Angemessenheit von Sachverständigenkosten bei Verkehrsunfällen: Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung durch das AG Bautzen

Das Urteil des Amtsgerichts (AG) Bautzen befasst sich mit der Angemessenheit der Sachverständigenkosten bei Verkehrsunfällen, insbesondere in Bezug auf die Erstattungsfähigkeit gegenüber der Versicherung. Es wurde festgestellt, dass der Geschädigte Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Sachverständigen hat, solange diese als „erforderlich“ im Sinne von § 249 BGB anzusehen sind. Die Angemessenheit wird dabei häufig anhand des Honorartableaus des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen (BVSK) bewertet, was dem Laien eine Orientierung bieten soll.

Das AG Bautzen hat in diesem Urteil die bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass die Beurteilung der Angemessenheit der Kosten maßgeblich von der Marktkonformität und der regionalen Üblichkeit der berechneten Beträge abhängt. Damit wird den Geschädigten ein rechtlicher Rahmen zur Verfügung gestellt, der sie vor unverhältnismäßigen Kosten schützt, während den Sachverständigen eine gewisse Flexibilität in der Preisgestaltung eingeräumt wird, solange diese im ortsüblichen Rahmen bleiben.

Die Versicherung des Unfallgegners kann dabei nicht pauschal geringere Beträge geltend machen, indem sie auf günstigere, möglicherweise abweichende Preisvorgaben verweist. Ein wesentliches Argument des Urteils ist, dass dem Geschädigten in der akuten Schadenssituation nicht zuzumuten ist, eine aufwendige Kostenprüfung vorzunehmen. Er kann grundsätzlich davon ausgehen, dass die beauftragten Sachverständigenleistungen angemessen sind, sofern keine besonderen Umstände für eine übermäßige Überschreitung des Üblichen sprechen.

Bemerkenswert ist auch, dass das Gericht klarstellt, dass die Abrechnung nach Pauschalhonoraren anstelle einer detaillierten Zeitaufwandsberechnung gerechtfertigt ist, da diese Pauschalisierung zu einer gewissen Standardisierung und Transparenz der Kosten führt. Für den Geschädigten ist dies von Vorteil, da er als Laie oft nicht in der Lage ist, die erforderliche Detailtiefe bei der Bewertung des tatsächlichen Aufwands eines Sachverständigen nachzuvollziehen.

Dieses Urteil stärkt die Position der Geschädigten, indem es ihnen die Unsicherheit bei der Beurteilung der Sachverständigenkosten nimmt und die Versicherungen verpflichtet, marktübliche Honorare zu akzeptieren, solange diese nicht offensichtlich unverhältnismäßig sind. Auch die Zession der Forderung (Abtretung des Anspruchs auf Erstattung der Kosten) wird in diesem Zusammenhang als zulässig bestätigt, was es dem Sachverständigen ermöglicht, den Schadensersatz direkt gegen den Versicherer geltend zu machen, ohne den Geschädigten zusätzlich zu belasten.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]Kfz-Sachverständigenbüro[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Vergütungsforderung

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter am Amtsgericht […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 11.10.2024

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 336,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 28.4.2024 zu zahlen.
  2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 44,59 € freizustellen.
  3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
  4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 340,24 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist Kfz-Sachverständiger . Er begehrt aus abgetretenem Recht die Zahlung restlicher Sachverständigenvergütung für das von ihm zu einem Verkehrsunfall vom 17.02.2024 in 02625 Bautzen gefertigte Schadensgutachten in Höhe der Klageforderung.

Die 100 %-ige Einstandspflicht der Beklagten für alle unfallbedingten Schäden ist unstreitig. Streitig sind vorliegend allein die Positionen Grundvergütung und die Anzahl von abgerechneten Schreibseiten des Gutachtens .

Der Geschädigte beauftragte den Kläger nach dem Unfall mit der Erstellung eines Schadensgutachtens . Dieses wies eine Schadenshöhe iHv. 4.513,06 € netto ( = 5370,55 € brutto ) aus […].

In einer Erklärung vom 19.02.2024, überschrieben mit Auftrag / Abtretung / Zahlungsanweisung, unterschrieben vom Geschädigten, ist auszugsweise folgendes geregelt: […]

….“ Hiermit trete ich meinen Schadensersatzanspruch zur Erstattung der Sachverständigenkosten unwiderruflich und vorrangig an das Sachverständigenbüro ab. Dies gilt sowohl für den Brutto- als auch für den Nettoendbetrag der Rechnung, je nach meiner Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Ich weise den haftpflichtigen Versicherer an, die Sachverständigenkosten direkt an das Sachverständigenbüro zu überweisen. Das Sachverständigenbüro ist ermächtigt, diese Abtretung gegenüber den Anspruchsgegnern offenzulegen und die abgetretenen Ansprüche in eigenem Namen geltend zu machen. Diese Abtretung berührt nicht die vertraglichen Ansprüche des Sachverständigenbüros gegen mich. Sollte der haftpflichtige Versicherer keine oder nur eine Teilzahlung leisten, behält sich das Sachverständigenbüro das Recht vor, die Ansprüche gegen mich geltend zu
machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. Bei Inanspruchnahme meinerseits erfolgt Zug um Zug eine Rückabtretung der noch offenen Forderung.“

Der Kläger fertigte das Gutachten und stellte hierfür insgesamt 858,11 € brutto in Rechnung, bestehend aus den Schadenspositionen Grundhonorar (655,00 € netto) sowie als Nebenkosten die Positionen Lichtbilder (11 Stück zu je 2,00 € = 22,00 € netto) , Fahrtkosten 33 km zu je 0,70 € = 23,10 € netto) , Schreibkosten pauschal (12,00 € netto) Porto- und Telefonpauschale 9,00 € netto) zzgl. 19 % USt auf diese Positionen iHv insgesamt 137,01 €. […]

Die Beklagte zahlte hierauf 517,67 € brutto […]. Grundlage für die Kürzungen sind ein von der Beklagten veranlasster Prüfbericht von Logicheck. Dieser verortete – abweichend von der Rechnung des Sachverständigen – das Grundhonorar bei insgesamt 371,91 € netto (anstelle 655,00 € netto); ferner bei den Schreibseiten 9,00 € netto (anstelle 12,00 €).

Der Kläger geht davon aus , dass die abgerechnete Vergütung angemessen , orts- und marktüblich ist , sich insbesondere an dem Honorartableau der HUK sowie der BVSK Honorarbefragung – wie mit dem Beklagten vereinbart […] – orientiert .

Der Kläger beantragt

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 340,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 28.4.2024 zu zahlen.

II. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 44,59 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Sie geht davon aus , dass alle berechtigten Ansprüche erfüllt sind . Die abgerechneten 858,11 € sind – wie sich aus dem eingeholten Prüfbericht von Logicheck ergebe – weder erforderlich noch ortsüblich […]. Eine wirksame Preisvereinbarung sei nicht zustandegekommen. Das Grundhonorar sei nach tatsächlichem Zeitaufwand zu ermitteln , insbesondere sei die Abrechnung nach Schadenshöhe nicht interessengerecht, auch gerichtlich bestelllte Sachverständige rechnen nach Zeitaufwand ab . Hinsichtlich der Schreibkosten seien lediglich die technischen Erläuterungen, d.h. ohne automatisiert gezogene Textbausteine und Fotoseiten zu erstatten, d.h. 10 Seiten zu je 0,90 € (= 9,00 € netto).

Zum Sach- und Streitstand wird im übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in der Sache zum weit überwiegenden Teil begründet.

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der noch unbeglichenen Kosten des Schadensgutachtens in Höhe von 337,24 € zu, §§ 7, 18 StVG, 115 (1) Nr. 1 VVG,
398, 249 (2) BGB iVm. § 287 ZPO. Im übrigen war sie (bzgl. Schreibkosten iHv weiteren
3,00 €) abzuweisen.

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert aufgrund der vom Zedenten mit eigenhändiger Unterschrift erteilten Abtretungserklärung […].

2. Die geschuldete Wiederherstellung des ohne das Unfallereignis bestehenden Zustands umfasst die Erstellung eines Schadensgutachtens . Ein Geschädigter ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen frei in der Wahl seiner Mittel und berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH, zuletzt Urteil vom 12.03.2024, VI ZR 280/22 ).

Ob der Herstellungsaufwand erforderlich iSd. § 249 (2) S.1 BGB ist, bemisst sich nach der
gängigen Rechtsprechung zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung danach, ob im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle das beanspruchte Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist, und wenn ja, diese objektive Überhöhung für den geschädigten Laien erkennbar sein musste. Ferner ist der in Rechnung gestellte Betrag nur dann erforderlich, wenn und soweit er sich aus zutreffenden Anknüpfungstatsachen ableiten lässt .

Mit der neueren Rspr. des BGH (Urteil vom 12.03.2024, VI ZR 280/22) sind die entwickelten Grundsätze zum Werkstattrisiko auch auf möglicherweise überhöhte Kostenansätze eines
Sachverständigen zu übertragen. Hat sich der Sachverständige – so wie hier der Kläger – die Schadenersatzforderung des Geschädigten in Höhe der Honorarforderung abtreten lassen,
kann sich der Zessionar nicht auf das Sachverständigenrisiko berufen. Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger, der aus abgetretenem Recht des Unfallgeschädigten die restlichen Sachverständigenkosten einklagt , darzulegen und ggfls. zu beweisen , dass die abgerechneten Kosten objektiv erforderlich waren und nicht über das Erforderliche iSd. § 249 (2) BGB hinausgehen. Die Bemessung der als erforderlich anzusehenden Kosten als solches obliegt dabei dem Tatrichter gemäß § 287 ZPO (BGH, aaO), wobei die Art der Schätzgrundlage nicht vorgegeben ist (vgl. BGH ,Urteil vom 18.12.2012 , VI ZR 316 / 11).

Bei Anlegen dieses Maßstabs – deutliche Überhöhung auf objektiver Ebene sowie Erkennbarkeit dieser deutlichen Überhöhung auf subjektiver Ebene – bestehen gegen das abgerechnete Grundhonorar iHv. 655,00 € netto (= 791,35 € brutto) – unabhängig von der Frage einer Parteivereinbarung zur Vergütung, handschriftlich unterschrieben vom Geschädigten am 19.02.2024 […] – keine Bedenken .

Im Rahmen der Prüfung der erforderlichen Gutachterkosten orientiert sich das erkennende Gericht (weiterhin) in einer Gesamtschau der BVSK-Honorarbefragung mit dem Honorartableau der HUK-Coburg, mithin mehrerer im Rahmen des § 287 ZPO anerkannten Orientierungswerte und Maßstäbe. Gegen eine Orientierung am Zeitaufwand, wie ihn die Beklagte begehrt, spricht vor allem, dass der erforderliche Zeitaufwand von einem fachunkundigen Laien in der Regel nicht festzustellen oder sinnvoll einzuschätzen ist wie auch , dass eine Ableitung aus der Schadenshöhe für einen Laien höhere Transparenz und Nachvollziehbarkeit bietet, vgl. die unterschriebene Anlage […].
Das abgerechnete Grundhonorar liegt vorliegend sowohl nach dem Honorartableau der HUK wie auch der BVSK-Befragung 2022 HB IV unter dem in Rechnung gestellten Grundhonorar iHv. 791,35 € brutto. Ausgehend von dem gutachterlich festgestellten Reparaturschaden iHv. 4.513,06€ netto wäre nach dem Honorartableau der HUK-Coburg ein Honorar brutto incl. Nebenkosten iHv. 910,95 € brutto gerechtfertigt, nach der BVSK-Honorarbefragung 2022 HB IV ein Grundhonorar iHv. 704 € netto (= 837,76 € brutto).

