Darlegungs- und Beweislast zur Eigentümerstellung bei einem Verkehrsunfall

Nach dem Berufungsurteil des Landgerichts Görlitz (LG Görlitz, Urteil vom 23.7.2014 – 2 S 91/13) können im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast sowohl durch die gesetzliche Vermutungsregel des § 1006 BGB als auch durch andere vorgetragene und unter Beweis gestellte Umstände die Eigentümerstellung über ein Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall nachgewiesen werden.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7-9, 01097 Dresden, […]

gegen

1. […]

– Beklagter und Berufungsbeklagter –

2. […] Versicherung […]

– Beklagte und Nebenintervenientin des Beklagten zu 1 und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 2:

[…]

wegen Schadensersatz – hier: Berufung

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch

Vorsitzende Richterin am Landgericht […] als Einzelrichterin

im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatznachlass bis 18.07.2014 am 23.07.2014

für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Kamenz vom 12.04.2013, Az.: 2 C 386/12, abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.939,97 Euro nebst Znsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 25.02.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiter verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 126,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.07.2012 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen fallen den Beklagten als Gesamtschuldnern zur Last; die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten hat die Nebenintervenientin zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

[…]

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz aus einem Ereignis vom 02.09.2011 in Nebelschütz.

Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin des Pkw Opel Zafira Comfort mit dem amtlichen Kennzeichen […].

Dieses Fahrzeug habe sie am 02.09.2011 auf einer Parkfläche an der Hauptstraße in Nebelschütz geparkt. Auf der gegenüberliegenden Parkfläche habe – mit der Fahrzeugfront zum klägerischen Pkw – der bei der Beklagten Ziffer 2 haftpflichtversicherte, vom Beklagten Ziffer 1 gehaltene Pkw unbekannten Typs mit dem amtlichen Kennzeichen […] gestanden.

Beim Starten des beklagten Fahrzeuges sei dieses sprunghaft nach vorn gefahren und gegen die vordere Seite des klägerischen Fahrzeuges gestoßen. Die Klägerin habe sich zu diesem Zeitpunkt in ihrem Auto befunden, hatte das Fahrzeug jedoch noch nicht gestartet.

Den der Klägerin durch das Unfallereignis entstandenen Schaden beziffert diese auf insgesamt 1.939,97 Euro.

Den vorgenannten Betrag sowie vorgerichtliche Anwaltskosten macht sie im vorstehenden Verfahren geltend.

Die Beklagte Ziffer 2, gleichzeitig als Streithelferin für den Beklagten Ziffer 1, stellt in Abrede, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls Eigentümerin des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen […] gewesen sei. Zudem bestreitet sie den Unfallverlauf und behauptet, der Unfall sei nicht oder jedenfalls nicht so, wie von der Klägerin geschildert, geschehen.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung, die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert, abgewiesen. Auf die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils vom 12.04.2013 wird Bezug genommen.

Die Klägerin hält dieses Urteil für unrichtig und verfolgt mit der Berufung ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie erhebt Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der amtsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen und rügt zudem die Verletzung materiellen Rechts durch das Amtsgericht.

Zur Berufung beantragt die Klägerin, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 1.939,97 Euro nebst Znsen hieraus in Höhe von 4 % aus 1.494,49 Euro für die Zeit vom 03.09.2011 bis zum 24.02.2012 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 1.939,97 Euro seit dem 25.02.2012 zu zahlen,

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 126,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz daraus seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagte Ziffer 2 beantragt, gleichzeitig als Streithelferin für den Beklagten Ziffer 1,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Das Berufungsgericht hat die Klägerin zum Hergang des streitgegenständlichen Unfalls angehört sowie Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 14.08.2013 durch Vernehmung der Zeugen […] sowie gemäß Beweisbeschluss vom 09.10.2013 durch Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gerichtliche Protokollniederschrift vom 02.10.2013 und auf das Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. […] vom 03.04.2014 Bezug genommen.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat – bis auf einen Teil der als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen- auch in der Sache Erfolg.

Der Klägerin steht aus dem Unfallereignis vom 02.09.2011 gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 823 BGB, 7 StVG, 115 WG ein Schadensersatz in Höhe von 1.939,97 Euro zu.

1.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist die Klägerin zur Erhebung von Ansprüchen wegen Beschädigung des Pkw Opel Zafira mit dem amtlichen Kennzeichen […] aktiv legitimiert. Unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Klägerin Eigentümerin des beschädigten Pkw ist. Sie hat das Fahrzeug käuflich erworben und dazu die an sie adressierte Kaufpreisrechnung des Autohauses […] vom 21.08.2003 vorgelegt. Am Tage der Rechnungslegung ist die Klägerin auch im Kfz-Brief eingetragen worden. Diesen hielt sie auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz noch in den Händen. Zwar belegt die Eintragung im Kfz-Brief nicht die Eigentümerstellung, weil entsprechend § 952 BGB das Eigentum am Fahrzeugbrief dem Eigentum am Fahrzeug folgt. Aus diesem Umstand darf aber nicht geschlossen werden, die Eintragungen im Fahrzeugbrief und Fahrzeugschein seien bei der Beweiswürdigung ohne Bedeutung. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass in aller Regel der Eigentümer des Fahrzeugs und derjenige, der im Fahrzeugbrief eingetragen ist und ihn in den Händen hält, identisch ist (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 04.05.1977, NJW 1977, 1240). Weitere Unterlagen, um sein Eigentum nachzuweisen, hat in aller Regel kein Fahrzeugeigentümer.

Zudem spricht für die Klägerin die Eigentumsvermutung aus § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB, die die Beklagten nicht widerlegt haben.

Die gesetzliche Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache, dass er Eigentümer der Sache sei, enthebt den Besitzer im Grundsatz nicht nur der Beweis-, sondern auch der Darlegungslast dafür, dass und auf welcher Grundlage er oder derjenige, von dem er sein Besitzrecht ableitet, mit dem Besitzerwerb Eigentum erworben hat (BGH NJW 2002, 2101).

Derjenige, der sich – wie hier die Klägerin – auf die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB beruft, muss die Vermutungsbasis beweisen, das heißt er muss seinen unmittelbaren Besitz nachweisen, und darüber hinaus muss er die Rechtsbehauptung aufstellen, Eigentümer zu sein (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, § 1006 BGB Rn. 9). Zwar haben die Beklagten die Behauptung, die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt Besitzerin des in Rede stehenden Pkw, bestritten. Für die tatsächliche Sachherrschaft und damit den Besitz an dem Auto spricht jedoch, dass die Klägerin – wie die Beweisaufnahme ergeben hat – zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kollision „im Begriff war“ auf der Fahrerseite in den Pkw einzusteigen, sowie das Indiz, dass sie das beschädigte Fahrzeug später beim Kfz-Sachverständigen Dipl.-Ing. […] zur Begutachtung vorgeführt hat. Im Übrigen war die Klägerin auch über zwei Jahre nach dem Unfalldatum noch im Besitz des Fahrzeugs, denn sie stellte dieses dem Gerichtssachverständigen zum Ortstermin am 18.02.2014 zur Nachbesichtigung zur Verfügung.

Allein der Umstand, dass die Rechnung für die Kosten der Reparatur des Fahrzeugs an den Ehemann der Klägerin adressiert wurde, genügt bei Würdigung der Gesamtumstände gemäß § 286 ZPO zur Widerlegung der Eigentumsvermutung nicht.

2.

Die Beklagten haften der Klägerin gesamtschuldnerisch für den an ihrem Fahrzeug aufgrund des Unfallereignisses vom 02.09.2011 entstandenen Schaden. Die Haftung der Beklagten setzt voraus, dass der Betrieb des bei der Beklagten Ziffer 2 versicherten Kraftfahrzeugs adäquat kausal zu dem streitgegenständlichen Schaden geführt hat. Für diesen Kausalzusammenhang ist die Klägerin mit dem Beweismaßstab des § 286 ZPO beweispflichtig (BGHZ71, 339).

Das Gericht ist im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass das von der Klägerin vorgetragene Unfallereignis tatsächlich stattgefunden hat und es sich nicht – wie die Beklagte Ziffer 2 meint – um einen manipulierten Unfall handelt.

Bei ihrer Parteianhörung durch das Landgericht schilderte die Klägerin den eigentlichen Unfall als auch das Randgeschehen plausibel und detailreich. Diese Schilderung wurde durch die glaubhaften Aussagen der Zeugen […] bestätigt. Das Gericht hält es für ausgeschlossen, dass sich sowohl die Klägerin als auch die Zeugen den Unfall nur ausgedacht haben. Allein der Umstand der persönlichen Nähe der Zeugen zur Klägerin rechtfertigt es nicht, deren Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen.

Der gerichtliche Sachverständige Dipl.-Ing. […] hat in seinem von Fachkunde geprägten, detaillierten und gut verständlichen Gutachten vom 03.04.2014 dargestellt, dass sich die Beschädigungen am Fahrzeug der Klägerin der geschilderten Kollision zuordnen lassen.

Das Gericht verkennt nicht, dass der Sachverständige den vorgetragenen Unfallhergang aus technischer Sicht nur als möglich bezeichnet hat, und die bloße Möglichkeit der Kompatibilität für sich betrachtet zur Überzeugungsbildung nicht ausreicht. Bei der gebotenen Gesamtschau aller Fakten, insbesondere der Unfallschilderung der Klägerin und der Zeugen, ergeben sich aber keine Zweifel daran, dass die Kollision wie vorgetragen stattgefunden hat.

3.

Der in Höhe von 1.939,97 Euro geltend gemachte Schaden ist der Klägerin vollumfänglich zu ersetzen.

Der Klägerin steht zunächst ein Anspruch auf Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von 1.494,49 Euro gemäß Rechnung der Kfz-Werkstatt […] vom 17.10.2011 zu. Dass es sich hierbei um unfallbedingte Reparaturkosten handelt, ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. […] vom 07.09.2011; die Rechnungspositionen betreffen ausschließlich die Reparatur der in diesem Gutachten beschriebenen, nach der Unfallschilderung der Klägerin und den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. […] kompatibel auf die streitgegenständliche Kollision zurückzuführenden Schäden.

Die Klägerin hat darüber hinaus einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer, in der sie ihr Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen konnte. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH und ist gewohnheitsrechtlich anerkannt (Palandt/Grüneberg, BGB, § 249 Rn. 40).

Der Privatsachverständige Dipl.-Ing. […] hat in seinem Gutachten für die Durchführung der Reparatur einen Arbeitszeitaufwand von zwei Arbeitstagen für erforderlich erachtet.

Anhaltspunkte für eine Verkürzung der Reparaturdauer sind weder von den Beklagten vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Mithin kann die Klägerin Nutzungsausfallentschädigung für zwei Tage verlangen.

Der Ansatz von 34,00 Euro pro Tag ist angemessen.

Für die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung hält das Gericht die Tabellen von Sanden/Danner für eine geeignete Schätzungsgrundlage.

