Fachgerechte Beweiswürdigung von Aussagen in einem Zivilprozess

Das Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 19.3.2021 – 20 C 725/19) ist ein positives Beispiel für eine Beweiswürdigung des erkennenden Richters in einem Zivilprozess, in dem es maßgeblich auf Aussagen ankam.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit
[…] F[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

gegen

1. […]

– Beklagte –

2. […] Versicherung […]
vertreten durch den Vorstand

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
[…]

Unterbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7-9, 01097 Dresden Gz.: […]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch
Richter […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 12.03.2021 eingereicht werden konnten, am 19.03.2021

für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner sämtliche weiteren Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 23.05.2019 an der Ausfahrt des […]parkplatzes […] in Bischofswerda hälftig zu erstatten.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 85% und die Beklagten 15% zu tragen.

4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden. wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf bis zu 2.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall am 23.05.2019 gegen 15:45 Uhr auf dem […]-Parkplatz […] in Bischofswerda.

Der Kläger war Halter eines an die […] Bank zur Sicherheit übereigneten VW Passats, welcher im Unfallzeitpunkt von der Zeugin F[…] geführt worden war. Die Beklagte zu 1) war Fahrerin eines Pkws Mazda. welcher bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war.

Durch die Kollision zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem Fahrzeug der Erstbeklagten wurde das Fahrzeug des Klägers am Stoßfänger vorne links und am Scheinwerfer links beschädigt. Der Sachschaden berief sich abzüglich Wertverbesserungen auf 2.093,63 EUR netto. Der Kläger wandte zudem 591,31 EUR für Sachverständigenkosten auf. Auch begehrte er von der Beklagten eine Unfallkostenpauschale in Höhe von 30,00 EUR.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 10.07.2019 machte der Kläger letztmalig den Gesamtschaden von 2.714,94 EUR unter Fristsetzung zum 26.07.2019 gegenüber der Zweitbeklagten geltend. Diese regulierte den Schaden mit Abrechnungsschreiben vom 17.09.2019 in Höhe von 50% und zwar 1.357,47 EUR auf die geltend gemachten Schadenspositionen sowie 201,71 EUR auf vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten.

[…]
Der Kläger behauptet, dass die Zeugin F[…] den Parkplatz habe verlassen und nach links auf die Dresdner Straße habe abbiegen wollen. Vor ihr habe sich mit ca. 1 Meter Abstand die Erstbeklage befunden, welche ebenfalls nach links habe abbiegen wollen. Als die Erstbeklagte bereits zur Hälfte auf die Dresdner Straße aufgefahren sei, habe sich von rechts ein Fahrzeug genähert. Die Erstbeklagte habe hierauf hin den Rückwärtsgang eingelegt und sei gegen die Fahrzeugfront des klägerischen Pkws gefahren. Die Kollision sei für die Zeugin F[…] daher unvermeidbar gewesen.

Der Kläger beantragt.

1. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.357,47 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 27.07.2019 zu zahlen.

2. An die Rechtsschutzversicherung des Klägers, die […] Rechtsschutzversicherung AG […] vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 201,71 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10.01.2020 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner sämtliche weiteren Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 23.05.2019 an der Ausfahrt des […]parkplatzes […] in Bischofswerda zu erstatten.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Erstbeklagte habe sich auf der Linksabbiegerspur auf dem Parkplatz eingeordnet, um nach links auf die Hauptstraße einzubiegen. Sie habe dabei an, nicht auf der Dresdner Straße kurz die Bremse betätigt, wegen eines von rechts kommenden Pkws. Die Zeugin F[…] sei ihr hierbei aus Unachtsamkeit aufgefahren. Die Kollision sei für die Erstbeklagte daher unvermeidbar gewesen.

Eine mündliche Verhandlung hat am 10.03.2020 stattgefunden. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin F[…]. Aufgrund Beweisbeschlusses vom 13.03.2020 wurde für das hiesige Verfahren zudem ein Sachverständigengutachten zum Unfallhergang eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll sowie auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 31.08.2020 nebst Ergänzungsgutachten vom 20.11.2020 Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze.
Protokolle und andere Unterlagen in der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich zukünftiger Schäden. lnsofern ist es nicht auszuschließen, dass er den bisher unreparierten Pkw noch reparieren wird, zumal es sich hier um ein Leasingfahrzeug handelt. Das erforderliche rechtliche Interesse besteht dabei auch insoweit, wie er die Feststellung auch hinsichtlich einer 50%ige Haftung begehrt.

