Eine Behörde kann von einem Unternehmer, der im Namen für ein ausländisches Speditionsunternehmen in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg (VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12) kann eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen für ein ausländisches Speditionsunternehmen in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen.

Urteile, wonach eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen für ein ausländisches Speditionsunternehmen in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen kann:
VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 589/12; VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 588/12; VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Im Namen des Volkes
Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

T[…],

vertreten durch den Inhaber […],

[…]

– Klägerin –

prozessbevollmächtigt:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstr. 15, 02625 Bautzen, Az: […]

gegen

Land Baden-Württemberg,

dieses vertreten durch das Regierungspräsidium Freiburg,

– Landespolizeidirektion –

[…]

– Beklagter –

wegen Gebühren

hat das Verwaltungsgericht Freiburg – 3. Kammer – durch den Richter am Verwaltungsgericht […] als Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung

vom 29. Januar 2013

für Recht erkannt:

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.08.2013 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Das vom Kläger betriebene Unternehmen unterstützt Speditionen bei der Durchführung von Großraum- und Schwertransporten sowie von Transporten gefährlicher oder gefährdeter Güter auf der Straße in Deutschland. Seine Dienstleistungen werden auch von ausländischen Speditionen in Anspruch genommen, die mit den Rechtsverhältnissen in Deutschland und den bei der Stellung der jeweils erforderlichen Anträge zu beachtenden Anforderungen nicht ausreichend vertraut sind.

Auf Antrag des Klägers erteilte die Stadt Bautzen am […].2012 die Erlaubnis gemäß § 29 Abs. 3 StVO sowie eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StVO zur Durchführung eines Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ von S[…] nach F[…]. Der Großraum und Schwertransport fand tatsächlich am 31.07.2012/01.08.2012 statt.

Mit Bescheid vom 03.08.2012 setzte das Regierungspräsidium Freiburg – Landespolizeidirektion – gegen den Kläger für die Begleitung des Großraum- und Schwertransports am 31.07.2012 von S[…] bis zur Autobahnanschlussstelle L[…] gestützt auf die Verordnung des Innenministeriums über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Innenministeriums und des Landesbeauftragten für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich – GebVO IM – vom 12.07.2011 eine Gebühr i. H. v. insgesamt 83 € fest, und zwar gestützt auf Nr. 15.1.1 des zugehörigen Gebührenverzeichnisses über 25 € für die Planung und Vorbereitung der polizeilichen Begleitung des Großraum- und Schwertransports sowie nach Nr. 15.1.2 des Gebührenverzeichnisses über 58 € für die tatsächliche polizeiliche Begleitung (2 x 29 € je angefangene Halbestunde und eingesetztem Beamten).

Der Kläger hat am 07.08.2012 verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Er macht geltend, er habe die polnische Spedition nur bei der Einholung der für den Großraum- und Schwertransport erforderlichen Genehmigung unterstützt. Mit deren Erteilung durch die Stadt Bautzen sei seine Tätigkeit beendet gewesen. Für die eigentliche Durchführung des Transports sei der Disponent der polnischen Firma verantwortlich gewesen, der auch die erforderliche Polizeibegleitung beantragt habe. Er, der Kläger, sei weder über den Zeitpunkt noch die konkreten Umstände des Großraum- und Schwertransports informiert gewesen. Daher sei er auch nicht Schuldner der Gebühren für die Planung, Vorbereitung und Durchführung des Polizeieinsatzes zu dessen Begleitung. Insbesondere sei ihm diese öffentliche Leistung nicht im Sinne des allenfalls in Betracht kommenden §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 LGebG zuzurechnen. Die Stellung des Antrags auf Erteilung der erforderlichen Genehmigung bei der Stadt Bautzen reiche für die Zurechnung nicht aus. Bei einfacher gelagerten Sachverhalten werde der Antrag von einem Mitarbeiter des Speditionsunternehmens gestellt. Diesem würden die Gebühren für die Polizeibegleitung auch nicht auferlegt. Für ihn, den Kläger, könne nichts anderes gelten. – Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Freiburg habe er in dem Antrag auf Erteilung der Genehmigung für den Großraum- und Schwertransport auch nicht die Übernahme der Haftung für dadurch verursachte Schäden erklärt. Bei der Haftungserklärung im Antrag sei er – wie auch sonst – als bevollmächtigter Vertreter der polnischen Spedition tätig geworden. Er sei deren Gehilfe gewesen und nicht als Bürge für eine ausländische Spedition aufgetreten, denn anderenfalls wäre er unübersehbaren Haftungsansprüchen ausgesetzt, auf die er keinen Einfluss habe. – Schließlich sei es auch ermessensfehlerhaft, anstelle der ebenfalls in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen polnischen Spedition ihn zur Zahlung der Gebühren zu verpflichten. Der Beklagte wolle damit nur die öffentliche Aufgabe der Gebührenbeitreibung auf ihn als Privaten abwälzen. Im Falle von Zweifeln an der Solvenz der polnischen Spedition bzw. der Durchsetzbarkeit der Gebührenforderung auf dem Rechtsweg könne das Regierungspräsidium Freiburg einen Vorschuss verlangen. Dessen Berechnung sei leicht möglich, weil die Fahrstrecke in der Genehmigung des Großraum- und Schwertransports festgelegt sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.08.2012 aufzuheben.

das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Gemäß §§ 1 Abs. 1 PolG, 1, 2, 4 und 5 LGebG i. V. m. Nr. 15.1.1 und 15.1.2 der GebVO IM sei für die Planung, Vorbereitung und Durchführung des Polizeieinsatzes zur Begleitung des Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ zu Recht eine Gebühr i. H. v. 89 € gegen den Kläger festgesetzt worden. Diese öffentliche Leistung sei dem Kläger auch individuell zurechenbar i. S. d. § 2 Abs. 3 LGebG. Weil er die zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten erforderliche Erlaubnis für ausländische Speditionen gewerbsmäßig beantrage, habe er ein eigenes wirtschaftliches Interesse an ihrer polizeilichen Begleitung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei jedes materielle oder immaterielle Interesse ausreichend. Die Voraussetzungen für die individuelle Zurechenbarkeit aus § 2 Abs. 3 Satz 1 LGebG seien daher zweifellos gegeben, zumal der Kläger durch die polizeiliche Begleitung des Groß- und Schwertransports auch individuell begünstigt werde. Ohne den vom Kläger bei der Stadt Bautzen gestellten Antrag, wäre die hier abgerechnete öffentliche Leistung auch nie erbracht worden. Mithin habe sie der Kläger durch den Antrag erst ausgelöst und damit auch i. S. d. § 2 Abs. 3 Satz 2 LGebG. verantwortlich veranlasst. – Der Kläger bilde mit der Spedition auch funktional eine Einheit. Denn mit dem Antrag bei der Stadt Bautzen habe er die Übernahme der Haftung für alle durch den Groß- und Schwertransport verursachten Schäden übernommen. Die polnische Spedition habe zwar vor der Durchführung des Transports bestätigen müssen, dass sie von allen Bedingungen und Auflagen der Großraum- und Schwertransporterlaubnis Kenntnis genommen habe. Dadurch werde der Kläger von seinen Pflichten jedoch nicht entlastet. – Das Regierungspräsidium Freiburg sei auch nicht verpflichtet gewesen, im Rahmen des ihm in § 5 Abs. 2 LGebG eingeräumten Ermessens die polnische Spedition als den anderen Gesamtschuldner vorrangig in Anspruch zu nehmen. Die Erfahrung lehre, dass ausländische Speditionen die Gebühren oft nicht bezahlten und die Rechtsverfolgung dann schwierig und oft wenig erfolgversprechend sei. Während die Erhebung einer Vorausleistung bei der ausländischen Spedition zu einer „doppelten“ Bearbeitung und zu einem unvertretbaren Mehraufwand führe, könne der Kläger seinen (ausländischen) Vertragspartner leicht auch zur Erstattung der Gebühr für die polizeiliche Begleitung des Großraum- und Schwertransports verpflichten.

Dem Gericht liegt die Akte des Regierungspräsidiums Freiburg vor. Darauf sowie auf die Gerichtsakte wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berichterstatter entscheidet im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).

Die gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, 15 Abs. 1 Satz 1 AG VwGO ohne vorherige Durchführung des Widerspruchsverfahrens zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.08.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Kläger ist nicht Schuldner der in diesem Bescheid festgesetzten Verwaltungsgebühr in Höhe von 83 € i.S. des § 5 LGebG. Die Schuldnerschaft des Klägers könnte sich allein aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 LGebG ergeben. Denn er hat weder die Gebühren- und Auslagenschuld eines anderen durch eine gegenüber der Behörde abgegebene schriftliche Erklärung übernommen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 LGebG) noch haftet er dafür kraft Gesetzes (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 LGebG). Die abgerechnete öffenliche Leistung ist dem Kläger jedoch auch nicht i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 LGebG zuzurechnen. Er hat sie nicht verantwortlich veranlasst (§ 2 Abs. 3 Satz 2 LGebG), und sie ist auch nicht in seinem Interesse erbracht worden (§ 2 Abs. 3 Satz 1 LGebG).

Eine öffentliche Leistung wird verantwortlich veranlasst (§ 2 Abs. 3 Satz 2 LgebG), wenn sie willentlich herbeigeführt wird, insbesondere durch Stellung eines Antrags (vgl. Schlabach, Gebührenrecht der Verwaltung in Baden-Württemberg, RN 44 zu § 2 LGebG, Stand: Mai 2007). Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Freiburg hat der Kläger einen solchen, seine Gebührenschuldnerschaft begründen den Antrag jedoch nicht gestellt, wie die nachfolgenden Überlegungen zeigen.

Das Regierungspräsidium Freiburg hat die streitige Gebühr gestützt auch §§ 1 Abs. 1 PolG, 1, 2, 4 und 5 LGebG i.V. mit Nr. 15.1.1 und 15.1.2 des Gebührenverzeichnisse zur GebVO IM für die Planung, Vorbereitung und Durchführung der polizeilichen Begleitung des Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ am 31.07.2012 erhoben. Der Kläger hat allerdings am […].2012 bei der Stadt Bautzen nur den Antrag auf Erteilung der für die Durchführung dieses Großraum- und Schwertransports nach § 29 Abs. 3 StVO erforderlichen Erlaubnis bzw. der Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StVO gestellt. Dagegen sind sich die Beteiligten einig, dass nicht der Kläger, sondern die polnische Spedition an die Polizei mit dem Anliegen herangetreten ist, die für den Großraum- und Schwertransport erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen. Der Kläger hat dazu unwidersprochen vorgetragen, seine Verpflichtungen gegenüber der polnischen Spedition seien mit der Einholung/Erteilung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung der Stadt Bautzen erfüllt gewesen. Mit der Durchführung des Großraum- und Schwertransports sei er nicht mehr befasst gewesen; das habe die polnische Spedition ohne seine Hilfe gemacht. Er habe nicht einmal Kenntnis vom genauen Zeitpunkt und den einzelnen Umständen gehabt.

Der Kläger hat die hier abgerechnete öffentliche Leistung auch sonst nicht willentlich veranlasst. Dass er durch seinen Antrag auf Erteilung der für die Durchführung dieses Großraum- und Schwertransports nach § 29 Abs. 3 StVO erforderlichen Erlaubnis bzw. der Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StVO bei der Stadt Bautzen erst die Voraussetzungen für die Planung, Vorbereitung und Durchführung der polizeilichen Begleitung des Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ am 31.07.2012 und damit für die Erfüllung des Gebührentatbestands geschaffen hat, reicht dafür nicht aus.

Die damit zu bejahende Ursächlichkeit der Einholung der Bewilligung/Ausnahmegenehmigung für die Erbringung der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung (ohne Bewilligung kein von der Polizei begleiteter Großraum- und Schwertransport und folglich auch keine Verwaltungsgebühr) genügt für eine willentliche Veranlassung und damit eine Zurechnung im gebührenrechtlichen Sinne gegenüber dem Kläger indessen nicht. An der Zurechenbarkeit fehlt es, wenn Dritte einen maßgeblichen Einfluss auf die Verursachung der öffentlichen Leistung haben (vgl. dazu VGH Bad.-Württ. Urt. v. 26.01.2009 – 1 S 1678/07 -, NVwZ-RR 2009, 329 zur Frage der Erhebung einer Verwaltungsgebühr für eine versammlungsrechtliche Auflage nach § 15 Abs. 1 VersG beim Anmelder einer Versammlung). So liegen die Dinge hier.

Allerdings kann sich der Kläger nicht darauf berufen, die Durchführung des Großraum- und Schwertransports habe allein in den Händen der polnischen Spedition gelegen, weshalb er auf die konkreten Umstände überhaupt keinen Einfluss mehr gehabt habe. In der vom Kläger einholten Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung ist der Fahrweg genau bestimmt. Unter welchen Voraussetzungen eine polizeiliche Begleitung des Großraum- und Schwertransports erforderlich ist, ergibt sich aus Nr. 131 der Verwaltungsvorschrift zu § 29 StVO (abgedruckt bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., 2011, vor der Komm, zu § 29 StVO). Damit stand wegen des dem Großraum- und Schwertransports vorgegebenen Fahrwegs von Anfang an fest, dass eine polizeiliche Begleitung erforderlich sein würde.

Gleichwohl war die polnische Spedition von Anfang an in einer den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden Weise Herrin des Verfahrens.

Zunächst ist zu beachten, dass auch nach Einholung der erforderlichen Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung die Entscheidung, ob der Großraum- und Schwertransport durchgeführt wird, allein bei ihr lag. Die abgerechnete Gebühr ist aber erst aufgrund dieser Entscheidung entstanden.

Mit der Entscheidung für die Durchführung des Großraum- und Schwertransports stand wegen der Festlegung des Fahrwegs in der Bewilligung/Ausnahmegenehmigung zwar fest, dass überhaupt eine gebührenpflichtige Polizeibegleitung erforderlich ist. Wie hoch die Gebühren sein würden, war aber noch abhängig von den konkreten Umständen der Durchführung des Transports (etwa Zeit mit starker oder schwacher Verkehrsbelastung). Dazu sind in der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung aber keine Regelungen enthalten; die polnische Spedition hatte hier einen nur durch polizeiliche Vorgaben begrenzten Entscheidungsspielraum, auf den der Kläger keinen Einfluss mehr nehmen konnte. All das steht der Zurechnung im Sinne einer willentlichen Veranlassung entgegen.

Verantwortlich veranlasst sind auch solche öffentliche Leistungen, die im „Pflichtenkreis“ des Gebührenschuldners erbracht werden, ohne dass es dabei auf die willentliche Herbeiführung im oben beschriebenen Sinne ankommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.1999 – 8 C 12.98 -, BVerwGE 109, 272). Auch danach ist dem Kläger die hier streitige öffentliche Leistung indessen nicht individuell zurechenbar. Die polizeiliche Begleitung des Großraum- und Schwertransports diente zwar zur Beherrschung der damit verbundenen Gefahren. Da – wie ausgeführt – für dessen Durchführung allein die polnische Spedition zuständig war und dem Kläger insoweit weder Pflichten oblagen noch Einflussmöglichkeiten zustanden, sind diese Gefahren indessen nicht seinem, sondern dem Pflichtenkreis der polnischen Spedition zuzuordnen (zur Haftung für durch den Transport verursachte Schäden näher unten).

Die abgerechnete öffentliche Leistung wurde auch nicht i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 LGebG im Interesse des Klägers erbracht.

Dieses Tatbestandsmerkmal knüpft an die Definition der Gebühr als einer öffentlichrechtlichen Geldleistung an, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt wird und dazu bestimmt ist, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Die Gebühr setzt also eine gegenüberstehende Leistung voraus und soll ein finanzieller Ausgleich für diese sein. Deshalb muss die gebührenpflichtige Leistung an eine besondere Verantwortlichkeit der gebührenpflichtigen Person anknüpfen. Die öffentliche Leistung muss dem Gebührenpflichtigen mit anderen Worten einen größeren Nutzen bringen als der Allgemeinheit (vgl. dazu VGH Bad.-Württ. Urt. v. 26.03.2009 – 2 S 2036/07 -, juris mit Nachweisen aus der Rspr. des BVerfG). Daran fehlt es indessen.

