht kein Anlass , bei der Prüfung der Höhe der Gutachterkosten im Rahmen des § 287 ZPO von diesen zulässigen und anerkannten Schätzgrundlagen abzuweichen: Ob eine andere Berechnungsgrundlage, z.B. nach Zeitaufwand, auch möglich oder sogar vorzuziehen sein könnte, kann auch deshalb dahinstehen, als die Erkennbarkeit einer objektiv deutlichen Überhöhung – die hier nicht vorliegt – auf subjektiver Ebene bei dem Geschädigten, der in der Regel abrechnungstechnischer Laie ist, allenfalls bei einem krassen, sich geradezu aufdrängenden Missverhältnis angenommen werden könnte.

3. Dem Kläger steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der abgerechneten Nebenkosten zu .

Auch hinsichtlich der beanstandeten Nebenkosten steht einem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz insoweit zu, soweit sie objektiv nicht deutlich überhöht sind und dies für den Geschädigten subjektiv erkennbar waren. Hierzu ist nach der höchstrichterlichen Rspr. eine Orientierung auch anhand der Vorgaben des JVEG im Rahmen des § 287 ZPO anerkannt ( BGH vom 26.04.2016 , VI ZR 50/15 ). Deshalb orientiert sich auch das erkennende Gericht hieran: Die abgerechneten Nebenkosten entsprechen im Ergebnis den insoweit aus Sicht eines durchschnittlichen Unfallbeteiligten erwartbaren Sätzen . Danach ergibt sich folgendes :

a) Die Position Schreibkosten (pauschal) ist iHv. 21,00 € zzgl. MwSt. zu erstatten: Das Gutachten umfasst (ohne Lichtbilder) 12 Seiten. Bei Schreibkosten iHv 1,80 € / Seite (vgl. LG Bremen Urteil vom 02.09.2016 , 3 S 289/15) ist die Höhe der Pauschale im Ergebnis von § 12 (1) S. 2 Nr. 3 JVEG gedeckt.

b) Ebenfalls zu erstatten sind die Kosten der Restwertermittlung iHv 21,00 € zzgl. MwSt : Das Gericht teilt nicht die Rechtsauffassung der Beklagten, dass diese Kosten vom Grundhonorar mit abgedeckt sind . Der Umfang einer Restwertermittlung ist stark abhängig vom jeweiligen Einzelfall und geht über die allgemeine Feststellung eines Fahrzeugschadens hinaus . Abgesehen davon ist für einen Geschädigten nicht erkennbar , dass Restwertermittlungskosten in einem Grundhonorar enthalten sein könnten.

II.

Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus den §§ 280 , 286 , 288 BGB

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 11 , 711 , 713 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23

Rechtsprechung zum Werkstattrisiko: BGH stärkt Rechte der Unfallgeschädigten

In einer Reihe von Entscheidungen zum sogenannten Werkstattrisiko hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Unfallverursacher grundsätzlich die gesamte Werkstattrechnung nach einem Verkehrsunfall erstatten müssen, auch wenn diese möglicherweise überhöht ist. Der BGH führte hierzu aus, dass der Geschädigte, der in der Regel kein Fachwissen hat, um den Schaden und die dafür anfallenden Kosten zu beurteilen, die gesamten Reparaturkosten von der Versicherung des Unfallverursachers erstattet bekommen kann. Dies gilt selbst dann, wenn Teile der Reparatur möglicherweise nicht durchgeführt wurden, aber auf der Rechnung stehen.

Insoweit verbleibt der Versicherung des Unfallverursachers die Möglichkeit selbst von der Reparaturwerkstatt die Kosten für überhöhte oder nicht erforderliche oder erfolgte Reparaturmaßnahmen zurückzufordern.

Allerdings soll dies nicht zu einer Bereicherung des Geschädigten führen. Daher darf er, falls er die Rechnung noch nicht bezahlt hat, nur Zahlung direkt an die Werkstatt, nicht aber an sich selbst verlangen.

  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 38/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 239/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 253/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 266/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 51/23

Nichtberücksichtigung streitiger Anrechnungen im Kostenfestsetzungsverfahren

Nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22) sind streitige Einwendungen zur Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in einem Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Der Festsetzung liegt der Antrag vom 27.07.2023 zugrunde.

Zu dem Antrag wurde der Gegenseite rechtliches Gehör gewährt. Es wurde eingewendet, dass im Antrag die Anrechnung der Geschäftsgebühr durch den Kläger unterblieb. Es wurde vorgetragen, dass durch die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 453,87 EUR auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten geleistet wurde.

Gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG ist eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr des Teils 2 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens zur Hälfte anzurechnen. Gemäß § 15a Abs. 3 RVG kann sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung der Grundgebühr berufen, unter anderem wenn dieser eine der Gebühren beglichen hat.

Zu beachten ist hier, dass es sich bei dem Gegenstand, der dem Gegenstandswert für die
Geschäftsgebühr zugrunde gelegt wird und dem Gegenstand für das gerichtliche Verfahren um verschiedene Gegenstände handelt. Die Geschäftsgebühr ist aus einem Gegenstandswert in Höhe von 6.364,27 EUR entstanden – es ergibt sich damit eine Geschäftsgebühr in Höhe von 579,80 EUR. Der Gegenstandswert für das gerichtliche Verfahren beläuft sich lediglich auf 3.182,12 EUR.

Die Beklagte trägt im Schreiben vom 27.09.2023 vor, dass sie die Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert in Höhe von 3.182,12 EUR gezahlt hat. Tatsächlich ist die Gebühr jedoch aus einem Wert in Höhe von 6.364,23 EUR entstanden. Daraus geht hervor, dass die Zahlung auf einen anderen Gegenstand geleistet wurde. Eine Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG erfolgt dann nicht.