Der vorgelegte Prüfbericht ist nicht geeignet, die Angemessenheit in Frage zu stellen, da die Bewertung per Ferndiagnose und ohne hinreichend tatsächliche Anknüpfungspunkte zum Zeitaufwand erfolgt.

Ob eine andere Berechnungsgrundlage möglich oder, wie die Beklagte meint, nach zeitlichem Aufwand vorzuziehen ist, kann dahinstehen, als es zu Vortrag der Erkennbarkeit einer objektiv deutlich erkennbaren Überhöhung – diese mal unterstellt – auf subjektiver Ebene bei dem Geschädigten fehlt und eine solche allenfalls bei einem krassen, sich geradezu aufdrängenden Missverhältnis angenommen werden könnte.

3. Schreibkosten sind in Höhe 9,00 € netto als angemessen anzusehen, § 287 ZPO. Dies
entspricht im Ausgangspunkt § 12 (1) S. 2 Nr. 3 JVEG, der hierfür als Orientierungshilfe heranzuziehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2016, VI ZR 50/15). Danach darf ein Sachverständiger 0,90 € pro Seite bis zum 1.000 Anschlag abrechnen, danach 1,50 €.
Vorliegend umfasst das Gutachten 22 Seiten, 3 Seiten bestehen aus dem Abdruck der mit
dem System Audatax eingestellten Reparaturkostenkalkulation, weitere 6 Seiten aus Lichtbildern, beides ohne eigene Schreibleistung; im übrigen werden zudem eine Vielzahl von Textbausteinen verwendet und die genannte Anzahl von 1000 Anschlägen pro Seite bei weitem nicht erreicht. Ausgehend hiervon ist die Erstattung von 10 Seiten zu je 0,90 € sachgerecht.

Vor diesem Hintergrund war die Klage hinsichtlich darüber hinausgehender Schreibkosten
(3,00 € netto = 3,57 € brutto) abzuweisen.

II.

Die zugesprochenen Rechtsverfolgungskosten und Zinsen ergeben sich aus den §§ 280, 286 (1), 288, 823 (1), 249 BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 (1) Nr. 1 , 708 Nr. 11 , 713
ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24

Angemessenheit von Sachverständigenkosten bei Verkehrsunfällen: Rechtliche Klarstellungen durch das AG Zittau

Das Urteil des Amtsgerichts Zittau, Zweigstelle Löbau, vom 10. September 2024 (8 C 149/24), behandelt die Vergütungsforderung eines Kfz-Sachverständigen gegenüber einer Versicherungsgesellschaft im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall.

Der Kläger hatte demnach einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gemäß §§ 115 VVG und 249 BGB. In Fällen eines Verkehrsunfalls umfasst der erstattungsfähige Schaden auch die Kosten der Schadensermittlung durch einen Sachverständigen. Ein wesentlicher Punkt des Urteils ist die Auslegung des „Erforderlichkeitsbegriffs“. Der Geschädigte muss bei der Auswahl eines Sachverständigen nicht nach den preisgünstigsten Angeboten suchen. Es genügt, dass ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten das Gutachten als zweckmäßig und notwendig erachten durfte. Die Entscheidung stellt klar, dass der Geschädigte nicht zugunsten der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers sparen muss. Dies ist ein häufiger Streitpunkt in Schadensersatzprozessen, bei dem Versicherungen oft argumentieren, dass die Kosten zu hoch seien und die günstigsten Sachverständigen gewählt werden müssten.

Die richterliche Schätzung der erforderlichen Kosten erfolgte gemäß § 287 ZPO. Hierbei orientierte sich das Gericht an der Honorarbefragung des BVSK (Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen), was in der Rechtsprechung – auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs – als geeignete Schätzungsgrundlage gilt. Das geforderte Honorar des Sachverständigen wurde in diesem Rahmen nicht beanstandet.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]Kfz-Sachverständigenbüro[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Vergütungsforderung

hat das Amtsgericht Zittau durch

Richter am Amtsgericht […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 10.09.2024

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 393,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Pro-
    zentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 17.4.2024 zu
    zahlen.
  2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber der Rechtsanwälte
    Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 44,59 € freizustellen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 394,20 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 313 a I 1 ZPO abgesehen, da ein
Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt € 600,00 nicht (§ 511 II 1 ZPO).
Die Berufung wird nicht zugelassen (§ 511 II 2 ZPO), da die Rechtssache weder grund-
sätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer ein-
heitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert ( § 511 IV
1ZPO).

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Bezahlung der weiteren Sachverständigenkosten gemäß §§ 115 VVG, 249 BGB.

Der bei einem Verkehrsunfall erstattungsfähige Schaden umfasst gemäß § 249 BGB auch die erforderlichen Kosten der Schadensermittlung durch einen Sachverständigen. Erforderlich sind die Aufwendungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dabei hat der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich den im Rahmen des ihm Zumutbaren wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Geschädigte bei der Beauftragung des Sachverständigen zuvor eine Marktforschung betreiben müsste, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu finden; kurz: der Geschädigte muss nicht zu Gunsten der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers sparen.

Der Geschädigte kann für die Gutachtenerstellung die tatsächlich erforderlichen Kosten ersetzt verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat.

Im Rahmen der richterlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO kann der Tatrichter nach überwiegender Rechtsprechung, inzwischen auch des BGH, der sich das erkennende Gericht anschließt, die Honorarbefragung der BVSK – hier 2022 – als geeignete Schätzungsgrundlage heranziehen.
Das geltend gemachte Honorar des Sachverständigen ist danach nicht zu beanstanden.
Es wird insoweit auf die zutreffende Berechnung der Klägerseite […] verwiesen.

Der Anspruch auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs, 2, 286 BGB. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 II 3, 288 I BGB.

II.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91; 269 Abs. 3 S. 3, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.“

AG Zittau, Zweigstelle Löbau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24

Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten: BVSK-Honorartabelle unabhängig von Verbandszugehörigkeit

Das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 25.06.2024 (Az. 121 C 573/24) behandelt einen Rechtsstreit zwischen einem Ingenieurbüro und einer Haftpflichtversicherung zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Die Klägerin hatte die Ansprüche des Geschädigten aus abgetretenem Recht geltend gemacht.

Das Gericht hat entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten hat. Die Entscheidung stützt sich dabei auf § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 VVG und den Regelungen des BGB.

Wesentlich in der Entscheidung ist die Frage der Angemessenheit und Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten. Das Gericht hat anerkannt, dass der Geschädigte grundsätzlich das Recht hat, die Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen ersetzt zu bekommen, jedoch unterliegt dieser Anspruch dem sogenannten Wirtschaftlichkeitsgebot. Das bedeutet, dass die Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zur Schadenshöhe stehen müssen und der Geschädigte nicht automatisch jeden Preis ersetzt verlangen kann, den der Sachverständige in Rechnung stellt.

Ein zentraler Punkt war die Bewertung der einzelnen Kostenpositionen, wie z.B. Grundhonorar, Fahrtkosten, Fotokosten und Schreibkosten. Das Gericht hat hier die BVSK-Honorartabelle 2022 als Schätzgrundlage herangezogen und festgestellt, dass die in Rechnung gestellten Beträge größtenteils angemessen waren, mit Ausnahme der Fahrtkosten, die teilweise als überhöht angesehen wurden.

Besonders bemerkenswert ist die Entscheidung des Gerichts, dass eine Mitgliedschaft im BVSK (Berufsverband der Sachverständigen) nicht Voraussetzung für die Heranziehung der BVSK-Honorartabelle als Schätzgrundlage ist. Das Gericht hat die Verwendung dieser Tabelle als repräsentativ und geeignet bewertet, um die Angemessenheit der Sachverständigenhonorare zu bestimmen.

Das Gericht betrachtet die BVSK-Honorartabelle als einen bundesweit anerkannten und repräsentativen Querschnitt der üblichen Honorare von Sachverständigen. Diese Honorartabelle wird vom Berufsverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen (BVSK) erstellt und basiert auf umfangreichen Umfragen unter Sachverständigen in Deutschland. Dadurch erlangt sie nach Auffassung des Gerichts eine hohe Aussagekraft für die Bestimmung angemessener Vergütungen in der Praxis.

Eine zentrale Argumentation des Gerichts ist, dass es nicht erforderlich ist, dass der beauftragte Sachverständige Mitglied im BVSK ist, um die BVSK-Honorartabelle als Schätzgrundlage heranziehen zu können. Diese Entscheidung beruht auf der Überlegung, dass die Tabelle selbst unabhängig von der Mitgliedschaft repräsentative Werte liefert, die den gängigen Marktbedingungen entsprechen. Wäre die Heranziehung der Tabelle auf BVSK-Mitglieder beschränkt, würde dies einen unzulässigen Druck auf Sachverständige ausüben, dem Verband beizutreten, was das Gericht als unsachgerecht ansieht.

Das Gericht argumentiert weiter, dass eine Differenzierung nach Mitgliedern und Nichtmitgliedern des BVSK zur Erhöhung der Einkommensmöglichkeiten von Sachverständigen durch eine erzwungene Mitgliedschaft führen könnte. Dies wäre nicht nur sachlich unangemessen, sondern würde auch dem Grundsatz der freien Berufsausübung widersprechen. Das Gericht stellt daher klar, dass es die BVSK-Honorartabelle auch dann als Schätzgrundlage nutzen kann, wenn der Sachverständige nicht Mitglied im BVSK ist.

Im Rahmen des § 287 ZPO hat das Gericht einen weiten Ermessensspielraum bei der Schätzung von Schadensersatzbeträgen. Es ist nicht verpflichtet, alle möglichen Schätzgrundlagen heranzuziehen, sondern kann sich auf solche stützen, die es als angemessen und praktisch durchführbar erachtet. Die BVSK-Honorartabelle erfüllt diese Anforderungen, da sie auf breiter Datenerhebung basiert und für die gängige Praxis repräsentativ ist.

Das Gericht weist zudem darauf hin, dass eine Differenzierung nach der Qualität einzelner Sachverständiger nicht erforderlich ist, da dies den Sinn und Zweck der Schätzmöglichkeit nach § 287 ZPO untergraben würde. Die Honorartabelle stellt eine durchschnittliche Vergütung dar, die typischerweise für Sachverständigenleistungen in diesem Bereich erwartet wird. Damit wird vermieden, dass im Einzelfall aufwendig geprüft werden muss, ob ein bestimmter Sachverständiger besonders qualifiziert oder erfahren ist.