Das Fahrzeug der Klägerin war zum Unfallzeitpunkt bereits 11 Jahre alt. Fahrzeuge über 10 Jahre sind um zwei Tabellengruppen herabzustufen, so dass der Pkw der Klägerin in die Gruppe C einzuordnen ist.

Die Ersatzpflicht der Beklagten erstreckt sich auch auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung der Schadensersatzansprüche verursachten Kosten. Insoweit sind die der Klägerin für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der Schadenshöhe entstandenen Kosten in Höhe von 352,48 Euro als Kosten der Schadensfeststellung Teil des zu ersetzenden Schadens (Palandt/Grüneberg, BGB, § 249 Rn. 58).

Ferner war der Klägerin die Kostenpauschale von 25,00 Euro zuzusprechen.

Die in der Klageschrift berechneten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geeignete Aufwendungen gemäß § 249 Abs. 1 BGB bei einem Verkehrsunfall auch ohne vorangegangene Inverzugsetzung regelmäßig erstattungsfähig (verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung gemäß § 7 StVG).

Die zuerkannten Zinsen beruhen auf Verzugsgesichtspunkten.

Zinsen ab dem Unfallzeitpunkt aus § 849 BGB kann die Klägerin hingegen nicht beanspruchen, da ihr das Fahrzeug nicht entzogen wurde und auch keine Wertminderung vorliegt.

Deshalb war die Klage bezüglich der ab dem Unfallzeitpunkt bis zum Zeitpunkt des Zahlungsverzuges geltend gemachten Zinsen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2,100 Abs. 4, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Zudem erfordert weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

LG Görlitz, Urteil vom 23.7.2014 – 2 S 91/13

Ein Leasingnehmer kann seine Forderungsansprüche gegenüber dem zum Rückkauf verpflichteten Autohaus nicht mit den Zahlungsansprüche des Leasinggebers aufrechnen

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 27.5.2014 – 22 C 1123/13) kann ein Leasingnehmer seine Ansprüche gegenüber dem zum Rückkauf des Leasingsfahrzeugs verpflichteten Autohaus nicht mit den Zahlungsansprüchen der Leasinggeberin aufrechnen.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

1. […]

Unterbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

2. Autohaus […]

– Nebenintervenientin –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

gegen

[…]

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter am Amtsgericht […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 22.04.2014 eingereicht werden konnten, am 27.05.2014

für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.192,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 12.09.2013 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der Nebenintervention hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.192,52 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über eine Restforderung aus einem Darlehensvertrag.

Die Klägerin gewährte dem Beklagten mit Vertrag vom 11.09.2008 ein Darlehen zur Finanzierung eines vom Beklagten bei der Nebenintervenientin erworbenen Kraftfahrzeuges VW Passat. Die Darlehensbedingungen […] enthalten folgende Ziffer:

“ 8. Verwertung des Fahrzeuges


b)
Nimmt die Bank das Fahrzeug zur Verwendung zurück, so wird schon jetzt vereinbart, dass sie dem Darlehensnehmer den gewöhnlichen Verkaufswert des Fahrzeuges im Zeitpunkt der Rücknahme vergütet und damit die Rücknahme des Fahrzeuges nicht als Ausübung des Rücktrittsrechts gilt. Als gewöhnlicher Verkaufswert wird der am Markt zu erzielende Preis (Händlereinkaufspreis ohne Mehrwertsteuer) vereinbart. Zur Festlegung desselben holt die Bank ein Sachverständigengutachten ein, auf dessen Grundlage die Verwertung betrieben wird. Der Darlehensnehmer kann innerhalb von 14 Tagen nach Mitteilung des im Gutachten ermittelten Schätzpreises einen Dritten benennen, der das Fahrzeug zum Schätzpreis oder zu einem höheren Preis abzunehmen verbindlich bereit ist.“

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrages und der zwischen den Parteien vereinbarten Darlehensbedingungen wird auf die Vertragsurkunde nebst Anlagen […] verwiesen. Gemäß des zwischen den Parteien vereinbarten Zahlungsplanes war am 20.03.2013 eine Schlussrate von 6.762,13 € zur Zahlung fällig. Zur Absicherung der Zahlung der Schlussrate hatte der Kläger mit der Nebenintervenientin ein verbrieftes Rückgaberecht […] vereinbart, in welchem die Nebenintervenientin sich zum Rückkauf des finanzierten Fahrzeuges zum Preis in Höhe der Schlussrate vorbehaltlich eines Abzuges wegen eines möglichen zustandsbedingten Minderwertes verpflichtete. Die zwischen der Nebenintervenientin und dem Beklagten getroffene Vereinbarung enthält folgende Ziffern:

„2. Der Rückkaufpreis beträgt € 6762,13. Bei der Rückgabe darf das Fahrzeug eine Kilometerleistung von nicht mehr als 248.176 km aufweisen. Es muss sich in einem dem Alter und der Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand befinden, frei von Schäden sowie Verkehrs- und betriebssicher sein. Normale Verschleißspuren gelten nicht als Schaden. Ist die Kilometerleistung überschritten, vermindert sich der Rückkaufpreis um Ct 7,31 je Kilometer. Ist die Kilometerleistung unterschritten, erhöht sich der Rückkaufpreis um Ct 4,38 je Kilometer. Bei der Berechnung bleiben 2.500 km ausgenommen. Der Rückkaufpreis vermindert sich ebenfalls um einen zustandsbedingten Minderwert. Über den Zustand des Fahrzeuges wird bei Rückgabe ein gemeinsames Protokoll angefertigt und von beiden Vertragsparteien unterzeichnet. Können sich die Firma und der Kunde über den Minderwert nicht einigen, wird der Minderwert auf Veranlassung der Firma mit Zustimmung des Kunden durch einen öffentlich bestellten vereidigten Sachverständigen oder ein unabhängiges Sachverständigen-Unternehmen ermittelt. Die Kosten tragen die Firma und der Kunde je zur Hälfte. Durch das Sachverständigengutachten wird der Rechtsweg nicht ausgeschlossen. Nachträgliche Änderungen, zusätzliche Einbauten sowie Lackierungen und Beschriftungen an dem Fahrzeug sind mit der Firm im Voraus abzustimmen. Dabei ist gleichzeitig ein voraussichtlich entstehender Mehr- oder Minderwert für den Zeitpunkt der Rückgabe festzulegen.

3. Die Rückgabe des Fahrzeuges an die Firma hat spätestens am Tage der Fälligkeit der Schlussrate zu erfolgen. Zur Ermittlung des Rückkaufpreises wird der Kunde das Fahrzeug der Firma spätestens 14 Tage vor der Fälligkeit des Schlussrate zur Bewertung vorführen.“

Bereits Wochen vor der Fälligkeit der Schlussrate am 20.03.2013 nahm der Kläger Kontakt zur Nebenintervenientin zur Klärung der Rückgabemodalitäten des Fahrzeuges auf. Da sich Meinungsverschiedenheiten über einen zustandsbedingten Minderwert des Fahrzeuges zwischen der Nebenintervenientin und dem Beklagten ergaben, ließ die Nebenintervenientin ein Gutachten zum Fahrzeugzustand anfertigen. Dieses Gutachten kam zu einem geschätzten Minderwert des Fahrzeuges in Höhe von 1.742,80 € netto. Dennoch erzielten die Nebenintervenientin und der Beklagte keine Einigung über die Höhe des Minderwertes. Zum Zeitpunkt der Endfälligkeit des Darlehens am 20.0.2013 stellte der Beklagte das Fahrzeug auf dem Betriebsgelände der Nebenintervenientin ab. Diese zahlte an die Klägerin 5.058,53 € aus, was dem vereinbarten Rückkaufspreis in Höhe von 6.762,13 € abzüglich des Nettominderwertes in Höhe von 1.742,80 € unter Berücksichtigung einer Gutschriftvon 39,20 € wegen Unterschreitung der vereinbarten Kilometerfahrleistung entsprach.

Im September 2013 bezahlte der Beklagte an die Klägerin auf die noch ausstehende Darlehensforderung in Höhe von 1.742,80 € einen Betrag von 511,08 €.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe gegenüber der Nebenintervenientin von seinem verbrieften Rückkaufsrecht Gebrauch gemacht und mit dieser einen Rückkaufvertrag über das finanzierte Auto geschlossen. Zu einer Verwertung des Fahrzeuges durch die Klägerin entsprechend den Darlehensbedingungen vom 11.09.2008 sei es nicht gekommen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte Einwendungen aus der Ausübung des verbrieften Rückkaufsrechtes gegen die Klägerin nicht geltend machen könne, da es sich hier nicht um verbundene Geschäfte handele.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, zu erkennen

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 1.192,52 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seitdem 12.09.2013 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, das Fahrzeug am 20.03.2013 an die Nebenintervenientin zur Verwertung durch die Klägerin zurückgegeben zu haben. Er ist der Auffassung, die Beauftragung des Gutachtens am 21.02.2013 entspreche nicht dem zwischen den Parteien im Darlehensvertrag, dort Ziffer 8 b vereinbarten Prozedere. Der Beklagte behauptet, der gewöhnliche Verkaufswert des Fahrzeuges am 20.03.2013 habe 6.251,05 € betragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014 den Beklagten angehört.

Der Beitritt der Nebenintervenientin zum Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin mit Schriftsatz vom 22.04.2014 bot keinen Anlass zur Wiedereröffnung der Hauptverhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Rückzahlungsanspruch aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB aus dem Darlehensvertrag vom 11.09.2008 in Höhe der Klageforderung (1). Einwendungen hiergegen stehen dem Beklagten weder aus dem Darlehensvertrag selbst (2.) noch aus einem verbundenen Geschäft zu (3.).

1. Aus dem unstreitig zwischen den Parteien zustandegekommenen Darlehensvertrag war am 20.03.2013 eine Schlussrate in Höhe von 6.762,13 € zur Zahlung fällig. Diese minderte sich um die von der Nebenintervenientin hierauf geleistete Zahlung in Höhe von 5058,53 € und die vom Beklagten geleisteten Zahlung von 511,08 € auf 1.192,52 €.