Weiterhin bestehen offensichtlich Streitigkeiten über den Gegenstand der Zahlung und ob die Zahlung auf die geringere Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert des gerichtlichen Verfahrens auf die Verfahrensgebühr erfolgen kann.

Ist streitig und nicht ohne weiteres feststellbar, ob die Verfahrensgebühr wegen der Bezahlung der Geschäftsgebühr zu reduzieren ist, so handelt es sich um eine in der Kostenfestsetzung nicht zu berücksichtigenden materiell-rechtliche Einwendung (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG § 15a Rn. 23).

Damit wurde der Einwand der Beklagten nicht berücksichtigt. Die geltend gemachten Gebühren und Auslagen sind entstanden und daher antragsgemäß festzusetzen.“

AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22

Angemessenheit der Sachverständigenkosten gemäß BVSK-Honorarbefragung bei Schadengutachten nach Verkehrsunfällen

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Görlitz (AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23) ist die Höhe der erforderlichen Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, wobei für die Höhe der angemessenen Vergütung inklusive der Nebenkosten die BVSK-Honorarbefragung einen üblicher Maßstab darstellt.

Das Gericht stellte fest, dass das vom Kläger geforderte Honorar zuzüglich Nebenkosten für das Schadengutachten im Rahmen der üblichen Vergütungen liegt. Diese Feststellung erfolgt unter Berücksichtigung der Ergebnisse der BVSK-Honorarbefragung. Gemäß § 287 Abs. 1 ZPO wird der Schadensersatzanspruch entsprechend geschätzt.

Durch das Gericht wird hervorgehoben, dass es sachgerecht ist, das Honorar primär an der Höhe des entstandenen Schadens auszurichten. Eine Berechnung des Honorars basierend auf dem Zeitaufwand wird als nicht erforderlich erachtet. Zudem wird angeführt, dass eine solche Berechnung nach Zeitaufwand keine angemessenere Honorarbemessung ermöglichen würde, da der tatsächliche Stundenaufwand oft wenig transparent und sehr individuell variieren kann.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Görlitz […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 13.11.2023

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 130,97 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2023 zu zahlen. […]
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 130,97 EUR festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist bis auf einen Teil der Nebenforderungen begründet.

Der Kläger hat aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf eine noch offene Restforderung in Höhe von 130,97 EUR für die Kosten seines Gutachtens, als Teil des abgetretenen Schadensersatzanspruchs der Geschädigten, Frau Reinsch, für den beim Verkehrsunfall am 03.05.2022 in Görlitz entstandenen Schaden, für den die Beklagte unstreitig haftet.

Nachdem die ursprüngliche Abtretung noch wegen unwirksamer Klausel angegriffen worden war, ist die Beklagte der Wirksamkeit der neuen Abtretung nicht mehr entgegengetreten.

Soweit die Beklagte die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenrechnung angreift, dringt sie damit nicht durch. Das vom Kläger geltend gemachte Honorar nebst Nebenkosten bewegt sich bei der hier vorliegenden Schadenshöhe im Bereich üblicher Vergütungen unter Berücksichtigung der BVSK-Befragung, so dass die Höhe des Schadensersatzanspruchs gemäß § 287 Abs.1 ZPO entsprechend geschätzt werden kann. Es ist sachgerecht und nicht zu bestanden, dass sich das Honorar dabei insbesondere nach der Schadenshöhe orientiert. Eine Orientierung am Zeitaufwand ist demgegenüber nicht erforderlich und ermöglicht auch keine angemessenere Honorarberechnung, da der Stundenaufwand – wenig transparent – auch sehr individuell anfallen kann. […]“

AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23

Differenzierung zwischen echtem und unechtem Nachzügler bei einem Verkehrsunfall auf einer Kreuzung

In den Entscheidungsgründen des Urteils des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2023 – 21 C 279/22) wird der Begriff des „echten Nachzüglers“ und des „unechten Nachzüglers“ im Kontext eines Kreuzungsbereichs erläutert. Diese Begriffe sind relevant für die Frage, welche Verkehrsteilnehmer in einer Kreuzung Vorrang haben, insbesondere wenn die Lichtzeichenanlage (Ampel) ihre Phase wechselt.

Ein echter Nachzügler ist ein Fahrer, der sich bereits im eigentlichen Kreuzungskern befindet, wenn der Querverkehr durch die Lichtzeichenanlage freie Fahrt erhält. In solchen Fällen wäre der Verkehrsfluss erheblich gestört, wenn dem echten Nachzügler nicht gestattet würde, den Kreuzungsbereich vorrangig zu räumen. Der echte Nachzügler hat also das Recht, den Kreuzungsbereich vor dem Querverkehr zu verlassen.

Im Gegensatz dazu ist ein unechter Nachzügler ein Fahrer, der sich außerhalb des eigentlichen Kreuzungskerns befindet, wenn der Querverkehr grünes Licht erhält. In diesem Fall hat der unechte Nachzügler keine Vorfahrt und ist gegenüber dem Querverkehr wartepflichtig.

Der Unterschied liegt also primär in der Position des Fahrzeugs im Moment des Phasenwechsels der Ampel. Ein echter Nachzügler, der sich bereits im Kreuzungskern befindet, hat das Recht, die Kreuzung vor dem Querverkehr zu räumen. Ein unechter Nachzügler hingegen, der sich außerhalb des Kreuzungskerns befindet, muss dem Querverkehr Vorrang gewähren.