Das Gericht setzt die BVSK-Honorartabelle auch in den Kontext anderer denkbarer Schätzgrundlagen und stellt fest, dass diese Tabelle eine zuverlässige und praxisnahe Grundlage bietet, die den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) entspricht. Der BGH hat in verschiedenen Urteilen betont, dass die Ermittlung der erforderlichen Kosten durch eine solche Honorartabelle zulässig ist, solange sie auf einer repräsentativen Datenerhebung basiert und die durchschnittlichen Marktbedingungen widerspiegelt.

Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die BVSK-Honorartabelle eine geeignete Grundlage für die Schätzung der erforderlichen Sachverständigenkosten ist. Diese Entscheidung ermöglicht es, die Kostenfrage in Verkehrsunfallsachen auf eine einheitliche und nachvollziehbare Weise zu klären, ohne dass es zu einer übermäßigen Belastung der Gerichte durch individuelle Prüfungen kommt.

In dem Urteil des Amtsgerichts Braunschweig wird zudem ausführlich auf die Erstattungsfähigkeit von Nebenkosten im Rahmen der Sachverständigenhonorare eingegangen. Das Gericht befasst sich dabei mit mehreren Arten von Nebenkosten, darunter Fotokosten, Schreibkosten, Fahrtkosten und eine Pauschale für Porto und Telefon. Die Argumentation des Gerichts stützt sich dabei auf verschiedene rechtliche und praktische Überlegungen.

Das Gericht stellt zunächst fest, dass es allgemein üblich ist, dass Sachverständige neben ihrem Grundhonorar auch Nebenkosten geltend machen. Diese Nebenkosten sind als Auslagen für bestimmte Aufwendungen im Rahmen der Sachverständigentätigkeit zu verstehen und werden üblicherweise zusätzlich zum eigentlichen Entgelt für die Hauptleistung (die Erstellung des Gutachtens) in Rechnung gestellt. Das Gericht führt hierzu aus, dass es gerichtsbekannt sei, dass Sachverständige in der Regel Nebenkosten für verschiedene Posten wie Fahrten, das Anfertigen von Lichtbildern und das Erstellen von schriftlichen Gutachten gesondert abrechnen.

Im Hinblick auf die Fotokosten erkennt das Gericht eine Erstattungsfähigkeit an, da diese Kosten als notwendige Auslage für die Begutachtung des Fahrzeugs anzusehen sind. Im vorliegenden Fall wurden Kosten in Höhe von 2,00 Euro pro Foto für insgesamt 7 Fotos geltend gemacht. Das Gericht sieht diese Kosten als angemessen an. Daher wurden die Fotokosten in voller Höhe als erstattungsfähig anerkannt.

Die Schreibkosten wurden im Urteil ebenfalls als erstattungsfähig bewertet. Das Gericht führt aus, dass die abgerechneten Schreibkosten in Höhe von 10,80 Euro nicht überhöht seien. Es wurde ein Betrag von 1,80 Euro pro Seite für das schriftliche Gutachten abgerechnet, was insgesamt 6 Seiten umfasst. Das Gericht bezieht sich hierbei auf die BVSK-Honorarvereinbarung 2022, die auch eine Orientierung an den Regelungen des JVEG (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz) ermöglicht.

Das Gericht argumentiert, dass es sich bei den Schreibkosten um eine Pauschale handelt und es daher unerheblich sei, ob jede Seite des Gutachtens tatsächlich umfangreichen schriftlichen Inhalt aufweist. Entscheidend ist vielmehr, dass die Pauschale als marktüblich und angemessen anzusehen ist. Die Bemessung der Schreibkosten anhand einer Pauschale vereinfacht die Abrechnung und stellt sicher, dass die Kosten im üblichen Rahmen bleiben.

Die Fahrtkosten wurden differenziert betrachtet. Das Gericht erkennt an, dass Fahrtkosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, legt jedoch Wert darauf, dass die Höhe der geltend gemachten Kosten angemessen ist. Im vorliegenden Fall wurden Fahrtkosten in Höhe von 0,99 Euro pro Kilometer geltend gemacht, was das Gericht als überhöht ansieht. Stattdessen hält das Gericht einen Kilometersatz von 0,70 Euro für angemessen, basierend auf verschiedenen Autokostentabellen und einer Marktanalyse, die im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz durchgeführt wurde.

Das Gericht verweist zudem darauf, dass der Geschädigte in der Lage sein muss, überhöhte Fahrtkosten zu erkennen und diese zu hinterfragen. Der Bundesgerichtshof hat in früheren Entscheidungen klargestellt, dass ein Kilometersatz von 0,70 Euro angemessen erscheinen kann, während der gesetzliche Satz nach dem JVEG von 0,30 Euro als unrealistisch niedrig bewertet wird.

Die Pauschale für Porto und Telefon in Höhe von 15,00 Euro netto wurde vom Gericht ebenfalls als erstattungsfähig anerkannt. Diese Pauschale entspricht der BVSK-Honorarvereinbarung 2022 und wurde seitens der Beklagten nicht substantiiert angegriffen. Das Gericht bewertet diese Pauschale als marktüblich und angemessen, da Sachverständige typischerweise solche Kommunikations- und Versandkosten als Teil ihrer Nebenkosten abrechnen.

Insgesamt sieht das Gericht die geltend gemachten Nebenkosten, mit Ausnahme eines Teils der Fahrtkosten, als angemessen und erstattungsfähig an. Die Entscheidung basiert auf der Praxis der freien Berufsausübung und den Prinzipien des Zivilrechts, insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot, das in Schadenersatzprozessen eine zentrale Rolle spielt. Das Gericht betont, dass der Geschädigte bei der Beauftragung eines Sachverständigen nicht zu einer umfassenden Marktforschung verpflichtet ist, um den günstigsten Anbieter zu finden.

Durch die Verwendung von Pauschalen und allgemein anerkannten Honorartabellen wird die Abrechnung der Nebenkosten vereinfacht und standardisiert, was sowohl den Gerichten als auch den Parteien eine verlässliche Grundlage bietet, um die Angemessenheit der Kosten zu beurteilen. Die Entscheidung des Gerichts zeigt, dass Nebenkosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, solange sie sich im Rahmen des Üblichen bewegen und durch marktübliche Pauschalen oder Honorartabellen gedeckt sind.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Sachverständigenkosten in Höhe der BVSK-Honorarbefragung und Honorartabelle der HUK-Coburg bei Schadengutachten nach Verkehrsunfällen sind angemessen

Das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 3. Juli 2024 (23 C 134/24) befasst sich mit der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Der Kläger, ein Kfz-Sachverständiger, forderte von der beklagten Versicherung restliche Sachverständigenkosten, die diese aufgrund eines Prüfberichts von ControlExpert als überhöht ablehnte. Das Gericht entschied zugunsten des Klägers und bestätigte, dass die in Rechnung gestellten Kosten, die sich an der BVSK-Honorarbefragung und der Honorartabelle der HUK-Coburg orientierten, angemessen und erstattungsfähig sind.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Auszug aus der Gerichtsantscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter am Amtsgericht […] im schriftlichen Verfahren nach § 128 (2) ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 26.06.2024

am 03.07.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 651,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 20.3.2024 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber der Rechtsanwälte
Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 77,20 € freizustellen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 651,64 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall , der sich am 22.12.2023 in Großdubrau zugetragen hat .

Die 100 %-ige Einstandspflicht der Beklagten als Kfz-Haftpflichtversicherer für alle unfallbedingten Schäden ist unstreitig . Gegenstand dieses Rechtsstreits ist allein die Schadensposition restliche Sachverständigenkosten in Höhe der Klageforderung.

In einer Erklärung der Geschädigten , überschrieben mit Abtretung / Auftrag / Zahlungsanweisung vom 27.12.2023 ist – auszugsweise – folgendes geregelt:

„Aus Anlass des oben beschriebenen Schadenfalles beauftrage ich das oben genannte Kfz-Sachverständigenbüro, ein Gutachten zur Schadenhöhe zu erstellen. Das Sachverständigenbüro berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Schadenhöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg zzgl. erforderlicher Nebenkosten.

Das Kfz-Sachverständigenbüro ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offen zu legen und den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Kfz-Sachverständigenbüros aus dem Sachverständigenvertrag gegen mich nicht berührt. Es kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. Eine Inanspruchnahme meinerseits erfolgt nur Zug um Zug gegen Rückabtretung der noch offenen Forderung. Aus Anlass des oben beschriebenen Schadenfalles beauftrage ich das oben genannte Kfz-Sachverständigenbüro, ein Gutachten zur Schadenhöhe zu erstellen. Das Sachverständigenbüro berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Schadenhöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg zzgl. erforderlicher Nebenkosten.“

Die Geschädigte beauftragte nach dem Unfall den Kläger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Dieser fertigte das Schadensgutachten und stellte der Geschädigten hierfür mit Rechnung vom 28.12.2023 insgesamt 978,89 € brutto in Rechnung, bestehend aus den Positionen Schadensgutachten (735,00 € netto) sowie als Nebenkosten die Positionen Lichtbilder ( 12 Stück zu je 2,00 € = 24,00 € netto), Fahrtkosten (48 km zu je 0,70 € = 33,60 € netto), Schreibkostenpauschale 21,00 € netto , sowie Porto & Telefon pauschal 9,00 € netto zzgl. 19% USt auf diese Positionen iHv. insgesamt 156,29 € . […].

Die Beklagte zahlte hierauf bislang 327,25 € […].

Grundlage hierfür ist ein von der Beklagten veranlasster Prüfbericht von ControlExpert . Dieser veranschlagte – abweichend von der Rechnung des Sachverständigen – das Grundhonorar bei 205,00 € netto (anstelle 735,00 € netto) , Fahrkosten bei 28,00 € netto (anstelle 33,60 € netto) sowie Schreibkosten pauschal bei 9,00 € netto (anstelle 21,00 € netto).

Der Kläger geht davon aus , dass die abgerechnete Vergütung angemessen , orts- und marktüblich ist , insbesondere weil vom Honorartableau der HUK-Coburg sowie der Honorarbefragung des BVSK 2022 gedeckt . Die von Beklagtenseite vorgelegte Rspr. zur Abtretung sei nicht einschlägig . Nach der regionalen Rspr. sind Sachverständigenkosten, die sich an der aktuellen BVSK-Honorarbefragung und dem Honorartableau der HUK-Coburg orientieren, zu erstatten . Die Orientierung am JVEG beziehe sich nur auf gerichtlich bestellte Sachverständige und werde so von der Rspr. nicht gedeckt . Eine Abrechnung nach Zeitaufwand als ortsübliche Praxis wie auch der Vortrag zur DEKRA AG als marktbeherrschende Organisation werde bestritten. Bei den Schreibkosten setze die Beklagte sich in Widerspruch, als sie zwar die Pauschale iHv 21,00 € als übersetzt ansieht, bei den vorgelegten Beispielrechnungen der DEKRA AG indessen eine Ausfertigungspauschale iHv 50,00 € netto unbeanstandet lässt. Die Fahrtkosten seien erforderlich, da nicht der Sachverständige mit der kürzesten Anfahrtsstrecke auszuwählen sei, zumal die Anfahrtstrecke einfach 24 km betrage .