Der Beklagte bezieht sich darauf, dass der Kläger seine Leistung, die Einholung von Erlaubnissen und Ausnahmegenehmigungen nach der Straßenverkehrsordnung, gewerbsmäßig erbringt. Dahinter steht der Gedanke, dass der Kläger sein Gewerbe nur ausüben kann, weil nach Einholung der erforderlichen Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen die Durchführung des Transports durch die polizeiliche Begleitung überhaupt erst ermöglicht wird, oder mit anderen Worten, ohne die Polizeibegleitung der Großraum- und Schwertransporte bekäme der Kläger zukünftig keine Aufträge zur Einholung der erforderlichen Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen mehr und müsste seine Tätigkeit einstellen.

Ob das in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, mag dahin stehen. Der Zurechnung stehen rechtliche Gesichtspunkte entgegen.

Allerdings ist es richtig, dass grundsätzlich auch wirtschaftliche Vorteile für die Zurechnung der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung als im Interesse des Gebührenschuldners erbracht ausreichen. In der Rechtsprechung wird dann aber immer ein spezifischer und individualisierbarer Bezug zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Gebührenschuldners verlangt. So hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Flugsicherheitsgebühr für die Sicherheitskontrollen am Flughafen vor dem Zugang zum Flugzeug den Fluggesellschaften individuell zurechenbar sind, weil sie diese in spezieller und individualisierbarer Weise betreffen und ihnen daher nach dem Vorteilsprinzip zurechenbar sind. Denn diese Kontrollen sind final auf die Sicherheit des Flugs hin ausgerichtet, verringern das Risiko eines Überfalls auf das Flugzeug, führen objektiv zu einem Sicherheitsgewinn und erhöhen subjektiv das Sicherheitsgefühl der Passagiere und der Besatzung (vgl. Kammerbeschi. v. 11.08.1998 – 1 BvR 1270/94 -, NVwZ 1998, 1220). An einer solchen finalen Beziehung fehlt es hier. Die polizeiliche Begleitung dient nur der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit u.a. auch dem Schutz der Speditionsfahrzeuge vor unfallbedingten Schäden. Dem Kläger kommt sie allenfalls mittelbar zu Gute.

Das Bundesverfassungsgericht hat weiter für Recht erkannt, dass nicht nur dem Charterer, sondern auch dem Eigner eines Schiffs die Hafengebühren auferlegt werden können. Der aus dem Betrieb des Hafens für den Schiffseigner resultierende Vorteil besteht darin, dass ihm so überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet wird, sein Schiff bestimmungsgemäß zu verwenden. Denn ohne Häfen könnte er keine Charterverträge abschließen und sein Schiffseigentum auch sonst nicht zweckentsprechend nutzen (Beschl. v. 12.10.1994 – 1 BvL 19/90 -, BVerfGE 91, 207). Beim Kläger liegen die Dinge anders. Er ist für die Ausübung seiner Tätigkeit nicht in dieser spezifischen Weise darauf angewiesen, dass die Transporte, für die er die Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung eingeholt hat, dann von der Polizei begleitet werden.

Das ergibt sich zunächst aus den Vertragsbeziehungen zwischen dem Kläger und den Transportunternehmen. Der Kläger schuldet diesen die Einholung der jeweils für den konkreten Transport erforderlichen Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen.

Mit deren Erteilung hat er gegen das Transportunternehmen den zivilrechtlichen Anspruch auf seine Gegenleistung. Von der Durchführung des Transports ist dieser nicht abhängig. Zu beachten ist auch, dass ein Großraum- und Schwertransport eine polizeiliche Begleitung nicht zwingend voraussetzt. Eine polizeiliche Begleitung bzw. sonstige polizeiliche Maßnahmen sind folglich nach Nr. 131 und 132 VwV zu § 29 StVO auch nicht bei jedem Großraum- und Schwertransport vorgeschrieben.

Nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg können die Kosten einer Badegewässeruntersuchung dem Betreiber eines nahegelegenen Campingplatzes mit Bademöglichkeit im untersuchten See zugerechnet werden. Sein spezifischer und individualisierbarer Vorteil besteht darin, dass die Überwachung der Gewässergüte einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg seines Betriebs leistet, weil er mit der Sauberkeit des Sees werben kann (Urt. v. 26.03.2009 – 2 S 2036/07 -, juris).

An einem solchen Vorteil fehlt es im Falle des Klägers. Während die Besucher einen bestimmten Campingplatz vielleicht wegen der besseren Qualität des Badegewässers auswählen mögen, ist die Entscheidung der Speditionsunternehmen für die Inanspruchnahme der Hilfe des Klägers von anderen Kriterien (etwa der Komplexität des Antragsverfahrens) abhängig. Denn die polizeiliche Begleitung eines Großraum- und Schwertransports ist allein von der Gefahrenlage im Straßenverkehr abhängig.

Wer die die dafür erforderliche Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung eingeholt hat, ist dagegen ohne Belang.

In allen oben dargelegten Fallgruppen kommt der mit der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung verbundene wirtschaftliche Vorteil dem Gebührenschuldner auch zwangsläufig und unmittelbar zu Gute. Auch daran fehlt es beim Kläger.

Wie dargelegt, besteht der Vorteil für den Kläger höchstens darin, dass die Existenz des Speditionsunternehmens gesichert wird und er dann in der Zukunft wieder Aufträge zur Einholung von straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnissen/Ausnahmegenehmigungen erhalten kann. Ob der Kläger von dem Vorteil tatsächlich profitiert, hängt mithin davon ab, dass die Speditionsunternehmen auch in Zukunft wieder ihn beauftragen, anstatt die erforderlichen Erlaubnisse/Ausnahmegenehmigungen durch eigene Mitarbeiter selbst einzuholen. Im letztgenannten Fall haben ausschließlich die Speditionsmitarbeiter über die Sicherung ihres Arbeitsplatzes einen Vorteil.

Ein solcher nur über Zwischenschritte vermittelter Vorteil reicht für die gebührenrechtlich relevante Zurechnung der öffentlichen Leistung nicht aus. Zutreffend weist der Kläger daraufhin, dass jedenfalls die Mitarbeiter der Spedition, die über die Sicherung ihres Arbeitsplatzes auf jeden Fall von der Durchführung des Großraum- und Schwertransports profitieren, zu Recht nicht als Gebührenschuldner in Anspruch genommen werden.

Auch dem Argument des Beklagten, der Kläger habe aus der Polizeibegleitung des Großraum- und Schwertransports einen die Zurechnung dieser öffentlichen Leistung rechtfertigenden Vorteil, weil er im Antrag auf Erteilung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung die Haftung für alle durch den Transport verursachten Schäden übernommen habe, ist nicht zu folgen. Diese Haftungsübernahmeerklärung ist dahin auszulegen, dass der Kläger die Haftung nicht selbst übernommen, sondern insoweit als Vertreter der polnischen Spedition gehandelt hat.

Der Kläger hat den Antrag bei der Stadt Bautzen zwar im eigenen Namen gestellt.

Denn im Antragsvordruck ist unter der Rubrik „Antragsteller“ seine Firma genannt.

Gleichwohl ergibt sich aus dem Antrag, dass er die Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung nicht für sich selbst, sondern für die polnische Spedition beantragt hat. Denn unter der Überschrift „Zur Verfügung von“ ist deren Firma angegeben. In der Sache heißt das, dass der Kläger bei der Antragstellung zwar im eigenen Namen aufgetreten ist, die erforderliche Erlaubnis aber – als Verfahrensstandschafter – für die polnische Spedition beantragt hat. In der Rechtsprechung ist dazu geklärt, dass die Antragstellung strikt von der Frage zu trennen ist, wer materiell Inhaber der straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis ist (vgl. OVG-NRW, Beschl. v. 26.02.1992 – 13 B 149/92 -, VRS 83, 298). Davon, dass die Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung der polnischen Spedition erteilt wurde, ist auch der Beklagte ausgegangen, denn wenn diese nicht Inhaberin der erforderlichen Erlaubnisse gewesen wäre, hätte der Großraum- und Schwertransport nicht von ihr, sondern nur vom Kläger durchgeführt werden dürfen. So wurde aber nicht verfahren.

Die Straßenverkehrsbehörde (Stadt Bautzen) konnte aber nicht annehmen, dass der Kläger unter diesen Umständen die Haftung für alle von der polnischen Spedition bei der Durchführung des Großraum- und Schwertransports verursachten Schäden übernehmen will, zumal die damit verbundenen Haftungsrisiken in keiner Relation zu seinem Lohn für die Beschaffung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung stehen dürften.

Konsequent dazu heißt es im Antragsvordruck über dem Text der Erklärung zur Haftung: „Handelt der Antragsteller im Auftrag eines anderen, ist eine Vollmacht diesem Antrag beizufügen“.

Auch der unter der Erklärung zur Haftung gleichfalls ausgesprochene Anspruchsverzicht für den Fall, dass die Straßenbeschaffenheit nicht den besonderen Anforderungen des Transports entspricht, macht nur Sinn, wenn der Kläger insoweit nicht im eigenen, sondern im Namen der polnischen Spedition handelt, denn nur dieser können solche Ansprüche ggf. zustehen. Der Kläger kann darauf im eigenen Namen aber nicht verzichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.“

VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12

Unzulässige Ablehnung der Räumung durch einen Gerichtsvollzieher aufgrund einer unklaren Bezeichnung der Lage einer betroffenen Mietsache mit „rechts“ und „links“

Nach den Entscheidungsgründen des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Beschluss vom 5.12.2012 – 9 M 6780/12) kann ein Gerichtsvollzieher die Vollstreckung eines Räumungstitels nicht mit der Begründung ablehnen, die im Titel mit „rechts“ oder „links“ bezeichnete Lage der Wohnung wäre aus der Sicht einer im Treppenhaus anstelle eines aus der Sicht einer vor dem Haus stehenden Person nicht ausreichend bestimmbar.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„BESCHLUSS

In der Zwangsvollstreckungssache

G[…] GmbH, […]

– Gläubigerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen

gegen

G[…]

– Schuldnerin –

wegen Erinnerung gg. Art u. Weise d. Zwangsvollstreckung § 766 ZPO

hat das Amtsgericht Bautzen durch Richter am Amtsgericht […] am 05.12.2012 beschlossen:

1. Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, die Räumung der Wohnung der Schuldnerin nicht allein deswegen abzulehnen, weil diese Wohnung im Haus […], von der im Wohnhaus befindlichen Treppe aus gesehen sich nicht rechts befindet.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe:

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Räumungsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bautzen vom 27.06.2012, Az.: 21 C 408/12. Durch das Versäumnisurteil wurde die Schuldnerin verurteilt, die Wohnung auf der […]-Straße […] „3. Obergeschoss, rechts“ zu räumen und herauszugeben. Der Gerichtsvollzieher hat die Räumung abgelehnt. Seiner Meinung nach wird die Lage einer Wohnung in einem Wohnhaus dadurch bestimmt, dass man das Haus durch den Hauseingang betritt, die Treppe hinauf steigt und von der Treppe ausgehend schaut, wo die Wohnung zu finden sei.

Die der[g]estalt bestimmte Wohnung im 3. Obergeschoss rechts des Wohnhauses auf der […]-Straße […] in […] werde jedoch nicht von der Schuldnerin, sondern von einer Frau […]P[…] bewohnt.

Der Rechtsbehelf der Erinnerung ist statthaft und hat in der Sache teilweise auch Erfolg.

Die Erinnerungsführerin ist zur Einlegung der Erinnerung berechtigt. Aus dem Schuldtitel ergibt sich als Gläubigerin zwar eine Firma G[…] GmbH. Die Erinnerungsführerin firmiert unter G[…] GmbH. Im Rahmen des Erinnerungsverfahrens hat die Erinnerungsführerin allerdings belegt, dass sie Inhaberin der Rechte aus dem Schuldtitel ist. Es hat eine Umfirmierung stattgefunden.

In der Sache war der Gerichtsvollzieher anzuweisen, die Lage der Wohnung auch vom Standort einer vor dem Hauseingang – mit dem Gesicht zum Haus – stehenden Person zu prüfen.

Ergibt sich von diesem Standpunkt aus, dass die Schuldnerin im 3. Obergeschoss, rechts wohnt, weil sich an der Wohnungseingangstür der dort gelegenen Wohnung ein Namensschild mit dem Namen der Schuldnerin befindet, dann sollte die Vollstreckung nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die Wohnung der Schuldnerin vom Treppenaufgang her betrachtet nicht rechts liege. Denn der Standort von dem aus in einem Wohnhaus die Lage der im Titel bezeichneten Wohnung zu bestimmen ist, ist durch Rechtsvorschriften oder verbindliche Verwaltungsvorschriften nicht vorgegeben. Es mag zwar richtig sein, dass „gewöhnlich“ die Lage einer Wohnung bestimmt wird, indem man das Haus durch den Hauseingang betritt, die Treppe hinaufsteigt und von der Treppe ausgehend sieht, ob sich die Wohnung rechts oder links befindet. Mangels einer rechtlichen Vorgabe ist jedoch diese Sichtweise nicht zwingend. Der Gerichtsvollzieher ist daher auch gehalten, die Lage der Wohnung vom Standort einer vor dem Haus stehenden Person festzustellen. Ergibt sich von diesem Standort aus, dass die Wohnung entsprechend dem Schuldtitel verortet werden kann – und zwar dadurch, dass sich ein Namensschild an der Wohnungseingangstür befindet -, dann darf die Vollstreckung jedenfalls nicht deswegen abgelehnt werden, weil der Schuldtitel zu unbestimmt sei.“

AG Bautzen, Beschluss vom 5.12.2012 – 9 M 6780/12

Unterlassungsansprüche eines Unternehmens bezüglich der Verbreitung falscher Tatsachen über Zeitungen und das Internet

Nach dem Urteil des Amtsgericht Görlitz (AG Görlitz, Urteil vom 12.11.2012 – 4 C 688/12) hat ein Unternehmen ein Anspruch auf Unterlassung der  Verbreitung falscher Tatsachen über Zeitungen und das Internet.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

T[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

[…] B[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Unterlassung

hat das Amtsgericht Görlitz durch

Richter am Amtsgericht […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2012 am 12.11.2012

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Dritten zu behaupten, dass die Klägerin Personen aus Kaltwasser den Verkauf von Kiesprodukten verweigere.

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 1500,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für vorgerichtliche Anwaltskosten 203,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2012 zu zahlen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages, hinsichtlich Ziffer 1. des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte hat der Sächsischen Zeitung einen Leserbrief geschickt der in deren Papier-Ausgabe vom 03.11.2011 sowie in der online – Ausgabe veröffentlicht wurde.

Der Leserbrief befasst sich mit der Installation einer Straßenbeleuchtung in Kaltwasser, für die die Mitarbeiter des damit von der Gemeinde beauftragten Elektrountemehmens Kies benötigten. Die Beklagte führte in dem von ihr für die Veröffentlichung durch die Zeitung bestimmten Brief u.a. aus:

„… Das kann wohl nicht das Problem sein, dachten sich die Mitarbeiter der Elektrofirma, denn ganz in der Nähe gibt es ja die T[…], deren Geschäft es neben dem Betreiben einer Deponie auch ist, Kies zu fördern und zu verkaufen. Auf die Frage der T[…], wofür der Kies gebraucht werde, gab die arglose Elektrofirma bereitwillig Auskunft zur Verwendung. Daraufhin wurde der Elektrofirma eine Abfuhr erteilt, denn „für die Bürger von Kaltwasser gäbe es keinen Kies“.

Die Klägerin stellt in Abrede, dass dieser Satz wörtlich oder sinngemäß gefallen sei.

Von dem im Leserbrief dargestellten Sachverhalt hat die Beklagte, die nicht selbst zugegen war, Kenntnis von der Ortschaftratsvorsitzenden […] W[…] erlangt, die ihrerseits hiervon auch nur von anderen gehört haben will. Die Beklagte selbst hat vor der Veröffentlichung nicht mit den Elektrikern oder der Klägerin bzw. deren Mitarbeitern gesprochen.