2. Einwendungen aus dem Darlehensvertrag -insbesondere aus der beklagtenseits behaupteten Verwertung des Fahrzeugs durch die Klägerin- stehen dem Beklagten nicht zu. Eine Verwertung des Fahrzeuges durch die Klägerin hat nicht stattgefunden. Die Anhörung des Beklagten ergab, dass dieser im Zusammenhang mit der Rückgabe des Fahrzeuges niemals Kontakt zur Klägerin aufgenommen, ihr etwa mitgeteilt hat, es sei nicht zu einer Einigung zwischen ihm und der Nebenintervenientin über einen Rückkauf des Fahrzeuges gekommen, oder sie aufgefordert hat, das Fahrzeug zur Verwertung zurückzunehmen. Vielmehr ist aus dem nach §§ 133, 157 BGB auszulegenden Verhalten des Beklagten und der Nebenintervientin zu schließen, dass es zum Abschluss eines Rückkaufvertrages zwischen dem Beklagten und der Nebenintervientin gekommen ist. Mit dem Ansinnen der Ausübung seines Rückkaufsrechtes ist der Beklagte zunächst auf die Nebeninvenientin zugekommen. Entsprechend wurde auch von dieser -der Rückkaufsvereinbarung folgend- ein Gutachten zum Minderwert und nicht etwa entsprechend Ziffer 8b des Darlehensvertrages ein Gutachten zum gewöhnlichen Verkaufswert des Fahrzeuges eingeholt. Dass Beklagter und Nebenintervenientin sich nicht über einen vom vereinbarten Rückkaufs preis abzuziehenden Minderwert einig wurden, hindert nicht das Zustandekommen eines Rückkaufvertrages. Einigkeit über den Kaufpreis war mit Abschluss des Rückkaufs rechtes für den Beklagten erzielt. Die Möglichkeit, dass die Parteien sich nicht über einen Minderungsbetrag einigen können, sieht die Vereinbarung selbst nicht als Hindernis für das Zustandekommen eines Rückkaufvertrages an. Gegebenfalls sollte auch nach Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens der Rechtsweg nicht ausgeschlossen sein. Die Überlassung des Fahrzeuges an die Nebenintervenientin am 20.03.2013 konnte von dieser mangels gegenteiliger Äußerung des Beklagten nur so verstanden werden, dass der Abschluss eines Rückkaufsvertrages angeboten wurde. Dass die Nebenintervenientin das Fahrzeug für die Klägerin zur Verwertung nach dem Darlehensvertrag entgegen nehmen sollte, war weder aus den Umständen zu schließen, noch hat der Beklagte dies ausdrücklich verlangt. Das Angebot des Beklagten hat die Nebenintervenientin durch Entgegennahme des Fahrzeuges und dem weiteren Vorgehen entsprechend der Rückkaufsvereinbarung, nämlich Berechnung des angepassten Kaufpreises nach gutachterlich festgestellten Minderwert und Gutschrift der Minderkilometer, sowie Auszahlung des berechneten Betrages an die Klägerin, angenommen. Dass die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt mit Schreiben vom 26.08.2013 mitgeteilt hat, das Fahrzeug sei verwertet worden, hat auf das gefundene Ergebnis keinen Einfluss. Der Rückkauf des Fahrzeuges durch die Nebenintervenientin war bereits vollzogen.

3. Einwendungen aus dem abgeschlossenen Rückkaufvertrag kann der Beklagte nicht gemäß §§ 359 S. 1, 358 Abs. 3 BGB geltend machen, da es sich bei dem Darlehensvertrag und dem Rückkaufvertrag bzw. der diesem zugrundeliegenden Vereinbarung eines „verbrieften Rückkaufsrechtes“ nicht um verbundene Geschäfte handelt. Nach der klägerseits zitierten Rechtsprechnung des BGH und verschiedener Oberlandesgerichte […], welcher hier gefolgt wird, handelt es sich bei dem Darlehensvertrag und der hier abgeschlossenen Nebenabrede nicht um eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 358 Abs. 3 BGB. Ob von der Nebenintervenientin also zu Recht der gutachterlich festgestellte Minderwert in Abzug gebracht wurde, kann somit dahinstehen.

4. Der Zinsanspruch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, da für die Leistung der Schlussrate nach dem Darlehensvertrag eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 27.5.2014 – 22 C 1123/13

Bindung des Gegenstandswertes für die Streitverkündete an den Gegenstandswert der Hauptsache

Nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden (OLG Dresden, Beschluss vom 26.3.2014 – 3 W 275/14) ist der Streitwert für den Streitverkündeten dem Streitwert aus der Hauptsache gleich zu setzen, wenn der Verkünder des Streits keine Angaben zum Streitwert im Verhältnis zum Streitverkündeten macht.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Die Klägerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Görlitz, durch den sie zur Erstattung von Rechtsverteidigungskosten der Nebenintervenientin (1. Instanz) auf der Grundlage eines Streitwerts von 288.121.34 € verpflichtet worden ist.

Mit ihrer […] Klage nahm die Klägerin den Beklagten aus übergegangenem Recht gemäß § 116 SGB X auf Schadensersatz in Höhe von 284.921,34 € in Anspruch und begehrte die Feststellung, dass der Beklagte auch für alle weiteren materiellen Schäden einstandspflichtig sei. Auf die Streitverkündung des Beklagten […] trat […] (die Beschwerdegegnerin) […] dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten als Nebenintervenientin bei und beantragte in der mündlichen Verhandlung […] – wie der unterstützte Beklagte – die Klage abzuweisen.

Nach Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten und Vernehmung verschiedener Zeugen in der mündlichen Verhandlung […] verurteilte das Landgericht Görlitz den Beklagten […] antragsgemäß und erlegte ihm die Kosten des Rechtsstreits auf. Ausgenommen waren die Kosten der Nebenintervenientin, welche diese selbst zutragen hatte. In der Berufungsinstanz schlossen die Parteien einen Vergleich […], durch den sich der Beklagte zur Abgeltung sämtlicher streitgegenständlicher Ansprüche zur Zahlung eines Betrages von 230.000,00 € verpflichtete. Nach den Bestimmungen des Vergleichs hatte die Klägerin 20 % der gesamten Kosten des Rechtsstreits – einschließlich der Kosten der Nebenintervention – zu tragen. Den Streitwert setzte das Oberlandesgericht auf 288.121,34 € fest. Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung haben die Parteien und die Nebenintervenientin auf Rechtsmittel verzichtet.

Auf den Antrag der Nebenintervenientin […] setzte das Landgericht Görlitz die von der Klägerin aufgrund des rechtswirksamen Vergleichs […] zu erstattenden Kosten 1. Instanz auf 1.311,52 € nebst Zinsen fest […]. Gegen den […] Beschluss hat die Klägerin […] sofortige Beschwerde eingelegt. Ihrer Auffassung nach kann der Erstattungsanspruch der Nebenintervenientin nicht auf der Grundlage des Streitwertes berechnet werden, welcher im Verhältnis der Hauptparteien gelte. Denn ihr Interesse an einem Obsiegen des Beklagten sei geringer zu veranschlagen, da sie lediglich für einen Teil der geltend gemachten Kosten haften könne. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss […] nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht Dresden […] zur Entscheidung vorgelegt. […]

II.

Die nach den §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569, 572 ff. ZPO statthafte und zulässige Beschwerde der Klägerin, über die nach § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter entscheidet, hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die von der Klägerin an die Nebenintervenientin nach dem rechtswirksamen Vergleich […] zu erstattenden Kosten auf 1.311,52 € festgesetzt.

1. Die Rechtspflegerin beim Landgericht hat bei der – nach den Bestimmungen des Vergleichs […] – vorzunehmenden Kostenausgleichung zugunsten der Nebenintervenientin zu Recht außergerichtliche Kosten berücksichtigt, die auf der Grundlage eines Streitwerts von 288.121,34 € errechnet worden sind […].

a) Nach § 32 Abs. 1 RVG ist die Streitwertfestsetzung für die Gerichtsgebühren, wie sie hier mit Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden […] vorgenommen worden ist, zugleich für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. Die Wertfestsetzung des Gerichts ist für den Rechtspfleger im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nach den §§ 104, 106 ZPO grundsätzlich bindend (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 30. Aufl. 2014, §104 ZPO Rn 21, Stichwort: „Streitwert“, S. 490/1; von Eicken, Hellstab, Lappe, Madert, Dörndorfer, Die Kostenfestsetzung, 21. Aufl. 2013, Anm. D 73, S. 232). Im Sinne der Prozessökonomie soll dieses Verfahren nämlich möglichst von Fragen entlastet werden, welche nicht kostenrechtlicher Natur sind.

b) Eine eigenständige Wertfestsetzung des Rechtspflegers erweist sich im Übrigen schon deshalb als undurchführbar, als sich aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte für eine Bewertung des Interesses ergeben, welches die Nebenintervenientin an einem Obsiegen der Beklagten gehabt hat. Denn die Beklagte hat keine Angaben dazu gemacht, in welcher Höhe sie sich bei der Nebenintervenientin hat schadlos halten wollen.

c) Angesichts dieser Umstände ist weder auf die von den Parteien diskutierte Frage der Streitwertbemessung bei der Nebenintervention (vgl. hierzu: Zöller-Herget, a.a.O., § 3 ZPO Rn. 6, Stichwort: „Nebenintervention“, S. 92) noch auf die Wirkung des Rechts mittelVerzichts gegen den Streitwertbeschluss des Oberlandesgerichts Dresden […] einzugehen (vgl. § 33 Abs. 2 RVG).

2. Im Rahmen der Kostenausgleichung nach § 106 ZPO war zugunsten der Nebenintervenientin auch die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % mitzuberücksichtigen. Denn für ihre Berücksichtigung reicht die Erklärung nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO aus, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein (vgl. Zöller-Herget, a.a.O., § 91 ZPO Rn 13, Stichwort: „Umsatzsteuer“, S. 412). Eine solche Erklärung hat die Nebenintervenientin im Kostenausgleichsantrag […] abgegeben und ihre fehlende Vorsteuerabzugsberechtigung im Schriftsatz […] erläutert.

OLG Dresden, Beschluss vom 26.3.2014 – 3 W 275/14

Zur Wirksamkeit eines Mieterhöhungsverlangens, wenn im Mietvertrag ein nicht mehr existenter Index benannt wird

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 26.3.2014 – 20 C 1076/12) ist eine vertraglich vereinbarte Mieterhöhung anhand eines Indexes bei einem Mietverhältnis über Gewerberaum auch dann zulässig, wenn dieser Index zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mehr existiert. Im Weiteren hält die Klausel zur Mietpreisanpassung der Inhaltskontrolle entsprechend den Bestimmungen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand, auch wenn diese nur eine Erhöhung vorsieht.

Berufungsinstanz: LG Görlitz, Urteil vom 29.10.2014 – 2 S 92/14

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

1. […]

– Kläger –

2. […]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter am Amtsgericht […] aufgrund der von den Parteien bis zum 14.03.2014 eingereichten Schriftsätze

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.635,48 € nebst Zinsen i.H.v. 64,74 € für die Zeit vom 04.01.2012 – 29.11.2012 und weitere Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 1.635,48 € seit dem 30.11.2012 zu zahlen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten den Rechtsstreits.
  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des jeweils bei zutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  4. Streitwert: 1.635,48 €.

Tatbestand:

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Zahlung erhöhter Gewerberaummiete.