Diese Unterscheidung ist von erheblicher Bedeutung für die Haftungsfrage im Falle eines Unfalls. In der vorliegenden Entscheidung konnte die Klägerin nicht nachweisen, dass sie ein echter Nachzügler war, und hat daher ihre Vorfahrtsrechte verwirkt, was zu einer weit überwiegenden Haftung für den Unfall führte.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

gegen

1. […]

– Beklagte –

2. […] versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 28.09.2023 eingereicht werden konnten, am 19.10.2023

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 4.807,19 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 11.03.2022 gegen 11:25 Uhr in Bautzen, Kreuzung Zeppelinstraße/ Wilthener Straße geltend.

Unfallbeteiligt waren der PKW-Kia Ceed […] und der PKW-Fiat Panda […]. Die Klägerin, welche ein Hauskrankenpflege betreibt, war zum Unfallzeitpunkt Halterin und Eigentümerin des PKW-Fiat, der von der Zeugin H[…] gefahren wurde. Die Beklagte zu 1) war Fahrerin des PKW-Kia, welcher bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

Die Zeugin H[…] befuhr zum Unfallzeltpunkt mit dem klägerischen Fahrzeug die Wilthener Straße in stadtauswärtiger Fahrtrichtung. An der Kreuzung wollte sie nach links in die Zeppelinstraße abbiegen. Die Beklagte zu 1) befuhr mit dem Beklagtenfahrzeug die Siemensstraße in Fahrtrichtung Zeppelinstraße und musste zunächst an der dortigen roten Ampel halten. Bei Grünlicht fuhr sie in den Kreuzungsbereich ein, wo es zur Kollision und Beschädigung beider Fahrzeuge kam.

Die Beklagte zu 2 hat die Schäden der Klägerin zu 1/3 ausgehend von einer Verursachungsquote von 2/3 zu Lasten der Klägerin ausgeglichen. Den restlichen Schaden macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend.

Sie behauptet, die Zeugin H[…] sie bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren, habe aber dort verkehrsbedingt anhalten müssen, um dem Gegenverkehr den Vorrang einzuräumen. Die Beklagte zu 1 sei ebenfalls bei Grünlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren, aber ohne auf die sich noch im Kreuzungsbereich befindliche Zeugin H[…] zu achten, wodurch es zur Kollision gekommen sei.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 4.807,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 12.05.2022 zu zahlen;
sowie die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 439,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 12.05.2022 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Zeugin H[…] sei der Beklagten schon an der Ampel aufgefallen, weil sie ohne ersichtlichen Grund zum Teil innerhalb der Fußgängerfurt auf der Fahrspur der Klägerin gestanden hätte. Weitere Fahrzeuge hätten nicht davor gestanden. Während die Beklagte zu 1 bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren sei, sei die Zeugin H[…] bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren, wodurch es zum Unfall gekommen sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H[…], L[…] und G[…] sowie durch Einholung eines schriftlichen verkehrsanalytischen Sachverständigengutachtens […]. […]

Das Gericht hat im Einverständnis mit den Parteien gemäß des Beschlusses vom 05.09.2023 […] im schriftlichen Verfahren […] entschieden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 7, 18 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 VVG oder einer anderen Anspruchsgrundlage.

1.
Die grundsätzliche Haftung der Parteien hinsichtlich des Verkehrsunfalls ergibt sich für die Klägerin aus der Halterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG, für die Beklagte zu 1) aus der Fahrerhaftung gem. §§ 18, 7 StVG und für die Beklagte zu 2) aus § 115 VVG. Der Unfall ereignete sich beim Betrieb der Fahrzeuge.

2.
Der Unfall stellte für beide Beteiligten kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. StVG dar. Unabwendbar gemäß § 17 Abs. 3 StVG ist nur ein Ereignis, das auch durch äußerste Sorgfalt – nämlich durch ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den persönlichen Maßstab hinaus – nicht abgewendet werden kann (vgl. BGH NZV 2005, 305). Dies erfordert die Berücksichtigung aller möglichen Gefahrmomente einschließlich erheblicher fremder Fehler (vgl. OLG Gelle Urteil vom 28.03.2012 – 14 U 156/11). Weder die Zeugin H[…] als Fahrerin des Klägerfahrzeuges, noch die Beklagte zu 1 als Fahrerin des Beklagtenfahrzeuges haben sich vorliegend wie ein sog. „Idealfahrer“ verhalten. Sie hätten nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Schneider, denen sich das Gericht nach Inaugenscheinnahme der Lichtbilder von der Unfallkreuzung anschließt, das jeweils andere Fahrzeug vor der Kollision sehen können und hätten vorausschauend handeln müssen.

3.
Steht somit die grundsätzliche Haftung der Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit ein Umstand allgemein geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art herbeizuführen. Neben der Verursachung ist auch der Grad eines etwaigen Verschuldens eines Beteiligten beider Schadensverteilung zu berücksichtigen. Bei der Abwägung der für den Unfall ursächlichen Umstände können nur die zugestandenen oder nachgewiesenen Tatsachen berücksichtigt werden (vgl. BGH Urteil vom 27.06.2000 – VI ZR 126/99 m.w.N.). Nimmt der Verursachungsanteil oder das Verschulden einer Partei ein derart hohes Maß an, dass dahinter die Mitursächlichkeit der anderen Partei nicht Ins Gewicht fällt, so hat diese den Schaden alleine zu tragen.
Andernfalls ist die Haftung im Rahmen einer umfassenden Abwägung anhand der jeweiligen Beiträge nach § 17 Abs. 1, 2 StVG aufzuteilen.