Die Elektriker haben in einem von der Beklagten gegen die Klägerin angestrengten polizeilichen Ermittlungsverfahren die zitierte Äußerung nicht bestätigt. Die Beklagte hatte die Klägerin angezeigt, nachdem diese sie mit anwaltlichem Schreiben vom 09.11.2011 – fruchtlos – aufgefordert hatte, eine strafbewerte Unterlas[]sungserklärung bezüglich der streitigen Äußerung abzugeben. Die Beklagte fühlte sich durch das Unterlassungsbegehren genötigt (§ 240 StGB).

Das Ermittlungsverfahren wurde nach § 170 II StPO eingestellt.

Die Klägerin mußte ihren Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit 203,75 € zahlen.

Die Klägerin bestreitet, dass ein Mitarbeiter ihres Unternehmens geäußert habe, für die Bürger von Kaltwasser gäbe es keinen Kies.

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber Dritten, insbesondere durch Veröffentlichung von Zeitungsartikeln die falsche Tatsache zu behaupten, dass die Klägerin Personen aus Kaltwasser den Verkauf von Kiesprodukten verweigere,
  2. der Beklagten anzudrohen, dass sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 1500,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festgesetzt wird,
  3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 203,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beharrt. Die von ihr zitierte Äußerung sei so gefallen. Sie ist der Auffassung, berechtigt gewesen zu sein den kolportierten Satz zu verbreiten.

Das Gericht hat Beweis durch Vernehmung der Zeugen […] R[…],[…] M[1…], […] M[2…], […] W[…],[…] M[3…] und […] S[…] erhoben. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.10.12 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

  • 823 II BGB i.V.m. § 187 StGB scheidet allerdings als Anspruchsgrundlage aus, weil auch die Klägerin nicht Tatsachen behauptet, aus denen sich ergibt, dass der Beklagten die Unwahrheit der streitigen Tatsachenbehauptung positiv bekannt gewesen sei (vgl. Fischer, StGB, § 187, Rn. 4). Unstreitig hat die Beklagte, die bei dem beschriebenen Vorgang nicht selbst zu gegen war, ihre – allerdings unzutreffenden – Informationen von Dritter Seite bekommen und – zur Überzeugung des Gerichts – deren Richtigkeit angenommen.
  • 823 II BGB i.V.m. § 186 StGB scheidet als Anspruchsgrundlage ebenfalls aus. Es mangelt an der Eignung der streitigen Äußerung, die Klägerin in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder verächtlich zu machen. Diese setzt voraus, daß die verbreitete Behauptung einen Sachverhalt zum Inhalt hat, der nach objektiver Beurteilung regelmäßig negativ bewertet und dem Betroffenen in Verbindung mit einem negativen Werturteil zugeschrieben wird (Fischer, StGB, § 186, Rn. 4). An der Eignung fehlt es vorliegend, weil es der Klägerin nach den gesellschaftlich allgemein akzeptierten und der geltenden Rechtsordnung entsprechenden Grundsätzen der Vertragsfreiheit freisteht, mit wem sie (Kauf-) Verträge abschließt. Eine besondere, allgemein als negativ zu bewertende Motivlage für die nach Darstellung der Beklagten fehlende Kontrahierungsbereitschaft intendiert die streitige Tatsachenbehauptung nicht.

Es geht vorliegend vielmehr um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der durch §§ 823 I, 1004 BGB geschützt ist.

Nach den genannten Vorschriften werden Beeinträchtigungen abgewehrt, die sich gegen die ungestörte rechtmäßige Betätigung und Entfaltung eines funktionierenden Betriebes im Wirtschaftsleben auf Grundlage der schon getroffenen Betriebsveranstaltungen richten (Palandt/Sprau, BGB, § 823, Rn. 127). Diese lösen Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche aus.

Eine solche unmittelbar betriebsbezogene Beeinträchtigung liegt insbesondere in der Veröffentlichung von Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, einen bestimmten Kreis potentieller Kunden davon abzuhalten, mit dem Betriebsinhaber Geschäfte anzubahnen. Dies wird insbesondere bei Kunden der Fall sein, die einer Mitteilung Glauben schenken, nach der ein Unternehmen habe verlauten lassen, mit ihnen bestimmte Geschäfte nicht abzuschließen. Gerade um eine derartige, mit Bezug auf eine dem Geschäftssitz naheliegende, potentielle Kunden beherbergende Ortschaft aufgestellte Behauptung geht es hier.

Nur soweit die Beklagte beweist, dass ihre Tatsachenbehauptung zutrifft, ist diese nicht widerrechtlich – Art 5 11 GG. Anderenfalls hat sie sie zu unterlassen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, vor § 823, Rn. 18 ff). Die Beklagte konnte indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht den Nachweis erbringen, dass die von ihr kolportierte Äußerung tatsächlich gefallen ist. Die Beweisaufnahme hat vielmehr den Gegenbeweis erbracht.

Die an den Verhandlungen wegen Kieses mit der Mitarbeiterin […] R[…] der Klägerin unmittelbar beteiligten Zeugen […] M[1…] und […] M[2…] haben in Abrede gestellt, dass diestreitige Äußerung seitens der Zeugin R[…] gefallen sei, die einzig als Urheberin in Betracht kommt. Nach übereinstimmender Angabe der Zeugen war es so, dass die Zeugin R[…] Kies erst nach Rücksprache mit der Geschäftsleitung herausgeben wollte und sie dies auch so geäußert hat. Die Notwendigkeit der Rücksprache ergab sich nach der Erinnerung der Zeugin daraus, dass die Zeugen M[…] und M[…] sich nicht darüber erklären konnten, wem die Ware in Rechnung gestellt werden sollte, nach der Erinnerung der beiden anderen Zeugen deshalb, weil sie diese umsonst erhalten wollten.

Das Anlass der Verzögerung die Verwendung des Materials für Zwecke der Gemeinde Kaltwasser gewesen sei, hat keiner der Zeugen angegeben. Dass eine mit der Warenausgabe eines Unternehmens betraute Mitarbeiterin nicht nach eigenem Gusto Produkte kostenlos oder bei Unklarheiten über die Person des Käufers herausgeben kann, dürfte auf der Hand liegen.

Sie verstößt gegen arbeitsrechtliche Pflichten und riskiert Schadenersatzforderungen ihres Arbeitgebers, strafrechtliche und arbeitsrechtliche Sanktionen.

Das Gericht gelangt auch aufgrund der Angaben des Zeugen S[…] nicht zu einer anderen Überzeugung. Dieser hat zunächst angegeben, der Zeuge M[1…] habe ihm gegenüber geäußert, bei der Klägerin sei ihm gesagt worden, die Bürger von Kaltwasser würden von der TKK keinen Sand bekommen. Im Verlauf der Vernehmung hat er dies dann dahingehend präzisiert, nach Angabe des Elektrikers habe die Dame an der Waage der Klägerin gesagt, für Kaltwasser gebe es keinen Sand, jedenfalls nicht am 17.10.. Dies wiederum läßt sich gut in Übereinstimmung mit den Angaben der zuvor gehörten 3 Zeugen bringen, nach der am Tag des Geschehens die Ausgabe von Kies lediglich daran scheiterte, daß die Zeugin R[…] nicht die erforderliche Rücksprache mit der Geschäftsleitung halten konnte.

Die Zeugin W[…] wurde von dem Zeugen S[…] von der Kiesangelegenheit informiert.

Dieser habe ihr, so die Zeugin, erzählt, der Elektriker habe ihm erzählt, die Mitarbeiterin der Klägerin habe sinngemäß geäußert, daß Kies nicht für Kaltwasser abgegeben werde. Sie habe sich daraufhin mit dem Zeugen M[2…] in Verbindung gesetzt. Dieser habe ihr sinngemäß gesagt, dass ihm bedeutet worden sei: „Für die nicht.“. Der Zeuge M[1…] habe ihr bestätigt, dass er bei der TKK keinen Kies bekommen habe und sinngemäß gesagt, dass dies sich gegen die Gemeinde Kaltwasser richte. Die Zeugin M[3…] hat angegeben, ein solches Gespräch aus einem Kraftfahrzeug heraus quer über die Straße hinweg verfolgt zu haben.

Über die näheren Umstände, insbesondere ob der Abgabe des Kieses wohlmöglich andere Hinderungsgründe, namentlich die Frage der Bezahlung, entgegen standen oder ob die Ablehnung endgültig war, hat sich die Zeugin W[…] bei den Elektrikern dabei nicht erkundigt.

Insoweit ist beachtlich, dass nach insoweit nicht anzuzweifelnder Angabe der Zeuginnen W[…] und M[3…] zwischen der Klägerin und einer Bürgerinitiative in Kaltwasser ein Streit schwelt, der sich auf die Absicht der Klägerin, ihren Betrieb zu erweitern, bezieht. In dieser Initiative sind u.a. die Zeugen S[…], W[…] und M[3…] sowie die Beklagte aktiv. Es liegt deshalb nahe, anzunehmen, dass sich für die Zeugin W[…] subjektiv ohne weiteres Nachfragen die Überzeugung bildete, die von ihr als endgültig fehlinterpretierte Ablehnung der Abgabe von Kies stehe im Zusammenhang mit den bestehenden Meinungsverschiedenheiten und dem daraus resultierenden unguten Verhältnis. Tatsächlich war dies allerdings, wie sich aus den Angaben der Zeugen M[1…], R[…] und M[2…] zweifelsfrei ergibt, nicht der Fall.

Die Beklagte hätte sich problemlos durch eigene Rückfrage bei den Zeugen R[…], M[1…] und M[2…] über den tatsächlichen Verlauf der versuchten Kiesbesorgung erkundigen und so die Verbreitung der unzutreffenden Behauptung vermeiden können.

Wie bereits dargelegt, liegt in der dennoch erfolgten Kolportage ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin. Es besteht auch die Gefahr, dass die Beklagte ihre unzutreffende Behauptung wiederholt. Sie hat die begehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben und beharrt auch im Verlauf des Rechtsstreits auf der Richtigkeit. Sie war deshalb strafbewehrt zur Unterlassung zu verurteilen.

Der Beklagten waren für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das erlassene Verbot die in § 890 I ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel, begrenzt durch den Klageantrag, anzudrohen.

Die Beklagte hat als Schadenersatz (§ 823 BGB) auch die Abmahnkosten zu tragen. […]

Für die Kostenentscheidung war § 91 ZPO maßgeblich.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.“

AG Görlitz, Urteil vom 12.11.2012 – 4 C 688/12

Zur Beweislast für das Vorliegen von Mängeln bei Gefahrenübergang bei Lieferung und Einbau von Fenstern

Durch das Amtsgericht Esslingen (AG Esslingen, Urteil vom 11.10.2012 – 5 C 691/12) wurde zur Beweislast für das Vorliegen von Mängeln bei Gefahrenübergang bei Lieferung und Einbau von Fenstern entschieden:

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

1) […]

– Beklagte –

2) […]

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:

[…]

hat das Amtsgericht Esslingen

durch die Richterin am Amtsgericht […]

am 11.10.2012 auf die mündliche Verhandlung vom 23.08.2012

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 1.003,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 07.09.2011 zu bezahlen. Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar:

Die Beklagtenseite kann die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Streitwert: 1.003,72 €

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die restliche Bezahlung ihrer Rechnung vom 08.12.2010 (Bl. 25) über 3.011,16 €, von der noch 1.003,72 € offen stehen.

Der Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagten, die von der Firma B[…] als Bauträger ein fertiges Einfamilienhaus erworben hatten, beauftragten die Klägerin, die dort die Fensterarbeiten im Auftrag der Firma B[…] ausgeführt hat, mit einem Sonderwunsch, nämlich einer Sonderausführung der Fenster mit Einbruchshemmung und Sonderverglasung P 4 A (Angebot der Klägerin vom 03.09.2010, Bl. 24; Auftragsbestätigung vom 05.09.2010, Bl. 23). Auf Grund ihrer darüber erstellten Rechnung vom 08.12.2010 (Bl. 25) begehrt die Klägerin nunmehr von den Beklagten die restliche Bezahlung dieses Sonderwunsches und stellt

den in der Entscheidung zuerkannten Antrag mit der Maßgabe, dass Zinsen seit 17.12.2010 begehrt werden.

Die Beklagten beantragen

Klagabweisung.

Sie tragen vor, dass eines der feststehenden Fensterelemente in ihrem Wohnzimmer an der Außenseite der Verglasung Kratzer aufweise und daher mangelhaft sei (Lichtbilder, Bl. 64, Skizze Bl. 63, Grundriss Bl. 49). Diese Kratzer seien ihnen bei der gemeinsamen Besichtigung und Übergabe des Hauses am 09.06.2011 (Abnahme/Übernahmeprotokoll, Bl. 53) nicht aufgefallen.

Auch bei ihrem Einzug Ende Juni 2011 – die Fenster seien bereits geputzt gewesen – hätten sie diese nicht bemerkt. Sie hätten die Kratzer erst zwei bis drei Wochen nach ihrem Umzug entdeckt und sofort die Firma B[…] verständigt, die sich diesbezüglich mit der Klägerseite in Verbindung gesetzt habe (Mail vom 22.08.2011, Bl. 68). Die Beklagten selbst hätten dann mit einer weiteren Mail vom 28.11.2011 (Bl. 35) die Beseitigung der Kratzer in der Festverglasung begehrt. Sie sind der Ansicht, dass es sich dabei um einen typischen Transportschaden handele und sie den streitgegenständlichen Restbetrag der Rechnung vom 08.12.2010 erst nach dessen Beseitigung bezahlen müssten.

Die Klägerin tritt dem entgegen. Sie verweist darauf, dass die Kratzer ausweislich des Abnahme- und Übergabeprotokolls vom 09.06.2011 nicht vorhanden gewesen seien. Falls es sich um einen Werklieferungsvertrag handeln sollte, bei dem Kaufrecht zur Anwendung käme, sei auch die Vorschrift des § 476 BGB im Hinblick auf die Art des Mangels nicht anwendbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat bis auf einen Teil des Zinsanspruchs in der Sache Erfolg.

Die Beklagten sind verpflichtet, den Restbetrag aus der Rechnung vom 08.12.2010 in Höhe von 1.003,72 € zu bezahlen. Ein Zurückbehaltungsrecht aus einem Anspruch gegen die Klägerin auf Mängelbeseitigung steht ihnen nicht zu.

Zwar betrifft der streitgegenständliche Kratzer die von den Beklagten selbst bei der Klägerin in Auftrag gegebene Sonderverglasung, so dass den Beklagten insoweit eigene Gewährleistungsrechte zustehen. Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die streitgegenständlichen Kratzer im Hinblick auf die nach der mündlichen Verhandlung vorgelegte Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bauwesen (Bl. 74 f) als Mangel zu beurteilen oder zulässig sind. Selbst wenn es sich um einen Mangel handeln würde, müsste die Klägerin dafür nicht einstehen.

Beurteilt man den streitgegenständlichen Sonderwunsch-Vertrag als Werklieferungsvertrag, auf den gemäß §§ 651, 433 f BGB Kaufrecht anzuwenden wäre, käme es darauf an, ob der streitgegenständliche Mangel im maßgeblichen Übergabezeitpunkt vorgelegen hat. Es ist fraglich, wann dieser anzunehmen ist. In Betracht käme insoweit entweder der Lieferungs-/Einbauzeitpunkt, der vor dem 08.12.2010 gelegen haben dürfte, oder spätestens die Abnahme/Übergabe am 09.06.2011. Beurteilt man den Sonderwunsch-Vertrag als Werkvertrag, käme es auf die Abnahme vom 09.06.2011 an.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Kratzer zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhanden gewesen sind. Das Abnahme/Übergabeprotokoll vom 09.06.2011 (Bl. 53 f) das 14 Seiten umfasst, belegt, dass insbesondere auch die Fenster einer genauen Sichtprüfung unterzogen worden sind, bei der die streitgegenständlichen Kratzer, die sich auf den Lichtbildern deutlich zeigen, sowohl von den Beklagten als auch der Vertreterin der Firma B[…] nicht wahrgenommen worden sind, obwohl ansonsten etliche, auch sehr geringfügige Beschädigungen dokumentiert wurden.

Die Beklagten haben die Kratzer erst einige Wochen nach ihrem Einzug, also Ende Juni/Anfang Juli 2011 bemerkt. Des Weiteren handelt es sich um eine mechanisch verursachte Beschädigung, für deren Verursachung verschiedenartige Geschehensabläufe in Betracht kommen. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass die Kratzer erst nach Abnahme/Übergabe entstanden sind.