Zwar hat die Beklagte mit Abrechnungsschreiben vom 17.09.2019 eine entsprechende Einstandspflicht generell bejaht. Spätestens im Prozess ist sie hiervon jedoch wieder abgerückt und auch eine 50%ige Einstandspflicht nunmehr in Abrede gestellt. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Feststellungsinteresses im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist insofern der Schluss der mündlichen Verhandlung.

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Feststellung, dass ihm auch die zukünftigen Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 23.05.2019 zu ersetzen sind, jedoch nur hälftig, gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 823 Abs. 1, 249 BGB (Klageantrag Zif. 3). Demgegenüber hat er keinen Anspruch auf weiteren Schadenersatz sowie auf Erstattung weiterer außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte hat das Schadensereignis insoweit bereits hinreichend reguliert (Klageanträge Zif. 1 und 2).

1.
Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weder von dem von dem Kläger,
noch von dem von dem Beklagten geschilderten Unfallhergang im Sinne des § 286 ZPO überzeugt.

a)
Der Unfallhergang konnte durch das eingeholte Sachverständigengutachten nebst Ergänzungsgutachten mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen nicht rekonstruiert werden. Der Sachverständige hat insoweit auf Seite 13 seines Ausgangsgutachtens ausgeführt, dass ihm keine Dokumentationen von Spuren auf der Fahrbahn, keine aussagekräftigen Beweissicherungsfotos und keine hinreichend detaillierten Angaben zum dritten, auf den Parkplatz einbiegenden Pkw zur Verfügung standen. Technisch sei daher allenfalls festzustellen, dass die Schäden am klägerischen Fahrzeug auf eine lediglich geringe Differenzgeschwindigkeit zurückzuführen seien, ohne das technisch beweisbar wäre, welches Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt gestanden hätte. Damit war vom Sachverständigen weder der eine, noch der andere vorgetragene Unfallhergang zu bestätigen.

b)
Einziges weiteres Beweismittel war insoweit die vom Kläger angebotene Zeugin F[…]. Diese hat den Unfallhergang zwar wie klägerseits geschildert bestätigt, das Gericht konnte sich jedoch aufgrund nicht nur geringfügiger Widersprüchlichkeiten in der Aussage nicht mit dem erforderlichen brauchbaren Grad an Gewissheit in Bezug, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie indes gänzlich auszuschließen (vgl. dazu Zöller, ZPO, § 286, Rn. 18 f.) von der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin F[…] überzeugen.

aa)
Selbst bei besonders sorgfältig beobachtenden und allem Anschein nach wahrheitsliebenden und objektiven Zeugen kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass der bekundete Sachverhalt mit der Realität übereinstimmt. Die Sicherheit der Aussage ist ebenso wenig ein ausreichender Indikator dafür, dass ihr Inhalt objektiv richtig ist. Es ist deshalb erforderlich, in erster Linie Anhaltspunkte zu finden, die dafür sprechen, dass die Auskunftsperson die Wahrheit sagt. Hierfür muss zunächst im Sinne einer so genannten Nullhypothese angenommen werden, die Aussage sei unwahr. Diese Annahme überprüft man anhand verschiedener Hypothesen. Ergibt sich, dass die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen, und es gilt die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt. Dies bedeutet, dass jede Zeugenaussage solange als unzuverlässig gilt, als die Nullhypothese nicht eindeutig widerlegt ist. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man bei der Bewertung von Aussagen von einer neutralen Anfangswahrscheinlichkeit für deren Zuverlässigkeit ausgeht und sodann überprüft, ob anhand von Qualitätsmerkmalen, so genannte Realkennzeichen oder Realitätskriterien, eine (ausreichend) hohe Wahrscheinlichkeit für die Zuverlässigkeit der Aussage erreicht werden kann. Als
Realitätskriterien gelten beispielsweise der Detailreichtum einer Aussage, die Schilderung von Komplikationen, geschehenstypische Einzelheiten, individuelle Prägung, Schilderung von gefühlsmäßigen Reaktionen, psychische Folgewirkungen, Verflechtung der Angaben mit anderen Geschehnissen und das Nichtsteuerungskriterium, das auf eine inhaltlich und chronologisch nicht geordnete, sprunghafte Wiedergabe abstellt (vgl. nur OLG Frankfurt, NJW-RR 2013, 664 m. w. N. auch zur Rechtsprechung des BGH wie etwa in BGHSt 45. 164 und zur Literatur). Vorliegend sind solche Merkmale nicht ausreichend erkennbar.