4.
Die vorzunehmende Abwägung ergibt vorliegend, dass die Klägerin keinen weiteren Schadenersatz verlangen kann. Dies begründet sich damit, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die Klägerin den streitgegenständlichen Verkehrsunfall in schuldhafter Weise zumindest weit überwiegend selbst verursacht hat.

Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist und alle vernünftigen Zweifel ausgeräumt sind.

Der Klägerin ist der Nachweis, dass die Fahrerin ihres Autos als sog. echte Nachzüglerin den Kreuzungsbereich vorrangig vor dem Querverkehr und damit auch vor dem Beklagtenfahrzeug verlassen durfte, nicht gelungen. Als sog. echte Nachzügler werden diejenigen Fahrer bezeichnet, die sich bereits im eigentlichen Kreuzungskern befinden, wenn der Querverkehr durch die Lichtzeichenanlage freie Fahrt erhält, und die dort im Kreuzungsbereich in aller Regel den Verkehrsfluss erheblich stören würden, wenn ihnen nicht gestattet würde, den Kreuzungsbereich vorrangig zu räumen (BGH Urteil vom 11.05.1971 -VI ZR 11/70; OLG Koblenz Urteil vom 08.09.1997 – 12 U 1355/96; OLG Hamm Urteil vom 26.08.2016 – 1-7 U 22/16). Unter dem Begriff des Kreuzungskerns ist die von den Fluchtlinien der Fahrbahnränder eingegrenzte Fläche zu verstehen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. 2016, § 11 StVO Rn. 2).

Als außerhalb des Kreuzungskerns befindliche sog. unechte Nachzüglerin war die Fahrerin des Klägerfahrzeugs gegenüber dem Querverkehr und damit auch gegenüber der Beklagten zu 1 wartepflichtig. Sie musste auch bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt damit rechnen, dass die Lichtzeichenanlage für den Querverkehr zwischenzeitlich auf Grünlicht geschaltet hat (vgl. OLG Düsseldorf NVZ 1997,481; OLG Hamm Urteil vom 26.08.2016 – i-7 U 22/16 jeweils m. w. N.). Insoweit ist der [Fahrerin des Klägerfahrzeugs] ein schuldhafter Verstoß gegen die ihr gem. gemäß § 1 Abs. 2 StVO obliegende Sorgfaltspflicht vorzuwerfen, da sie dennoch in die Kreuzung einfuhr und ihre Wartepflicht missachtete.

Der Sachverständige hat in seinem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten, dem das Gericht nach eigener Prüfung vollumfänglich folgt, ausgeführt, dass die Behauptung der Klägerseite, die Zeugin H[…] habe zum Unfallzeitpunkt gestanden, technisch nicht nachvollziehbar ist und sich der von der Zeugin H[…] in der mündlichen Verhandlung geschilderte Kollisionsposition nicht mit den örtlichen Gegebenheiten in Einklang bringen lässt, hingegen aber die Darstellung der Beklagten, sie sei bei grün eingefahren, während die Zeugin H[…] bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren sei und gegen die hintere Fahrzeugseite des Beklagtenautos unter verschiedenen Szenarien technisch darstellbar ist.

Soweit die Beklagte zu 1) im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung sowie die Zeugin L[…] als Beifahrerin im Beklagtenfahrzeug im Rahmen ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 24.11,2022 angegeben haben, die Beklagte zu 1 sei bei grün in den Kreuzungsbereich eingefahren, ist das Gericht aufgrund der übereinstimmenden Angaben aller Seiten davon überzeugt. Auch hält es das Gericht aufgrund der Plausibiltätsbetrachtung des Sachverständigen für sehr wahrscheinlich, dass die Zeugin H[…] noch nicht in den Kreuzungskernbereich eingefahren war, als die Ampel für die Beklagte zu 1 auf grün schaltete. Wo genau und warum die Zeugin gehalten hatte, war nicht aufzuklären und kann für die Entscheidung letztlich offen bleiben, weil – wie zuvor beschrieben – die Klägerin jedenfalls den Nachweis, dass die Zeugin H[…] in der Kreuzung gestanden hatte und vor der Beklagten zu 1 vorrangige Kreuzungsräumerin gewesen war, nicht führen konnte. Die gegenteilige Aussage der Zeugin H[…] war technisch, wie vom Sachverständigen anhand der feststehenden Rahmenbedingungen nachvollziehbar dargestellt, technisch nicht plausibel.

Der Zeuge G[…] kam als Polizeibeamter erst nach dem Unfall, als die Unfallfahrzeuge bereits die Kreuzung geräumt hatten, zum Unfallort und konnte daher aus eigener Wahrnehmung zum Unfallhergang nichts sagen. Dennoch konnten seine Beschreibungen als Polizeibeamter dem Sachverständigen Anhaltspunkte liefern.

Die Zeugin H[…] musste angesichts der gegebenen Umstände bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt als sie in den Kreuzungskern fuhr, auch damit rechnen, dass die Schaltung der Lichtzeichenanlagen bereits gewechselt hatte und der Querverkehr Grünlicht bekommen hatte. Sie hätte zudem nach den Ausführungen des Sachverständigen, die das Gericht anhand der mit den Parteien in Augenschein genommenen Lichtbilder aus der beigezogenen Ermittlungsakte das in den Kreuzungsbereich einfahrende Fahrzeug der Beklagten zu 1 sehen können, wie eben auch die Beklagte zu 1 das von der Zeugin H[…] geführte Fahrzeug hätte sehen können, dass ihr zunächst nach ihrer eigenen Angabe aufgrund der ungewöhnlichen Haltepostion im Fußgängerbereich der Kreuzung aufgefallen war. Der Zeugin H[…] fällt daher ein Verstoß gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 StVO zur Last. Der Beklagten zu 1 ist dagegen kein Verstoß gegen § 11 Abs. 3 StVO, wohl aber ein leichter Verstoß gegen § 1 Abs.2 StVO anzulasten. Es lässt sich auch nicht erkennen, dass die Beklagte zu 1 trotz erkennbaren Vorfahrtverstoßes der Zeugin H[…] sich ihren Vorrang hatte erzwingen wollen.