Die Beweislast dafür, dass der streitgegenständliche Mangel im maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen ist, tragen die Beklagten. Der Kratzer wurde erstmals erst nach Abnahme, nämlich durch die Mail der Firma B[…] vom 22.08.2011 (Bl. 68), und die Mail der Beklagtenseite vom 28.11.2011 (Bl. 35) gerügt. Die vorangegangenen Mails der Beklagten vom 27.02.2011 (Bl. 36) und 25.12.2010 (Bl. 48) betrafen nach Angaben der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung die Vermutung, dass „falsche“ Scheiben, also nicht das bestellte Sonderglas eingebaut worden seien, worauf das Klopfgeräusch hingedeutet habe.

Auch bei Anwendung von Kaufrecht bleibt die Beweislast auf der Beklagtenseite. § 476 BGB kommt auf Grund der Art des streitgegenständlichen Mangels nicht zur Anwendung. Dieser kann nämlich jederzeit durch Dritteinwirkung zustande gekommen sein.

Die Beklagten sind insoweit beweisfällig geblieben. Eine Beweisaufnahme war nicht durchzuführen. Zwar haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, es handele sich um einen typischen Transportschaden und dies unter Sachverständigenbeweis gestellt. Dieser Beweisantritt ist zum Beweis der entscheidungserheblichen Tatsache jedoch nicht geeignet. Es mag nicht auszuschließen sein, dass ein derartiger Schaden auch durch den Transport der Fensterelemente entstanden sein kann. Ebenso sind jedoch auf Grund des Erscheinungsbildes des Schadens und im Hinblick darauf, dass dort mehrere Häuser zugleich samt Aussenanlagen neu errichtet worden sind, etliche andere Geschehensabläufe denkbar, die zu dessen Entstehung geführt haben könnten. Ausreichend sichere Feststellungen dazu, ob das Fensterelement im maßgeblichen Zeitpunkt bereits diese Beschädigung aufgewiesen hat oder nicht, würden sich damit nicht treffen lassen.

Die Beklagten haben daher die restliche Rechnung zu bezahlen.

Der Anspruch auf Bezahlung von Verzugszinsen beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB.Verzugseintritt ist allerdings erst ab Zugang der Mahnung vom 05.09.2011 (Bl. 26) anzunehmen. Die Vorschrift des §286 Abs. 3 BGB ist im Hinblick auf die Beklagten als Verbraucher nicht anwendbar. Weitere Mahnungen sind nicht vorgetragen. Im Gegenteil hatten die Parteien ausweislich der Mahnung vom 05.09.2011 weitere Zahlungen wohl zunächst von der Übersendung der Prüfberichte abhängig gemacht. Verzugseintritt ist damit erst ab 07.09.2011 anzunehmen.

Es war daher wie geschehen zu entscheiden.

Kosten: § 91 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.“

AG Esslingen, Urteil vom 11.10.2012 – 5 C 691/12

Zum Rechtscharakter eines Gerüststellungsvertrages und den sich hieraus ergebenden vertraglichen Pflichten im Falle einer unvorhergesehenen Verlängerung der Standzeit.

Durch das Landgericht Bautzen (LG Bautzen, Urteil vom 6.7.2012 – 1 S 143/11) wurde als Berufungsgericht im Anschluss an das erstinstanzliche Urteil des Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 1091/10) zum Rechtscharakter eines Gerüststellungsvertrages und den sich hieraus ergebenden vertraglichen Pflichten im Falle einer unvorhergesehenen Verlängerung der Standzeit entschieden.

Revision: BGH, Urteil vom 11.4.2013 – VII ZR 201/12

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin und Berufungsklägerin –

[…]

gegen

Gemeinde C[…], […]

– Beklagte und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

wegen Forderung

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Bautzen durch Vorsitzenden Richter am Landgericht […] als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2012 am 06.07.2012

für Recht erkannt:

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Amtsgericht vom 19.10.2011, Aktenzeichen: 20 C 1091/10, wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
  4. Die Revision wird zugelassen.

[…]

Gründe:

Die Klägerin macht Restansprüche für das Aufstellen und Vorhalten eines Baugerüstes geltend. Die Klägerin erhielt für das Bauvorhaben „Umbau der Grundschule […]“ der Beklagten unter dem […].2009 den Auftrag zur Ausführung der Gerüstarbeiten und zur Vorhaltung der Gerüste auf der Grundlage des Angebotes der Klägerin vom […].2009 […]. Zwischen den Parteien war unstreitig die Geltung der VOB/B vereinbart. Grundlage des Vertrages war unter anderem die Geltung des von der Beklagten aufgestellten Bauzeitenplanes […]. Nach dem Bauzeitenplan sollten die Arbeiten, für welche das Gerüst benötigt wurde, bis Juli 2010 abgeschlossen sein. Für den Abbau der Gerüste war in dem Bauzeitenplan die Zeit vom 16.7.2010 bis 19.7.2010 angegeben. Die Klägerin hat das Gerüst gestellt und bis Juli 2010 vorgehalten. Nachdem ihr Angebot auf Abschluss eines neuen Gerüstbau- und Überlassungsvertrages durch die Gemeinde nicht angenommen worden war, hat die Klägerin das Baugerüst am 19.7.2010 abgebaut. Mit Schreiben vom 12.7.2010 hatte die Klägerin der Beklagten ihre Rechtsauffassung mitgeteilt, das Vertragsende sei zum 19.7.2010 „klar definiert“, so dass die Klägerin „das beiliegende Angebot als neues Angebot im Sinne der VOB für einen geänderten Leistungszeitraum“ ansehe.

Ansonsten werde sie das Gerüst abbauen. Beigelegt war das „Nachtragsangebot“ vom 12.7.2010 mit mehreren Zulage und Bereitstellungspositionen. Einzelheiten ergeben sich aus der Anlage […]. Die Beklagte nahm dieses Angebot nicht an. Sie erklärte mit Schreiben vom 16.7.2010 „Behinderung“ der auszuführenden Arbeiten und protestierte durch Schreiben des Bürgermeisters vom 19.7.2010 gegen den Abbau des Gerüstes.

Die Klägerin hat nach Abbau des Gerüstes Schlussrechnung über insgesamt 11.150,19 € gelegt und unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen einen Restbetrag von 2.161,52 € – den Betrag der Klageforderung – eingefordert (Einzelheiten: […]). Die Parteien streiten wegen der geltend gemachten Schlusszahlungsforderung der Klägerin um das Vorliegen einer wirksamen Abnahme (nachfolgend 1), um die Berechtigung von Nachträgen (nachfolgend 2.) sowie um die Berechtigung von Gegenforderungen mit denen die

Beklagte die Aufrechnung erklärt hat (nachfolgend 3).

Im Einzelnen:

Die Klägerin behauptet, sie habe ihre Leistungen vertragsgemäß und mangelfrei erbracht. Sie meint zwischen ihr und der Beklagten sei ein fester Überlassungszeitraum für das Baugerüst vereinbart worden. Dies ergebe sich aus dem Inhalt des schriftlichen Vertrages sowie aus dem in Bezug genommenen Bauzeitenplan. In rechtlicher Hinsicht vertritt sie den Standpunkt, die Überlassung des Gerüstes beurteile sich nach Mietrecht; der Überlassungszeitraum sei bis 19.7.2010 befristet gewesen. Sie sei berechtigt gewesen, das Gerüst bis zum 19.7.2010 abzubauen und habe damit ihre Leistung vollständig erbracht gehabt. Im Übrigen komme es auf eine Abnahme nicht mehr an, nachdem die Bauleistungen abgeschlossen seien und die Beklagte mit Schadensersatzansprüchen die Aufrechnung erklärt habe.

Die Beklagte vertritt in diesem Zusammenhang den Standpunkt, eine wirksame Abnahme liege nicht vor; die von der Klägerin geschuldete Leistung sei nicht vollständig erbracht worden.

Abnahme und Fälligkeit der Vergütung würden zudem durch das (unstreitige) Fehlen von Bautagebüchern und Unternehmererklärung gehindert.

Aus der Schlussrechnung der Beklagten sind die beiden Positionen […] und […] über 120,70 € netto und 77,01 € netto […] streitig. Nach unwidersprochenem Vortrag der Klägerin wurden allerdings die auf der Grundlage einer Mengenüberschreitung geltend gemachten Nachtragsangebote der Klägerin, welche eine Verlängerung der Standzeit des Gerüstes für den Altbau bis […].2012 vorsahen, bestätigt […]. Im Aufma[ß] zur Schlussrechnung sind die beiden Nachtragspositionen auf Seite […] enthalten.

Die Klägerin behauptet, die Nachtragsleistungen seien auch ausgeführt worden. Sie hätten den Altbau betroffen. Dort sei es zu einer Mengenmehrung, die Folge einer erheblichen Bauzeitüberschreitung, gekommen. Die Mengenmehrung selbst sei durch die unstreitige Schlussrechnungspositionen […] und […] inzident belegt.

Die Beklagte bestreitet, dass die in den Nachtragspositionen vereinbarten Leistungen ausgeführt worden seien.

Zu 3.

Die Beklagte hat mit behaupteten Schadensersatzansprüchen wegen Pflichtverletzung in Höhe von 3.228,34 € gegen den Schlusszahlungsanspruch der Klägerin aufgerechnet. Sie ist der Auffassung, im Abbau des Gerüstes durch die Klägerin zum 19.7.2010 liege eine Pflichtverletzung. Hierdurch sei der Beklagten ein Schaden in vorbezeichneter Höhe entstanden. Wegen das durch den Gerüstabbau bedingten Baustillstandes hätten Arbeitskräfte der Fassadendämmfirma umgesetzt werden müssen. Hierfür habe die Fassadendämmfirma 987,70 € berechtigt in Rechnung gestellt. Darüber hinaus seien zusätzliche Planungskosten auf Seiten des planenden und bauüberwachenden Unternehmens in Höhe von Brutto 728,07 € angefallen unter Zugrundelegung von 12 zu vergütender Mehrstunden über 49,50 €. Schließlich seien durch die Beauftragung einer anderen Gerüstbaufirma Mehrkosten in Höhe von 1.512,55 € entstanden; wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Aufstellung des Planers […] und auf die Schlussrechnung der Firma Claus Gerüstbau […] verwiesen.

Die Klägerin wendet hiergegen ein, eine Pflichtverletzung könne ihr nicht vorgeworfen werden (vgl. oben zu 1). Jedenfalls fehle eine bei Annahme eines Werkvertrages erforderliche Anweisung gemäß § 1 Nr. 4 VOB/B. Diese könne insbesondere nicht in der „Behinderungsanzeige“ vom 16.7.2010 gesehen werden. Die Schadensberechnung der Beklagten sei schon deshalb verfehlt, da der Beklagte im Falle der weiteren Vorhaltung des Gerüstes durch die Klägerin Mehrkosten hätte aufwenden müssen.

Das Amtsgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme zur Höhe der Schadensersatzpositionen der Beklagten die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Die Leistungen der Klägerin sei abgenommen, nach den Regeln über die fiktive Abnahme, jedenfalls sei sie abnahmefähig gewesen. Die Forderung der Klägerin sei bis auf die streitigen Nachträge auch berechtigt gewesen. Wegen der streitigen Nachträge habe dagegen die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung davon geführt, dass die in Rechnung gestellten Leistungen auch erbracht wurden.

Die Beklagte sei jedoch mit der Aufrechnung erfolgreich, weswegen die Forderung der Klägerin erloschen sei. Die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, das Gerüst zum 19.7.10 abzubauen. Auf den streitgegenständlichen Vertrag finde ausschließlich Werkvertragsrecht Anwendung. Hierfür sprächen abweichend von der Rechtsansicht verschiedener Obergerichte die Eigenart der vertraglichen Leistung sowie auch die Bedürfnisse der Praxis. Kaum ein Bauvorhaben werde zu dem vorher geplanten Fertigstellungstermin wirklich abgeschlossen. Bei der überwiegenden Anzahl der Bauvorhaben, kommt es aus vorher nicht vollständig kalkulierbaren Umständen zu Verzögerungen. Dies wisse auch der Gerüstbauunternehmer. Ale Baubeteiligten müssten daher bei sorgfältiger Planung solche Verzögerungen berücksichtigen. Der Gerüstbauer müsse mit einer Verlängerung der Vorhaltezeiten rechnen. Aufgrund dieser Gegebenheiten müsse auf eine Standzeitverlängerung § 1 Nr. 4 VOB/B Anwendung finden. Im Gegenzug könne der Gerüstbauunternehmer nach § 2 VOB für die verlängerte Standzeit die vorgesehene Vergütung verlangen. Vorliegend sei eine Standzeitverlängerung durch die „Behinderungsanzeige“ vom 16.7.2010 gefordert und durch die Klägerin pflichtwidrig nicht gewährt worden. Darüber hinaus habe die Beweisaufnahme ergeben, dass zumindest die Forderung der Beklagten nach dem Ersatz von Mehraufwendungen für zusätzliche Planungsaufwendungen und für zusätzliche Gerüstbauaufwendungen berechtigt seien.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das amtsgerichtliche Urteil verwiesen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch weiter. Sie rügt Fehler des Amtsgerichts bei der Rechtsanwendung und Tatsachenfeststellung. Im Rahmen der Tatsachenfeststellung habe das Gericht zu unrecht die Nachtragspositionen aus der Schlussrechnung für unberechtigt gehalten; bei einer sachgerechten Beweiswürdigung hätte das Gericht zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Die Rechtsansicht des Amtsgerichts zur Rechtsnatur des Gerüstbauvertrages sei unzutreffend. Sie widerspreche zahlreichen obergerichtlichen Entscheidungen und werde den konkreten Gegebenheiten des Falles ebenso wenig gerecht, wie den allgemeinen Gegebenheiten bei Ausführung von Gerüstbauverträgen. Insbesondere habe das Amtsgericht zu Unrecht für die Vorhaltung des Gerüstes die Anwendung mietrechtlicher Vorschriften verneint und die nach dem Vertrag und Bauzeit geplanten Befristung des Vertrages verkannt. Bei Zugrundelegung werkvertraglicher Grundsätze seien vom Amtsgericht die Voraussetzung von § 1 Nr. 4 VOB/B zu unrecht bejahrt worden. Schließlich habe das Amtsgericht auch fehlerhafte Feststellungen zur Schadenshöhe getroffen. Die Angaben des erstinstanzlich vernommenen Zeugen […] seien unergiebig, pauschal und teilweise widersprüchlich.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Berufungsvorbringen der Klägerin verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.10.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bautzen, gerichtliches Aktenzeichen: 20 C 1091/10, abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.161,52 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem […].2010 und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 272,87 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das amtsgerichtliche Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die gerichtlichen Sitzungsprotokolle und das amtsgerichtliche Urteil verwiesen.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der Klägerin stand zwar ein fälliger Anspruch aus der Schlussrechnung in Höhe der Klageforderung über 2.161,52 zu; berechtigt waren dabei – insoweit entgegen der Entscheidung des Amtsgerichts – auch die beiden streitigen Nachträge über netto 120,70 € und netto 77,01 € (zusammen netto 197,71 €; brutto 235,27 € [nachfolgend 1.]). Der Anspruch der Klägerin ist jedoch durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß § 280, 281 BGB über insgesamt 2.240,64 € und in die Forderung der Klägerin übersteigender Höhe erloschen (§ 387 – 389 BGB [nachfolgend 2.]).

Im Einzelnen:

1. Der Klägerin stand ein fälliger Anspruch über 2.161,52 € aus dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag über den Aufbau und die Vorhaltung von Gerüsten zu. Auch die eingeforderten, streitigen Nachtragsforderungen waren berechtigt: Die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat in überzeugender Weise ergeben, dass den beiden streitgegenständlichen Nachtragsforderungen nicht nur (was unstreitig ist) wirksame vertragliche Vereinbarungen zugrunde lagen, sondern dass die in den beiden Nachtragspositionen abgerechneten Leistungen auch erbracht worden sind. Dies ergibt bereits die Dokumentenlage, was der Geschäftsführer der Klägerin plausibel aufzuzeigen vermochte: Die Klägerin hat der Beklagten nämlich mit Schreiben vom […].2010 […] eine Mengenüberschreitung in den Positionen […] sowie […] angezeigt und wegen der 110 % der vertraglich vorgesehenen Menge („Quadratmeterwochen“) die Vereinbarung einer Zulage für beide Positionen angeboten. Dieses Angebot wurde angenommen […]. Aus den unstreitigen, in der Schlussrechnung abgerechneten Leistungspositionen […] und […] ergibt sich – wie ein Einblick in das vom Geschäftsführer der Klägerin vorgelegte Leistungsverzeichnis und der Vergleich zu den abgerechneten Mengen in der Schlussrechnung ergab – eine Mengendifferenz, die den abgerechneten Zulagepositionen […] und […] entspricht.