bb)
Zwar hat die Zeugin F[…] den Unfallhergang detailreich geschildert, ihre Aussage ist jedoch mehrfach von Widersprüchen geprägt. So hat sie in ihrem Bericht zunächst geschildert, dass sie sich zunächst hinter das bereits dort befindliche Fahrzeug der Erstbeklagten gestellt hätte. Auf weitere Nachfragen hat sie dann hingegen ausgeführt, dass sowohl sie, als auch die Erstbeklagte gemeinsam zur Ausfahrt gefahren seien und dann nur sie stehen geblieben sei, weil sich ein drittes Fahrzeug auf der Hauptstraße genähert habe, die Erstbeklagte sei hingegen ununterbrochen weiter auf die Hauptstraße gerollt, bevor sie ihr Fahrzeug dann wieder zurück gesetzt habe. Auf erneute Nachfrage hat die Zeugin dann letztlich die zweite Variante (Durchfahren der Zweitbeklagten) erneut bestätigt.

Auf Nachfrage konnte die Zeugin ferner weder beantworten, welches Fahrzeug zuerst zum
Stehen gekommen sei, noch wann das dritte Fahrzeug – vor, während oder nach der Kollision auf das Parklplatzgelände eingebogen sei. Erstes habe sie nach eigenen Angaben nicht beantworten können, weil sie sich allein auf das dritte Fahrzeug, zweiteres, weil sie sich allein auf das Fahrzeug der Erstbeklagten konzentriert habe. Auf erneute Nachfrage des Gerichtes gab die Zeugin hingegen an, abwechselnd auf beide Fahrzeuge geachtet zu haben. In diesem Fall hätte sie die zuvor gestellten Fragen zum Unfallablauf jedoch naheliegender Weise beantworten können müssen. Auch wäre die Antwort, wenn die bestätigte Unfallschilderung richtig gewesen sein sollte, zwangsläufig, dass die Zeugin als erstes anhielt, weil sie insofern ja gerade zuvor geschildert hatte, dass sie selbst wegen des von rechts kommenden Fahrzeuges anhielt, die Erstbeklagte hingegen weiter fuhr und erst auf der Hauptstraße anhielt, bevor sie den Rückwärtsgang einlegte und ihr Fahrzeug zurück setzte.

Darüber hinaus war auch die Wortwahl der Klägerin durch die Wahl der Bezeichnung „Verursacherin“ für die Erstbeklagte bereits von Anfang an von einer jedenfalls unüblichen Belastungstendenz geprägt, welche sie die gesamte Aussage über aufrecht erhielt.

Für die Glaubhaftigkeit der Aussage sprachen hingegen deren Detailreichtum sowie etwa die geschilderte emotionale Irritation über die Äußerung der Erstbeklagten gegenüber der Polizei, dass die Zeugin ihr aufgefahren sei.

Allein diese beiden Umstände waren jedoch in der Gesamtschau nicht geeignet, das Gericht vollständig von der Richtigkeit der Aussage zu überzeugen, zumal sich die festgestellten, von der Zeugin nicht überzeugend ausgeräumten Widersprüche sich gerade auch auf die als solches detaillierte Unfallschilderung bezogen.

2.
Die Beklagte zu 1) haftet dem Grunde nach als Führerin eines Kraftfahrzeuges gemäß § 18 Abs. 1 StVG. Die Beklagte zu 2) hafte als Haftpflichtversicherer gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 VVG
ebenfalls unmittelbar.

Die Ersatzpflicht der Beklagten ist nicht nach § 18 Abs. t StVG ausgeschlossen. Mangels aus für das Gericht aufklärbaren Unfallherganges kann eine zumindest fahrlässige Unfallverursachung durch die Erstbeklagte nicht ausgeschlossen werden. Eine Entlastung der Beklagten gem. § 17 Abs. 3 StVG kommt ebenfalls mangels Aufklärbarkeit des Unfallgeschehens nicht in Betracht.

3.
Der Kläger selbst haftet ebenfalls als Halter des unfallbeteiligten Pkws VW Golf. Ein Ausschluss der Halterhaftung durch höhere Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG sowie eine erwiesene Unabwendbarkeit im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG liegt zu seinen Gunsten aus den gleichen Gründen nicht vor.

4.
Die erforderliche Abwägung der Unfallbeiträge der Beteiligten gemäß § 17 Abs. 2 StVG führt mangels eines jeweils festzustellenden individuellen Verschuldens der beteiligten Fahrzeugführer zu einer Haftungsteilung.

a)
Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhäitnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die
Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, das heißt unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (Senat, OLG-Report 2009, 394 [396] mwN).).

Darüber hinaus muss ermittelt werden, inwieweit und in welcher Höhe ggf. noch die Betriebsgefahr eines jeden Fahrzeugs, vgl. § 7 Abs.1 StVG, mit in die Abwägung einzustellen ist. Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 7 Abs. 1 StVG ist diese im Regelfall mitzuberücksichtigen. Diese kann nur in Ausnahmefällen, insbesondere gemäß §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG entfallen.

Die Beweislast für eine Haftung dem Grunde nach trifft dabei jeweils die anspruchstellende
Partei, wohingegen die Beweislast für die jeweiligen Unfallbeiträge, die die Haftungsquote der Gegenseite erhöhen sollen, die Partei trägt, die diese behauptet. Bezüglich der Beweislast der Betriebsgefahr muss sich die jeweilige Partei grundsätzlich gem. §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG entlasten, sofern nicht ausnahmsweise einer Partei ein derart schwerwiegender Verkehrsverstoß anzulasten ist, dass hierhinter die Betriebsgefahr der Gegenseite – bei der gebotenen normativen Wertung – vollständig zurück tritt.

b)
Beiden Seiten kann mangels Aufklärbarkeit des Unfallgeschehens lediglich die Betriebsgefahr zur Last gelegt werden. Demgegenüber konnte der Kläger nach dem unter ll./1. Gesagtem weder den ihm obliegenden Nachweis erbringen, dass die Erstbeklagte mit ihrem Pkw zurück gesetzt ist und gegen das stehende klägerische Fahrzeug gefahren war, noch konnten die Beklagten ihrerseits nachweisen, dass die Zeugin F[…] der stehenden Erstbeklagten aufgefahren war.

5.
Der Kläger kann demnach jedenfalls die Feststellung verlangen, dass die Beklagten ihm etwaige künftige Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis zur Hälfte zu ersetzten haben. Eine weitergehende Feststellung kann hingegen nicht verlangt werden.

6.
Der Kläger hat darüber hinaus hingegen keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Reparatur und Sachverständigenkosten sowie Unfallkostenpauschale. Auf Grundlage einer Haftungsquote von 50% hatte er lediglich Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.357,47 EUR. Da die Zweitbeklagte insoweit jedoch bereits die Regulierung vorgenommen hat, besteht kein weitergehender Anspruch.

7.
Mangels Begründetheit des Klageantrages Zif. 1 unterliegen auch die als Nebenforderung geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu Gunsten des Rechtsschutzsversicherers sowie die Zinsen der Klageabweisung. Insbesondere sind die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem vorgerichtlich geltend gemachten berechtigten Streitwert in Höhe von 1.357,47 EUR bereits vollständig beglichen.

III.

1.
Der Ausspruch zur Kostentragung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO aus dem Verhältnis von
Obsiegen und Unterliegen. Das Gericht hat insoweit für den vom Kläger hälftig durchgreifenden Feststellungsantrag insgesamt einen Wert von 550,00 EUR angenommen (siehe Zif. 3).
Dies ergibt eine Obsiegen von rund 15% (275,00/(1357,47+550,00)=0,14).

2.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht für beide Seiten auf §§ 708 Nr. 11,
711 ZPO.

3.
Der Streitwert war auch unter Berücksichtigung des Feststellungsantrages Zif. 3 mit bis zu
2.000,00 festzusetzen. Das Gericht bemisst den Feststellungsantrag dabei schätzungsweise mit 550,00 EUR und damit ca. 20% des Gesamtschadens.“

AG Bautzen, Urteil vom 19.3.2021 – 20 C 725/19

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