Die Rechtsvorgängerin der Kläger […] und die Beklagte schlossen einen schriftlichen Geschäftsraum-Mietvertrag vom 28.10.20104 über Gewerberäume im Erdgeschoss des Hauses […]. In den vermieteten Räumlichkeiten betreibt die Beklagte ein Optikerfachgeschäft. Der schriftliche Mietvertrag enthält in § 3 „Höhe und Zahlung der Miete einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen“ unter Nr. 4 folgende Bestimmungen: „a) Erhöht sich der vom Statistischen Bundesamt jeweils festgestellte Lebenshaltungskostenindex aller privaten Haushalte in Deutschland, Basis 1995 = 100 Punkte, gegenüber dem beim Abschluss des Mietvertrages bestehenden Lebenshaltungskostenindex um 10 Punkte, so erhöht sich die oben vereinbarte Kaltmiete im gleichen (prozentual umgerechneten) Verhältnis, ohne dass es einer Mietänderungserklärung des Vermieters bedarf. Die Änderung wird jeweils zum 01.01. des Folgejahres nach Eintritt der Erhöhung fällig, und zwar auch dann, wenn dies dem Vertragspartner erst später mitgeteilt wird. Die Regelung ist wiederholt anwendbar, wenn die oben beschriebenen Voraussetzungen auf der Basis der jeweils vorausgegangenen Mietänderung entsprechend vorliegen. Eine erstmalige Anpassung der Miete ist frühestens nach dem 01.12.2005 möglich.

b) Der Vermieter hat die Erhöhung mitzuteilen und dabei eine Berechnung vorzulegen, wobei eine nicht rechtzeitige Mitteilung keinen Verzicht bedeutet.

c) Die Parteien gehen davon aus, dass die vorstehende Klausel nicht der Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft bedarf. Vorsorglich verpflichtet sich aber der Vermieter, ein Negativattest einzuholen. Falls dies verweigert wird, weil die Klausel genehmigungsbedürftig ist, so holt der Vermieter die Genehmigung ein. Wird diese verweigert, sind sich die Parteien darüber einig, dass die Wertsicherungsklausel als Leistungsvorbehalt im Sinne einerAnpassungsklausel umgedeutet wird.

d) Sollten die Indizes vom Statistischen Bundesamt nicht fortgeführt werden, so wird ein vergleichbarer Index des Statistischen Amtes der Europäischen Union zugrunde gelegt“.

Bei Abschluss des schriftlichen Mietvertrages vom 28.10.2004 hatte das Statistische Bundesamt den Lebenshaltungskostenindex aller privaten Haushalte in Deutschland nicht mehr fortgeschrieben. Das Statistische Bundesamt hatte am 01.01.2000 den Verbraucherpreisindex eingeführt und die Vorgängerindizes, u.a. auch den Lebenshaltungskostenindex, ab 31.12.2002 nicht mehr veröffentlicht.

Mit Schreiben vom 14.12.2011 ihrer Prozessbevollmächtigten verlangten die Kläger von der Beklagten die Bezahlung eines monatlichen Nettokaltmietzinses ab dem 01.01.2012 von 1.652,41 €. Dabei berechneten sie in diesem Schreiben die Erhöhung des Mietzinses anhand des Verbraucherpreisindexes und der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Anleitung für die Berechnung von Schwellenwerten und Veränderungsraten für Wertsicherungsklauseln […].

Den sich aus dieser Berechnung ergebenden Mietrückstand bis einschließlich November 2012 i.H.v. 1.635,48 € zahlte die Beklagte nicht.

Die Kläger sind der Auffassung, dass § 3 Nr. 4 des schriftlichen Mietvertrages dahin auszulegen sei, dass anstelle des nicht mehr fortgeführten Lebenshaltungskostenindexes der Verbraucherpreisindex trete. Dies ergebe eine entsprechende Auslegung des Parteiwillens, die nach der einschlägigen Rechtsprechung des BGH zu dem Ergebnis führe, dass an die Stelle des Lebenshaltungskostenindexes der Verbraucherpreisindex trete. Die Bestimmungdes § 3 Nr. 4 des schriftlichen Mietvertrages sei auch nichtals von ihnen, den Klägern verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung einzuordnen und unwirksam. Als Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Mietvertrag vom 28.10.2004 sei vielmehr die Beklagte anzusehen.

Die Kläger beantragen daher,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.635,48 €nebst ausgerechneten Zinsen für die Zeit vom 04.01.2012 – 29.11.2012 i.H.v. 64,74 € sowie weitere Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.635,48 € seit dem 30.11.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass den Klägern die Aktivlegitimation fehle. Die GbR der Kläger existiere nicht mehr. Die Rechte am streitbefangenen Mietobjekt habe der Kläger zu 2) durch Übertragung allein erworben. Außerdem seien die Kläger nicht Eigentümer des Grundstücks […] geworden. Ihr, der Beklagten, stünde ein Zurückbehaltungsrecht zu, weil die Vermieterin ein Negativattest, wie in § 3 Nr. 4 des Mietvertrages vereinbart, nicht eingeholt habe. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe es den Lebenshaltungskostenindex nicht mehr gegeben. Es sei daher von einem offenen Wissens auszugehen. Außerdem sei die Preisanpassungsklausel nicht eindeutig formuliert. Sie lasse nämlich nicht erkennen, ob die Berechnung nach Kalendermonaten oder nach Kalenderjahren erfolgen solle. Gleichwohl seien die Kläger von einer Monatsregelung ausgegangen. Die Klausel sei unwirksam.

Auch sei die Berechnung der Klägerin im Übrigen inhaltlich falsch.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das Gericht hat zu der Frage der korrekten Umrechnung der im Mietvertrag vereinbarten Punkteregelung ein mathematisches Gutachten eingeholt. Auf das Gutachten vom 31.07.2013 der Mathematikerin Dr. […] wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des erhöhten Mietzinses ab 01.01.2012 – 30.11.2012 in tenorierter Höhe. Der Mieterhöhungsanspruch der Kläger ab 01.01.2012 ergibt sich aus § 3Nr. 4 des schriftlichen Mietvertrages vom 28.10.2004.

Die Kläger sind anspruchsberechtigt. Ihre Eigentümerstellung ergibt sich aus den von ihnen vorgelegten Grundbuchauszug […]. Demgegenüber hat die Beklagte in erheblicher Weise nicht vorgetragen, wann die Gesellschaft zwischen den Klägern aufgelöst worden sein soll und wann das Eigentum am Grundstück […] auf den Kläger zu 2) übertragen worden sein soll. Der Beweisantritt auf Parteivernehmung der Kläger stellt sich unter diesen Umständen als Ausforschungsbeweis dar.

Die Bestimmung des § 3 Nr. 4 des schriftlichen Mietvertrages ist auch nicht wegen Dissenses (§ 154 BGB) nichtig. Ein (offener oder versteckter) Einigungsmangel setzt zunächst voraus, dass die beiden Vertragsparteien eines Vertrages verschiedene Vorstellungen über bestimmte Punkte, hier also die verfahrensgegenständliche Anpassungsklausel, hatten. Ein Einigungsmangel setzt ferner voraus, dass es zu keiner Einigung gekommen ist. Es fehlt bereits an einem erheblichen Sachvortrag der Beklagten, dass die Parteien beim Abschluss des Mietvertrages, in den die Kläger nach § 578 BGB eingetreten sind, über die Preisanpassungsklausel verschiedene Vorstellungen hatten. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass ihre eigene Vorstellung über eine Preisanpassung verschieden war von der Preisanpassungsvorstellung der damaligen Vermieterin. Auch nach dem Vortrag der Beklagten war es vielmehr so, dass beide Vertragsparteien seinerzeit zwar eine Mietzinsanpassungsregelung wollten, ihnen jedoch entgangen war, dass der Index, nach dem sich die Mietpreisanpassung richten sollte, nämlich der Lebenshaltungskostenindex, beim Vertragsabschluss am 28.10.2004 nicht mehr publiziert wurde, sondern vom Verbraucherpreisindex ersetzt wurde. Eine solche Situation beim Abschluss des Vertrages stellt keinen Dissens dar, sondern ist eine bei beiden Vertragspartnern existierende falsche Vorstellung über (angeblich vorhandene) Indizes. Solche bei beiden Vertragspartner identisch vorhandenen falschen Annahmen sind nach gefestigter Rechtsprechung des BGH zunächst durch Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB), ggf. auch im Wege der Anpassung der Geschäftsgrundlage zu korrigieren.

Die Bestimmung in § 3 Nr. 4 des schriftlichen Mietvertrages ist auch nicht deswegen unwirksam, weil sie als Allgemeine Geschäftsbedingung die Beklagte unangemessen benachteiligt (307 BGB). Dabei kann dahinstehen, wer der Verwender der Bestimmung des § 3 des Mietvertrages ist. Denn auch wenn unterstellt wird, dass – was die Kläger bestreiten – der Vermieter Klauselverwender ist, hält die Klausel einer Inhaltskontrolle stand. Die Klausel benachteiligt die Beklagte nicht unangemessen dadurch, dass nach dem Klauselinhalt die Miete nur bei Indexerhöhungen, nicht jedoch bei Indexsenkungen angepasst werden soll. Denn dieser – wahrscheinlich ohnehin nur theoretische – Nachteil wird dadurch ausgeglichen, dass in § 2 des schriftlichen Mietvertrages der Beklagten das Recht eingeräumt wird, die Beendigung des Mietvertrages dadurch herbeizuführen, dass sie eine Mietvertragsfortsetzung nicht verlangt.