Auf die Abnahme der klägerischen Leistung als Fälligkeitsvoraussetzung kommt es nicht an. Die Bauleistungen, für welche die Klägerin ein Gerüst vorzuhalten hatte, sind abgeschlossen; ein Nacherfüllungsanspruch der Beklagten jedweder Art ist damit zwingend ausgeschlossen. Schon deshalb bedarf es der Abnahme zur Herbeiführung der Fälligkeit nicht mehr. Darüber hinaus hat die Beklagte durch die von ihr erklärte Aufrechnung die Forderung der Klägerin nicht nur erfüllt (was eine Fälligkeit der Hauptforderung voraussetzt), sondern auch zum Ausdruck gebracht, dass sie eine abschließende Abrechnung der klägerischen Leistungen herbeiführen wolle.

2. Der Zahlungsanspruch der Klägerin aus der Schlussrechnung ist durch Aufrechnung erfüllt (§ 399 BGB). Der Beklagten stand ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung i. H. v. 2.240,64 € zu.

a) Die Klägerin hat die von ihr geschuldete Leistung nicht vollständig erbracht; der Gerüstabbau zum 19.07.2010 stellte eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung dar, so dass es einer Fristsetzung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht bedurfte (§§ 280, 281 BGB).

Die Klägerin hatte sich vertraglich dazu verpflichtet, für das beabsichtigte Bauvorha[]ben des Schulumbaues die erforderlichen Gerüstbauarbeiten vorzunehmen, wozu es nicht nur gehörte, die erforderlichen Gerüste aufzubauen und entsprechend dem Baufortschritt abzuändern, sondern sie auch während der gesamten Bauarbeiten zur Verfügung zu stellen. Dies ergibt die Auslegung des Vertrages (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung von dessen Eigenart als Werkvertrag (§ 631 BGB) sowie den für beide Seiten erkennbaren Zweck der vertraglichen Leistung.

Der zwischen den Parteien vorliegend geschlossene Gerüstbauvertrag ist als Werkvertrag zu qualifizieren. Entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin unterfällt die Überlassung des aufgestellten Gerüstes nicht den mietvertraglichen Regeln. Das Berufungsgericht macht sich zunächst die in jeder Hinsicht überzeugende Begründung des Amtsgerichts zu eigen und nimmt hierauf Bezug. Ergänzend ist unter Beachtung der hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Klägerin anzumerken: Die „Erfolgsbezogenheit“ der Arbeiten zum Aufstellen und Vorhalten eines Gerüstes zeigt sich nicht nur daran, dass ein Gerüst nach den individuellen Anforderungen des Gebäudes und der auszuführenden Arbeiten aufgestellt und im Wege des Baufortschrittes angepasst werden muss, sondern zusätzlich darin, dass durch Vorhaltung des Gerüstes die Durchführung der Bauarbeiten ermöglicht werden soll. Dabei findet regelmäßig eine – wenn auch zeitweise – feste Verbindung des Gerüstes mit dem Bauwerk statt; des Weiteren entspricht es der Üblichkeit, dass Gerüste – schon wegen der erhebli[]chen Aufwendungen für das Auf- und Abbauen – für die gesamte Dauer der Baumaßnahmen, für welche ein Gerüst benötigt wird, zur Verfügung gestellt werden. Wegen der damit gegebenen engen und unmittelbaren Verbindung der Gerüstvorhaltung zu den hierdurch unterstützten Bauarbeiten und wegen der Notwendigkeit ein Gerüst auch während seiner Standzeit den Bedürfnissen der Bauarbeiten anzupassen (etwa ein zusätzliches Dachfanggerüst zu stellen) ist aus Sicht des Berufungsgerichts auch bei der Vorhaltung des Gerüstes eine Erfolgsbezogenheit gegeben. Die geschilderten charakteristischen Merkmale unterscheiden die Vorhaltung des Gerüstes auch von der mietvertraglichen Überlassung von Baumaschinen und -geraten. Wegen des damit gegebenen deutlichen Überwiegens einer dem Werkvertrags recht eigenen „Erfolgsbezogenheit“ ist der Vertrag über die Gestellung eines Gerüstes jedenfalls bei einem Bauvorhaben der vorliegenden Art als Werkvertrag zu qualifizieren.

Hinzu kommt: Die Regelungen des Werkvertrags rechtes, namentlich die Bestimmungen der VOB/B tragen dem praktischen Bedürfnissen der Baupraxis und den hierbei typischer Weise auftretenden Konflikten in besonderer Weise Rechnung. Sie bieten auch zur Abwicklung von Verträgen über Gerüstbauarbeiten regelmäßig die „besseren“ Lösungsalternativen, als diejenigen des gesetzlich geschriebenen Mietrechtes. Ist der Vertrag über die Gestellung eines Baugerüstes – wie hier – als Einheitspreisvertrag ausgestaltet (das ist nach der Erfahrung des Gerichts die Regel), dann steht dem Gerüstbauunternehmer im Falle der Überschreitung der im Vertrag vorgesehenen Standzeiten die Rechte aus § 2 Abs. 3 VOB/B zu. Das Mietrecht bietet keine vergleichbare Handhabe. Kommt es zu einer länger andauernden Unterbrechung des Bauvorhabens kann der Gerüstbauer die Rechte nach § 6 Nr. 5 – 7 VOB/B ausüben, insbesondere nach einer mehr als drei Monate dauernden Unterbrechung den Vertrag kündigen. Zugunsten des Bestellers besteht der Vorteil, dass er – soweit nichts Abweichen- des vereinbart ist – die Vorhaltung des Gerüstes auch über den im Rahmen eines Einheitspreisvertrages vorläufig vorgesehenen Leistungszeitraumes hinaus grundsätzlich bis zum Abschluss der Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird, verlangen kann.

Bei der Anwendung des Mietrechts auf denjenigen Teil des Gerüstbauvertrages, der die Überlassung des Gerüstet betrifft, besteht zwar die Konsequenz, dass Schadensersatzansprüche wegen Verschlechterung, Beschädigungen oder Verlust von Gerüstbauteilen innerhalb der Verjährungsfrist von 6 Monaten nach Rückgabe gemäß § 548 BGB verjähren. Es ist durchaus zuzugeben, dass dies mit Blick auf die Eigenart des Gerüstbauvertrages -der nicht die Übereignung an den Besteller, sondern die Rückgabe des Gerüstes an den Unternehmer vor sieht – angemessen erscheint. Dies rechtfertigt aber mit Blick auf die vorgenannten Überlegungen nicht die Anwendung des geschriebenen Mietrechts auf die Überlassung des Gerüstes insge[s]amt. Man könnte vertreten, dass die Verjährungsvorschrift des § 548 BGB wegen der Eigenart des Gerüstbauvertrages bei Geltung von Werkvertragsrecht im Übrigen anzuwenden ist. Das bedarf vorliegend aber keiner Entscheidung. Auch eine Anwendung der Regelverjährung wäre nicht so unangemessen, dass es geboten wäre, von der Anwendung des Werkvertragsrech[t]es auf die Regelung der Vertragsbeziehungen zwischen Gerüstbauunternehmer und Bauherrn abzusehen.

Entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin wurde im vorliegenden Vertrag auch nicht individuell eine Gerüstvorhaltung bis lediglich 19.07.2010 vereinbart. Eine derartige Vereinbarung wäre ohne weiteres auch unter Geltung des Werkvertragsrechtes möglich, was sich bereits aus der Vertragsfreiheit ergibt. Gegen die Annahme einer fest vereinbarten Überlassungszeit sprechen jedoch die nachfolgenden Umstände: Der Vertrag wurde als Werkvertrag geschlossen (siehe oben); das zu stellende Gerüst sollte den Zweck erfüllen, diejenigen Baumaßnahmen im Rahmen des Schulumbaues zu ermöglichen, für welche ein Gerüst benötigt wurde. Dies war für beide Seiten eindeutig erkennbar (§ 133 BGB). Es gibt entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin keinerlei Umstände, die darauf hindeuten, dass die Parteien die Überlassung des Gerüstes durch eine nach dem Kalender bestimmten Endtermin befristen wollten. Der Bauzeitenplan einschließlich der Regelung zu dessen verbindlicher Geltung im Vertrag bildet hierfür kein taugliches Indiz. Mit einer derartigen Vereinbarung will der Bauherr nach der Verkehrssitte (§ 557 BGB) erkennbar verbindliche Fristen für den Beginn und die Ausführung der Einzelleistungen vereinbaren, an deren Überschreitung Verzugsfolgen geknüpft sind, nicht aber zum Ausdruck bringen, dass eine bestimmte Leistung, wenn das Baugeschehen sich anders entwickelt und die Leistung „außerhalb“ des dafür vorgesehenen Zeitraumes im Bauzeitenplan erbracht werden muss, nicht mehr erbracht werden müsste. Ebenso wenig wie der Dachdecker oder das Fassadenunternehmen sich ohne weiteres darauf berufen könnten, sie müssten ihre Leistung nicht mehr ausführen, da diese sich über den Zeitraum der im Bauzeitenplan dafür vorgesehenen Tage hinaus verschoben habe, kann die Klägerin mit dem Argument Erfolg haben, nach Ablauf der im Bauzeitenplan vorgesehenen Zeit für die Gerüststellung sei diese nicht mehr geschuldet. Der für beide Seiten erkennbare Vertragszweck – die Ermöglichung derjenigen Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird – steht dem eindeutig entgegen.

Gestützt wird diese Sichtweise durch die Ausgestaltung der vertraglichen Vereinbarung als Einheitspreisvertrag – auch hinsichtlich derjenigen Positionen für die Vorhaltung der einzelnen Gerüstteile über die Grundstandzeit hinaus. Dafür, dass die Klägerin selber dies so gesehen hat, spricht die Nachtragspraxis der Klägerin, welche sich mit ihrem im April 2010 angebotenen Nachträgen auf die Vorschrift des § 2 Nr. 3 VOB/B berufen hat, dessen Anwendung einen Einheitspreisvertrag voraussetzt.

Die Klägerin war auch ohne weiteres – insbesondere ohne das Erfordernis einer Anordnung nach § 1 Nr. 4 VOB/B – verpflichtet, das Gerüst über den 19.07.2010 hinaus vorzuhalten. Insoweit ist das Berufungsgericht abweichend von der Rechtsmeinung des Amtsgerichts der Auffassung, dass die Vorhaltung des Gerüstes grundsätzlich bis zum Abschluss der hierdurch unterstützten Bauarbeiten geschuldet war. Hierzu wird zunächst auf die obigen Darlegungen verwiesen.

Ergänzend ist auszuführen: Eine Verlängerung der Gerüststandszeiten über die im Vertrag vorläufig angesetzten Gerüststandszeiten hinaus stellt nicht einen Fall von § 1 Nr. 4 VOB/B, sondern einen Fall von § 2 Nr. 3 VOB/B dar. Verzögert sich – wie vorliegend – das Baugeschehen und wird die Vorhaltung des Gerüstes über den im Vertrag vorläufig vorgesehenen Zeitraum hinaus notwendig, dann liegt hierin nicht die Erbringung einer im Vertrag nicht vorgesehenen, aber zur Herbeiführung des werkvertraglichen Erfolges geschuldeten Leistung, sondern es liegt ein Fall der Mengenmehrung vor. Der Fall ist demjenigen vergleichbar, dass ein Maler mehr als die im Vertrag vorläufig angesetzte Fläche malern oder ein Dachdecker mehr als die im Vertrag angesetzte Dachfläche eindecken muss, um den Vertrag zu erfüllen, nicht dagegen den Fall, dass der Maler zur Herbeiführung des Erfolges im Vertrag nicht vorgesehene Putzausbesserungsarbeiten oder der Dachdecker eine im Vertrag nicht vorgesehene Anbringung einer Unterspannbahn vornehmen muss. Offenbar hat dies die Klägerin selbst so gesehen, denn sie hat bei der Verlängerung der Gerüststandszeit für den Atbau auf der Grundlage von § 2 Nr. 3 VOB/B eine Zusatzvergütung verlangt (siehe oben).

Die Klägerin hat damit die vertraglich geschuldete Leistung nicht (vollständig) erbracht; §§ 280, 281 BGB. Einer Fristsetzung zur Leistungserbri[n]gung durch die Beklagte bedurfte es nicht. Mit dem Abbauen des Gerüstes hat die Klägerin nämlich eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie die Weiterführung ihrer Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. In Anbetracht der mit dem Abbau verbundenen und im Falle eines Wiederaufbaues zusätzlich anfallenden Aufwendungen dürfte die Beklagte annehmen, dass die Klägerin mit dem Abbau ihren definitiv gefassten Entschluss, den Vertrag nicht weiter zu erfüllen, zu erkennen gegeben hatte. Darauf, ob die Klägerin „sich im Recht“ und zu einer weiteren Leistungserbringung nicht verpflichtet fühlte kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

b) Die Klägerin hat hierdurch einen Schaden i. H. v. zumindest 2.240,64 € erlitten.

Die Klägerin hat wegen erhöhter Planungskosten Aufwendungen von 728,07 € gehabt. Der zur Begründung dieser Mehraufwendungen gehaltene Sachvortrag der Beklagten auf der Grundlage der Rechnung vom 25.08.2010 […] sind durch den Zeugen […] bei dessen Aussage vor dem Amtsgericht bestätigt worden. Die hierbei gemachten Angaben waren nachvollziehbar. Insbesondere konnte der Zeuge erläutern, warum eine Baustellenbegehung mit einem Aufwand von 3 Stunden erforderlich war, woraus sich der Aufwand für die Leistungstexterstellung und die Angebotswertung ergibt. Auch die Angaben zum Stundensatz können vom Gericht uneingeschränkt nachvollzogen werden und werden von der Klägerin auch nicht ernsthaft infrage gestellt. Es lässt deshalb keinen Rechtsfehler erkennen, dass das Amtsgericht auf der Grundlage dieser Aussage die zusätzlichen Planungskosten als gerechtfertigt angesehen hat. Das Berufungsgericht ist insoweit an die Feststellungen des Amt[s]gerichts gebunden; § 529 ZPO. Gleiches gilt für die Gerüstmehrkosten. Der Zeuge hat in Übereinstimmung mit dem Sachvortrag der Beklagten nachvollziehbar erläutert, auf welche Weise er die Mehrkosten ermittelt hat. Dies lässt sich anhand der Aufstellung des Zeugen und – insoweit entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin – auch anhand der Rechnung der Firma C[…] nachvollziehen. Der „scheinbare“ Widerspruch der Rechnungspositionen aus der Schlussrechnung der Firma C[…] vom […].2011 und der Aufstellung des Zeugen […] folgt daraus, dass die Positionen in der Schlussrechnung der Firma C[…], die die Gebrauchsüberlassung über die Grundstandszeit hinaus betreffen, eine Multiplikation der tatsächlich angefallenen Vorhaltewochen mit dem vertraglichen Einheitspreis pro Quadratmeter und Woche beinhalten, während der Zeuge […] – erkennbar um die Vergleichbarkeit mit der dem Angebot der Klägerin zu ermöglichen – die Quadratmeter der jeweiligen Gerüstteile mit der angefallenen Wochenstandszeit multipliziert hat.