Vielmehr durfte sie darauf vertrauen, dass sich die Zeugin H[…] verkehrsgerecht verhalten und bis zur nächsten Grünphase stehen bleiben würde. Allerdings wäre es ihr bei gehöriger Aufmerksamkeit möglich gewesen das klägerische Fahrzeug vor dem Zusammenstoß zu erkennen und, wenn auch vielleicht nicht den Unfall zu vermeiden, so aber dessen Folgen zu mindern.

7.
Bei Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge gemäß §§ 17 Abs. 1, 2 StVG ergibt sich vorliegend keine Haftung der Beklagten, die eine Quote von 1/3, nach der der Unfallschaden der Klägerin bereits reguliert ist, übersteigen würde.

Auf Seiten der Beklagten war lediglich die Betriebsgefahr, eventuell um einen leichten Verstoß gegen die allgemeine Rücksichtnahmepflicht aus § 1 Abs.2 StVO ihres Fahrzeuges erhöht, zu berücksichtigen. Dem steht der schuldhafte Verkehrsverstoß der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs gegen §§ 37, 1 Abs. 2 StVO gegenüber.

Die Beklagte zu 1 durfte darauf vertrauen, dass sie gefahrlos bei grüner Lichtzeichenanlage die Kreuzung passieren kann und auch die Fahrerin des Klägerfahrzeugs das Vorrecht des Querverkehrs infolge des zwischenzeitlichen Phasenwechsels beachten wird. Nach dem sog. Vertrauensgrundsatz darf ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich andere Verkehrsteilnehmer verkehrsgerecht verhalten, solange er sich selbst derart verhält. So muss ein Kraftfahrer, für den durch grünes Licht der Verkehr freigegeben ist gem. § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 StVO, grundsätzlich nicht damit rechnen, dass andere Fahrzeuge unerlaubter Weise von der Seite her in die Kreuzung einfahren (BGH Urteil vom 11.05.1971 -VI ZR 11/70). Er darf sich in der Regel vielmehr darauf verlassen, dass er bei Grünlicht gegen seitlichen Verkehr abgeschirmt ist (vgl. OLG Düsseldorf NVZ 1997, 481).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2023 – 21 C 279/22

Sachverständigenkosten für die Erstellung eines Schadengutachtens nach einem Verkehrsunfall im Sinne der BVSK-Honorarbefragung sind angemessen

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Pirna (AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23) ist die Höhe der erforderlichen Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, soweit der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen nicht vollständig beglichen ist.

Das Urteil behandelt die Frage der Erstattungsfähigkeit von Gutachterkosten nach einem Verkehrsunfall, bei dem die Haftung der Beklagten grundsätzlich feststeht. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Gutachterkosten gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB. Da die Rechnung für das Gutachten vom Kläger nicht (vollständig) bezahlt wurde, prüft das Gericht die Angemessenheit der Kosten nach § 287 ZPO. Es orientiert sich dabei an der BVSK-Honorarbefragung, die vom Bundesgerichtshof als zulässige Schätzgrundlage anerkannt wurde. Die Beklagte hatte argumentiert, dass die BVSK-Honorarbefragung nicht geeignet sei, die Angemessenheit der Kosten zu überprüfen, was das Gericht jedoch zurückweist. Das Gericht stellte zudem fest, dass auch die Nebenkosten erstattungsfähig sind. Es orientiert sich dabei ebenfalls an der BVSK-Honorarbefragung. Die Beklagte hatte die Erstattungsfähigkeit der Nebenkosten in Frage gestellt. Schlussendlich hat die Beklagte auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 255 BGB. Eine analoge Anwendung dieses Paragraphen scheidet aus, da die Sachverständigenkosten nicht dem sogenannten Werkstattrisiko unterliegen, das bei Reparaturkosten relevant wäre.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]
Inhaber des Kfz-Sachverständigenbüros […]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Pirna […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 01.09.2023

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 257,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 25.5.2023 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 257,58 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe

I.

Die Parteien streiten um weitere Schadensersatzansprüche – konkret: Gutachterkosten – nach einem Verkehrsunfall und bei dem Grunde nach unstreitiger Haftung der Beklagten.
Die zulässige Klage ist begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von restlichen Gutachterkosten in Höhe von EUR 257,58 gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB.

a) Die – abgesehen vom Stichwort „hinreichende Bestimmbarkeit“ nicht näher begründeten – Zweifel der Beklagten an der Aktivlegitimation des Klägers vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Die […] vorliegende Abtretungserklärung ist hinreichend bestimmt, da die anzutretende Forderung – nämlich der Schadensersatzanspruch aus dem Unfallereignis, soweit er auch Ersatz der Kosten des Gutachtens gerichtet ist – ohne weiteres identifizierbar ist.

b) Die nach § 249 Abs. 1 BGB geschuldete Wiederherstellung des ohne das Schadensereignis bestehenden Zustands umfasst nach einem Verkehrsunfall regelmäßig auch die Erstellung eines entsprechenden Unfallgutachtens, da dem Geschädigten die Weiterverfolgung seiner rechtlichen Ansprüche ohne ein solches Gutachten regelmäßig nicht möglich wäre.