Der Kläger beantragt

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 651,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 20.3.2024 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber den Rechtsanwälten Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 77,20 € freizustellen.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Klage abzuweisen.

Die Aktivlegitimation wird bestritten, die Abtretungserklärung enthalte zudem einen Verstoß gegen das Transparenzgebot . Die begehrten Sachverständigenkosten seien nicht erforderlich , da überhöht: erforderlich seien ausweislich des eingeholten Prüfberichts der ControlExpert […] lediglich die bereits gezahlten 327,25 € . Das Grundhonorar sei nach Zeitaufwand und in Anlehnung an § 9 (4) S.1 JVEG zu berechnen und abzurechnen , wie es die DEKRA AG als größte Sachverständigenorganisation mache. Der Zeitaufwand und nicht die Schadenshöhe sei die maßgebliche Bemessungsgrundlage . Bei der Frage der Ortsüblichkeit sei auf die Anzahl der erstellten Gutachten und nicht auf die Anzahl der tätigen Sachverständigen abzustellen.

Zum Sach- und Streitstand wird im übrigen auf die gewechselten Schriftstücke nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen .

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und ist in der Sache begründet .

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der noch offenen Kosten des
Sachverständigengutachtens vom 28.12.2023 aus den §§ 7 , 18 StVG , 115 (1) Nr.1 VVG, 398, 249 (2) BGB iVm. § 287 ZPO zu .

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert aufgrund der von der Zedentin mit eigenhändiger Unterschrift erteilten Abtretungserklärung vom 27.12.2023 . Die zur Abtretung getroffenen Regelungen verstoßen nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 (1) S.2 BGB, insbesondere ist diese hinreichend bestimmt : Sie enthält Name und Anschrift der Geschädigten sowie der Unfallgegnerin, die Kennzeichennummer der Unfallgegnerin, ferner die namentliche Nennung der Beklagten als zuständigen Haftpflichtversicherer mit Schadensnummer. Inhaltlich ist klar und unmissverständlich geregelt , dass das Sachverständigenbüro berechtigt ist , den abgetretenen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen wie auch, unter welchen Voraussetzungen die Geschädigte gleichwohl in Anspruch genommen werden kann. Das erkennende Gericht teilt zudem die Auffassung des Klägervertreters, dass die von Klägerseite angeführten höchstrichterlichen Entscheidungen in der Sache nicht einschlägig sind.

Die geschuldete Wiederherstellung des ohne den Schadensfall bestehenden Zustands beinhaltet nach einem Verkehrsunfall die Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Ein Geschädigter ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei und berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Gutachtens zu beauftragen (BGH, Urteil vom 24.10.2017, VI ZR 61/17).

Ob der Herstellungsaufwand erforderlich iSd. 249 (2) S.1 BGB ist, bemisst sich nach der
gängigen Rechtsprechung zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung im Ergebnis danach, ob im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle das beanspruchte Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist und, wenn ja, diese deutliche Überhöhung für den geschädigten Laien erkennbar sein musste. Ferner ist zu beachten , dass der in Rechnung gestellte Betrag nur dann erforderlich ist , wenn und soweit er sich aus den vereinbarten, zutreffenden Anknüpfungstatsachen ableiten lässt (BGH, Urteil vom 24.10.2017, VI ZR 61/17).

Der erforderliche Herstellungsaufwand ist anhand des Gutachtenauftrags , der von der Zedentin nicht beglichenen Rechnung sowie dem Parteivortrag zum Aufwand des Sachverständigen zu bestimmen, § 287 ZPO.

Ausgehend hiervon ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts im Rahmen der sog. Plausibilitätskontrolle das beanspruchte Honorar Ausgangspunkt für die Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwands iSd. § 249 (2) S.1 BGB, wenn und soweit dieses Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist und dies dem Geschädigten subjektiv erkennbar sein musste . Eine Erkennbarkeit auf subjektiver Ebene ( subjektive Schadensbetrachtung ) kann dabei im Ergebnis nur bei auffällig krassem Missverhältnis von Preis/ Leistung angenommen werden .

Bei Anlegen dieses Maßstabs – deutliche Überhöhung auf objektiver Ebene sowie Erkennbarkeit dieser deutlichen Überhöhung auf subjektiver Ebene – bestehen gegen das abgerechnete Grundhonorar (735,00 € netto) keine Bedenken :

Im Rahmen der Prüfung der Höhe der erforderlichen Gutachterkosten orientiert sich das erkennende Gericht (weiterhin) in einer Gesamtschau der BVSK – Honorarbefragung mit dem Honorartableau der HUK-Coburg, mithin mehrerer im Rahmen des § 287 ZPO von der
höchstrichterlichen Rspr. anerkannten Orientierungswerten und Maßstäben. Gegen eine Orientierung am Zeitaufwand spricht vor allem , dass der erforderliche Zeitaufwand von einem fachunkundigen Geschädigten in der Regel nicht festzustellen ist wie auch, dass eine Ableitung aus der Schadenshöhe für einen Laien höhere Transparenz und Nachvollziehbarkeit biete. Der abgerechnete Grundhonorar iHv. 735,00 € netto bewegt sich vorliegend sowohl im Korridor der Honorartabelle des BVSK 2022 wie auch dem Honorartableau der HUK-Coburg.

Der vorgelegte Prüfbericht der ControlExpert ist nicht geeignet , die Angemessenheit in Frage zu stellen, da die Bewertung per Ferndiagnose und ohne hinreichend tragfähige Anknüpfungstatsachen zum geschätzten Zeitaufwand und damit willkürlich erfolgt; die Anlehnung des Stundensatzes an die Regelungen des JVEG ist nicht angezeigt, da diese sich nur auf gerichtlich bestellte Sachverständige bezieht .

Ob eine andere Berechnungsgrundlage möglich oder wie die Beklagte meint , vorzuziehen ist, kann dahinstehen, als es zu Vortrag der Erkennbarkeit einer objektiv deutlichen Überhöhung – diese mal unterstellt – auf subjektiver Ebene bei der Geschädigten fehlt .

3. Dem Kläger steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der abgerechneten Nebenkosten zu .

Anknüpfend an 2. steht einem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz der tatsächlich entstandenen Nebenkosten zu, wenn und soweit diese nicht deutlich überhöht und der Geschädigten erkennbar sein mussten. Hierzu ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Orientierung anhand der Vorgaben des JVEG im Rahmen des § 287 ZPO anerkannt (BGH vom 26.04.2024, VI ZR 50/15). Hieran orientiert sich auch das hiesige Gericht . Die abgerechneten Nebenkosten entsprechen im Ergebnis den aus Sicht eines durchschnittlichen Unfallbeteiligten erwartbaren Sätzen. Danach ergibt sich zu den beanstandeten Positionen folgendes:

a) Schreibkosten iHv. 21,00 € netto sind als angemessen anzusehen. Nach § 12 (1) Nr. 3
JVEG darf ein Sachverständiger 0,90 € pro Seite bis zum 1.000 Anschlag abrechnen, danach 1,50 € /Seite. (vgl. LG Bremen, Urteil vom 02.09.2016 – 3 S 289/15) . Vorliegend umfasst das Gutachten 22 Seiten . Hieran im Rahmen des § 287 ZPO orientierend sind die abgerechneten Gutachterkosten erstattungsfähig.

b) Die abgerechneten Fahrtkosten sind ebenfalls in der begehrten Höhe von 33,60 € (= 48
Fahrkilometer x 0,70 €) zu erstatten. Eine Fahrtkostenpauschale von 0,70 € netto wird der
Honorarbefragung zugrunde gelegt, ist von der Rspr. so anerkannt – und wird im übrigen von Beklagtenseite der Höhe nach nicht beanstandet -.

Soweit die Beklagte meint, es sei ein Sachverständiger mit kürzerer Anfahrtstrecke auszuwählen und deshalb eine Kürzung um 5,60 € netto – was bei einer Kilometerpauschale von 0,70 € einer Fahrstrecke von 8 km entspricht – vorzunehmen, trifft dies aus Sicht des hiesigen Gerichts bereits im Ausgangspunkt so nicht zu: es gilt der Grundsatz der freien Sachverständigenwahl. Eine Anfahrtstrecke von 24 Fahrkilometern einfach bewegt sich aus Sicht des hiesigen Gerichts jedenfalls im ländlichen Bereich im üblicherweise hinzunehmenden Rahmen; der vorgenommene Abzug von 8 Fahrkilometern erscheint zudem willkürlich. In diesem Kontext möge zudem bedacht werden , dass Unfalltag der 22.12.2023 war: allgemein bekannt ein Freitag vor den Weihnachtsfeiertagen, wegen der ideal anschließenden möglichen Brückentage das Finden eines Gutachters möglicherweise erschwert gewesen sein kann.

II.

Der Anspruch auf Freistellung von den zugesprochenen vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten sowie auf Zinsen ergibt sich aus den 280 (1) , 286 (1) , 288 (1) BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 , 708 Nr. 11 , 711 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24

BGH stärkt Geschädigte: Werkstattrisiko auf Sachverständigenkosten übertragen

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. März 2024 (Az. VI ZR 280/22) befasst sich mit der Übertragung der Grundsätze des Werkstattrisikos auf die Kosten von Kfz-Sachverständigen. Der VI. Zivilsenat hat entschieden, dass die Grundsätze, die für überhöhte Reparaturkosten in Werkstätten gelten, auch auf die Kostenansätze von Sachverständigen anwendbar sind, sofern kein Verschulden des Geschädigten vorliegt.

Das Werkstattrisiko besagt, dass überhöhte Kosten, die durch unsachgemäße oder unwirtschaftliche Arbeitsweise einer Werkstatt entstehen, vom Versicherer des Unfallverursachers zu tragen sind, wenn dem Geschädigten kein Verschulden zur Last gelegt werden kann. Diese Grundsätze wurden nun auf die Kosten von Sachverständigen übertragen.

Auch überhöhte Sachverständigenkosten müssen vom Versicherer getragen werden, sofern der Geschädigte kein Verschulden trifft. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Rechnung bereits vollständig bezahlt wurde oder nicht. Der Versicherer kann jedoch eventuelle Regressansprüche gegen den Sachverständigen vom Geschädigten abtreten lassen.