Der Einwand der Klägerin, die Schadensberechnung der Beklagten berücksichtige nicht, dass der Klägerin im Falle der weiteren Vorhaltung des Gerüstes über den 19.07.2010 hinaus Mehrkosten entstanden wären, die sie auf die Beklagte hätte umlegen können, ist unerheblich. Denn die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat die Voraussetzungen eines Mehrvergütungsanspruchs nach § 2 Nr. 3 VOB/B nicht schlüssig dargelegt. Es wäre Aufgabe der Klägerin gewesen, dies zu tun. Zwar ist die Höhe des Schadens vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen. Die Klägerin schuldete jedoch grundsätzlich die Gerüstüberlassung zu den vertraglich vereinbarten Konditionen. Die Mehrvergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B stellt insoweit keinen „Automatismus“, sondern eine Ausnahme dar. Die Voraussetzungen dieser Ausnahme hat auch, wenn es um die Schadensberechnung geht, der Bauunternehme darzulegen und zu beweisen. Eine schlüssige Darlegung der Klägerin hierzu ist ausgeblieben. Die Klägerin hat sich lediglich pauschal darauf berufen, sie hätte bei einer Verlängerung Gerüstteile anmieten müssen. Die konkrete Darlegung eines Mehrpreises unter Berücksichtigung der Ursprungskalkulation und der durch die Mengenmehrung eingetretenen Mehrkosten hat die Klägerin nicht vorgenommen. Dies wäre nach dem Bestreiten der Beklagten spätestens aber mit der Berufungsbegründung – nachdem das Amtsgericht in seinem Urteil Werkvertragsrecht zur Anwendung gebracht hatte – geboten gewesen.

Da die Gegenforderung der Beklagten die Klageforderung übersteigt, ist diese erloschen.

[…]

Die Revisionszulassung war nach § 543 ZPO geboten. Die Frage nach dem Rechtscharakter des Gerüststellungsvertrages ist vorliegend entscheidungserheblich. Sie ist dabei grundsätzlicher Natur, da sie in einer Vielzahl von Fällen entscheidungsrelevant ist. Die Rechtsfrage ist bisher vom Bundesgerichtshof nicht entschieden worden. Da es hierzu auch abweichende Ansichten in der Rechtsprechung gibt, erscheint die Zulassung der Revisio[]n (auch) zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung geboten.“

LG Bautzen, Urteil vom 6.7.2012 – 1 S 143/11

Siehe auch:

Kein einheitlicher und gemeinsamer Gerichtstand bei Entsorgungsvertrag

Nach dem Beschluss des Landgerichts Görlitz liegt (LG Görlitz, Beschluss vom 16.5.2012 – 1 O 433/11) bei einem Entsorgungsvertrag kein einheitlicher und gemeinsamer Gerichtstand im Sinne des § 29 ZPO vor.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

E[…] GmbH, […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

H[…] GmbH & Co. KG, […]

– Beklagte –

Prozess bevollmächtigte:

[…]

wegen Forderung

erlässt die 1. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz […]

am 16.05.2012

nachfolgende Entscheidung:

Das Landgericht Görlitz erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist die Sache auf Antrag der Klägerin […] gem. § 281 ZPO an das

Landgericht Koblenz

Gründe:

Die Parteien streiten über die Bezahlung von Leistungen der Klägerin aus einem Vertrag zur Entsorgung von Klärschlamm aus einer Anlage aus D[…].

Die Klägerin ist geschäftsansässig in […] B[…]. B[…] gehört zum Zuständigkeitsbezirk des LG Görlitz. Die Beklagte ist geschäftsansässig in […] W[…]. W[…] liegt im Gerichtssprengel des LG Koblenz. Gegenstand des Vertrags, aus dem die Klägerin einen Zahlungsanspruch in Höhe von […] Euro herleitet, ist die Klärschlammentsorgung für die Stadt D[…].

Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des LG Görlitz gerügt und meint, dass das Geschäftssitzgericht am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten, das LG Koblenz, zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufen sei.

Die Klägerin meint, dass sich trotz des Umstandes, dass sie Zahlungsansprüche aus einem wechselseitigen Vertrag geltend macht, aus § 29 ZPO ein einheitlicher und gemeinsamer Gerichtstand ergeben würde, der beim LG Görlitz liege. Die Rechtssprechung nehme dies u.a. an, wenn die Umstände des Einzelfalles einen Ort der gemeinsamen Leistungserbringung nahe legen.

Hilfsweise hat die Klägerin beantragt, den Rechtsstreit an das Geschäftssitzgericht der Beklagten (LG Koblenz) zu verweisen.

Auf den Hilfsantrag der Klägerin war der Rechtsstreit an das LG Koblenz zu verweisen, da der Zahlungsanspruch der Klägerin aus dem Entsorgungsvertrag im allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zu verfolgen ist.

Die Voraussetzungen für eine gesetzliche Zuweisung des Rechtsstreits an das LG Görlitz liegen nicht vor. Schwerpunkt des streitgegenständlichen Vertrages ist die Entsorgung von Klärschlamm, nicht jedoch z.B. der Transport desselben.

Richtig ist zwar, dass im Rahmen der Zuständigkeitsvorschrift des § 29 ZPO abweichend von der Grundannahme, dass der Erfüllungsort im gegenseitigen Vertrag für die Verbindlichkeiten beider Vertragsteile selbständig zu bestimmen ist (vgl.: BGH, NJW 2004, 54; NJW-RR 2007, 777) bei Ortsgebundenheit/ – bezogenheit und unter Hinzutreten weiterer Umstände, wie Gewohnheiten und Gebräuche, beiderseitige Mitwirkungspflichten am Hauptleistungsort oder sofortigem Leistungsaustausch vor Ort, ein gemeinsamer Erfüllungsort ergeben kann (vgl. BayObLG MDR 2005, 1357), aber diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor.

Leistung und Gegenleistung sind getrennt. Eine besondere Fokussierung der Leistungspflichten auf den Entsorgungsort ist nicht gegeben. Besondere Mitwirkungspflichten der Beklagten am Geschäftssitz der Klägerin sind nicht zu erbringen. Es läßt sich auch nicht annehmen, dass die Parteien konkludent einen gemeinsamen Erfüllungsort vereinbart hätten.

Soweit ersichtlich, wurde in Rechtssprechung und Schrifttum noch kein gemeinsamer Gerichtsstand bezüglich der Leistungspflichten bei einem Entsorgungsvertrag bejaht.“

LG Görlitz, Beschluss vom 16.5.2012 – 1 O 433/11

Keine erstattungsfähigen Zwangvollstreckungskosten bei fehlendem Nachweis des Zugangs einer korrigierten Kostenrechnung

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„In der Zwangsvollstreckungssache

Landesjustizkasse Chemnitz,
[…]

– Gläubigerin –

gegen

[…]

Verfahrensbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne,
Wallstraße 15, 02625 Bautzen

– Schuldner-

wegen Erinnerung

hat das Amtsgericht Bautzen durch Richter am Amtsgericht […] am 28. März 2012 beschlossen:

1. Auf die Erinnerung des Schuldners vom […].2011 wird die Landesjustizkasse Chemnitz angewiesen, die Vollstreckungskosten in Höhe von 18,00 EUR […] gegen den Schuldner nicht zu vollstrecken.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe:

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen entstandener Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 18,00 EUR.

Nachdem der Schuldner einen Kostenvorschuss in Höhe von 1.244,00 EUR für eine Berufung im Zivilverfahren gegen die Firma […] beim Landgericht Zwickau ([…]) bei der Gerichtskasse einzahlen sollte, kam es im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem

Oberlandesgericht Dresden zu einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits. Deswegen ist die ursprüngliche Kostenrechnung für das Berufungsverfahren in Höhe von 1244,00 EUR geändert worden, und zwar dergestalt, dass der Schuldner 311,00 EUR für das Berufungsverfahren zu zahlen hatte. Diesen Betrag zahlte der Schuldner nicht, weshalb die Gläubigerin nach einer Mahnung vom […].2011 die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner einleitete. Sie erteilte unter dem […].2011 dem zuständigen Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag. Ferner richtete die Gläubigerin ein Aufrechnungsersuchen an das Finanzamt Bautzen. Am […].2011 erfolgte Zahlungseingang in Höhe von 311,00 EUR durch das Finanzamt Bautzen, weshalb die Gläubigerin den Vollstreckungsauftrag beim Gerichtsvollzieher zurücknahm, wofür der Gerichtsvollzieher durch Kostenrechnung vom […].2011 18,00 EUR berechnete.

Gegen diese Vollstreckungskosten, die die Gläubigerin vom Schuldner fordert, richtet sich dessen Erinnerung, mit der er vorträgt, dass ihm eine (korrigierte) Kostenrechnung über 311,00 EUR nicht zugegangen sei, nachdem er zuvor vom Landgericht Zwickau darüber benachrichtigt worden sei, dass er die Kostenrechnung über 1.244,00 EUR zunächst nicht zahlen müsse, sondern eine neue Kostenrechnung abwarten könne.

Der Rechtsbehelf der Erinnerung ist zulässig und hat in der Sache auch Erfolg. Den Ersatz der Gerichtsvollzieherkosten kann die Gläubigerin vom Schuldner nicht nach § 6 der Justizbeitreibungsordnung in Verbindung mit § 788 ZPO verlangen. Nach den genannten Bestimmungen hat der Schuldner auch die Kosten des Vollstreckungsverfahrens dem Gläubiger zu erstatten. Hierzu gehören auch Gerichtsvollzieherkosten, die die Gläubigerin hier geltend macht. Die Anwendung der Vorschriften zu Lasten des Schuldners hängt jedoch weiter davon ab, dass der Schuldner vor Beginn der Vollstreckung zur Leistung innerhalb von 2 Wochen schriftlich aufgefordert und nach vergeblichem Ablauf der Frist besonders gemahnt worden ist. Bei der Beitreibung der Gerichtskosten ist dem Schuldner vorher eine Gerichtskostenrechnung zu übermitteln. Erst dann darf gemahnt und die Vollstreckung begonnen werden. Die Übermittlung einer Gerichtskostenrechnung vor der Vollstreckung an den Schuldner konnte nach den Ermittlungen des Gerichts nicht nachgewiesen werden. Die Einwendungen des Schuldners gegen die Vollstreckung, nämlich seine Behauptung, dass er keine Kostenrechnung über 311,00 EUR erhalten habe, war Gegenstand einer Prüfung der Bezirksrevisorin beim Landgericht in Zwickau. Im Rahmen dieser Überprüfung hat die Kostenbeamtin beim Landgericht Zwickau eine dienstliche Stellungnahme abgegeben. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme hat es ein Telefonat zwischen einem Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten des Schuldners und ihr gegeben. In diesem Telefonat hat sie dem Mitarbeiter mitgeteilt, dass der für das Berufungsverfahren angeforderte Vorschuss von 1.244,00 EUR sich ermäßigen würde, weil es zu einem Vergleich gekommen sei. Es werde eine sogenannte „Teillöschung“ erfolgen. Diese Teillöschung habe sie dann am […].2010 vorgenommen. In einem Telefonat vom […].2010 mit einem Mitarbeiter des Schuldnervertreters habe sie in diesem auch mitgeteilt, dass diese Teillöschung erfolgt sei. Sie bezweifle indessen, dass sie dem Mitarbeiter des Schuldnervertreters auch gesagt habe, der Schuldner solle vorerst keine Zahlungen vornehmen. Genau könne sie sich an diese Vorgänge nicht mehr erinnern. Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Zwickau hat festgestellt, dass sich in der Prozessakte zwar ein Erledigungsvermerk der Kostenbeamtin über die Abfertigung der Teillöschung finde. In der Prozessakte befinde sich indessen nicht – wie sonst üblich – eine Durchschrift der entsprechenden Kostenrechnung über die Teillöschung. Dies wird von der Bezirksrevisorin ausdrücklich beanstandet (Verbleib ist aufzuklären!!!).Die Bezirksrevisorin stellte ferner fest, dass die von der Kostenbeamtin gefertigte Sollstellung der Teillöschung an das Oberlandesgericht weitergeleitet sei, ohne dass ein Grund hierfür ersichtlich sei. Unter diesen, teilweise ungeklärten Umständen der Teillöschung, erscheint es dem erkennenden Gericht plausibel und nachvollziehbar, dass jedenfalls die (konkrete) Möglichkeit besteht, dass die Teillöschung vom […].2010 dem Schuldner nicht übermittelt wurde. Ebenso erscheint es dem Gericht nachvollziehbar, dass einem Kanzleimitarbeiter des Schuldnervertreters vor der Teillöschung vom […].2010 in einem Telefonat entweder gesagt wurde, dass er von der Bezahlung der Kostenrechnung über die 1.244,00 EUR wegen der bevorstehenden Teillöschung zunächst Abstand nehmen sollte oder ihm gesagt wurde, dass eine Teillöschung erfolgen wird ohne Klarstellung, dass die Kostenrechnung vom […].2010 trotzdem zu zahlen ist und der Kanzleimitarbeiter aus dieser Mitteilung die nahe liegende Schlussfolgerung gezogen hat, dass die (ursprüngliche) Kostenrechnung vom 23.09.2010 nicht mehr bezahlt werden muss, sondern eine neue Kostenrechnung abgewartet werden soll. Dem Schuldner kann allenfalls vorgeworfen werden, dass er auf die von der Gläubigerin behauptete Mahnung vom […].2011 nicht reagiert hat. Die Mahnung ersetzt indessen, die dem Schuldner zugesagte korrigierte Kostenrechnung nicht.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.“

AG Bautzen, Beschluss vom 23.3.2012 – 3 M 3253/11

Unterlassungsanspruch bei Verteilung von Gutscheinen in Spielhallen und angrenzenden Restaurants; kein Unterlassungsanspruch wegen Verstoß gegen Impressumspflicht bei abgekürztem Vornamen des Geschäftsführers

Nach dem Urteil des Landgerichts Dresden (LG Dresden, Urteil vom 29.2.2012 – 5 O 1980/11) kann ein Mitbewerber die Unterlassung der Verteilung von geldwerten Gutscheinen eines anderen Spielhallenbetreibers in den eigenen Spielhallen und den dort angrenzenden Restaurants fordern.

Im weiteren handelt es sich grundsätzlich um einen Verstoß gegen die Impressumspflicht auf einer Internetseite, wenn ein als GmbH organisiertes Unternehmen den Vornamen des Geschäftsführers abgekürzt wiedergibt.  Allerdings unterfällt ein solcher Verstoß unter die Relevanzklausel  bzw. Bagatelklausel und kann nicht durch einen Mitbewerber abgemahnt werden.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

M[…] GmbH, […]
vertreten durch den Geschäftsführer […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

E[…] GmbH, […]
vertreten durch den Geschäftsführer […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte […]

wegen Unterlassung

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch 
Richterin am Landgericht Dr. K[…] als Einzelrichterin
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom […].2012
am 29.02.2012

für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Klägerin beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Spielhallen bzw. an Spielstätten Dritter im Sinne der Spielverordnung Zahlungen oder sonstigen finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren unter Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Betrag in Höhe von 5,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab dem […].2011 zuzahlen.

3. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin 325,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem […].2011 zuzahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 11.128,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte sind jeweils ein Unternehmen, dessen Unternehmensgegenstand das Aufstellen und das Betreiben von Spielgeräten im Sinne der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeiten (SpielV) ist. Sie unterhalten jeweils Spielhallen in B[…]. Mitarbeiter der Beklagten verteilten am […].2011 und am […].2011 für die Spielhalle der Beklagten Gutscheine im Wert von 10,00 Euro. Diese Gutscheine enthalten den Hinweis „Keine Auszahlung möglich. Der Betrag wird am Gerät ihrer Wahl aufgebucht.“

Wegen des weiteren Erscheinungsbildes des Gutscheins wird auf Blatt 5 der Akte Bezug genommen. Für die Einholung einer Gewerberegisterauskunft zur Ermittlung des Betreibers der beworbenen Spielhalle entstanden der Klägerin Kosten von 5,- EUR. Mit Schreiben vom […].2011 forderte die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung und zur Erstattung der Anwaltskosten auf der Grundlage eines Gegenstandwertes von 10.000 Euro und eines Gebührensatzes von 1,3 auf.

Wegen des weiteren Inhalte[]s dieses Schreibens wird auf die Anlage K2 verwiesen. Die Beklagte antwort[]e[te] auf dieses Schreiben nicht. Gegen die Beklagte wurde in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren durch das Ord[n]ungsamt B[…] ein Bußgeld verhängt, das von dem Geschäftsführer der Beklagten ohne weiteres gezahlt wurde. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz der Kosten für das Abmahnschreiben erklärt die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einem eigenen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten für ein Abmahnschreiben von 749,- EUR für eine Ab[m]ah[n]ung der Beklagten vom […].2011 wegen eines Impressumspflichtverstoßes der Klägerin. Auf der Internetseite der Klägerin wurde im Impressum der Geschäftsführer der Klägerin bezeichnet als „Vertretungsberechtigter: Herr A […] (Geschäftsführer)“.

Die Klägerin behauptet die Gutscheine seien an den beiden Tagen in den Räumen ihrer Spielhalle unter der Anschrift […] in B[…] an dort anwesende Spieler verteilt worden.

Sie ist der Auffassung, der nunmehr geforderte Gebührensatz von 1,5 sei angemessen, da zur Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit des Handelns der Beklagten Fachkenntnisse im Wettbewerbsrecht erforderlich seien. Bei der Impressumspflichtverletzung handle es sich um eine Bagatelle, die einen Unterlassungsanspruch nicht begründe.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Spielhallen bzw. an Spielstätten Dritter im Sinne der Spielverordnung Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren,
2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in den Spielhallen bzw. an den Spielstätten der Klägerin Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren,
3. der Beklagten anzudrohen, dass in jedem Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,- Euro oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihre Organe festgesetzt wird,
4. die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
5. die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 374, 50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
 

Die Klageschrift wurde der Beklagten am […].2011 zugestellt. Die Beklagte hat zunächst Klageabweisung beantragt und [später] die Unterlassungserklärung vorsorglich abgegeben. Die Klägerin erklärt daraufhin den Rechtsstreit für erledigt hinsichtlich der Klageanträge Ziffer 1 bis 3.

Die Beklagte schließt sich der Erledigung[s]erklärung an, soweit die Klägerin beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sonstige finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhalle zu gewähren. Im Übrigen widerspricht die Beklagte der Erledigungserklärung und beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die streitgegenständlichen Gutscheine seien von ihrem Geschäftsführer nicht bewusst mit diesem Inhalt in den Verkehr gegeben worden. Es hätten als Getränke- und Buffetgutscheine formulierte [C]as[]inogutscheine gedruckt und verteilt werden sollen. Der Mitarbeiter der Beklagten, dem die Bestellung und das Verteilen der Gutscheine übertragen worden sei, habe die Erstellung der Gutscheine nicht ordnungsgemäß überwacht. Dies sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Die Gutscheine seien in diversen Lokalen ausgelegt worden, so unter anderem in einer Baguetteria, in deren hinteren Zimmern sich die Spielhalle der Klägerin befindet. Ein Anlass für eine Abmahnung habe nicht bestanden, nachdem der Geschäftsführer der Beklagten sich in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren für das Versehen entschuldigt hatte und das Ordnungsgeld gezahlt wurde. Im Übrigen sei das Abmahnungsschreiben nicht hinreichend konkret, da es die beanstandete Handlung nach dem Ort der Begehung nicht ausreichend detailliert bezeichne. Sowohl der Gebührensatz von 1,5 als auch der Gegenstandswert von 10.000,- Euro seien überhöht. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Klägerin eine Gebühr in Rechnung gestellt worden sei. Ausweislich der Formulierung in dem Abmahnschreiben sei dem Klägervertreter bereits ein unbedingter Klageauftrag erteilt worden, sodass eine Geschäftsgebühr nicht entstanden sei. Die Beklagte ist der Auffassung, jedenfalls sei ein Zahlungsanspruch durch die Aufrechnung erloschen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs, der Gegenstand der einseitigen Erledigungserklärung der Klägerin ist, als auch hinsichtlich des Zahlungsanspruchs begründet.

1. Zu dem Unterlassungsanspruch ist durch die Abgabe der Unterlassung[s]erklärung der Beklagten vom […].2011 […] die Hauptsache erledigt. Das erledigende Ereignis ist nach Zustellung der Klageschrift an die beklagte Partei am […].2011 eingetreten. Die Klage war zu diesem Zeitpunkt zulässig und begründet. Der Klägerin stand gem. § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Ziffer 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG ein Verletzungsunterlassungsanspruch aufgrund einer in der Vergangenheit begangenen Verletzungshandlung zu mit dem Inhalt, es zu unter lassen, in Spielhallen bzw. an Spielstätten Dritter im Sinne der Spielverordnung Zahlungen oder sonstigen finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren.

a) Das Verhalten des Mitarbeiters der Beklagten stellt einen Verstoß gegen § 9 Abs. 2 SpielV dar, indem in Form von Spielgutscheinen finanzielle Vergünstigungen an Spieler gewährt werden. Die SpielV enthält Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob das Herstellen und Verteilen der Gutscheine in der dargelegten Form auf einer konkreten Anweisung des Geschäftsführers der Beklagten an ihre Mitarbeiter beruht. Der Unterlassungsanspruch setzt lediglich ein rechtswidriges, nicht notwendigerweise ein schuldhaftes wettbewerbswidriges Verhalten voraus. Die Beklagte ist zudem nach §8 Abs. 2 UWG für das wettbewerbswidrige Handeln ihrer Mitarbeiter und Beauftragten unabhängig von der Verletzung einer Überwachungspflicht verantwortlich und kann insoweit auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Ebenfalls nicht abschließend zu klären ist, ob die Gutscheine in den Räumen einer von der Klägerin betriebenen Spielhalle oder in der angrenzenden räumlich getrennten Baguetteria verteilt wurden. Auch im letztgenannten Fall wurde die finanzielle Vergünstigung in Form des Gutscheins an Spieler im Sinne des § 9 Abs. 2 SpielV gewährt. Spieler ist jede Person, die sich in Spielabsicht in einer mit Spielgeräten im Sinne des § 33 c Gewerbeordnung ausgestatten Räumlichkeit oder in der unmittelbaren Nähe solcher Räume aufhält. Damit sind auch solche Personen erfasst, die sich in einer angrenzenden Gaststätte befinden (vgl. VG Hannover Urteil vom 17.06.2009 AZ 11 A 4402/07). Durch das Auslegen der Gutscheine in der an eine der Spielstätten der Klägerin unmittelbar räumlich angrenzenden Baguetteria wurden die Gutscheine auch solchen Personen angeboten, die sich zuvor in der Spielstätte der Klägerin befunden, dort gespielt und das Spiel nur unterbrochen haben. Nach dem Vortrag der Beklagten befindet sich die von der Klägerin betriebene Spielhalle im hinteren Zimmer der Baguetteria.

Unerheblich ist, ob dies für denjenigen, der die Baguetteria betritt, ohne weiteres erkennbar ist, da es auf ein Verschulden nicht ankommt. Im Übrigen stellt auch das in dem Gutschein versprochene Einlösen des Gutscheines in der Spielhalle der Beklagten an Spieler eine Zuwiderhandlung nach § 9 Abs. 2 SpielV dar.

b) Die Klägerin hat sich vor der Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung zu Recht auf eine Wiederholungsgefahr berufen. Bei einem bereits erfolgten wettbewerbswidrigen Handeln wird die Wiederholungsgefahr indiziert. Durch die nach dem Beklagtenvorbringen von ihr gegenüber ihrem unmittelbar handelnden Mitarbeiter ausgesprochene Abmahnung wurde die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Auch ein[] Eingeständnis der Rechtswidrigkeit des Handelns durch die Zahlung des von der Ordnungsbehörde verhängten Bußgeldes führt nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Das Bußgeldverfahren betrifft den konkreten einmaligen Verstoß. Mit der Unterlassungserklärung sollen hingegen künftige auch im Kern gleichartige Verletzungshandlungen abgewendet werden. Verweigert der auf Unterlassung in Anspruch genommene Wettbewerber die Abgabe der Unterlassungserklärung, so besteht die Wiederholungsgefahr in der Regel fort. Die Zusage des Wettbewerbers, von einer Wiederholung künftig Abstand zu nehmen, genügt ebenso wenig wie eine Einstellung der beanstandeten Werbung.

Im Fall des Handelns des Mitarbeiters wäre im Übrigen für den Unternehmer eine Wiederholungsgefahr allenfalls durch eine entsprechende Erklärung des Mitarbeiters, der die wettbewerbsrechtlich beanstandete Handlung ausgeführt hat, ausgeschlossen.

c) Der mit der Klage formulierte Verletzungsunterlassungsanspruch ist nicht zu weit gefasst.

Der Unterlassungsanspruch aus § 3 Abs. 1 UWG erfasst nicht nur die konkrete bereits begangene Verletzungshandlung, sondern erstreckt sich auch auf im Kern gleichartige Verletzungshandlungen, wie die Gewährung sonstiger finanzieller Vergünstigungen an Spieler. Damit kann die Klägerin das Unterlassen von Zahlungen an Spieler verlangen, auch wenn die Auszahlung des Gutscheinbetrages in dem beanstandeten Gutschein ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Der Unterlassungsanspruch beschränkt sich zudem nicht auf Handlungen in dem Bereich der Spielhalle der Kläger[i]n, sondern erfasst auch solche Handlungen in anderen Spielhallen.

Eine Werbemaßnahme, wie sie nach dem Beklagtenvorbringen ausgeführt wurde, ist allen Mitbewerbern untersagt. Durch ein wettbewerbswidriges Handeln in den Spielhallen anderer Wettbewerber würde sich die Beklagte auch gegenüber der Klägerin einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen. Damit wäre die Klägerin auch durch eine solche Maßnahme als Wettbewerber beeinträchtigt.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Auskunft aus dem Gewerberegister in Höhe von 5,00 Euro. Es handelt sich hierbei um erforderliche Aufwendungen für eine berechtigte Abmahnung.

a) Aus den dargelegten Gründen bestand vor der Abgabe der Unterlassung[s]erklärung ein Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Die Abmahnung war berechtigt im Sinne des § 12 Abs. 2 UWG, denn sie war aus der Sicht des Abmahnenden erforderlich, um die Beklagte zu einem wettbewerbskonformen Verhalten in der Zukunft zu veranlassen.
Die Abmahnung, mit der die Klägerin die Unterlassung begehrt, „Verbrauchern Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen zu gewähren“ war zwar möglicherweise inhaltlich zu weit gefasst. Die vorformulierte Unterlassungsverpflichtungserklärung beschränkt sich hingegen auf ein Handeln gegenüber Spielern. Im übrigen hat eine zu weit gefasst Unterlassungsaufforderung auf einen Anspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG keinen Einfluss.

Die Abmahnung ist ausreichend konkret. Nach dem Sinn und Zweck des Abmahnschreibens ist erforderlich und ausreichend eine so detaillierte Beschreibung des beanstandeten Verhaltens, dass dem Abgemahnten deutlich wird, welche Handlung der Mitbewerber zum Anlass für die Abmahnung genommen hat, so dass der Empfänger der Abmahnung prüfen kann, ob die se Handlung in seinem Unternehmen ausgeführt wurde und ob sie Wettbewerbs rechtlich zu beanstanden ist. Diesen Anforderungen genügt das Abmahnschreiben der Klägerin vom […].2011 […] durch die Darstellung der Handlung „am […].2011 wurden durch zwei Erfüllungsgehilfen ihres Unternehmens in der Spielhalle unserer Mandantschaft an die dort angetroffenen Spieler Gutscheine der nachfolgenden Art verteilt: … (Es folgt eine Kopie des Gutscheins.)… Auch am […].2011 wurden erneut durch einen Erfüllungsgehilfen ihres Unternehmens in der Spielhalle unserer Mandantschaft entsprechende Gutscheine an die dort angetroffenen Spieler verteilt“. Zwar wird die genaue Anschrift der Spielstätte der Klägerin, in der nach ihrer Darstellung in dem Abmahnschreiben Gutscheine in der abgedruckten Form ausgeteilt wurden, nicht mitgeteilt. Dies war jedoch nicht erforderlich, um der Beklagten eine Überprüfung der Beanstandung in dem dargelegten Sinne zu ermöglichen. Zwar war es der Beklagten aufgrund dieser Angaben ohne weitere Prüfung, an welchen Orten die Klägerin Spielhallen unterhält, nicht möglich, jeden ihrer Mitarbeiter danach zu befragen, ob er an diesem Ort Gutscheine verteilt hat. Es war ihr aber möglich, ihren Mitarbeitern die Frage zu stellen, ob diese in den Spielhallen von Wettbewerbern solche Gutscheine verteilt haben. Ein solches Handeln stellt eine so nachhaltige Werbemaßnahme dar, dass auch unter Berücksichtigung der Vielzahl der von den Mitarbeitern der Beklagten verteilten Gutscheine ohne weiteres davon auszugehen wäre, dass die Mitarbeiter der Beklagten in der Lage gewesen wären, auf diese Frage eine konkrete Antwort zu geben. Für die Beurteilung, ob das Mahnschreiben hinreichend konkret ist, kommt es nicht darauf an, ob die von der Klägerin behauptete Verletzungshandlung in der bezeichneten Form erfolgt ist.

b) Bei den Kosten für die Einholung der Gewerbeauskunft handelt es sich um erforderliche Aufwendungen im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Akteneinsicht in die Bußgeldakte des Ordnungsamtes Bautzen voraussichtlich ebenfalls die Information erbracht hätte, die sie durch die Anfrage zum Gewerberegister erlangt hat. Es ist jedoch nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass im Hinblick auf das laufende Bußgeldverfahren eine Akteneinsicht zeitnah hätte realisiert werden können. Die geltend gemachten Kosten der Registerauskunft von 5,00 Euro sind auch nicht so hoch, dass der Klägerin ein Zuwarten unter Hinnahme der Gefahr des Rechtsverlustes zumutbar gewesen wäre. Im Übrigen wären durch eine Aktensicht möglicherweise ebenfalls Kosten entstanden, die von der Klägerin der Behörde zu erstatten gewesen wären.

3. Auch die Anwaltskosten für die Erstellung des Abmahnschreibens kann die Klägerin aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG beanspruchen.

Als Abmahnkosten können solche Kosten geltend gemacht werden, die dem Abmahnenden tatsächlich entstanden sind. Eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG ist hier entstanden.

Ausweislich der Formulierung in dem Abmahnschreiben des Klägervertreters vom […].2011 […] „Für den Fall eines fruchtlosen Fristablaufs wurden wir bereits jetzt mit der gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche unserer Mandantschaft gegen ihr Unternehmen beauftragt.“ lag ein bedingter Klageauftrag vor. Bei einem bedingten Klageauftrag fällt die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG an. Scheitern die Versuche zur gütlichen Streitbeilegung, so entsteht im gerichtlichen Verfahren daneben die Verfahrensgebühr nach Ziffer 3100 VV RVG (Gerold/Schmidt, RVG 19. Auflage, W2300 Randnummer 6). Die Behauptung der Beklagten, es habe von vornherein ein unbedingter Klageauftrag vorgelegen, steht dem entgegen und stellt daher kein ausreichend konkretes Bestreiten dar.

Unerheblich ist, ob die Klägerin von ihrem Prozessbevollmächtigten bereits eine Rechnung erhalten und hierauf Zahlungen geleistet hat. Bestreitet der Gegner den Anspruch grundsätzlich, so kann der Gläubiger unmittelbar auf Zahlung und nicht nur auf Freistellung klagen. Dies gilt insbesondere, wenn der Gläubiger, wie hier, in dem Klageverfahren durch denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wird.

Der zugrundegelegte Gegenstandswert von 10.000 Euro ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich um eine Wettbewerbshandlung, die sich auf das Unternehmen der Klägerin nicht unwesentlich auswirkt. Unerheblich ist das Zugeständnis des Geschäftsführer[s] der Beklagten, dass das beanstandete Handeln wettbewerbswidrig war. Zum einen war dies zum Zeitpunkt der Abmahnung mit Schreiben vom […].2011 der Klägerin nicht erkennbar. Darüber hinaus wurde die Erklärung nicht ausreichend verlässlich abgegeben. Auf die vorangegangenen Ausführungen wird Bezug genommen.

Der erstmals mit der Klage beanspruchte Gebührensatz von 1,5 ist überhöht. Nach Ziffer 2300 VV RVG kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Hier liegt ein Mandat vor, das eine geringere Schwierigkeit aufweist, da es keine besonderen Kenntnisse im Wettbewerbsrecht erfordert. Auf der Grundlage des Vortrages der Klägerin stellt sich der Sachverhalt so dar, dass selbst dem wettbewerbsrechtlichen Laien zumindest erhebliche Bedenken hinsichtlich der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit des beanstandeten Handelns aufkommen. Die Klägerin trägt vor, die Gutscheine, die den Empfänger zum Besuch der Spielhalle der Beklagten veranlassen sollen, seien in den Spielstätten der Klägerin an dort anwesende Spieler verteilt worden. Dass eine solch nachhaltige Werbemaßnahme Wettbewerbs rechtlich unzulässig ist, bedarf keiner eingehenden Kenntnisse der wettbewerbsrechtlichen Recht[]sprechung.
Auf der Grundlage des Gebührensatzes von 1,3 errechnet sich eine Gebühr von 651,80 Euro netto (486 Euro x 1,3 + 20 Euro). [H]iervon beansprucht die Klägerin unter Bezugnahme auf die Anrechnungsbestimmung aus Vorbemerkung 3 Abs. 3 W RVG und § 15a RVG die Hälfte.

4. Der Zahlungsanspruch ist nicht durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung untergegangen.

Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten wegen des Impressumspflichtverstoßes aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Zwar stellt das beanstandete Verhalten einen Impressumspflichtverstoß nach § 5 TMG dar, indem der Vorname des Geschäftsführers der Klägerin lediglich mit dem Anfangsbuchstaben und einem Punkt zur Kennzeichnung der Abkürzung angegeben ist. Dieser Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit, begründet jedoch nicht ohne weiteres einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Nach der Relevanzklausel (Bagatelklausel) in § 3 Abs. 1 UWG bewirken nur solche unlauteren geschäftlichen Handlungen einen Unterlassungsanspruch, die geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Eine spürbare Beeinträchtigung liegt nicht bereits in dem Verstoß gegen § 5 TMG. Zwar mag die Verletzung von Vorschriften, die dem Schutz von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern dienen, ein Indiz für die Relevanz des Wettbewerbsverstoßes darstellen. Es ist jedoch nicht so, dass in jedem Fall ein Verstoß gegen solche Norm einen Unterlassungsanspruch begründet. Der Sinn und Zweck des § 5 TMG besteht darin, dem Verbraucher die Geltendmachung von Rechten zu ermöglichen. Der hier vorliegende Impressumspflichtverstoß beeinträchtigt diese Position des Verbrauchers nicht. Das Gericht folgt nicht der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichtes Düsseldorf in der Entscheidung vom 04.11.2008 (AZ 20 O 125/08). In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG erforderliche Angabe des Vornamens des Geschäftsführers sei insbesondere für etwaige Rechtstreitigkeiten von erheblicher Bedeutung. Diese Auffassung teilt das Gericht nicht. Anbieter der Leistung ist nicht der Geschäftsführer, sondern die juristische Person. Im Falle einer Klage gegen den Diensteanbieter bedarf es in der Klageschrift der Angabe von Vor- und Zunamen des Geschäftsführers der beklagten Partei nicht. § 253 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO verlangt die Bezeichnung der Partei in der Klageschrift. Die Bezeichnung muss so konkret sein, dass keine Zweifel an der Person bestehen. Bei prozessunfähigen Personen muss der gesetzliche Vertreter nur insoweit angegeben werden, als dies für die Zustellung erforderlich ist, sodass eine namentliche Bezeichnung des Vertreters nicht unbedingt notwendig ist (Zöller/Greger, ZPO, 29. Auflage, § 253 Randnummer 8). Daher kann bei einer unterlassenen Angabe des vollständigen Namens des Geschäfts[]führers des Dienstanbieters nicht von einer im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG relevanten Verletzungshandlung ausgegangen werden (LG Berlin Urteil vom 11.05.2010, AZ 15 O 104/10; KG Berlin Beschluss vom 11.04.2008, AZ5 W 51/08; kritisch zum Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf Schöttler Juris PR-ITR 1/2009 Anmerkung 5).“

LG Dresden, Urteil vom 29.2.2012 – 5 O 1980/11

Ansprüche eines Nachbarn hinsichtlich der Art und Weise bzw. des Aussehens der Grenzbebauung

Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden (OLG Dresden, Urteil vom – 9 U 1469/11) kann ein Eigentümer  eines Grundstücks  vom Eigentümer des benachbarten Grundstüks gemäß  §§ 1004 Abs. 1 BGB  i.V.m. Art. 124 EGBGB, §§2,  4 SächsNachbarRG i.V.m. § 242 BGB die Herabsetzung einer Grenzmauer auf das Ausmaß einer ortsüblichen Einfriedung verlangen.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger und Berufungskläger –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen

gegen

[…]

– Beklagter und Berufungsbeklagter –

wegen Störungsbeseitigung

hat der  9.  Zivilsenat  des Oberlandesgerichts  Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2012 […] für  Recht  erkannt:

1. Auf die  Berufung  des  Klägers  wird  das  Urteil  des Landgerichts  Bautzen vom 26.08.2011, Az.: 2 O 0398/10, unter  Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1)  wird verurteilt, die auf seinem Grundstück entlang  der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken […] verlaufende Mauer,  die  aus  sechs  Teilelementen,   abgestuft angeordnet,  besteht, unter  Aufrechterhaltung der Stützfunktion in der Höhe wie folgt zu reduzieren:

Im oberen sich an den Zaun des Beklagten anschließenden  Element gar  nicht,   im  unteren  am  Ende stehenden Element im Umfang einer Ziegelreihe, bei den verbleibenden vier Teilelementen um Umfang von je zwei Ziegelreihen.

[…]

Gründe :

I.

Von der  Darstellung des  Sachverhalts  wird  abgesehen,  da ein Rechtsmittel  gegen das angefochtene Urteil zweifelsfrei nicht  zulässig ist,  §§ 540 Abs.  2, 313 a Abs.  1 Satz 1 ZPO, §  2 6 Nr.  8  EGZPO.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist in dem ausgeurteilten Umfang begründet.

Er kann   von  dem   Beklagten  zu 1)   als  Eigentümer  des benachbarten  Grundstücks  gemäß  §§ 1004 Abs. 1 BGB  i.V.m. Art. 124 EGBGB, §§2,  4 SächsNachbarRG i.V.m. § 242 BGB die Herabsetzung der  in Rede stehenden Mauer auf das Ausmaß einer ortsüblichen Einfriedung verlangen (1.).

[…]

1.    Der  klägerische  Anspruch  beruht  auf  §§ 1004 Abs. 1 i.V.m. § 4 SächsNachbarRG.

a)    Nach § 4 SächsNachbarRG  darf jeder Nachbar sein Grund stück einfrieden. Ortsübliche Einfriedungen dürfen auch auf der Grenze errichtet werden. Wird dabei unmittelbar hinter  einer ortsüblichen Einfriedung aus Maschendraht im  Abstand von  ca.  20 cm eine nicht ortsübliche Mauer errichtet, die den Gesamteindruck der Anlage wesentlich prägt und  eine optische  Einheit bildet,   so kann  der Nachbar  eine auch  in ihrer optisch – ästhetischen Beschaffenheit festgelegte Einfriedung, die dem Ortsüblichen entspricht, verlangen.

Zwar  lehnt  die  Rechtsprechung  einen  Abwehranspruch nach  den die  Einfriedung von  Grundstücken  regelnden Vorschriften des  Nachbarrechtsgesetzes mit der Begründung ab,  das sich  aus § 903 BGB  ergebende Recht  des Eigentümers  auf seinem Grundstück, d. h. nicht auf der Grundstücksgrenze selbst, eine Einfriedung nach eigenem Ermessen  zu errichten,  bleibe unangetastet.  Beseitigungsansprüche  nach § 1004 BGB i.V.m. § 906 BGB bestehen regelmäßig nicht allein wegen optisch wahrnehmbarer und ästethisch  störender Vorgänge  oder  Zustände  auf einem  Grundstück (vgl. z.  B. grundlegend BGH Entscheidung vom 09.02.1979, Az.: V ZR 108/77 veröffentlicht in NJW 79,   1408 bis 1409; BGH Urteil vom 11.10.1996, Az.: V ZR 3/96).

Allerdings      gibt       § 1004 Abs.  1 BGB       i.V.m. Nachbarrechtsvorschriften,   hier   § 4 SächsNachbarRG, dann einen  Beseitigungsanspruch, wenn  die Einfriedung zwar bestimmungsgemäß  auf der  Grenze in  ortsüblicher Beschaffenheit  angebracht,  dicht  daneben  aber  eine nicht  ortsübliche Mauer  errichtet  ist.   Eine  solche Baumaßnahme kann,  so der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 09.02.1979, NJW 79, 1408 bis 1409 auf die vorhandene  Einfriedung unmittelbar  so einwirken, dass diese  im ortsüblich gestalteten Erscheingungsbild völlig  verändert wird  und damit im Wesen nach nicht mehr dem  entspricht, was  der  Grundstückstücksnachbar  als Einfriedung zu dulden hat.
So liegt der Fall zur Überzeugung des Senats angesichts des Gesamtgepräges vom Maschendrahtzäun und Mauer hier.

Dabei  wird nicht  verkannt, dass sich die Entscheidung des   Bundesgerichtshofs  zu  § 32 Nachbarschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen,  in dem  eine  Einfriedungspflicht vorgesehen ist,   verhält. Indes  teil[t] der  Senat  eine Auffassung in  der Kommentarliteratur  (Thomas/Schüter, Sächsisches Nachbarrecht, 2. Aufl., 2007 Seite 61), wo nach  die letztlich auf das Verbot von Rechtsmissbrauch zurückgehenden    Grundsätze   des    Bundesgerichthofs auch   für  die   Nachbarrechtsgesetze  Geltung   beanspruchen  können,   die  – wie  das  sächsische –  keine Einfriedungspflicht vorsehen.

b)   Eine  Duldungspflicht des  Klägers besteht  danach nur, soweit sich  die Mauer  an  ortsüblichen  Einfriedungen orientiert.   Da  das   Landgericht   ausweislich   des Protokolls   bei  dem  Ortstermin  vom  […].2011  die Ortsüblichkeit einer  durchgehend voll vermauerten Einfriedung i.H.v.  fast 2 m in der Umgebung nicht festgestellt  hat, kann  der Kläger die Herabsetzung der Höhe auf ein Maß verlangen, das sich an der unstreitig ortsüblichen Einfriedung,  dem  Maschendrahtzäun,  ausrichtet.  Dies wird,  wie aus  den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich  und mit  den Parteien  eingehend erörtert, durch die tenorierte teilweise Entfernung der Mauersegmente  auch unter Beachtung des Niveauunterschiedes der beiden Grundstücke, des zur […]straße hin abfallenden  Geländeverlaufes sowie  unter  Berücksichtigung der dies  aufnehmenden  gestuften  Mauerausführung  erreicht .

Zurückzuweisen war  die Berufung  insoweit, als sie auf die Beseitigung  der Mauer in der Höhe, in der sie über die  Bodenaufschüttung hinausragt,  abzielt. Mauerhöhen von – insoweit unstreitigen – 80 cm bis 1 m über Bodenniveau finden sich auch in der Umgebung.

Der Beklagte kann von dem Kläger die Duldung der bestehenden Maueranlage  auch nicht  unter dem Gesichtspunkt verlangen,   sie sei in vollem Umfang zur Abstützung des angrenzenden Swimmingpools bzw. der zum Klagegrundstück errichteten Aufschüttung erforderlich. Es spricht schon nichts dafür,   dass dies  zutrifft. Immerhin  ragt  die Mauer auch  nach einer  Kürzung auf  Seiten des  Grundstücks  des Beklagten noch deutlich aus dem Boden. Wäre dies doch  anders, wäre der Beklagte gehalten, für eine anderweitige  Abstü[t]zung Sorge zu tragen und sei es auch die Errichtung  einer vollständig neuen Mauer unter Beachtung der Höhenvorgaben dieses Urteils.“

OLG Dresden, Urteil vom – 9 U 1469/11

Haftungsverteilung bei Unfall auf Parkplatz

Nach dem Urteil des Landgerichts Görlitz (LG Görlitz, Urteil vom 17.12.2011 – 2 S 4/11) reicht es bei einem Unfall zwischen zwei ausparkenden Fahrzeugen für eine Verschiebung der anteiligen Haftung nicht aus, wenn ein Fahrzeug nur wenige Sekunden vor dem Anstoß des anderen Fahrzeugs zum Stillstand kam und den anderen Fahrzeugführer nicht durch ein Schallzeichen warnt.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug zunächst in einer Parktasche auf dem Parkplatz des Einkaufsmarktes geparkt. In einer schräg gegenüberliegenden, durch eine Fahrgasse getrennten Parktasche stand der Beklagte Ziffer 1 mit seinem Fahrzeug, das bei der Beklagten Ziffer 2 haftpflichtversichert ist. Die Fahrzeuge der Parteien kollidierten beim Rückwärtsausparken.

[…]

Der statthaften und auch im Übrigen zulässigen Berufung der Klägerin bleibt in der Sache der Erfolg versagt.

Zu Recht hat das Amtsgericht einen über den zuerkannten Anspruch hinausgehenden Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten verneint.

[…]

Mit Recht ist das Erstgericht – ohne dazu explizit in den Urteilsgründen auszuführen – zu nächst davon ausgegangen, dass beide Parteien grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß §§7, 17 StVG i. V m. § 115 VVG einzustehen haben.

Der Nachweis der Unabwendbarkeit des Verkehrsunfalls ist der Klägerin nicht gelungen.

Ein unabwendbares Ereignis setzt voraus, dass der Unfall auch bei Einhaltung der äußersten möglichen Sorgfalt durch einen Idealfahrer nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne des § 276 BGB hinaus (vgl. z. B. BGHZ 117, 337; BGHZ 113, 164).

Dass die Klägerin indes derart sorgfältig gehandelt hätte, ist nicht erwiesen. Wer in einem haltenden Fahrzeug bemerkt, dass er ein rangierendes Fahrzeug gefährdet (oder dieses ihn), aber kein Warnzeichen gibt, macht sich in der Regel mitschuldig (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Rn. 8 zu § 16 StVO). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Klägerin, wenn sie denn solange gestanden hätte, dass dies für die Schadensverursachungsquote relevant gewesen wäre, jedenfalls die Pflicht gehabt hätte, den Fahrer des herannahenden Fahrzeuges durch Hupen auf die gefährliche Situation aufmerksam zu machen. Gehupt hat die Klägerin selbst aber unstreitig nicht.

Steht mithin die Haftung beider Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß §§ 17, 18 Abs. 3 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Wenn, wie hier, beide Fahrer identische Sorgfaltspflichten – hier entsprechend § 9 Abs. 5 StVO – erfüllen müssen, begründet ein beiderseitiger Verstoß gegen diese Sorgfaltspflichten grundsätzlich eine Haftungsquote von 50 %.

Eine höhere Haftungsquote der Beklagten hätte die Klägerin nur für den Fall durchsetzen können, dass es ihr gelungen wäre, zu beweisen, dass ihr Fahrzeug bereits längere Zeit gestanden hat. Dieser Beweis ist ihr nicht gelungen.

Die Angaben der Klägerin selbst zu der Frage, wie lange ihr PKW gestanden hat, bevor es zur Kollision kam, waren ungenau. Sie meinte, es seien „Sekunden“ gewesen.

Auch die Zeugin S[…] gab an, dass die Klägerin „nur Sekunden“ gestanden hätte, bevor es zum Zusammenstoß kam.

Diese Angaben genügen nicht, um zu belegen, dass die Gefährdung, die die Klägerin durch ihr eigenes Rück[w]ä[…]rtsfahren gesetzt hat, durch längeres Anhalten neutralisiert worden wäre.

Vielmehr geht auch das Berufungsgericht davon aus, dass es sich allenfalls um einen sehr kurzen Zeitraum gehandelt haben kann, in dem das klägerische Fahrzeug vollständig zum Stillstand gekommen war. Jedenfalls war der Zeitraum so kurz, dass die Klägerin selbst offen sichtlich nicht zum Hupen gekommen ist, um den Beklagten Z[i]ffer 1 zu warnen.

Die Beklagten sind daher der Klägerin lediglich zum hälftigen Schadensersatz verpflichtet.“

LG Görlitz, Urteil vom 17.12.2011 – 2 S 4/11