Anders als bei Reparaturkosten liegt bei Gutachterkosten nur im Falle einer durch den Schädiger bereits bezahlten Rechnung ein Indiz für die Angemessenheit der ausgewiesenen Kosten vor (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2016, Az. VI ZR 491/15). Die Beklagte hat die Zahlung der Rechnung durch den Kläger bestritten, dieser hat keinen entsprechenden Beweis angeboten, womit von einer noch nicht bezahlten Rechnung auszugehen war. Dies führt dazu, dass das Gericht die streitigen Kosten am Maßstab des § 287 ZPO zu prüfen hat.

c) Im Rahmen der Prüfung der Höhe der Gutachterkosten gemäß § 287 ZPO orientiert sich das hiesige Gericht grundsätzlich am Maßstab der BVSK-Honorarbefragung, welche vom Bundesgerichtshof wiederholt als zulässige Schätzgrundlage bestätigt wurden (vgl. etwa NJW 2014, 1947). Dabei gilt allerdings, dass abgerechnete Sachverständigenkosten, die höher liegen als die BVSK Sätze, nicht zwingend mit einem Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gleichzusetzen sind (BGH, NJW 2014, 1947).

Dass sich die vom Gutachter abgerechneten Kosten im Rahmen der BVSK-Honorarbefragung halten, steht zwischen den Parteien letztlich nicht in Streit. Die Beklagte ist jedoch der Ansicht, dass die BVSK-Honorarbefragung grundsätzlich kein geeignetes Mittel sei, um die Angemessenheit der Sachverständigenkosten zu überprüfen. Dies schon deshalb, weil nach Ansicht der Beklagten der Zeitaufwand und nicht die Schadenshöhe die maßgebliche Bemessungsgrundlage darstellen sollte. Die Beklagte verweist diesbezüglich auch auf die Abrechnungspraxis zum JVEG.

Mit dieser Argumentation kann die Beklagte im Ergebnis nicht durchdringen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die BVSK-Honorarbefragung sehr wohl als taugliche Schätzgrundlage ansieht (vgl. etwa BGH NJW 2014, 1947). Zwar ist es zutreffend, dass dem erkennenden Gericht damit gleichwohl die Möglichkeit offen bleibt, auch andere Grundlagen zur Ermittlung der Gutachterkosten heranzuziehen. Auch der Zeitaufwand – gegebenenfalls ohne Berücksichtigung der Schadenshöhe – wäre somit potenziell eine mögliche Grundlage für die Prüfung am Maßstab des § 287 ZPO.

Das hiesige Gericht sieht allerdings im Rahmen seines gemäß § 287 ZPO eröffneten Ermessens von dieser Möglichkeit ab und verbleibt bei der Orientierung an der BVSK-Honorarbefragung. Gegen die Orientierung allein am Zeitaufwand spricht im Vergleich zu einer Orientierung an der BVSK-Honorarbefragung vor allem, dass der erforderliche Zeitaufwand regelmäßig nicht ohne weiteres festzustellen ist. Die Parteien, insbesondere die beklagte Partei, kann hierzu regelmäßig maximal eine Einschätzung abgegeben. Diese Einschätzung müsste – sofern man denn tatsächlich allein nach Maßgabe des Zeitaufwandes vorgehen wollte – regelmäßig aber noch im Rahmen eines gerichtlich einzuholenden Sachverständigengutachtens überprüft werden. Gleiches würde auch in Bezug auf den anzusetzenden Stundensatz des Gutachters gelten. Ein solches Vorgehen ist ersichtlich weitaus weniger prozessökonomisch als die Orientierung an der vom Bundesgerichtshof wiederholt bestätigten BVSK-Honorarbefragung.

d) Dass sich die hier konkret abgerechneten Nebenkosten im Rahmen der nach BVSK-Honorarbefragung anzusetzenden Kosten halten, ist zwischen den Parteien unstreitig.

e) Dem Kläger steht dabei auch ein Anspruch auf Ersatz der abgerechneten Nebenkosten zu. Zwar hat der Geschädigte mit dem Gutachter keine ausdrückliche Vereinbarung über die Nebenkosten und deren konkrete Höhe geschlossen.

Allerdings handelt es sich bei den typischerweise als Nebenkosten abgerechneten Tätigkeiten für KfZ-Gutachten um Leistungen, welche im Regelfall nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Nach § 631 Abs. 1, 2 BGB ist in einem solchen Fall die übliche Vergütung zu leisten, wobei die durch das Gericht gemäß § 287 ZPO zu schätzen ist. Auch hier orientiert sich das Gericht erneut an der BVSK-Honorarbefragung.

Im Übrigen soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen zur Schätzung der Gutachterkosten nach der BVSK-Honorarbefragung insbesondere auch hinsichtlich der Nebenkosten von einer Orientierung an den eben für diese Nebenkosten in der BVSK-Honorarbefragung aufgeführten Sätzen ausgeht (vgl. etwa NJW 2014, 1947). Soweit ersichtlich, lag auch in dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes keine ausdrückliche Abrede hinsichtlich der Nebenkosten vor. Die Rechtsauffassung der Beklagten zur Nichterstattbarkeit der Nebenkosten mangels ausdrücklicher Abrede überzeugt (auch deshalb) nicht.

Soweit die Beklagte die Höhe einzelner Nebenkosten angreift, dringt sie im Ergebnis nicht durch. Wie bereits oben dargelegt, orientiert sich das Gericht – im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – an der BVSK-Honorarbefragung und den dort vorgesehenen Sätzen. Dass diese im konkreten Fall nicht wesentlich überschritten sind, ist unstreitig.