Die Auslegung der danach wirksamen Vertragsklausel in § 3 Nr. 4 des schriftlichen Mietvertrages führt zu dem Ergebnis, dass an die Stelle des Lebenshaltungskostenindexes der Verbraucherpreisindex tritt. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 04.03.2009, Az: XII ZR 141/07; Urteil vom 07.11.2012, Az: XII ZR 41/11) entsteht bei einer Mietanpassungsklausel, die die Änderung der Methöhe von einer Veränderung des Index für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Arbeitnehmer-Haushaltes abhängig macht, eine Regelungslücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden müsse. Nach der Rechtsprechung entspricht es dabei dem Interesse der Vertragsparteien, für die automatische Anpassung der Miethöhe ab der Einstellung der Fortschreibung des Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Arbeitnehmer-Haushaltes mit mittlerem Einkommen auf den allgemeinen Verbraucherpreisindex abzustellen. Diese Rechtsprechung geht zutreffend davon aus, dass die Vertragsparteien, wenn sie den Fortfall des Verbraucherpreisindex bedacht hätten, nicht auf jede automatische Anpassung der Miete verzichtet und stattdessen vereinbart hätten, den Mietzins jeweils neu auszuhandeln. Anderseits haben die Parteien in § 3 Nr. 4 des verfahrens gegenständlichen Mietvertrages nicht eindeutig bestimmt, was im Fall des Indexfortfalls gelten soll. Diese Regelungslücke ist nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien auszulegen. Dabei ergibt sich bereits aus dem Wortlaut aus § 3 Nr. 4 des schriftlichen Mietvertrages, dass die Parteien bei Fortfall des von ihnen gewählten Index nicht auf eine Anpassungsklausel verzichten wollten. Denn in § 3 Nr. 4 c) und d) des schriftlichen Mietvertrages haben sie Regelungen für den Fall getroffen, dass eine etwa erforderliche Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft verweigert wird und „die Indizes“ vom Statistischen Bundesamt nicht forgeführt werden. Letzterenfalls sollte ein vergleichbarer Index des Statistischen Amtes der EU zugrunde gelegt werden. Diese Bestimmung in § 3 Nr. 4d) des schriftlichen Mietvertrages ist als Auffangregelung für den Fall zu verstehen, dass nationale Indizes nicht mehr geführt werden. Sie kommt im vorliegenden Streitfall daher nicht zum Tragen, weil nationale Indizes für Deutschland noch immer existieren. Hätten die Parteien dabei bedacht, dass der Verbraucherpreisindex den Lebenshaltungskostenindex ersetzt, dann hätten sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der beidseitigen Interessen diesen Index gewählt. Denn dieser Index misst die durchschnittliche Preisveränderung aller Waren und Dienstleistungen in Deutschland, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden. Er bildet die Verbraucherpreise umfassend ab. Jeder der beiden Vertragsparteien hätte sich deshalb redlichweise nicht nur am Grundsatz der automatischen Anpassung festhalten lassen müssen. Die Vertragsparteien hätten auch mangels geeigneter Alternativen der Bezugnahme auf den Verbraucherpreisindex als neuen Maßstab für die künftige automatische Anpassung des Mietzinses zustimmen müssen (BGH, Urteil vom 04.03.2009). Demgegenüber kann nicht mit Aussicht auf Erfolg eingewendet werden, dass sich die genannte Rechtsprechung des BGH auf Dauerschuldverhältnisse bezieht, bei denen der Lebenshaltungskostenindex bei Abschluss des Vertrages vom Statistischen Bundesamt noch geführt wurde, jedoch dann im Laufe des Dauerschuldverhältnisses weggefallen ist. Denn eine durch Auslegung zu füllende Vertragslücke ergibt sich gleichermaßen auch dann, wenn die Vertragsparteien bei Vertragsabschluss irrtümlich davon ausgegangen sind, das der Index für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Arbeitnehmer-Haushaltes noch veröffentlicht wird. Auch bei dieser fehler haften Annahme der vertragsschließenden Parteien kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien – hätten sie den Fortfall dieses Index gekannt – auf eine Anpassung des Mietzinses verzichtet hätten. Gerade die von den Parteien getroffenen Bestimmungen in § 3 Nr. 4 c) und d) des schriftlichen Mietvertrages zeigen dies. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Parteien Vorsorge treffen wollten für den Fall, dass bereits beim Abschluss des Mietvertrages die von ihnen primär vereinbarte Bindung des Mietpreises an den Lebenshaltungskostenindex nicht möglich ist. Für diesen Fall sollte nämlich ein Leistungsvorbehalt im Sinne einer Anpassungsklausel vereinbart werden. Hieraus folgt: Hätten die Parteien beim Vertragsabschluss gewusst, dass der Lebenshaltungskostenindex bereits im Jahre 2000 weggefallen ist und an dessen Stelle der Verbraucherpreisindex getreten ist, hätten sie diesen Index auch vereinbart.

Auch die von den Klägerin im Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 14.12.2011 vorgenommene Umrechnung ist der Höhe nach im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dabei gehen die Kläger davon aus, dass eine Umrechnung unter Zugrundelegung des Lebenshaltungskostenindexes nach den Anleitungen des Statistischen Bundesamtes […] vorzunehmen ist, und zwar auf der Grundlage des Basisjahres 1995 = 100 Punkte. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist indessen unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 07.11.2012, Az: XII ZR 41/11) von Vertragsbeginn an der Verbraucherpreisindex zugrunde zu legen. In seinem Urteil von 07.11.2012 geht der BGH davon aus, dass sich die Parteien redlicherweise auf den Verbraucherpreisindex seit seiner Einführung am 01.01.2000 geeinigt hätten. Der BGH begründet dies mit der Erwägung, dass seitdem Jahre 2000 der Verbraucherpreisindex die aktuelleren Verbrauchsgewohnheiten besser widerspiegelt, als der frühere Lebenshaltungskostenindex, der auf einem überholten Wägungsschema beruhe. Hinzu komme noch das Argument, dass in den Verbraucherpreisindex methodische Weiterentwicklungen eingeflossen seien, die zu einer besseren und schärferen Abbildung der Verbraucherpreise geführt hätten (Urteil vom 07.11.2012, Rdnr. 28). Die von den Klägern vorgenommene Umrechnung ist daher nicht zu beanstanden. Das vom Gericht eingeholte Gutachten hat ergeben, dass sie auch rechnerisch richtig ist. Der Einwand der Beklagten, dass die Gutachterin bei ihren Berechnungen unzutreffenderweise vom Vertragsbeginn im April 2004 ausgegangen sei, während demgegenüber richtigerweise von Oktober 2004 hätte ausgegangen werden müssen, ist zwar zutreffend, führt jedoch zu keiner anderen Berechnung.

Denn nach den Ausführungen auf Seite 5 oben des Gutachtens würde eine Neuberechnung allenfalls zu einer Änderung der zweiten oder dritten Nachkommastelle führen. Gegen das durch das Gutachten rechnerisch bestätigte Erhöhungsverlangen kann weiter mit Erfolg nicht eingewendet werden, dass in der einschlägigen Vertragsbestimmung nicht geregelt ist, ob die Berechnung nach Kalenderjahren oder nach Monaten zu erfolgen hat. Die rechnerischen Erhöhungswerte ändern sich nämlich nicht. Die Jahreswerte fassen nämlich nur die Preissteigerungen zusammen, die in den 12 Monaten eingetreten sind; die einzelnen Monatswerte bilden die jährliche Preissteigerungsrate.

Der Beklagten steht schließlich auch kein Zurückbehaltungsrecht deswegen zu, weil die Kläger kein Negativattest beigebracht haben. Denn in § 3 Nr. 4 c) des Vertrages hat sich der Vermieter zur Beibringung eines Negativattestes „vorsorglich“ verpflichtet, nämlich für den Fall, dass die Preisanpassungsklausel vom Bundesamt für Wirtschaft genehmigt werden muss. Die Auslegung der Bestimmung ergibt, dass der Vermieter ein Negativattest nicht beizubringen hatte, wenn die Preisklausel nicht genehmigungspflichtig ist. Die Genehmigungspflicht ist nach § 3 des Gesetzes über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (Preisklauselgesetz) entfallen.

Verzugszinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten können die Kläger nach §§ 286, 288 BGB verlangen.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 26.3.2014 – 20 C 1076/12

Siehe auch: Berufungsinstanz: LG Görlitz, Urteil vom 29.10.2014 – 2 S 92/14

Darlegungs- und Beweislast sowie Haftungsverteilung bei einem Unfall in einem Kreisverkehr

Durch das Amtsgericht Kamenz (AG Kamenz, Beschluss vom 26.3.2014 – 1 C 717/13) wurde in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass bei einem Verkehrsunfall in einem Kreisverkehr kein Anscheinsbeweis zulasten des Auffahrenden angenommen werden kann. Lässt sich bei einem Unfall im Kreisverkehr letztlich nicht feststellen, welcher der beiden Unfallbeteiligten den Kreisverkehr mit seinem Fahrzeug zuerst erreicht hat, kommt eine hälftige Schadensteilung in Betracht.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

gegen

1. […]

– Beklagter –

2. […] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Kamenz […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung […] am 26.03.2014

nachfolgende Entscheidung:

[…]

Das Gericht weist im Nachgang zu der bereits im Termin stattgefundenen Erörterung der Sach- und Rechtslage nochmals auf Folgendes hin:

Ein Verschulden des Beklagten zu 1. an dem Unfall ist vorliegend nicht unter dem Gesichtspunkt des Beweises des ersten Anscheins anzunehmen. Zwar kann der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden sprechen, wenn es sich um einen „typischen“ Auffahrunfall handelt. Andererseits spricht aber dann, wenn sich ein Unfall im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Einfahren von einer untergeordneten Straße in eine bevorrechtigte Straße ereignet, der Beweis des ersten Anscheins für eine typische Vorfahrtsverletzung des Wartepflichtigen, so dass in einem solchen Fall von einem atypischen Geschehensablauf auszugehen ist, der es nicht zulässt, auf ein Verschulden des Auffahrenden zu schließen (vgl. AG Duisburg, Urteil vom 26.06.2012, 25 C 2962/11; LG Saarbrücken, Urteil vom 10.06.2011, 13 S 40/11; LG Bielefeld, Urteil vom 20.06.2007, 21 S 57/07 – Juris).

Der Kläger hätte also nur dann in den Kreisverkehr einfahren dürfen, wenn sich der Beklagte zu 1. nicht seinerseits bereits im Kreisverkehr befunden hatte (vgl. insoweit auch LG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2012, 13 S 199/11 – Juris).

Lässt sich bei einem Unfall im Kreisverkehr letztlich nicht feststellen, welcher der beiden Unfallbeteiligten den Kreisverkehr mit seinem Fahrzeug zuerst erreicht hat, kommt nach Auffassung des Gerichts eine hälftige Schadensteilung in Betracht (vgl. LG Detmold, Urteil vom 22.12.2004, DAR 2005, 222; ähnlich LG Bielefeld, Urteil vom 20.06.2007, 21 S 57/07, a.a.O).“

AG Kamenz, Beschluss vom 26.3.2014 – 1 C 717/13

Kostenerstattung für Fahrtkosten des nicht geladenen Beklagtenvertreters

Nach dem Beschluss des Landgerichts Görlitz (LG Görlitz, Beschluss vom 12.3.2014 – 1 O 181/12) können die Fahrtkosten vom Beklagten zum Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet wurde, erstattet verlangt werden.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Die von den Beklagten für den Beklagte zu 2. beantragten Fahrtkosten sowie Verdienstausfall für die Teilnahme an dem Verhandlungstermin vom 13.11.2013 angefallenen Kosten sind erstattungsfähig. Die durch die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin veranlassten Reisekosten einer Partei sind grundsätzlich erstattungsfähig, gleich ob sie anwaltlich vertreten oder ihr persönliches Erscheinen angeordnet ist, es sich um einen Verhandlungstermin oder eine Beweisaufnahme handelt. Da der Grundsatz der Mündlichkeit in der mündlichen Verhandlung seine ureigenste Ausprägung findet und der Partei dort auch im Anwaltsprozess auf Antrag das Wort zu erteilen ist (§ 137 Abs. 4 ZPO), sind der Partei Reisekosten zu erstatten, die ihr die Anwesenheit in einem gerichtlichen Verhandlungstermin ermöglichen. Die persönliche Anwesenheit der Parteien ist vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Gerichtes, über die Güteverhandlung (§ 278 Abs. 2 ZPO) hinaus in jeder Lage des Verfahrens aufeine gütliche Beilegung des Rechtsstreites hinzuwirken und der durch die ZPO-Reform verstärkten materiellen Prozessleitungspflichten des Gerichts, die sich insbesondere durch die Ausübung des Fragerechts in der mündlichen Verhandlung verwirklichen, aus Gründen der Prozessökonomie vielfach sachgerecht und zielführend, vgl. m. w. N., BGH, WM 2008, 422 – 424).“

LG Görlitz, Beschluss vom 12.3.2014 – 1 O 181/12

siehe auch:

Kostenerstattung für Fahrtkosten des nicht geladenen Beklagten

Nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Dresden (LG Dresden, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7.3.2014 – 9 O 556/13) können auch die Fahrtkosten für die nicht geladenen Beklagtenvertreter mit dem Kostenfestsetzungsverfahren festgesetzt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Auf die Gewährung rechtlichen Gehörs hin hatte die Beklagtenpartei die geltend gemachten Parteireisekosten moniert. Begründet wurden die Einwendungen damit, dass das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet worden sei und daher die Parteireisekosten nicht erstattungsfähig wären.