Das Urteil des BGH vom 12. März 2024 stärkt somit die Position der Geschädigten und trägt zur Rechtssicherheit bei, indem es klare Regeln für die Erstattung von Sachverständigenkosten aufstellt. Diese Regelung schützt die Geschädigten vor unberechtigten finanziellen Belastungen durch überhöhte Sachverständigenrechnungen und stellt sicher, dass der Versicherer des Unfallverursachers die Kosten im Verhältnis zum Geschädigten tragen muss. Gleichzeitig wird durch die Abtretung von Regressansprüchen eine Möglichkeit geschaffen, überhöhte Forderungen direkt beim Sachverständigen geltend zu machen. Diese Entscheidung ist besonders wichtig, da Geschädigte die tatsächlichen Kosten und deren Angemessenheit oft nicht ohne weiteres beurteilen können. Insgesamt stellt das Urteil einen wichtigen Beitrag zur Klärung der Haftungsfragen im Zusammenhang mit überhöhten Sachverständigenkosten dar und berücksichtigt sowohl den Schutz der Geschädigten als auch die Interessen der Versicherer.

Falls jedoch der Sachverständige aus abgetretenem Recht des Geschädigten seine Kosten geltend macht, ist eine vollständige Überprüfung der Kostenrechnung möglich.

BGH-Urteil: BVSK-Honorarbefragung als Schätzgrundlage für Sachverständigenkosten bestätigt

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11.02.2014 (VI ZR 225/13) behandelt die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Das zentrale Thema dieses Urteils ist die Frage, welche Kosten als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gelten und somit vom Schädiger bzw. dessen Versicherung zu tragen sind.

Das Urteil bestätigt, dass der Kläger berechtigt war, einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe zu beauftragen und die dafür angefallenen Kosten von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erstattet zu bekommen. Diese Kosten müssen objektiv erforderlich sein, was bedeutet, dass ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten sie als notwendig ansehen würde.

Der BGH betont, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, vorab eine umfassende Marktanalyse durchzuführen, um den günstigsten Sachverständigen zu finden. Vielmehr darf er den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen beauftragen. Das bedeutet, dass er nicht gezwungen ist, den billigsten Anbieter zu wählen, sondern einen Anbieter, der ihm angemessen erscheint und dessen Kosten im üblichen Rahmen liegen.

Die tatsächliche Rechnungshöhe des Sachverständigen dient als Indiz für die Erforderlichkeit der Kosten. Der BGH stellt klar, dass es für die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO entscheidend ist, dass die Kosten im Rahmen des wirtschaftlich vernünftigen Herstellungsaufwands liegen und den individuellen Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten entsprechen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit der Kosten durch die Beklagte reicht daher nicht aus, um die geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu verwerfen.

Das Gericht erläutert weiter, dass der Geschädigte keine Recherche nach einem günstigeren Sachverständigen anstellen muss, sofern die Kosten im Rahmen der üblichen Honorare liegen. Dies schließt die Nutzung der BVSK-Honorarbefragung als Schätzgrundlage ein, da diese repräsentative Durchschnittswerte für marktübliche Honorare bietet. Nur wenn die Honorarsätze deutlich über den branchenüblichen Preisen liegen, ist der Geschädigte gehalten, einen günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Dies stellt sicher, dass die Kosten für den Schaden in einem angemessenen und wirtschaftlich vernünftigen Rahmen bleiben.

Zusammenfassend stärkte der BGH mit diesem Urteil die Rechte der Geschädigten, indem er festlegte, dass die Beauftragung eines Gutachters und die dabei entstehenden Kosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, solange sie nicht von vornherein als überhöht erkennbar sind. Dies bedeutet, dass der Geschädigte nicht übermäßig sparsam agieren muss, sondern die Kosten, die in seiner Lage vernünftig erscheinen, geltend machen kann.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Angemessenheit der Sachverständigenkosten gemäß BVSK-Honorarbefragung und Honorartabelle der HUK-Coburg bei Schadengutachten nach Verkehrsunfällen

Das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 21. Februar 2024 (23 C 518/23) betrifft die Erstattung von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Im Kern ging es darum, ob die geltend gemachten Kosten für ein Schadengutachten nach einem Verkehrsunfall angemessen und erstattungsfähig sind. Das Gericht bestätigte, dass die Kosten angemessen waren, da sie sich im Rahmen der Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg bewegten. Es wurde entschieden, dass die beklagte Versicherung den restlichen Betrag der Sachverständigenkosten zu zahlen hat.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Vergütungsforderung

hat das Amtsgericht Bautzen […] im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO am 21.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt , an den Kläger 317,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinsssatz hieraus seit dem 22.10.2023 zu zahlen
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 317,46 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 05.09.2023 in Schirgiswalde zugetragen hat. Die 100 %-ige Einstandspflicht der Beklagten für alle unfallbedingten Schäden ist unstreitig.

Gegenstand dieses Rechtsstreits sind allein restliche Sachverständigenkosten in Höhe der
Klageforderung.

In einer Vereinbarung des Geschädigten mit dem Kläger vom 06.09.2023 […] ist – auszugsweise – geregelt

„Aus Anlass des oben beschriebenen Schadenfalles beauftrage ich das oben genannte Kfz-Sachverständigenbüro, ein Gutachten zur Schadenhöhe zu erstellen. Das Sachverständigenbüro berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Schadenhöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg einschließlich Nebenkosten.
Das Kfz-Sachverständigenbüro ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offen zu legen und den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Kfz-Sachverständigenbüros aus dem Sachverständigenvertrag gegen mich nicht berührt.
Es kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet . Eine Inanspruchnahme meinerseits erfolgt nur Zug-um-Zug gegen Rückabtretung der noch offenen Forderung.“

Der Geschädigte beauftragte den Kläger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Dieser fertigte das Gutachten am 13.09.2023 […] und stellte dem Geschädigten hierfür 833,24 € brutto in Rechnung. Die Rechnung beinhaltet folgende Abrechnungspositionen:

Pos Beschreibung / Einzelpreis Gesamtpreis

1. KfZ-Schadensgutachten 1 625,00 € 625,00 €
-Datenerfassung
– Fahrzeugbeschädigungen aufnehmen
– Altschäden fotografieren u. dokumentieren
– Festlegung wirtschaftlichster Reparaturweg
– Erstellung Schadenskalkulation
– Ermittlung Wiederbeschaffungswert

2. Lichtbilder 10 Stück 2,00 € 20,00 €
3. Fahrtkosten 6 Km 0,70 € 4,20 €
4. Schreibkosten (pauschal) 1 21,00 € 21,00 €
5. Porto & Telefon ( pauschal) 1 9,00 € 9,00 €
6. Restwertermittlung 1 pauschal 21,00 € 21,00 €
Gesamtbetrag ohne MwSt. 700,20 €
19 % MwSt 133,04 €
Gesamtbetrag incl. MwSt 833,24 €

Die Beklagte zahlte hierauf bislang 515,78 € .

Der Kläger geht davon aus , dass die abgerechnete Vergütung angemessen , orts- und marktüblich ist, da sowohl von dem Honorartableau der HUK -Coburg ( = 846,09 € ) sowie den Ergebnissen der Honorarbefragung 2020 des BVSK ( Korridor 710,50 € – 780,50 € zzgl. MwSt ) als maßgeblichen Orientierungshilfen gedeckt .

Der Kläger beantragt
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 317,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 22.10.2023 zu zahlen.

Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen

Die Aktivlegitimation wird bestritten: Die Abtretungsvereinbarung sei unwirksam, da gegen das Transparenzgebot verstoßend. Im übrigen seien alle berechtigten Ansprüche mit der vorprozessualen Zahlung abgegolten , der darüberhinausgehende Betrag sei nicht erforderlich iSd. § 249 BGB , wie sich aus dem eigenen Prüfbericht ergebe […] . Das Grundhonorar sei nach tatsächlich angefallenem Zeitaufwand zu ermitteln, wie es z.B. die DEKRA mache, vgl. auch die Stellungnahme der Firma Logicheck […]; hinsichtlich der Nebenkosten sei eine Orientierung am JVEG vorzuziehen. Schreibkosten und Restwertermittlung seien durch das Grundhonorar mit abgedeckt , die Schreibkosten im übrigen übersetzt.

Zum Sach- und Streitstand wird im übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen .

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der restlichen Kosten des
Sachverständigengutachtens in Höhe von weiteren 317,46 € aus den §§ 7 , 18 StVG, 398,
249 S. 2 BGB iVm. § 287 ZPO zu.

1. Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich aus der vom Geschädigten am 06.09.2023 unterschriebenen Abtretungserklärung […]. Anders als die Beklagte meint, verstößt die zur Abtretung getroffenen Regelungen nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 (1) S. 2 BGB. Insbesondere ist diese hinreichend bestimmt: Sie enthält Name und Anschrift des Geschädigten und des Unfallgegners, die Kennzeichennummern des Unfallgegners und die namentliche Nennung der Beklagten als Krafthaftpflichtversicherung mit Versicherungs- und Schadensnummer. Inhaltlich ist klar und an sich unmissverständlich geregelt, dass das
Sachverständigenbüro berechtigt ist , den abgetretenen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen sowie, unter welchen Voraussetzungen der Geschädigte gleichwohl in Anspruch genommen werden kann . Das Gericht teilt im übrigen die Auffassung des Klägervertreters, dass die von der Beklagtenseite zitierten Entscheidungen nicht einschlägig sind.

2. Ob der Herstellungsaufwand erforderlich iSd. § 249 (2) S. 1 BGB ist, bemisst sich nach der gängigen Rechtsprechung zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung danach, ob im Rahmen einer Plausibilitätsbetrachtung das vereinbarte Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist und wenn ja, diese deutliche Überhöhung für den geschädigten Laien erkennbar ist/ sein musste.

Ausgangspunkt für den erforderlichen Herstellungsaufwand ist vorliegend die Honorarvereinbarung, die hierzu korrespondierende, vom Zedenten nicht beglichene Rechnung als auch der Parteivortrag, § 287 ZPO .

Die Parteien haben eine Honorarvereinbarung dahin geschlossen , dass das Sachverständigenbüro sein Honorar in Anlehnung an die Schadenshöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg zzgl. der erforderlichen Nebenkosten abrechnet […].

Das abgerechnete Grundhonorar i.H.v. 743,75 € brutto bewegt sich sowohl im Korridor der Honorartabelle des BVSK wie auch dem Honorartableau der HUK Coburg, mithin mehrerer im Rahmen des § 287 ZPO von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannter Orientierungswerte und Maßstäbe : Auch das hiesige Gericht orientiert sich hieran. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die abgerechnete Vergütung aus Sicht des erkennenden Gerichts keine Bedenken, bereits eine deutliche Überhöhung liegt damit nicht vor. Selbst wenn man dies anders sähe: es fehlt an Vortrag, weshalb das abgerechnete Honorar dem Geschädigten als objektiv deutlich überhöht dem Geschädigten hätte subjektiv erkennbar sein müssen.

Für das erkennende Gericht besteht kein Anlass , bei der Prüfung der Höhe der Gutachterkosten im Rahmen des § 287 ZPO von diesen zulässigen und anerkannten Schätzgrundlagen abzuweichen: Ob eine andere Berechnungsgrundlage, z.B. nach Zeitaufwand, auch möglich oder sogar vorzuziehen sein könnte, kann auch deshalb dahinstehen, als die Erkennbarkeit einer objektiv deutlichen Überhöhung – die hier nicht vorliegt – auf subjektiver Ebene bei dem Geschädigten, der in der Regel abrechnungstechnischer Laie ist, allenfalls bei einem krassen, sich geradezu aufdrängenden Missverhältnis angenommen werden könnte.

3. Dem Kläger steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der abgerechneten Nebenkosten zu .

Auch hinsichtlich der beanstandeten Nebenkosten steht einem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz insoweit zu, soweit sie objektiv nicht deutlich überhöht sind und dies für den Geschädigten subjektiv erkennbar waren. Hierzu ist nach der höchstrichterlichen Rspr. eine Orientierung auch anhand der Vorgaben des JVEG im Rahmen des § 287 ZPO anerkannt (BGH vom 26.04.2016, VI ZR 50/15). Deshalb orientiert sich auch das erkennende Gericht hieran: Die abgerechneten Nebenkosten entsprechen im Ergebnis den insoweit aus Sicht eines durchschnittlichen Unfallbeteiligten erwartbaren Sätzen . Danach ergibt sich folgendes:

a) Die Position Schreibkosten (pauschal) ist iHv. 21,00 € zzgl. MwSt. zu erstatten: Das Gutachten umfasst (ohne Lichtbilder) 12 Seiten. Bei Schreibkosten iHv 1,80 € / Seite (vgl. LG Bremen Urteil vom 02.09.2016 , 3 S 289/15) ist die Höhe der Pauschale im Ergebnis von § 12 (1) S. 2 Nr. 3 JVEG gedeckt.

b) Ebenfalls zu erstatten sind die Kosten der Restwertermittlung iHv 21,00 € zzgl. MwSt : Das Gericht teilt nicht die Rechtsauffassung der Beklagten, dass diese Kosten vom Grundhonorar mit abgedeckt sind . Der Umfang einer Restwertermittlung ist stark abhängig vom jeweiligen Einzelfall und geht über die allgemeine Feststellung eines Fahrzeugschadens hinaus . Abgesehen davon ist für einen Geschädigten nicht erkennbar , dass Restwertermittlungskosten in einem Grundhonorar enthalten sein könnten.

II.

Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus den §§ 280 , 286 , 288 BGB

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 11 , 711 , 713 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23

Angemessenheit der Sachverständigenkosten gemäß BVSK-Honorarbefragung bei Schadengutachten nach Verkehrsunfällen

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Görlitz (AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23) ist die Höhe der erforderlichen Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, wobei für die Höhe der angemessenen Vergütung inklusive der Nebenkosten die BVSK-Honorarbefragung einen üblicher Maßstab darstellt.

Das Gericht stellte fest, dass das vom Kläger geforderte Honorar zuzüglich Nebenkosten für das Schadengutachten im Rahmen der üblichen Vergütungen liegt. Diese Feststellung erfolgt unter Berücksichtigung der Ergebnisse der BVSK-Honorarbefragung. Gemäß § 287 Abs. 1 ZPO wird der Schadensersatzanspruch entsprechend geschätzt.

Durch das Gericht wird hervorgehoben, dass es sachgerecht ist, das Honorar primär an der Höhe des entstandenen Schadens auszurichten. Eine Berechnung des Honorars basierend auf dem Zeitaufwand wird als nicht erforderlich erachtet. Zudem wird angeführt, dass eine solche Berechnung nach Zeitaufwand keine angemessenere Honorarbemessung ermöglichen würde, da der tatsächliche Stundenaufwand oft wenig transparent und sehr individuell variieren kann.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Görlitz […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 13.11.2023

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 130,97 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2023 zu zahlen. […]
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 130,97 EUR festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist bis auf einen Teil der Nebenforderungen begründet.

Der Kläger hat aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf eine noch offene Restforderung in Höhe von 130,97 EUR für die Kosten seines Gutachtens, als Teil des abgetretenen Schadensersatzanspruchs der Geschädigten, Frau Reinsch, für den beim Verkehrsunfall am 03.05.2022 in Görlitz entstandenen Schaden, für den die Beklagte unstreitig haftet.

Nachdem die ursprüngliche Abtretung noch wegen unwirksamer Klausel angegriffen worden war, ist die Beklagte der Wirksamkeit der neuen Abtretung nicht mehr entgegengetreten.

Soweit die Beklagte die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenrechnung angreift, dringt sie damit nicht durch. Das vom Kläger geltend gemachte Honorar nebst Nebenkosten bewegt sich bei der hier vorliegenden Schadenshöhe im Bereich üblicher Vergütungen unter Berücksichtigung der BVSK-Befragung, so dass die Höhe des Schadensersatzanspruchs gemäß § 287 Abs.1 ZPO entsprechend geschätzt werden kann. Es ist sachgerecht und nicht zu bestanden, dass sich das Honorar dabei insbesondere nach der Schadenshöhe orientiert. Eine Orientierung am Zeitaufwand ist demgegenüber nicht erforderlich und ermöglicht auch keine angemessenere Honorarberechnung, da der Stundenaufwand – wenig transparent – auch sehr individuell anfallen kann. […]“

AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23

Beitragsbild: fiktives, mit DALL·E 3 erstelltes Bild

Sachverständigenkosten für die Erstellung eines Schadengutachtens nach einem Verkehrsunfall im Sinne der BVSK-Honorarbefragung sind angemessen

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Pirna (AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23) ist die Höhe der erforderlichen Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, soweit der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen nicht vollständig beglichen ist.

Das Urteil behandelt die Frage der Erstattungsfähigkeit von Gutachterkosten nach einem Verkehrsunfall, bei dem die Haftung der Beklagten grundsätzlich feststeht. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Gutachterkosten gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB. Da die Rechnung für das Gutachten vom Kläger nicht (vollständig) bezahlt wurde, prüft das Gericht die Angemessenheit der Kosten nach § 287 ZPO. Es orientiert sich dabei an der BVSK-Honorarbefragung, die vom Bundesgerichtshof als zulässige Schätzgrundlage anerkannt wurde. Die Beklagte hatte argumentiert, dass die BVSK-Honorarbefragung nicht geeignet sei, die Angemessenheit der Kosten zu überprüfen, was das Gericht jedoch zurückweist. Das Gericht stellte zudem fest, dass auch die Nebenkosten erstattungsfähig sind. Es orientiert sich dabei ebenfalls an der BVSK-Honorarbefragung. Die Beklagte hatte die Erstattungsfähigkeit der Nebenkosten in Frage gestellt. Schlussendlich hat die Beklagte auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 255 BGB. Eine analoge Anwendung dieses Paragraphen scheidet aus, da die Sachverständigenkosten nicht dem sogenannten Werkstattrisiko unterliegen, das bei Reparaturkosten relevant wäre.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]
Inhaber des Kfz-Sachverständigenbüros […]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Pirna […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 01.09.2023

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 257,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 25.5.2023 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 257,58 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe

I.

Die Parteien streiten um weitere Schadensersatzansprüche – konkret: Gutachterkosten – nach einem Verkehrsunfall und bei dem Grunde nach unstreitiger Haftung der Beklagten.
Die zulässige Klage ist begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von restlichen Gutachterkosten in Höhe von EUR 257,58 gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB.

a) Die – abgesehen vom Stichwort „hinreichende Bestimmbarkeit“ nicht näher begründeten – Zweifel der Beklagten an der Aktivlegitimation des Klägers vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Die […] vorliegende Abtretungserklärung ist hinreichend bestimmt, da die anzutretende Forderung – nämlich der Schadensersatzanspruch aus dem Unfallereignis, soweit er auch Ersatz der Kosten des Gutachtens gerichtet ist – ohne weiteres identifizierbar ist.

b) Die nach § 249 Abs. 1 BGB geschuldete Wiederherstellung des ohne das Schadensereignis bestehenden Zustands umfasst nach einem Verkehrsunfall regelmäßig auch die Erstellung eines entsprechenden Unfallgutachtens, da dem Geschädigten die Weiterverfolgung seiner rechtlichen Ansprüche ohne ein solches Gutachten regelmäßig nicht möglich wäre.

Anders als bei Reparaturkosten liegt bei Gutachterkosten nur im Falle einer durch den Schädiger bereits bezahlten Rechnung ein Indiz für die Angemessenheit der ausgewiesenen Kosten vor (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2016, Az. VI ZR 491/15). Die Beklagte hat die Zahlung der Rechnung durch den Kläger bestritten, dieser hat keinen entsprechenden Beweis angeboten, womit von einer noch nicht bezahlten Rechnung auszugehen war. Dies führt dazu, dass das Gericht die streitigen Kosten am Maßstab des § 287 ZPO zu prüfen hat.

c) Im Rahmen der Prüfung der Höhe der Gutachterkosten gemäß § 287 ZPO orientiert sich das hiesige Gericht grundsätzlich am Maßstab der BVSK-Honorarbefragung, welche vom Bundesgerichtshof wiederholt als zulässige Schätzgrundlage bestätigt wurden (vgl. etwa NJW 2014, 1947). Dabei gilt allerdings, dass abgerechnete Sachverständigenkosten, die höher liegen als die BVSK Sätze, nicht zwingend mit einem Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gleichzusetzen sind (BGH, NJW 2014, 1947).

Dass sich die vom Gutachter abgerechneten Kosten im Rahmen der BVSK-Honorarbefragung halten, steht zwischen den Parteien letztlich nicht in Streit. Die Beklagte ist jedoch der Ansicht, dass die BVSK-Honorarbefragung grundsätzlich kein geeignetes Mittel sei, um die Angemessenheit der Sachverständigenkosten zu überprüfen. Dies schon deshalb, weil nach Ansicht der Beklagten der Zeitaufwand und nicht die Schadenshöhe die maßgebliche Bemessungsgrundlage darstellen sollte. Die Beklagte verweist diesbezüglich auch auf die Abrechnungspraxis zum JVEG.

Mit dieser Argumentation kann die Beklagte im Ergebnis nicht durchdringen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die BVSK-Honorarbefragung sehr wohl als taugliche Schätzgrundlage ansieht (vgl. etwa BGH NJW 2014, 1947). Zwar ist es zutreffend, dass dem erkennenden Gericht damit gleichwohl die Möglichkeit offen bleibt, auch andere Grundlagen zur Ermittlung der Gutachterkosten heranzuziehen. Auch der Zeitaufwand – gegebenenfalls ohne Berücksichtigung der Schadenshöhe – wäre somit potenziell eine mögliche Grundlage für die Prüfung am Maßstab des § 287 ZPO.