Soweit die Beklagte sich gegen die Erstattbarkeit einzelner Kategorien von Nebenkosten – beispielsweise Schreibkosten oder Kosten für Fotokopien – bereits dem Grunde nach richtet, dringt sie auch damit nicht durch. Im Wesentlichen führt die Beklagte hierzu allgemein aus, dass und warum die Erbringung oder zumindest Abrechnung entsprechender Leistungen nicht mehr zeitgemäß sei. Es ist allerdings schon nicht substantiiert vorgetragen worden, dass entsprechende Leistungen auch im konkreten Fall nicht erbracht worden seien.

2. Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nach § 255 BGB besteht nicht. § 255 BGB ist unmittelbar schon deshalb nicht anwendbar, sofern die abzutretenden Ansprüche sich aus einem selbstständigen, mit einem Dritten abgeschlossenen Vertrag über die jeweilige Sache – hier das zu begutachtende Fahrzeug – ergeben (BeckOK BGB, § 255, Rn. 38).

Auch eine analoge Anwendung – wie sie insbesondere bei Ansprüchen auf Ersatz von Reparaturkosten teilweise erwogen wird – scheidet aus. Beim Ersatz von Reparaturkosten gilt zu Lasten des Schädigers bzw. dessen Versicherung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum sogenannten Werkstattrisiko. Dem Schädiger ist es deshalb letztlich versagt, im Verhältnis zum Geschädigten eine objektive Prüfung der Erforderlichkeit der Reparaturkosten vorzunehmen. Gegenüber der Werkstatt dürfte der Schädiger eine entsprechende objektive Überprüfung aber veranlassen und muss daher die Möglichkeit behalten, nach Befriedigung des Geschädigten gegen die Werkstatt vorzugehen.

Das gilt nicht in gleicher Weise für die hier streitgegenständlichen Sachverständigenkosten. Sofern nur die Höhe der konkret abgerechneten Kosten in Streit steht, werden diese vom Gericht unabhängig von der Parteienkonstellation nach Maßgabe von § 287 ZPO geschätzt. Jedenfalls wenn – wie auch hier – kein Rückgriff auf den subjektiven Maßstab des Geschädigten hinsichtlich der subjektiven Erkennbarkeit der objektiv möglicherweise überhöhten Nebenkosten erfolgt, besteht kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung von § 255 BGB.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.“

AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23

Wirksamer Kauf eines durch Unfall beschädigten, an eine Bank sicherungsübereigneten Fahrzeugs durch ein Autohaus direkt vom Halter

Das Urteil des Amtsgerichts Zittau, Zweigstelle Löbau, vom 25. Juli 2023 (Az. 8 C 193/22) behandelt den Fall des Kaufs eines durch einen Unfall beschädigten, an eine Bank sicherungsübereigneten Fahrzeugs durch ein Autohaus direkt vom Halter.

Zum einen entschied das Gericht, dass die Klägerin nicht verpflichtet war, das Restwertangebot des Beklagten anzunehmen. Es wurde klargestellt, dass eine Geschädigte grundsätzlich die vom Sachverständigen ermittelten Kosten zugrunde legen darf. Darüber hinaus muss sich die Geschädigte nur Restwertangebote zurechnen lassen, die am regionalen Markt erzielbar sind. Das Angebot des Beklagten war in diesem Fall nicht bindend, da es von einem Ankäufer aus Leipzig stammte, der nicht als regionaler Markt angesehen werden kann.

Des Weiteren wurde das beschädigte Fahrzeug wirksam an das Autohaus verkauft. Trotz der Tatsache, dass die Klägerin im Vertrag angab, Eigentümerin des Fahrzeugs zu sein, was nicht der Fall war, da das Fahrzeug sicherungsübereignet war, bleibt die Wirksamkeit des Kaufvertrages unberührt. Das Gericht stellte fest, dass es der Klägerin erlaubt war, auch fremde Sachen zu verkaufen. Zudem wurde der Kaufvertrag vom tatsächlichen Eigentümer, der finanzierenden Bank, genehmigt.

Schließlich hat die Klägerin das Fahrzeug ohne Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht zu dem vom Sachverständigen ermittelten Restwert am regionalen Markt verkauft. Das Restwertangebot des Beklagten hatte mangels Fehlens des regionalen Marktes keinen Einfluss.

Aufgrund dieser Entscheidungsgründe wurde der Beklagte verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Autohaus von einer restlichen Kaufpreisforderung in Höhe von 2.350,00 € aus der Neufahrzeugrechnung freizustellen.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Zittau […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2023 am 25.07.2023

für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von einer restlichen Kaufpreisforderung in Höhe von 2.350,00 € aus der Neufahrzeugrechnung […] freizustellen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 2.350,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin macht restliche Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 14.07.2021 gegen 19.15 Uhr auf der B 96, Höhe Erntekranzbaude in Oppach, geltend.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Halterin des an die […] Bank […] sicherungsübereigneten Pkw Suzuki Ignis […]. Der Beklagte bearbeitete in seiner Funktion als behandelndes Büro zu Lasten des ausländischen zahlenden Büros die Ersatzansprüche, die sich gegen einen ausländischen Schadensverursacher richten.

Der Beklagte hat daher die Pflichten eines Haftpflichtversicherers für das am Verkehrsunfall beteiligte Schädigerfahrzeug, Typ Pkw Toyota Proace […] der tschechischen Halterin […].

Die Einstandspflicht sowie die alleinige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Klägerin beauftragte das Sachverständigenbüro […] mit der Erstellung eines Gutachtens. Mit Gutachten vom 19.07.2021 ermittelte der Sachverständige eine Wertminderung i.H.v. 1.100,00 €. Der Wiederbeschaffungswert betrug 17.625,00 €; der Sachverständige ermittelte darüber hinaus einen Restwert von 6.270,00 €. Die Klägerin rechnete auf Neuwagenbasis ab. Das beschädigte Fahrzeug der Klägerseite wurde am 07.07.2021 erstmals auf die Klägerin zugelassen. Die Kilometerlaufleistung war 429 Kilometer. Die Klägerin hatte am 05.07.2021 das beim Unfall beschädigte Fahrzeug zu einem Gesamtkaufpreis i.H.v. 17.950,00 € inklusive Kosten für Transport und Überführung i.H.v. 750,00 € gekauft.

Am 30.07.2021 wurde durch die Klägerin mit Einverständnis der darlehensgebenden […] Bank […] das beschädigte Fahrzeug zu einem Kaufpreis 6.270,00 € entsprechend des vom Sachverständigen […] ermittelten Restwertes veräußert. In dem Kaufvertrag vom 30.07.2021 ist vermerkt, dass die Verkäuferin (die Klägerin) Eigentümerin des Fahrzeugs ist und dass das Fahrzeug bis zum 30.07.2021 eine Gesamtlaufleistung von maximal 629 Kilometern hat.

Mit Schreiben vom 10.08.2021 unterbreitete der Beklagte der Klägerin ein Restwertangebot i.H.v. 9.070,00 €. Der von dem Beklagten benannte Restwertaufkäufer stammt aus der Region um Leipzig.

Mit Neufahrzeugrechnung vom 07.12.2021 erwarb sie am 08.12.2021 ein gleichwertiges Neufahrzeug zum einem Kaufpreis von 17.500,00 € brutto.

Unter Berücksichtigung der bisherigen Regulierung des Beklagten I.H.v. 8.880,00 € und der vorgenannten Gutschrift aus der Veräußerung des verunfallten Fahrzeuges i.H.v. 6.270,00 € verbleibt ein Restschaden i.H.v. 2.350,00 €, den die Klägerin mit der Klage verfolgt.

Die Klägerin beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von einer restlichen Kaufpreisforderung in Höhe von 2.350, Euro aus der Neufahrzeugrechnung […] freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Meinung, dass kein gültiger Vertrag zustandegekommen sei, da am 30.07.2021 die Klägerin nicht Eigentümerin des beschädigten Fahrzeuges gewesen sei und auch die Kilometerlaufleistung überschritten worden war. Darüber hinaus meint der Beklagte, dass sich die Klägerin auf das höhere Restwertangebot des Restwertankäufers aus Leipzig hätte verweisen lassen müssen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme des Geschäftsführers des Autohauses, Herrn […] R[…]. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.

1. Die Klägerin war nicht gehalten, sich auf das Restwertangebot des Beklagten einzulassen bzw. dieses anzunehmen. Eine Geschädigte darf grundsätzlich die vom Sachverständigen ermittelten Kosten zugrunde legen {vgl. BGH, Urteil v. 06.03.2007, Az: VI ZR 120/06; OLG Hamm, Urteil v. 11.11.2020, Az: 11 U 5/20; jeweils zitiert nach Beck-Online). Darüber hinaus muss sich die Geschädigte ohnehin nur Restwertangebote zurechnen lassen, die am regionalen Markt erzielbar sind (vgl. BGH, Urteil v. 13.10.2009, Az: VI ZR 318/08). Das von dem Beklagten genannte Angebot resultierte von einem Ankäufer, der in Leipzig ansässig ist. Es handelte sich damit zweifelsfrei nicht mehr um einen am regionalen Markt ansässigen Käufer.

Damit war das Angebot ohnehin für die Klägerseite nicht bindend.

Überdies – aus Sicht des Gerichts kommt es hierauf schon nicht an – war zum Zeitpunkt das beschädigte Fahrzeug auch wirksam an das Autohaus Roschk verkauft worden. Zwar hat die Klägerin in dem Vertrag angegeben, Eigentümerin des Fahrzeugs zu sein. Dies war offensichtlich nicht der Fall gewesen, da das Fahrzeug sicherungsübereignet war. Bereits dieser Aspekt lässt jedoch die Wirksamkeit des Kaufvertrages unberührt, weil es der Klägerin freistand, auch fremde Sachen zu verkaufen. Darüber hinaus wurde der Kaufvertrag auch durch den tatsächlichen Eigentümer, die finanzierende Bank, genehmigt. Hierbei war es, wie das Gericht vom Zeugen R[…] weiß, auch üblich und bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sicher, dass die Bank dies genehmigen würde, weil das Autohaus in stetiger Geschäftsbeziehung mit dieser steht.

Auch hinsichtlich eventuell zuviel gefahrener Kilometer war dies – wie auch der Zeuge R[…] bestätigte – für die Vertragsparteien nicht „festgeschrieben“. Ein Verstoß oder eine Abänderung ließe im Übrigen ebenfalls das schuldrechtliche Verhältnis und damit die Wirksamkeit des Vertrages unberührt.

Zusammenfassend hat die Klägerin das Fahrzeug ohne Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht zu dem von dem von ihr beauftragten Sachverständigen ermittelten Restwert am regionalen Markt veräußert. Das Restwertangebot des Beklagten hatte ohnehin mangels Fehlens des regionalen Marktes keinen Einfluss.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.“

AG Zittau, Zweigstelle Löbau, Urteil vom 25.7.2023 – 8 C 193/22