Entgegen dem Einwand waren die Parteireisekosten des Klägers i.H.v. 40,- € bei der Ausgleichung zu berücksichtigen.

Nach §91 Abs. 1S. 2ZPO umfasst die Kostenerstattung auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden. Die Vorschrift verweist auf das JVEG, also die §§ 19 ff. JVEG. Nach diesem Gesetz ist in § 20 eine Entschädigung für Zeitversäumnis vorgesehen.

Den Fahrtkostenersatz regelt § 5 JVEG.

Reisekosten zur Teilnahme am Verhandlungstermin auch bei anwaltl Vertretung grds erstattungsfähig (Brandenburg MDR 2000, 1216; RVGreport 2009, 437; Koblenz JurBüro 2010, 210, auch ohne Anordnung des pers Erscheinens;(Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 91 ZPO).“

LG Dresden, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7.3.2014 – 9 O 556/13

siehe auch:

Zum Beweisumfang bei einem mündlich geschlossenen Kaufvertrag über ein Fahrzeug

Durch das Landgericht Görlitz (LG Görlitz, Urteil vom 15.1.2014 – 1 O 262/13) wurde zum Beweisumfang bei einem mündlich geschlossenen Kaufvertrag über ein Fahrzeug entschieden:

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7-9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

Autohaus […] GmbH, […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte […]

wegen Kaufpreisforderung

hat die 1.Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch

Richter am Landgericht […] als Einzelrichter

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2013 am 15.01.2014

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die […] Bank AG, […] mithin an die Bankverbindung

Empfänger: […]
Kontonommer: […]
bei: […] Bank AG
BLZ […]

14.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 03.04.2012 zu zahlen.

  1. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger die nicht festsetzbaren, außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 461,60 €nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit 12.08.2013 zu zahlen.
  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die seitens des Klägers verauslagten Gerichtskosten Zinsen gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 14.000,00 EUR festgesetzt.

I.

Tatbestand

Die Parteien streiten aus abgetretenem Recht über den Abschluss eines Kfz-Kaufes und daraus resultierender Kaufpreisforderung des Klägers.

Unter Vorlage einer Abtretungsvereinbarung (vgl. Anlage K8 = Bl. 47 d. A) behauptet der Kläger, dass sein Sohn, der Zeuge […] H[…], im Mai bzw. Juni 2011 seinen Pkw Alfa Brera für 14.000,00 €an die Beklagte unter der Maßgabe verkauft habe, dass die Darlehensgeberin der Finanzierung, die […] Bank (nachfolgend Bank) dem Ankauf zustimmt. Hierzu hat der Kläger ein Bestätigungsschreiben der Bank vom 19.07.2011 vorgelegt, in dem die Bank die Überweisung des Kaufpreises an sich verlangt (vgl. Anlage K2, Bl. 17d. A)[.] Da eine Zahlung der Beklagten weder an die Bank noch an den Zeugen […] H[…] erfolgt ist, begehrt der Kläger nunmehr gerichtlich die Forderung.

Der Kläger beantragt:

  1. Die Beklagtewird verurteilt, an die […] Bank AG, […], mithin an die Bankverbindung

Empfänger: […]
Kontonummer: […]
bei: […] Bank AG
BLZ: […]

14.000,00 € nebstZinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins [n]ach § 247 BGB hieraus seit dem 3.4.2012 zu zahlen.

  1. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger die nicht festsetzbaren, außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins nach §247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die seitens des Klägers verauslagten Gerichtskosten Zinsen gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB seit dem Zeitpunkt ihrerEinzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.


Dabei bestreitet die Beklagte den Abschluss eines Kaufvertrages mit dem Zeugen […] H[…], da bei derartigen Vorgängen immer ein schriftlichen Ankaufvertrag geschlossen werde, den es vorliegend unstreitig nicht gibt. Der Zeuge […] H[…] habe vielmehr kommentarlos das Fahrzeug bei der Beklagten abgestellt, eine Abmeldung des Kfz durch die Beklagte sei nicht erfolgt.

Das Gericht hat im Termin der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2013 Beweis erhoben, durch Vernehmung der Zeugen […] H[…] und […] M[…] (wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf das Sitzungsprotokoll Bl. 56 – 63 d. A Bezug genommen).

Die sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen, die Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2013 waren.

II.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Beklagte ist zur Zahlung des Kaufpreises von 14.000,00 € an die […] Bank AG verpflichtet, da der Zeuge […] H[…] mit der Beklagten einen Kaufvertrag über den Ankauf des streitgegenständlichen Alfa Brera geschlossen hat (§ 433 BGB).

Zu dieser abschließenden Überzeugung ist das Gericht im Ergebnis der Würdigung des Sachverhalts und der Beweisaufnahme in Form der Vernehmung insbesondere des Zeugen […] H[…] gelangt. Danach hat der Zeuge […] H[…] mit dem Mitarbeiter der Beklagten G[…] einen Kaufvertrag über 14.000,00 € geschlossen. Der Zeuge […] H[…] hat erklärt, bereits mehrfach Fahrzeuge bei dem mit ihm gut befreundeten Verkäufer G[…] ge- und verkauft zu haben. Soweit dabei auch Fahrzeuge vom Zeugen […] H[…] in Zahlung gegeben wurden, habe es hierzu keinen gesonderten Ankaufvertrag gegeben, auch nicht im (ersten) Fall, als der Zeuge […] H[…] wie jetzt, nur sein Fahrzeug an die Beklagte verkauft hat. Der Zeuge hat auch glaubhaft und nachvollziehbar den Ablauf im vorliegenden Fall geschildert, wonach das Fahrzeug vom Verkäufer G[…] bewertet und der Ankauf jedoch mit 14.000,00 € unter dem ermittelten Wert erfolgt ist, da der Zeuge […] H[…] diesmal kein neues Fahrzeug gleichzeitig bei der Beklagten erworben hat. Die Gründe dafür sind vom Zeugen […] H[…] ebenso plausibel dargestellt worden: Der Verkäufer G[…] hat dem Zeugen […] H[…] zu verstehen gegeben, dass ein behindertengerechter Umbau (wie für den Zeugen […] H[…] nach dem von ihm geschilderten erlittenen Unfall notwendig) des streitgegenständlichen Alfa Brera nicht möglich ist und auch ein Neufahrzeug erst umgebaut werden müsste. Dass es keinen schriftlichen Vertrag zum Ankauf gegeben habe, sei für den Zeugen […] H[…] nicht verwunderlich gewesen, da es auch in der Vergangenheit zwischen ihm und dem Verkäufer G[…] im Einzelfall so gehandhabt worden sei. Zusätzlich habe es die Bestätigung des Verkäufers G[…] gegenüber dem Zeugen […] H[…] gegeben, dass die Zustimmung der Bank zum Verkauf an die Beklagte wie im Schreiben vom 19.07.2011 erfolgt, für den Zeugen ausreichend sei. In dieses Bild passt auch das Eingeständnis des Geschäftsführers der Beklagten im Termin der mündlichen Verhandlung, wonach entgegen dem vorherigen schriftsätzlichen Bestreiten der Beklagten im Vorfeld des Verhandlungstermins die Abmeldung des Alfa Brera tatsächlich doch durch die Beklagte erfolgt ist. Welchen Grund jedoch sollte es für die Beklagte gegeben haben, ein nicht angekauftes Fahrzeug bei der Zulassungsstelle abzumelden. Obwohl der Zeuge […] H[…] als Veräußerer des streitgegenständlichen Pkw ein ureigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, vermag das Gericht an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Angaben nicht zu zweifeln. Der Zeuge hat ruhig, in der Sache nachvollziehbar und widerspruchsfrei sowohl seine Aussage getätigt als auch auf die Fragen von Gericht und Parteien geantwortet. Das Gericht hat danach davon auszugehen, dass sich der Zeuge […] H[…] mit der Beklagten über den Verkauf des Pkw Alfa Brera für 14.000,00 € an die Beklagte geeinigt hat.

Sofern die Beklagte im Anschluss an die durchgeführte Beweisaufnahme nunmehr die Vernehmung des Verkäufers G[…] als Zeugen zum bestrittenen Kaufvertragsabschluss beantragt und der Kläger hierzu Verspätung gerügt hat, war dieses Vorbringen der Beklagten nach § 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Die Beklagte hat beginnend mit der Klageerwiderung stets den streitgegenständlichen Kaufvertragsschluss bestritten, hierfür jedoch ihrerseits keinen gegenbeweislichen Zeugen, schon gar nicht den Zeugen G[…] benannt, obwohl aus dem Vortrag des Klägers ersichtlich war, dass die Verhandlungen zwischen dem Zeugen H[…] und dem Verkäufer G[…] geführt worden waren. Der Verkäufer G[…] ist von dem Beklagten als Zeuge lediglich dafür benannt worden, dass die Abmeldung des Fahrzeuges nicht durch ihn erfolgt sei (vgl. S. 4 der Klageerwiderung, Bl. 29 d. A), eine Kontaktaufnahme mit dem Zeugen H[…] gescheitert ist (vgl. S. 6 der Klageerwiderung, Bl. 31 d. A) und ein Auftrag beim Verbringen des Fahrzeuges auf die Hebebühne ausgelöst worden wäre (vgl. S. 2, der Duplik, Bl. 50 d. A). Hätte die Beklagte den Zeugen G[…] für ihre gegenteiligen Behauptungen bereits in der Klageerwiderung oder spätestens mit der Duplik benannt, hätte eine Ladung zum Termin am 11.12.2013 (wie bei den Zeugen H[…] und M[…] erfolgt) noch rechtzeitig veranlasst werden können. Eine Ladung des Zeugen G[…] zum jetzigen Zeitpunkt nach der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2013 würde jedoch eine Verfahrensverzögerung wegen eines weiteren erforderlichen Beweistermins bedeuten und ist auf eine grobe Nachlässigkeit der Beklagten zurückzuführen, der die Beweiserheblichkeit durch Klage und Replik mehrfach verdeutlicht worden war. Insofern bedurfte es auch einen etwaigen Hinweises nach §139 ZPO durch das Gericht nicht, da das Unterbleiben des Beweisantritts weder auf einem Versehen noch auf eine erkennbarfalschen Beurteilung der Rechtslage durch die Beklagte beruht (vgl. Zöller, ZPO, 30. Auflage, RZ16 zu § 139 ZPO).