Das hiesige Gericht sieht allerdings im Rahmen seines gemäß § 287 ZPO eröffneten Ermessens von dieser Möglichkeit ab und verbleibt bei der Orientierung an der BVSK-Honorarbefragung. Gegen die Orientierung allein am Zeitaufwand spricht im Vergleich zu einer Orientierung an der BVSK-Honorarbefragung vor allem, dass der erforderliche Zeitaufwand regelmäßig nicht ohne weiteres festzustellen ist. Die Parteien, insbesondere die beklagte Partei, kann hierzu regelmäßig maximal eine Einschätzung abgegeben. Diese Einschätzung müsste – sofern man denn tatsächlich allein nach Maßgabe des Zeitaufwandes vorgehen wollte – regelmäßig aber noch im Rahmen eines gerichtlich einzuholenden Sachverständigengutachtens überprüft werden. Gleiches würde auch in Bezug auf den anzusetzenden Stundensatz des Gutachters gelten. Ein solches Vorgehen ist ersichtlich weitaus weniger prozessökonomisch als die Orientierung an der vom Bundesgerichtshof wiederholt bestätigten BVSK-Honorarbefragung.

d) Dass sich die hier konkret abgerechneten Nebenkosten im Rahmen der nach BVSK-Honorarbefragung anzusetzenden Kosten halten, ist zwischen den Parteien unstreitig.

e) Dem Kläger steht dabei auch ein Anspruch auf Ersatz der abgerechneten Nebenkosten zu. Zwar hat der Geschädigte mit dem Gutachter keine ausdrückliche Vereinbarung über die Nebenkosten und deren konkrete Höhe geschlossen.

Allerdings handelt es sich bei den typischerweise als Nebenkosten abgerechneten Tätigkeiten für KfZ-Gutachten um Leistungen, welche im Regelfall nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Nach § 631 Abs. 1, 2 BGB ist in einem solchen Fall die übliche Vergütung zu leisten, wobei die durch das Gericht gemäß § 287 ZPO zu schätzen ist. Auch hier orientiert sich das Gericht erneut an der BVSK-Honorarbefragung.

Im Übrigen soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen zur Schätzung der Gutachterkosten nach der BVSK-Honorarbefragung insbesondere auch hinsichtlich der Nebenkosten von einer Orientierung an den eben für diese Nebenkosten in der BVSK-Honorarbefragung aufgeführten Sätzen ausgeht (vgl. etwa NJW 2014, 1947). Soweit ersichtlich, lag auch in dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes keine ausdrückliche Abrede hinsichtlich der Nebenkosten vor. Die Rechtsauffassung der Beklagten zur Nichterstattbarkeit der Nebenkosten mangels ausdrücklicher Abrede überzeugt (auch deshalb) nicht.

Soweit die Beklagte die Höhe einzelner Nebenkosten angreift, dringt sie im Ergebnis nicht durch. Wie bereits oben dargelegt, orientiert sich das Gericht – im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – an der BVSK-Honorarbefragung und den dort vorgesehenen Sätzen. Dass diese im konkreten Fall nicht wesentlich überschritten sind, ist unstreitig.

Soweit die Beklagte sich gegen die Erstattbarkeit einzelner Kategorien von Nebenkosten – beispielsweise Schreibkosten oder Kosten für Fotokopien – bereits dem Grunde nach richtet, dringt sie auch damit nicht durch. Im Wesentlichen führt die Beklagte hierzu allgemein aus, dass und warum die Erbringung oder zumindest Abrechnung entsprechender Leistungen nicht mehr zeitgemäß sei. Es ist allerdings schon nicht substantiiert vorgetragen worden, dass entsprechende Leistungen auch im konkreten Fall nicht erbracht worden seien.

2. Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nach § 255 BGB besteht nicht. § 255 BGB ist unmittelbar schon deshalb nicht anwendbar, sofern die abzutretenden Ansprüche sich aus einem selbstständigen, mit einem Dritten abgeschlossenen Vertrag über die jeweilige Sache – hier das zu begutachtende Fahrzeug – ergeben (BeckOK BGB, § 255, Rn. 38).

Auch eine analoge Anwendung – wie sie insbesondere bei Ansprüchen auf Ersatz von Reparaturkosten teilweise erwogen wird – scheidet aus. Beim Ersatz von Reparaturkosten gilt zu Lasten des Schädigers bzw. dessen Versicherung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum sogenannten Werkstattrisiko. Dem Schädiger ist es deshalb letztlich versagt, im Verhältnis zum Geschädigten eine objektive Prüfung der Erforderlichkeit der Reparaturkosten vorzunehmen. Gegenüber der Werkstatt dürfte der Schädiger eine entsprechende objektive Überprüfung aber veranlassen und muss daher die Möglichkeit behalten, nach Befriedigung des Geschädigten gegen die Werkstatt vorzugehen.

Das gilt nicht in gleicher Weise für die hier streitgegenständlichen Sachverständigenkosten. Sofern nur die Höhe der konkret abgerechneten Kosten in Streit steht, werden diese vom Gericht unabhängig von der Parteienkonstellation nach Maßgabe von § 287 ZPO geschätzt. Jedenfalls wenn – wie auch hier – kein Rückgriff auf den subjektiven Maßstab des Geschädigten hinsichtlich der subjektiven Erkennbarkeit der objektiv möglicherweise überhöhten Nebenkosten erfolgt, besteht kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung von § 255 BGB.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.“

AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23

Zum Umfang der Erstattung von Sachverständigen- und Mietwagenkosten

Durch das Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17) wurde entschieden, dass höhere Anfahrtskosten für einen Sachverständigen nicht erstattet verlangt werden können, wenn zugleich ein deutlich näher gelegener Sachverständiger mit der Erstellung eines Schadengutachtens beauftragt werden konnte. Zugleich wurde durch das Amtsgericht Bautzen entschieden, dass bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für die Reparaturdauer nicht die Schwacke-Liste, sondern der „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ Maßstab ist, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Beschädigung des Fahrzeugs und der Anmietung des Ersatzfahrzeugs ausreichend Zeit für Recherchen zu den Kosten eines Mietwagens bestand.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Die Beklagte schuldet der Klägerin gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i.V.m. §§ 249 ff, § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Nr. 3, § 187 Abs. 1 BGB restlichen Schadensersatz für Reparaturkosten in Höhe von 117,51 €, Mietwagenkosten in Höhe von 119,04 € und vorprozessuale Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 78,90 €, jeweils nebst Verzugszinsen. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht.

1. Aus der Gutachterrechnung über 740,78 € hat die Beklagte einen Teilbetrag von 44,62 € nicht ersetzt. Zu einer entsprechenden Kürzung war sie schon wegen der von der Sachverständigen geltend gemachten Fahrtkosten berechtigt.

Bei der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung bedient sich das erkennende Gericht in Bezug auf die erforderlichen Nebenkosten bei einem Gutachtenauftrag der Methode des LG Saarbrücken (Urteil vom 19.12.2014 – 13 S 41/13, zitiert nach juris), die der Bundesgerichtshof (Urteil vom 26.04.2016 – Vl ZR 50/15, zitiert nach juris) ausdrücklich gebilligt hat. Hiernach kann bei der Beurteilung von Fahrtkosten eines Sachverständigen auf der Grundlage der von verschiedenen Anbietern erstellten Autokostentabellen ein Kilometersatz bis zu 0,70 € als noch erforderlich angesehen werden (LG Saarbrücken a.a.0., Rn. 40).

Das beschädigte Fahrzeug der Kläger wurde nach dem Verkehrsunfall in eine Werkstatt an ihrem Wohnsitz Kamenz verbracht. Dort erfolgte am 06.05.2015, also einen Tag nach dem Unfall, die Besichtigung durch den von der Klägerin beauftragten Sachverständigen. lm Umkreis von wenigen Kilometern zu dieser Werkstatt haben mehrere Sachverständige ihren Sitz. So liegt beispielsweise die örtliche Kfz-Prüfstelle der DEKRA Automobil GmbH ausweislich des vom Gericht benutzten Internet-Routenplaners weniger als 200 Meter von der Werkstatt entfernt. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot war die Klägerin gehalten, einen Sachverständigen in Werkstattnähe zu beauftragen, anstatt – wie geschehen – eine Sachverständige aus Wilsdruff hinzuzuziehen, die ihr Büro in einer Entfernung von rund 55 Straßenkilometern zu der Werkstatt unterhält.

Hätte sich die Klägerin eines Sachverständigen aus der Umgebung der Werkstatt bedient, so wären Fahrtkosten von bis 8,33 € brutto (2 x 5 km x 0,70 €/km x 1,19) erforderlich gewesen. Demgegenüber stellte ihr die Sachverständige aus Wilsdruff für ihre Hin- und Rückreise 59,50 € (50,00 € x 1,19) in Rechnung. Die von der Klägerin selbst verursachten Mehrkosten von 51,17 € (59,50 € – 8,33 €) übersteigen den auf restliche Sachverständigenkosten entfallenden Teil der Klageforderung von 44,62 €.

2. Wegen der ihr in Rechnung gestellten Reparaturkosten von 4.765,44 € steht der Klägerin noch ein Ersatzanspruch in Höhe von 117,51 € zu.

Aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Rechnungen der Autolackiererei […], deren Echtheit die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat, ist das Gericht davon überzeugt, dass die in der Reparaturrechnung der Werkstatt ausgewiesene Position „Fahrzeugverbringung“ (zum Lackierer) tatsächlich angefallen ist. Den insoweit angegebenen Einzelpreis schätzt der Sachverständige Dipl.-lng. (FH) […] R[…] als ortsüblich ein. Gleiches trifft nach seiner Einschätzung auf den Einzelpreis der Position „Reiniger“ zu, wobei Hilfs- und Betriebsstoffe dieser Art nicht Bestandteil der Hauptarbeiten und daher nicht in anderen Rechnungspositionen enthalten seien.

Hingegen hat der Sachverständige dem von der Klägerin vorprozessual eingeholten Gutachten zur Feststellung der Beschädigungen und Ermittlung des Reparaturaufwands keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen können, dass die Ansetzung der Position „Anbauteile für Instandsetzung und/oder Lackierung“ in der Reparaturrechnung der Werkstatt objektiv veranlasst gewesen sei. lm beschädigten Bereich des Fahrzeugs befindliche Fremdteile, wie Antennen, Zerleisten oder ähnliches, die auszubauen und wieder einzubauen seien, seien dort nicht aufgeführt.

Gegen den die Reparaturrechnung betreffenden Teil des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-lng. (FH) […] R[…] haben weder die Klägerin noch die Beklagte Einwendungen erhoben. Auch für das Gericht sind insoweit keine Fehler erkennbar. Daher ist von den seitens der Beklagten beanstandeten Rechnungspositionen lediglich die letztgenannte Position mit einem Einzelpreis von 24,00 € netto (28,56 € brutto) zur Schadensbeseitigung nicht erforderlich gewesen. Der Klägerin stehen daher noch 117,51 € (146,07 € – 28,56 €) zu.

3. Ersatz für Mietwagenkosten kann die Klägerin noch in Höhe von 119,04 € verlangen.

a) Als Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Kraftfahrzeugs kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand grundsätzlich den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtliche relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (std. Rspr. des BGH, vgl. etwa Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 563/15, Rn. 6 m.w.N., zitiert nach juris). Insoweit müssen Feststellungen zur Erforderlichkeit eines „Unfallersatztarifs“, der gegenüber dem „Normaltarif“ teurer ist, (nur) dann erhoben werden, wenn der Geschädigte Umstände vorträgt, die mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Unfallsituation einen höheren Preis rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 139/08, Rn. 10 f., zitiert nach juris). Beschränkt der Geschädigte sich hingegen – wie hier der Kläger – auf die Geltendmachung von Mietwagenkosten zum „Normaltarif“, so kann das Gericht diesen anhand geeigneter Listen oder Tabellen gemäß § 287 ZPO schätzen (vgl. BGH a. a. O., Rn. 25 m.w.N.). Zu diesen geeigneten Schätzgrundlagen gehört das gewichtete Mittel des der auf den Unfallzeitpunkt bezogenen „Schwacke-Liste“ ebenso wie der entsprechende Mittelwert des „Fraunhofer Mietpreisspiegels“ (BGH a. a. O., Urteil vom 12.04.2011 –
Vl ZR 300/09, Rn. 18, zitiert nachjuris).

b) Das erkennende Gericht zieht in seiner ständigen Verfahrenspraxis die „Schwacke-Liste“ – entsprechend der ihr zugrunde liegenden Erhebungsmethode – in denjenigen Fällen heran, in denen das Fahrzeug des Geschädigten aufgrund des Unfalls nicht mehr betriebs- und verkehrssicher war, er also zur lückenlosen Erhaltung seiner Mobilität sofort auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen war, und ein solches binnen weniger Stunden nach dem Unfall auch tatsächlich anmietete. lm Streitfall hingegen ereignete
sich der Unfall am 05.05.2015, während die Anmietung und Übergabe des Ersatzfahrzeugs erst am 16.05.2015 erfolgte. Die Klägerin halte somit ausreichend Zeit, sich über das Internet oder per Telefon nach Vermietungsangeboten in Kamenz oder im benachbarten Bautzen zu erkundigen. Hierzu war sie als Geschädigte schon im eigenen Interesse im Hinblick auf die durch § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogene Grenze der Erstattungsfähigkeit auch gehalten (vgl. BGH Urteil vom 14.10.2008 – VI ZR 308/07, Rn. 17, zitiert nach juris). In solchen Fällen stellt das erkennende Gericht – ebenfalls entsprechend der zugrundeliegenden Erhebungsmethode – auf den „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ ab. Dabei zieht es die dortigen Ergebnisse der lnterneterhebung (nach Schwacke-Klassifikation) – statt der Ergebnisse der telefonischen Erhebung – heran. Zum einen kommt der zweistellige Postleitzahlbereich den tatsächlichen Verhältnissen am Wohnsitz des Geschädigten und in dessen Umgebung näher, als der einstellige Postleitzahlbereich, an den die Ergebnisse der telefonischen Erhebung anknüpfen. Zum anderen muss dem Geschädigten der Nachweis möglich bleiben, dass ihm im Zeitpunkt der Anmietung kein günstigerer Tarif als der von ihm in Anspruch genommene zugänglich war; dieser Nachweis kann von ihm anhand einer dokumentierten lnternet-Recherche einfacher geführt werden als mit Hilfe von selbst erstellten Telefonprotokollen und/oder der Vernehmung der Telefongesprächspartner als Zeugen.

c) In der „Schwacke-Liste“ sind bestimmte Nebenkosten, die über die dort ausgewiesenen Mietpreise hinaus anfallen können, gesondert ausgewiesen. In den Mietpreisen, die im „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ ausgewiesen sind, ist zwar die „marktübliche Haftungsreduzierung“ enthalten. Den Erläuterungen hierzu ist jedoch zu entnehmen, dass damit eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von mindestens 750,00 € bezeichnet ist. Hat der Geschädigte bei der Anmietung des Ersatzfahrzeugs für eine Vollkaskoversicherung mit einer niedrigeren oder gar ohne Selbstbeteiligung optiert, so ist auch auf den Mietpreis nach dem „Frauenhofer-Mietpreisspiegel“ ein entsprechender Zuschlag vorzunehmen. Denn ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Vollkaskoschutz besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das Fahrzeug des Geschädigten in gleicher Weise versichert war, wenn er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2005 – Vl ZR 74/04, zitiert nach juris). Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ergibt sich ein erhöhtes wirtschaftliches Risiko schon daraus, dass der Geschädigte mit den Eigenschaften des angemieteten Ersatzfahrzeugs, wenn nicht ausnahmsweise typengleich, nicht in der gleichen Weise vertraut ist, wie mit denjenigen seines eigenen Fahrzeugs. Angefallene Nebenkosten für die Vereinbarung einer Haftungsbefreiung sind daher grundsätzlich – so auch hier bei der Anmietung eines PKW Mini One vom 16.05. bis 22.05.2015 und eines PKW BMW X1 1.8i vom 22.05. bis 26.052015, bei denen es sich um andere Fahrzeugtypen handelte – erstattungsfähig. Als Vergleichsmaßstab sind insoweit die Werte aus der Nebenkostentabelle der „Schwacke-Liste“ heranzuziehen, da der „Fraunhofer- Mietpreisspiegel“ solche nicht ausweist.

d) Auch in Bezug auf die Nebenkosten, die die Autovermieterin der Klägerin für die Gestattung eines Zweitfahrers in Rechnung stellte, wendet das erkennende Gericht bei der Vergleichsbetrachtung die Nebenkostentabelle der „Schwacke-Liste“ an.

e) Vom Grundpreis (Fahrzeugmiete ohne Nebenkosten) ist- ebenfalls im Wege der Schätzung (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010 – \/I ZR 139/08, Rn. 20 m.w.N., zitiert nach
juris) – eine Eigenersparnis des Geschädigten i.H.v. 10 % abzusetzen.

f) Das Gericht sieht die von der Klägerin geltend gemachte Mietdauer von 11 Tagen als
erforderlich an.

Die Reparatur wurde unstreitig vom 18.05.2015, einem Montag, bis zum 23.05.2015, dem Samstag vor Pfingsten, ausgeführt. Diese sechs Tage lässt die Beklagte als erforderlich gegen sich gelten. Das Gericht schenkt jedoch den Angaben der Klägerin, wonach ihr eine Abholung des reparierten Fahrzeugs erst nach Pfingsten, mithin am 26.05.2015, möglich war, Glauben. Plausibel ist ferner, dass die Klägerin das beschädigte Fahrzeug bereits am Samstag, dem 16.05.2015, in der Werkstatt abgeben musste, um am Montag, dem 18.05.2015, ohne Umweg über die Werkstatt zu ihrer Arbeitsstätte in Dresden fahren zu können.

g) Nach den vorstehenden Grundsätzen ergibt sich für den Streitfall folgende Vergleichsberechnung:

Die tatsächliche (und notwendige) Mietdauer betrug 11 Tage. Deshalb ist der durchschnittliche Tagespreis dem Mittelwert der Ergebnisse der lnterneterhebungen für den – dort längsten – Zeitraum von sieben Tagen zu entnehmen. Das beschädigte Fahrzeug des Klägers ist der Fahrzeugklasse 5 nach der Schwacke-Klassifikation zuzuordnen. Daraus ergibt sich, bezogen auf den „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ für das (Unfall-)Jahr 2015 – die Beklagte bezieht sich hingegen unzutreffender Weise auf denjenigen für das Jahr 2016 – im Postleitzahlgebiet 01 ein Grundpreis von 32,97 € pro Tag. Bei 11 Tagen beträgt der Grundpreis somit 362,67 €. Hiervon ist eine Eigenersparnis von 36,27 € (362,67 € x 10 %) abzusetzen. Hinzu treten wiederum Nebenkosten für die Haftungsreduzierung in Höhe von 242,00 € (22,00 € pro Tag x 11 Tage) und für einen Zusatzfahrer in Höhe von 132,00 € (12,00 € pro Tag x 11 Tage), mithin von insgesamt 374,00 €. Die erstattungsfähigen Mietwagenkosten betragen demnach 700,40 € (362,67 € – 36,27 + 374,00 €). Dem steht eine Zahlung der Beklagten von 581,36 € gegenüber, so dass sich ein offener Anspruch von 119,04 € ergibt.

h) Den Nachweis, dass ihr ein günstiger Tarif als die in Rechnung gestellten 1.463,70 €
nicht zugänglich war, hat die Klägerin nicht geführt.

Mangels eigener Erkundigungen im Zeitraum zwischen dem Verkehrsunfall und der Anmietung des Ersatzfahrzeugs hat die Klägerin im Rechtsstreit weder mit einer dokumentierten Internet-Recherche noch mit Telefonprotokollen und/oder einem Antrag auf Vernehmung von Telefongesprächspartnern als Zeugen aufwarten können. Das Gericht hat daher den Sachverständigen Dipl.-lng. (FH) […] R[…] damit beauftragt, bei gewerblichen Autovermietern sowie Autowerkstätten in den Städten Bautzen und Kamenz Auskunft darüber einholen, zu welchen Preisen sie im (Unfall-)Jahr 2015 Mietfahrzeuge der Mietwagenklasse 5 (nach der Schwacke-Klasseflkation), einschließlich Zusatzfahrergestattung und Haftungsreduzierung (CDW), bei einer Mietdauer von 11 Tagen angeboten haben.

Der Sachverständige hat zunächst eine Erhebungsmethode angewandt, die derjenigen
gleicht, die der „Schwacke-Liste“ zugrunde gelegt ist: Er hat unter Offenlegung des Anlasses der Erhebung elf Autovermieter in Kamenz und Bautzen schriftlich um Auskunft zu entsprechenden Vermietungsangeboten gebeten. Hiervon haben sieben Autovermieter geantwortet. Keiner von diesen konnte (oder wollte) auf das Jahr 2015 bezogene Angaben machen. Einheitlich war jedoch ihre Einschätzung, dass die Mietpreise aufgrund der vorhandenen Vertragsbindungen zu einzelnen Versicherern tendenziell gleich geblieben oder eher gesunken seien. Die gemeldeten Gesamtpreise wiesen eine Spannbreite von 618,76 € bis 1.475,10 € auf. Der Mittelwert aus allen Meldungen betrug 1.044,50 €. Es wäre der Klägerin also möglich gewesen, ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug mit entsprechender Ausstattung zu einem Mietpreis zu erhalten, der unterhalb des ihr in Rechnung gestellten Preises lag.

Freilich geht der auf die vorbezeichnete Weise ermittelte Mittelwert von 1.044,50 € über die vorstehend anhand des „Fraunhofer-Mietpreisspiegels“ und der Nebenkostentabelle der „Schwacke-Liste“ ermittelten erforderlichen Mietwagenkosten, bestehend aus einem Grundpreis von 362,67 € und Nebenkosten von 374,00 €, hinaus. Daher hat das Gericht den Sachverständigen auch damit beauftragt, über das Internet aktuelle Angebote zu den gleichen Bedingungen einzuholen. Die insoweit angestellten Ermittlungen haben Vermietungsangebote hervorgebracht, die bei 552,92 € beginnen und bis zu 714,37 € reichen. Selbst das höchste Angebot bleibt also hinter der Summe aus den zwei vorbezeichneten Preiskomponenten zurück. Dass sich auf das Unfalljahr 2015 bezogene Vermietungsangebote, die möglicherweise höher lagen, über das Internet heute nicht mehr recherchieren lassen, geht zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin.“

AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17