Mit einem Hinweisbeschluss führte das Landgericht Bautzen (LG Bautzen, Beschluss vom 8.3.2011 – 1 S 133/10) in der Berufungsinstanz aus, dass ein Käufer über eine Versteigerungsplattform im Internet gegenüber dem Verkäufer einen Anspruch auf Schadenersatz hat, wenn der Verkäufer die Auktion unberechtigt vorzeitig abbricht.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Zwischen den Parteien ist […] unter Vermittlung der Internetplattform „ebay“ ein Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw zustande gekommen, welchen die Beklagte trotz Fristsetzung nicht erfüllt hat, so dass der Kläger nunmehr Schadensersatz verlangen kann; §§ 433, 280, 281 BGB.
Die Beklagte hat durch Einstellen des zu „versteigernden“ Pkw bei ebay ein befristetes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages mit dem Höchstbietenden abgegeben. Bereits nach allgemeinen Grundsätzen und ohne dass es des Rückgriffes auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Internet-Anbieters ankäme, konnte die Beklagte ihr Angebot, innerhalb der Angebotsfrist, den Pkw an den Höchstbietenden zu verkaufen, nicht frei widerrufen. Dies folgt bereits aus § 145 BGB. Der Anbietende ist an sein Angebot gebunden, es sei denn, er habe diese Bindung gerade ausgeschlossen. Das ist vorliegend nicht der Fall. Durch ihr Angebot über „ebay“ hat die Beklagte zu erkennen gegeben, dass sie ihr Fahrzeug an den Höchstbietenden verkaufen werde. Dazu war es naturgemäß erforderlich, dass die Beklagte ihr Angebot nicht während der laufenden Auktion nach Belieben zurückziehen kann. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, muss man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von „ebay“ nicht heranziehen.Wollte man dies anders sehen, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Das Amtsgericht hat mit Recht darauf verwiesen, dass Teilnehmer einer über eine Internetplattform laufenden Internetauktion davon ausgehen, dass die von dem Betreiber veröffentlichten „Spielregeln“ zwischen ihnen Geltung hätten; § 157 BGB.
Der Kläger war – nachdem die Beklagte ihr Angebot unberechtigt zurückgezogen hat – mit 1,50 € der Höchstbietende. Da seine Annahmeerklärung lediglich unter der auflösenden Bedingung stand, dass ein höheres Gebot als das vom Kläger abgegebene Maximalgebot (105,00 €) ab gegeben wird, ist der Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten über den Verkauf des streitgegenständlichen Pkw zum Preis von 1,50 € zustande gekommen.
Die Beklagte hat ihr Angebot nicht wirksam zurückgezogen. Die Geschäftsbedingungen von „ebay“ verweisen insoweit auf die gesetzlichen Regelungen. Denn es heißt darin, Anbieter dürften nur „dann Gebote streichen und das Angebot vorzeitig beenden, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind“. Die in den Geschäftsbedingungen beispielsweise („können sein“) genannten Gründe betreffen die Tatbestände der Irrtumsanfechtung und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Die Beklagte konnte damit ihrAngebot nur wirksam beim Vorliegen entsprechender gesetzlicher Gründe vorzeitig beenden. Auch dieses Ergebnis erzielt man sowohl, wenn man (ausschließlich) auf die Rechtslage nach den dispositiven Gesetzes recht abstellt, wie auch dann, wenn man zur Vertragsauslegung ergänzend die Geschäftsbedingungen von „ebay“ heranzieht. Vorliegend kommt nach dem Vortrag der Beklagten lediglich eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums (§ 119 Abs. 2 BGB) in Betracht. Die Beklagte will sich über die Beschaffenheit des von ihr angebotenen Fahrzeuges geirrt haben.Ob das der Fall ist, kann dahin stehen. Jedenfalls hat die Beklagte es versäumt, bei der „Rücknahme“ ihres Angebotes eine inhaltlich ausreichende Anfechtungserklärung abzugeben. Für eine Anfechtungserklärung ist es erforderlich, dass der Anfechtungsgegner erkennen kann, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Anfechtung erfolgt, worauf das Amtsgericht zutreffend hinweist. Ergänzend ist an dieser Stelle lediglich anzumerken, dass die Geschäftsbedingungen von „ebay“ die Teilnehmer hierauf auch ausdrücklich hinweisen. Denn es heißt dort: „Geben Sie den Grund für die vorzeitige Beendigung des Angebotes an“. Dies hat die Beklagte, welche ihr Angebot „kommentarlos“ zurückgezogen hat, nicht getan. Erst während des laufenden Rechtsstreits hat die Beklagte die Rücknahme ihres Angebotes begründet. Eine etwa darin liegende Anfechtungserklärung erfolgte – was näherer Begründung nicht bedarf – nicht mehr unverzüglich im Sinne von §121 BGB.
Der Kläger kann von der Beklagten daher nach erfolgloser Fristsetzung Schadensersatz statt der Leistung fordern; §§ 280, 281 BGB. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht anhand der von der Beklagten selber veröffentlichten Fahrzeugbeschreibung den Verkehrswert des Fahrzeuges mit jedenfalls 101,50 € geschätzt hat; § 287 ZPO.“
LG Bautzen, Beschluss vom 8.3.2011 – 1 S 133/10
zur vorzeitigen Beendigung der Auktion wegen Diebstahl siehe auch BGH, Urteil v. 8.6.2011 – VIII ZR 305/10 = NJW 2011, 2643
So auch das Landgericht Detmold mit Urteil vom 22.02.2012 – 10 S 163/11