Da auch die abschließend als Anlage K 8 vorgelegte Abtretungsvereinbarung keinen rechtlichen Bedenken begegnet und von der Beklagten nicht mehr substantiiert in der Duplik angegriffen wurde, war der Klage im Ergebnis vollumfänglich stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt der § 3 ZPO.“

LG Görlitz, Urteil vom 15.1.2014 – 1 O 262/13

Haftungsverteilung bei Unfall auf Parkplatz mit einem rückwärts ausparkenden Fahrzeug

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 18.12.2013 – 20 C 1011/12) haftet bei einem Verkehrsunfall auf einem Parkplatz mit einem rückwärts ausparkenden Fahrzeug das rückwärts fahrende Fahrzeug zu 80% und das vorbeifahrende Fahrzeug zu 20 %.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

  1. […] L[…]

– Kläger u. Widerbeklagter –

  1. [V]ersicherung […]

– Drittwiderbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

  1. […] Tausend, […]

– Beklagter u. Widerkläger –

  1. […] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter am Amtsgericht […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2013

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 335,24 € nebst 4 Prozent Jahreszinsen aus 330,24 € vom 15.08.2012 – 24.09.2012 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 335,24 € ab dem 25.09.2012 und vorgerichtliche nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten i.H.v 48,73 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.12.2012 zu zahlen.
  2. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Beklagten zu 1) 1.414,54 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2013 zu zahlen und den Beklagten zu 1) von der Bezahlung der Rechnung der Firma […] GmbH vom 28.11.2012, Rechnungs-Nr.: 4000801760, i.H.v. 184,03 € freizustellen.
  3. Die weitergehende Klage und die weitergehende Widerklage werden abgewiesen.
  4. Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu 47 %, der Kläger allein zu weiteren 15 %, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu weiteren 10 % und der Beklagtezu 1) allein zu weiteren 28 %.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die beiden Beklagten als Gesamtschuldner 16 %, der Beklagte zu 1) allein weitere 22%. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 54 %, der Kläger allein 9 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt der Kläger 60%. Von den außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten trägt der Beklagte zu 1) 37 %.

Im Übrigen findet eine Kostenausgleichung nichtstatt.

  1. Das Urteil ist für den Bekl. zu ) gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  2. Der Streitwert der Klage wird mit 838,14 €, der Streitwert der Widerklage mit 2.526,97 €, der Streitwert des Rechtsstreits insgesamt mit 3.365,11 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die haftungsrechtlichen Folgen eines Verkehrsunfalls, der sich am 14.08.2012, gegen 16.15 Uhr, auf dem Parkplatz im Einkaufspark […] ereignet hat. Der Kläger hatte seinen Pkw Audi mit dem amtlichen Kennzeichen […] vor dem Elektronikgeschäft […] abgestellt und wollte rückwärts fahrend wieder ausparken, um das Gelände zu verlassen. Der Beklagte zu 1) befuhr zeitgleich mit dem Pkw Mazda, amtliches Kennzeichen […] auf der Parkstraße, die quer zur Parkfläche angelegt ist, auf der der Kläger seinen Pkw Audi abgestellt hatte. Beim Ausparken kollidierte der Kläger mit dem Pkw Mazda des Beklagten zu 1). An beiden Fahrzeugen entstand durch die Kollision Sachschaden. Der Pkw Audi ist bei der Drittwiderbeklagten, der Pkw Mazda bei der Beklagten zu 2) pflichtversichert.

Vorgerichtlich machte der Kläger gegenüber den Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls Reparaturkosten i.H.v. 1.651,20 € netto nach dem Kostenvoranschlag der Firma […] vom 17.08.2012 und eine Unkostenpauschale i.H.v. 25,00 € erfolglos geltend. Der Beklagte zu 1) machte gegenüber dem Kläger und der Drittwiderbeklagten vorgerichtlich Reparaturkosten gemäß Rechnung der Firma […] vom 04.09.2012 i.H.v. 3.616,48 €, Nutzungsausfall von täglich 43,00 € für 9 Tage, also 387,00 € und eine Unkostenpauschale von 25,00 € geltend und verlangte die Freistellung von den Gutachterkosten der Firma […] vom 21.08.2012 i.H.v. 613,45 €. Die Drittwiderbeklagte zahlte auf die Reparaturkosten 1.808,24 € und weitere 306,73 € an die Firma […]. Weitere Zahlungen lehnte sie ab.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger 50 % des ihm unfallbedingtentstandenen Schadens sowie die ihm vorgerichtlich entstandenen und nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten. Hierzu trägt er vor, dass er bereits zu 2/3 aus der Parktasche herausgefahren sei und gestanden habe, als der Beklagte zu 1) mit überhöhter Geschwindigkeit auf der Parkstraße gefahren sei, so dass er nicht mehr rechtzeitig habe bremsen können.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerich zu verurteilen, an ihn 838,14 € nebst Zinsen i.H.v. 4 Prozent aus 825,64 € für die Zeit vom 15.08. – 24.09.2012 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 838,14 € seit dem 25.09.2012 und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 70,39 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) beantragt darüber hinaus widerklagend,

den Kläger und die Drittwiderbeklagte zu verurteilen, gesamtschuldnerisch einen Betrag i.H.v. 2.220,24 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an ihn zu zahlen und ihn in Höhe eines Betrages von 306,73 € von der Zahlung der Kosten für die Schadensbegutachtung gemäß Rechnung der Firma […] vom 21.08.2012 freizustellen.

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte beantragen,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, dass der Beklagte zu 1) an der Parktasche, in der der Pkw Audi des Klägers gestanden habe, vorbeifahren wollte. Als er sich etwa in Höhe dieser Parktasche befunden habe, sei der Kläger mit dem Pkw Audi unerwartet und plötzlich aus der Parktasche rückwärts herausgefahren. Er, der Beklagte zu 1), habe dabei keinerlei Möglichkeit gehabt, unfallvermeidend zu reagieren. Deswegen verlange er mit der Widerklage den ihm entstandenen Schaden in voller Höhe, und zwar unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Zahlungen der Drittwiderbeklagten einen noch offenen Betrag von 1.808,24 € an noch offenen Reparaturkosten, 387,00 € Nutzungsausfall für 9 Tage und 25,00 € pauschale Unkosten. Ferner verlange er die Freistellung von der Forderung der Firma […] für die Schadensbegutachtung i.H.v. 306,73 €.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzeverwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens eines technischen Sachverständigen. Auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. […] vom 05.09.2013, Blatt 101 -134 dA, wird Bezug genommen. Den Inhalt und das Er gebnis des Gutachtens hat das Gericht in der Verhandlung vom 04.12.2013 mit den Parteivertretern erörtert.

Entscheidungsgründe:

Klage und Widerklage sind zulässig.

Die Klage ist nur zu einem geringen Anteil begründet. Die Widerklage ist überwiegend begründet. Nach Auffassung des Gerichts sind die Unfallfolgen mit einer Haftungsquote von 80 zu 20 zu Lasten des Klägers zu regulieren (§§ 7, 17 StVG, 823, 249 BGB, 115 WG). Dabei ergibt sich für das Gericht der tatsächliche Hergang des Unfalls vom 14.08.2012 aus dem unfallanalytischen Gutachten des technischen Sachverständigen. Der technische Sachverständige hat dabei festgestellt, dass sich der Beklagte zu 1) mit dem Pkw Mazda dem späteren Unfallort nicht mit überhöhter Geschwindigkeit, sondern mit einer Geschwindigkeit von etwa 10 km/h angenähert hat. Zeitgleich ist der Kläger rückwärts aus der Parklücke herausgefahren. Nach den technischen Berechnungen des Sachverständigen befand sich der Pkw Mazda des Beklagten zu 1) in einem Abstand von 1,24 m vor dem Pkw Audi, als dieser aus der Parktasche rückwärts herausfuhr und dabei eine Reaktionsaufforderung für den Beklagten zu 1) darstellte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hätte der Beklagte zu 1) mit einer Geschwindigkeit von 4 – 5 km/h fahren müssen, um die Kollision räumlich noch zu vermeiden. Nicht bestätigt hat der Sachverständige also die Darstellung des Klägers vom Unfallverlauf, der zur Folge der Kläger mit dem Pkw Audi bereits zu 2/3 der Fahrzeuglänge aus der Parktasche herausgefahren sein und gestanden haben soll, als es zur Kollision mit dem Pkw Mazda des Beklagten zu 1) gekommen ist. Nach den Feststellungen des Sachverständigen setzte der Kläger mit dem Pkw Audi vielmehr zum Verlassen der Parktasche an, als sich der Beklagte zu 1) mit dem Pkw Mazda in einem relativ geringen Abstand von 1,24 m vom herausfahren den Pkw Audi befand, wobei der Mazda keineswegs mit einer überhöhten Geschwindigkeit herannahte. Das Gericht folgt den überzeugenden, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten. Die Parteivertreter haben Einwände gegen den Inhalt des Gutachtens auch nicht erhoben.

Nach diesem festgestellten Sachverhalt war für das Gericht aus rechtlicher Sicht nur noch die Frage zu beantworten, ob dem Beklagten zu 1) aufgrund der von seinem Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr eine Mithaftung trifft. Dies war im Ergebnis zu bejahen. Dabei ist das Gerieht zunächst davon ausgegangen, dass es dem Beklagten zu 1) nicht gelungen ist, den Nachweis der Unabwendbarkeit (§ 7 StVG) zu erbringen. Ein unabwendbares Ereignis setzt nämlich voraus, dass der Unfall auch bei Einhaltung der äußerst möglichen Sorgfalt durch einen Idealfahrer nicht abgewendet werden kann. Als sogenannter Idealfahrer hat sich der Beklagte zu 1) nach des Feststellungen des Sachverständigen indes nicht verhalten. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen wäre der Unfall – wenn auch bei sehr geringer Geschwindigkeit des Pkw Mazda – noch vermeidbar gewesen. Ebenso wenig gelangt das Gericht zu der Beurteilung, dass das Verschulden des Klägers die Betriebsgefahr, die vom Fahrzeug des Beklagten zu 1) ausgeht, verdrängt. Dabei geht das Gericht mit der überwiegenden Meinung davon aus, dass § 9 V StVO auf Parkplätzen jedenfalls unmittelbar keine Anwendung findet, sondern hier vielmehr § 2 StVG anzuwenden ist. Denn § 9 V StVO dient dem Schutz des fließenden Verkehrs. Demgegenüber findet auf Parkplätzen der fließende Verkehr eben nicht statt. Teilweise wird angenommen, dass § 9 V StVO auf solchen Parkplätzen, die“Straßencharakter“ haben, analog anwendbarsei. Dabei wird der „Straßencharakter“ eines Parkplatzes dann angenommen, wenn die Parkstraßen so breit sind, dass 2 Fahrzeuge problemlos nebeneinanderfahren können. Ob dies beim streitgegenständlichen Parkplatz […] der Fall ist, kann dahinstehen. Denn nach Auffassung des Gerichts kann auch die analoge Anwendung des § 9 VStVO nicht zueiner schematischen Übernahme der aus dieser Vorschrift abgeleiteten Haftungsregelung führen. Auch bei breit angelegten Parkplätzen muss der Fahrer auf Parkstraßen innerhalb des Parkplatzes damit rechnen, dass andere Fahrzeuge ein- bzw. ausparken oder rangieren. Von einem fließenden Verkehr kann er nicht ausgehen. Aufgrund dieser Erwägung geht das Gericht daher davon aus, dass ein Zurücktreten der Betriebsgefahr auf Parkplätzen nur ausnahmsweise in Betracht kommt, nämlich dann, wenn das Verschulden des rückwärts aus einer Parktasche ausfahrenden Kraftfahrers durch besondere Umstände erschwert ist (so etwa LG Saarbrücken, Urteil v. 27.05.2011, Az: 13S 25/11). Solche Umstände vermochte das Gericht im vorliegenden Streitfall allerdings nicht festzustellen. Den Kläger traf zwar, weil er rückwärts gefahren ist, eine vergleichsweise höhere Sorgfaltspflicht als den Beklagten zu1), der vorwärts gefahren ist. Deswegen wiegt auch der Verkehrsverstoß des Klägers schwer. Dass das Verschulden des Klägers besonders schwer wiegt, so dass ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) angezeigt wäre, vermochte das Gericht allerdings nicht festzustellen. Es hat daher bei der Abwägung nach §17 StVG eine Mithaftungsquote des Beklagten zu 1) i.H.v. 20 %angenommen.

Der Höhe nach kann derKläger von den geltend gemachten veranschlagten Reparaturkosten i.H.v. 1.651,20 € und der Unkostenpauschale von 25,00 € 20 %, also 335,24 € von den Beklagten verlangen. Dabei hat der Gutachter festgestellt, dass die vom Kläger verlangten Reparaturkosten angemessen und ortsüblich sind und insbesondere den Wiederbeschaffungswert nicht um 130 % überschreiten.

Der Höhe nach kann der Beklagte 80 % der Reparaturkosten von 3.616,48 €, des klägerseits nicht angegriffenen Nutzungsausfalls von 387,00 € und der Unkostenpauschale von 25,00 € verlangen. Dies ergibt 3.222,78 €. Abzüglich vorgerichtlich gezahlter 1.808,24 € kann der Beklagte zu 1) noch 1.414,54 €verlangen. Ferner kann er – ebenfalls unter Berücksichtigung vorgerichtlicher Zahlungen – die Freistellung von den Gutachterkosten i.H.v. noch 184,03 € verlangen ( 80 % von 613,45€ abzgl. 306,73€).

Verzugszinsen können die Parteien nach § 286 [BGB] verlangen. Die vorgerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten kann der Kläger von den Beklagten ebenfalls nach § 286 BGB verlangen, da Rechtsverfolgungskosten zum Verzugsschaden gehören.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713, 709 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 18.12.2013 – 20 C 1011/12

Örtliche Zuständigkeit für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO sowohl für die Hin- und Rückfahrt eines Transportes für ausländische Fahrzeuge, wenn der Transport aus dem Ausland nach Deutschland und zurück erfolgt

Nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) (VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 6.12.2013 – VG 2 L 422/13) ist eine Behörde für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigungen nach § 70 StVZO sowohl für die Hin- und Rückfahrt eines Transportes örtlich zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich sich der Grenzübergang befindet, über den ausländische Fahrzeuge in die Bundesrepublik Deutschland einfahren.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

BESCHLUSS

VG 2 L 422/13

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

des P[…] Transport, […]

Antragstellers,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Az.: […]

gegen

das Landesamt für Bauen und Verkehr, Lindenallee 51, 15366 Hoppegarten, […]

Antragsgegner,

hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder)

am 6. Dezember 2013

durch

den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts […],
den Richter am Verwaltungsgericht […] und
den Richter am Verwaltungsgericht […]

beschlossen:

1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der Antragstellerin auf ihren Antrag vom 29. Oktober 2013 hin für die beschriebene Fahrzeugkombination über die bereits erteilte Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO für die (Hin-)Fahrt vom Grenzübergang Forst zum Grenzübergang Bad Bentheim hinaus eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO für die (Rück-)Fahrt vom Grenzübergang Bad Bentheim zum Grenzübergang Forst einschließlich der Durchquerung der Bundesländer Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen bis zum 28. Januar 2014 zu erteilen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Antragstellerin,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Antragstellerin auf ihren Antrag vom 29. Oktober 2013 eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO und zur FZV für die in der Anlage zum Schriftsatz vom 29. Oktober 2013 beschriebene Fahrzeugkombination für die Fahrtstrecke vom Grenzübergang Bad Bentheim zum Grenzübergang Forst einschließlich der Durchquerung der Bundesländer Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen für den Zeitraum vom 29. Oktober 2013 bis zum 28. Januar 2014 zu erteilen,

ist nach Maßgabe des Tenors zulässig und begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Der materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der Sache (Anordnungsgrund) müssen glaubhaft gemacht werden (§ 123 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Ein Anordnungsgrund besteht in aller Regel, wenn dem Antragsteller ohne Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 – 1 BvR 1087/91 -, BVerfGE 93, 1, 13 ff.); es müssen Nachteile zu besorgen sein, die die mit einem Zeitverlust stets einhergehenden Belastungen übersteigen und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Anordnung begründen. Der Antragstellerin steht ein glaubhaft gemachter Anordnungsgrund zur Seite, weil die von ihr vorgesehenen Fahrten unter Nutzung der begehrten Ausnahmegenehmigung zwischen dem 29. Oktober 2013 und 28. Januar 2014 stattfinden sollen. Bei einem Abwarten bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache wäre ihre Durchführung mithin nicht mehr möglich.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch mit der für die faktische Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Es besteht ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung der begehrten (weitergehenden) Ausnahmegenehmigung gerichtete Klage der Antragstellerin in der Hauptsache Erfolg haben würde.

Der Antragsgegner ist zunächst – entgegen seiner Auffassung – auch für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die (Rück-)Fahrt vom Grenzübergang Bad Bentheim zum Grenzübergang Forst zuständig.

Die grundsätzliche Zuständigkeit ergibt sich aus Ziffer 1.9 der Richtlinien für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 70 StVZO für bestimmte Arbeitsmaschinen und bestimmte andere Fahrzeugarten (Richtlinien zu § 70 StVZO). Danach erteilen für Halter außerdeutscher Fahrzeuge und Anhänger „Ausnahmegenehmigungen … die zuständigen Behörden, in deren Gebiet die Grenzübergangsstelle liegt“. Die Antragstellerin hat die Ausnahmegenehmigung für in Polen zugelassene Fahrzeuge/Anhänger beantragt; die vorgesehene Fahrt führt über den Grenzübergang Forst in das Bundesgebiet. Mithin ist der Antragsgegner für die Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung zuständig.

Die Richtlinie ist bezüglich der Zuständigkeit dabei nicht so zu verstehen, dass sie nur die Hinfahrt erfasst, denn es ist dort nur von der „Grenzübergangsstelle“ die Rede. Anders wäre die Frage ggf. dann zu beurteilen, wenn der Richtliniengeber ausdrücklich auf die „erste“ oder wenigstens die „jeweilige“ Grenzübergangsstelle abgestellt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Ob die nach einem zeitweiligen Verlassen des Bundesgebietes für die Strecke vom Grenzübergang Bad Bentheim zum Grenzübergang Forst von der Ausnahmegenehmigung erfasst werden kann, ist danach – entgegen der Auffassung des Antragsgegners – keine Frage der Zuständigkeit, sondern liegt in seinem, durch § 70 StVZO eröffneten, Ermessen.

Hier steht es dem Antragsgegner grundsätzlich frei, im Rahmen seines Ermessens die Gültigkeit der Ausnahmegenehmigung auf die Hinfahrt zu beschränken. Vorliegend ist jedoch zugunsten der Antragstellerin durch die Praxis des Antragsgegners eine Ermessensbindung in der Gestalt einer Ermessensreduzierung „auf Null“ eingetreten.

Dies ergibt sich daraus, dass der Antragsgegner der Antragstellerin in der Vergangenheit die beantragten Ausnahmegenehmigungen nach § 70 StVZO – unabhängig von den jeweiligen technischen Einzelheiten – jeweils einheitlich für die Hin- und die Rückfahrt erteilte. Dies belegen die von der Antragstellerin vorgelegten Ausnahmegenehmigungen vom 30. Oktober 2013 und vom 22. Mai 2013, welche jeweils die Hin- und Rückfahrt abdeckten. Diese Genehmigungspraxis ist der Kammer auch aus anderen Verfahren bekannt (vgl. Beschluss vom 23. September 2013 – VG 2 L 305/13; Beschluss vom 30. September 2013 – VG 2 L 324/13 -). Die Antragstellerin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die Bezirksregierung Köln und die zuständige Behörde des Landkreises Grafschaft Bad Bentheim der Auffassung sind, dass vorliegend der Antragsgegner für die Erteilung für die Rückfahrt zuständig ist bzw. eine dortige Zuständigkeit für die Rückfahrt nicht besteht. Da sich aus der im vorliegenden Verfahren bereits erfolgten Erteilung der Genehmigung für die Hinfahrt ohne weiteres ergibt, dass die sonstigen – insbesondere technischen – Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vorliegen, hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung auch für die Rückfahrt.

Sachliche Gründe, die den Antragsgegner zu einer Änderung seiner Verwaltungspraxis berechtigen könnten, sind weder von ihm vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Soweit er geltend macht, die vorgenannte Verwaltungspraxis sei im Bund-Länder Fachausschuss einer Prüfung unterzogen und die Auslegung der Vorbemerkungen zu den Richtlinien zu § 70 StVZO, wonach sich die Zuständigkeit der Behörde nach dem Ort des Grenzübergangs bemesse, in Frage gestellt worden, rechtfertigt diese keine andere Einschätzung. Sein Vorbringen, wonach der tatsächliche Ausnahmetatbestand gar nicht im Land Brandenburg entstanden sei, sondern vielmehr ein Grenzübergang im Land Brandenburg angegeben worden sei, um die tatsächliche Zuständigkeit zu umgehen, ist angesichts des Umstands, dass es sich bei der Antragstellerin um ein polnisches Unternehmen handelt und somit ein Grenzübergang im Land Brandenburg für die Strecke nach Bad Bentheim in Betracht kommt, nicht nachvollziehbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Da die stattgebende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache vollständig vorwegnimmt, war der für die Hauptsache anzusetzenden Auffangwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu halbieren.“

VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 6.12.2013 – VG 2 L 422/13

siehe auch: