Zur Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten

Durch das Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17) wurde entschieden, dass die Mietwagenkosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für die Dauer der Reparatur, die deutliche Zeit nach dem Zeitpunkt des Verkehrsunfalls erfolgte, anhand des „Fraunhofer-Mietpreisspiegels“ zu erfolgen hat.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

Aus den Entscheidungsgründen:

„Der in einer Gemeinde zwischen Kamenz und Bautzen wohnende Kläger begehrt Erstattung restlicher Mietwagenkosten als Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 29.10.2014 im Bezirk des erkennenden Gerichts ereignete. Für die Folgen dieses Unfalls, bei dem der dem Kläger gehörende PKW BMW 5 Touring mit dem amtlichen Kennzeichen […] beschädigt wurde, haftet ihm die Beklagte als Haftpflichtversicherer des ebenfalls unfallbeteiligten PKW mit dem amtlichen Kennzeichen […] unstreitig dem Grunde nach zu 100 %. Für die Anmietung eines gleichartigen Ersatzfahrzeugs über einen Mietzeitraum von 15 Tagen hat die Autovermieterin dem Kläger 2.359,77 € in Rechnung gestellt. Hiervon hat die Beklagte vorprozessual 1.894,34 € erstattet. Eine weitergehende Ersatzleistung hat die Beklagte am 26.02.2016 abgelehnt. Deswegen nimmt sie der Kläger auf Zahlung von 465,43 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 27.02.2016 in Anspruch.

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die dem Kläger von der Autovermieterin am 18.11.2014 in Rechnung gestellte Miete in Höhe von 2.359,77 € […] übersteigt den Geldbetrag, den jener als Geschädigter gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verlangen kann. Mit ihrer Zahlung über 1.894,34 € hat die Beklagte den Ersatzanspruch des Klägers erfüllt.

1. Als Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Kraftfahrzeugs kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand grundsätzlich den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtliche relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (std. Rspr. des BGH, vgl. etwa Urteil vom 26.04.2016 – Vl ZR 563/15, Rn. 6 m.w.N., zitiert nach juris). Insoweit müssen Feststellungen zur Erforderlichkeit eines „Unfallersatztarifs“, der gegenüber dem „NormaItarif“ teurer ist, (nur) dann erhoben werden, wenn der Geschädigte Umstände vorträgt, die mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Unfallsituation einen höheren Preis rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 139/08, Rn. 10 f., zitiert nach juris). Beschränkt der Geschädigte sich hingegen – wie hier der Kläger – auf die Geltendmachung von Mietwagenkosten zum „Normaltarif“, so kann das Gericht diesen anhand geeigneter Listen oder Tabellen gemäß § 287 ZPO schätzen (vgl. BGH a. a. O., Rn. 25 m.w.N.). Zu diesen geeigneten Schätzgrundlagen gehört das gewichtete Mittel des der auf den Unfallzeitpunkt bezogenen „Schwacke-Liste“ ebenso wie der entsprechende Mittelwert des „Fraunhofer Mietpreisspiegels“ (BGH a. a. O., Urteil vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09, Rn. 18, zitiert nach juris).

2. Das erkennende Gericht zieht in seiner ständigen Verfahrenspraxis die „Schwacke-Liste“ – entsprechend der ihr zugrunde liegenden Erhebungsmethode – in denjenigen Fällen heran, in denen das Fahrzeug des Geschädigten aufgrund des Unfalls nicht mehr betriebs- und verkehrssicher war, er also zur lückenlosen Erhaltung seiner Mobilität sofort auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen war, und ein solches binnen weniger Stunden nach dem Unfall auch tatsächlich anmietete. lm Streitfall hingegen ereignete sich der Unfall am 29.10.2014 gegen 09:45 Uhr, während die Anmietung und Übergabe des Ersatzfahrzeugs erst am 30.10.2014 gegen 17:45 Uhr erfolgte. Der Kläger, der im Rechtsstreit etwas anderes trotz gerichtlichen Hinweises auf diesen Umstand nicht dargetan hat, hatte somit ausreichend Zeit, sich über Internet oder Telefon nach anderweitigen Vermietungsangeboten zu erkundigen. Hierzu war er als Geschädigter schon im eigenen Interesse im Hinblick auf die durch § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogene Grenze der Erstattungsfähigkeit auch gehalten, wobei er, da im ländlichen Raum wohnend, die Marktverhältnisse in den umliegenden Städten einzubeziehen hatte (vgl. BGH Urteil vom 14.10.2008 – VI ZR 308/07, Rn. 17, zitiert nach juris). In solchen Fällen stellt das erkennende Gericht – ebenfalls entsprechend der zugrundeliegenden Erhebungsmethode – auf den „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ ab. Dabei zieht es die dortigen Ergebnisse der lnterneterhebung (nach Schwacke-Klassiflkation) – statt der Ergebnisse der telefonischen Erhebung – heran. Zum einen kommt der zweistellige Postleitzahlbereich den tatsächlichen Verhältnissen am Wohnsitz des Geschädigten und in dessen Umgebung näher, als der einstellige Postleitzahlbereich, an den die Ergebnisse der telefonischen Erhebung anknüpfen. Zum anderen muss dem Geschädigten der Nachweis möglich bleiben, dass ihm im Zeitpunkt der Anmietung kein günstigerer Tarif als der von ihm in Anspruch genommene zugänglich war; dieser Nachweis kann von ihm anhand einer dokumentierten Internet-Recherche einfacher geführt werden als mit Hilfe von selbst erstellten Telefonprotokollen und/oder der Vernehmung der Telefongesprächspartner als Zeugen.

3. ln der „Schwacke-Liste“ sind bestimmte Nebenkosten, die über die dort ausgewiesenen Mietpreise hinaus anfallen können, gesondert ausgewiesen. In den Mietpreisen, die im “Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ ausgewiesen sind, ist zwar die „marktüb|iche Haftungsreduzierung“ enthalten. Den Erläuterungen hierzu ist jedoch zu entnehmen, dass damit eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von mindestens 750,00 € bezeichnet ist. Hat der Geschädigte bei der Anmietung des Ersatzfahrzeugs für eine Vollkaskoversicherung mit einer niedrigeren oder gar ohne Selbstbeteiligung optiert, so ist auch auf den Mietpreis nach dem „Frauenhofer-Mietpreisspiegel“ ein entsprechender Zuschlag vorzunehmen. Denn ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Vollkaskoschutz besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das Fahrzeug des Geschädigten in gleicher Weise versichert war, wenn er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2005 – Vl ZR 74/04, zitiert nach juris). Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ergibt sich ein erhöhtes wirtschaftliches Risiko schon daraus, dass der Geschädigte mit den Eigenschaften des angemieteten Ersatzfahrzeugs, wenn nicht ausnahmsweise typengleich, nicht in der gleichen Weise vertraut ist, wie mit denjenigen seines eigenen Fahrzeugs. Angefallene Nebenkosten für die Vereinbarung einer Haftungsbefreiung sind daher grundsätzlich – so auch hier bei der Anmietung eines PKW BMW 320d Limousine, bei dem es sich um einen anderen Fahrzeugtyp handelte – erstattungsfähig. Als Vergleichsmaßstab sind insoweit die Werte aus der Nebenkostentabelle der „Schwacke-Liste“ heranzuziehen, da der „Fraunhofer- Mietpreisspiegel“ solche nicht ausweist.

4. Fällt- wie hier – der Mietzeitraum ins Winterhalbjahr, sind ferner Nebenkosten für Winterräder in die Vergleichsbetrachtung einzubeziehen, wenn – wie ebenfalls hier – der Autovermieter die Winterräder dem Geschädigten gesondert in Rechnung gestellt hat. Auch insoweit wendet das erkennende Gericht die Nebenkostentabelle der „Schwacke-Liste“ an.

5. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich die Mietpreise aus dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ auf eine Fahrzeugabholung und -rückgabe an der Vermietungsstation beziehen. Da – wie ausgeführt – ein Geschädigter, der im ländlichen Raum wohnt, gehalten ist, seine Erkundigung nach Vermietungsangeboten auf die umliegenden Städte zu erstrecken, sind bei der Vergleichsbetrachtung mögliche Nebenkosten für die Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeugs an den bzw. von dem Wohnsitz des Geschädigten einzustellen. Diese Nebenkosten können ebenfalls anhand der Nebenkostentabelle der „Schwacke-Liste“ geschätzt werden.

6. Nach den vorstehenden Grundsätzen ergibt sich für den Streitfall folgende Vergleichsberechnung: Die tatsächliche (und notwendige) Mietdauer betrug 15 Tage. Deshalb ist der durchschnittliche Tagespreis dem Mittelwert der Ergebnisse der lnterneterhebungen für den – dort längsten – Zeitraum von sieben Tagen zu entnehmen. Das beschädigte Fahrzeug des Klägers ist der Fahrzeugklasse 9 nach der Schwacke-Klassifikation zuzuordnen. Daraus ergibt sich im Postleitzahlgebiet 01 ein Grundpreis von 66,99 € pro Tag. Bei 15 Tagen beträgt der Grundpreis somit 1.004,85 €. Hinzu treten Nebenkosten für Winterräder von 150,00 € (10,00 € pro Tag x 15 Tage), für die Haftungsreduzierung von 240,00 € (16,00 € pro Tag x 15 Tage) sowie für die Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeugs von 46,00 € (23,00 € x 2), mithin von insgesamt 436,00 €. Die erforderlichen Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs betrugen demnach 1.440,85 € (1 .004,85 € + 436,00 €). Über diesen Betrag gehen nicht nur die dem Kläger von seiner Autovermieterin in Rechnung gestellten Mietwagenkosten von 2.359,77 € sondern auch die Ersatzleistung der Beklagten in Höhe von 1.894,34 € hinaus.

7. Den Nachweis, dass ihm ein günstigerer Tarif als die in Rechnung gestellten 2.359,77 € nicht zugänglich war, hat der Kläger nicht geführt. Mangels eigener Erkundigungen im Zeitraum zwischen dem Verkehrsunfall und der Anmietung des Ersatzfahrzeugs hat der Kläger im Rechtsstreit weder mit einer dokumentierten Internet-Recherche noch mit Telefonprotokollen und/oder einem Antrag auf Vernehmung von Telefongesprächspartnern als Zeugen aufwarten können. Das Gericht hat daher den Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) […] R[…] damit beauftragt, bei gewerblichen Autovermietern sowie Autowerkstätten in den Städten Bautzen und Kamenz Auskunft darüber einholen, zu welchen Preisen sie im (Unfall-)Jahr 2014 Mietfahrzeuge der Mietwagenklasse 9 (nach der Schwacke-Klassefikation), einschließlich Winterreifen und Haftungsreduzierung (CDW), angeboten haben. Der Sachverständige hat zunächst eine Erhebungsmethode angewandt, die derjenigen gleicht, die der „Schwacke-Liste“ zugrunde gelegt ist: Er hat unter Offenlegung des Anlasses der Erhebung elf Autovermieter in Kamenz und Bautzen schriftlich um Auskunft zu entsprechenden Vermietungsangeboten gebeten. Hiervon haben sieben Autovermieter geantwortet. Keiner von diesen konnte (oder wollte) auf das Jahr 2014 bezogene Angaben machen. Einheitlich war jedoch ihre Einschätzung, dass die Mietpreise aufgrund der vorhandenen Vertragsbindungen zu einzelnen Versicherern tendenziell gleichgeblieben oder eher gesunken seien. Die gemeldeten Gesamtpreise wiesen eine Spannbreite von 945,00 € bis 2.990,36 € auf. Der Mittelwert aus allen Meldungen betrug 2.069,73 €. ln dieser Erhebung nicht enthalten sind etwaige Nebenkosten für die Zustellung und Abholung des Fahrzeugs an den bzw. von dem Wohnsitz des Klägers. Auch wenn man diese mit einem geschätzten Betrag von 46,00 € hinzurechnet, wäre es dem Kläger also möglich gewesen, ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug mit entsprechender Ausstattung zu einem Mietpreis zu erhalten, der unterhalb des ihm in Rechnung gestellten Preises lag. Freilich geht der auf die vorbezeichnete Weise ermittelte Mittelwert von 2.115,73 € (2.069,73 € + 46,00 €) über die Ersatzleistung der Beklagten von 1.894,34 € hinaus. Daher hat das Gericht den Sachverständigen auch damit beauftragt, über das Internet aktuelle Angebote zu den gleichen Bedingungen einzuholen. Die insoweit angestellten Ermittlungen haben Vermietungsangebote hervorgebracht, die bei 949,06 € beginnen und bis zu 1.048,82 € reichen. Selbst wenn man an das höchste Angebot anknüpft und dabei zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass dieser Anbieter für Winterreifen, Haftungsreduzierung sowie Zustellung und Abholung Nebenkosten erhoben hätte, ergäbe sich ein Gesamtpreis von lediglich 1.484,82 € (1 .048,82 € + 436,00 €). Auch dieser Betrag bleibt sowohl hinter dem dem Kläger von seiner Autovermieterin in Rechnung gestellten Preis von 2.359,77 € als auch hinter der Ersatzleistung der Beklagten von 1.894,34 € zurück. Ein restlicher Ersatzanspruch des Klägers besteht somit nicht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, §§ 711, 713, 511 Abs. 2 ZPO. Die Beschwer des Klägers übersteigt 600,00 € nicht. Die in § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO bestimmten Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nicht gegeben.“

AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

Unzulässiger Verweis auf kostengünstigere Werkstatt, erstattungsfähige Beilackierungskosten und UPE-Aufschläge im Rahmen einer fiktiven Abrechnung

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 29.3.2019 – 20 C 623/18) muss sich ein aufgrund eines Verkehrsunfalls Geschädigter im Rahmen einer fiktiven Abrechnung nicht auf eine kostengünstigere Reparaturwerkstatt verweisen lassen. Zudem sind die von einem Sachverständigen im Schadengutachten aufgeführten Kosten für eine Beilackierung und die UPE-Ersatzteilaufschläge im Rahmen einer fiktiven Abrechnung erstattungsfähig.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Der Kläger hat die erforderlichen Kosten für die Reparatur seines Fahrzeugs auch hinreichend dargelegt und mit der Vorlage eines privaten Sachverständigengutachtens nachgewiesen.
Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass die geltend gemachten 3.907,65 € zur Wiederherstellung des Fahrzeugs erforderlich sind.

a)
Der Kläger muss sich nicht, wie von der Beklagten dargelegt, auf eine vermeintlich günstigere Werkstatt verweisen lassen. Grundsätzlich hat nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtsghofs der Geschädigte auch bei fiktiver Abrechnung einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die in einer markengebundenen Fachwerkstatt in seinem Wohnbereich entstehen. Ziel des Schadesersatzes ist die Totalreparatur. Zwar ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Doch genügt im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, den konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Die Schadensrestitution darf nicht beschränkt werden auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache. Der Geschädigte ist in den durch das Wirtschaftlichkeitsgebot und das Verbot der Bereicherung gezogenen Grenzen grundsätzlich frei in der Wahl und in der Verwendung der Mittel zur Schadensbehebung.
Das gilt auch bei fiktiver Abrechnung. Er ist weder dazu verpflichtet, sein Fahrzeug zu reparieren noch es zur Reparatur in eine bestimmte Werkstatt zu geben. Es bleibt ihm überlassen, ob und auf welche Weise er sein Fahrzeug tatsächlich instandsetzt. Diesen Grundsätzen widerspräche es, wenn der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung letztlich auf bestimmte Stundenverrechnungssätze der Billigsten, von der Versicherung ausgesuchten Werkstatt in der Region beschränkt wäre, weil dies in die freie Dispositionsbefugnis des Geschädigten eingreift, etwa wenn er sein Fahrzeug gar nicht repariert, sondern veräußert. Der zur Schadensbeseitigung erforderliche Betrag im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB wird nicht durch die besonders günstigen Stundenverrechnungssätze einer von der Versicherung ausgesuchten Werkstatt bestimmt, sondern bemisst sich auch bei fiktiver Abrechnung danach, welche Reparaturkosten anfallen und maßgeblich sind, insoweit die durchschnittlichen ortsüblichen Sätze in seiner Wohngemeinde. Der Geschädigte ist nicht gehalten, die billigste Werkstatt zu wählen (OLG München vom 13.09.2013, AZ 10 O 859/13). Der Kläger hat mit dem Gutachten der DEKRA Automobil GmbH eine dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechende Reparaturkostenkalkulation vorgelegt. Zwar geht aus dem Gutachten hervor, dass als Stundenverrechnungssätze die in dieser Werkstratt üblichen angenommen wurden. Die Beklagtenseite hat die Ortsüblichkeit dieser aber letztlich nicht bestritten, sondern lediglich darauf verwiesen, dass eine von ihr ausgesuchte Werkstatt hier günstigere Stundenverrechnungssätze anbietet.

b)
Das Gericht erachtet auch die in dem Gutachten aufgeführten Beilackierungskosten für ersta tungsfähig. Die Kosten einer Beilackierung sind im Rahmen einer fiktiven Abrechnung ersatzfähig, wenn diese zur sach- und fachgerechten Reparatur als erforderlich anzusehen sind.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Frage, ob eine Beilackierung angrenzender Bauteile erforderlich ist, sich oftmals erst bei der Reparatur herausstellt. Für Umstände, die darauf schließen lassen, dass eine Beilackierung bei dem verunfallten Fahrzeug erforderlich wird, trifft den Geschädigten die Darlegungslast. Der Verweis auf ein privates Sachverständigengutachten, das diesbezüglich keine näheren Ausführungen enthält, ist nicht ausreichend (LG Köln vom 10. Mai 2016, AZ 11 S 360/15). Der hier vorliegende Fall unterscheidet sich aber insofern wesentlich von dem vom Landgericht Köln entschiedenen Sachverhalt, als dass das seitens des Klägers vorgelegte Sachverständigengutachten sich ausdrücklich auf Seite 5 dazu verhält, dass bei dem Farbton des Fahrzeugs eine entsprechende Lackangleichung erforderlich sein wird. Dementsprechend sind im hier zu entscheidenden Fall auch die Beilackierungskosten auf Grundlage einer fiktiven Abrechnung erstattungsfähig.

c)
Gleiches gilt für UPE-Aufschläge und Verbringungskosten. Bei fiktiver Abrechnung auf Gutachtenbasis ist von einer Erstattungsfähigkeit der entsprechenden Aufschläge auszugehen, wenn ein öffentlich bestellter und vereidigter Kfz-Sachverständiger unter Berücksichtigung der örtlichen Gepflogenheiten zu dem Ergebnis gelangt, dass im Falle einer Reparatur in der Region bei markengebundenen Fachwerkstätten typischerweise UPE-Aufschläge erhoben werden (OLG Frankfurt vom 21. April 2016, AZ 7 U 34/15).

d)
Rechtsanwaltskosten stellen nach ständiger Rechtsprechung einen ersatzfähigen Schaden im Sinne des § 249 BGB dar. Die Rechnung ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die geltend gemachte Auslagenpauschale schätzt das Gericht ebenso wie die Klägerseite gemäß § 287 ZPO auf 25,00 ê. Der geltend gemachte Znsanspruch ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 1, 288 BGB.“

AG Bautzen, Urteil vom 29.3.2019 – 20 C 623/18

Erstattungsfähigkeit von Reparaturkosten im Rahmen der 130%-Grenze bei Verwendung von Gebrauchtteilen

Durch das Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 7.2.2019 – 20 C 545/18) wurde entschieden, dass ein Geschädigter im Rahmen der Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall im Rahmen der 130%-Grenze unter Verwendung von Gebrauchtteilen nach einer durchgeführten Reparatur die Erstattung der hierfür tatsächlich angefallen Reparaturkosten fordern kann. Zudem kann ein Geschädigter die Erstattung der Mietwagenkosten für einen längeren Zeitraum bis zur erfolgten Reparatur des Fahrzeugs nach einer Zahlung der Reparaturkosten durch den Schädiger verlangen, wenn der Geschädigte aufgrund seiner wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse nicht selbst für diese Kosten aufkommen kann und kein Darlehen erhält.

Im Übrigen sind die Streitwerte für die Festsetzung des Streitwerts für die anwaltlichen Gebühren nach einer Erledigung und anschließenden Klageerweiterung zu addieren.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

A[…] Versicherung AG, […]
v.d.d. Vorstand

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte […]

wegen Schadensersatz aufgrund Verkehrsunfall

hat das Amtsgericht Bautzen durch Richterin […]
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 09.01.2019 am 07.02.2019

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.263,87 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 10.10.2018 zu bezahlen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.244,83 EUR festgesetzt.
Der Streitwert für die anwaltliche Terminsgebühr beträgt 2.263,87 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, für welchen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners der Klägerin unstreitig zu 100 % einzustehen hat. Die Klägerin begehrte ursprünglich mit ihrer Klage 2.100,00 €, welche sich aus dem Wiederbeschaffungswert ihres Kfz abzüglich des gutachtlich festgestellten Restwertes zusammensetzte. Darüber hinaus begehrte sie Gutachterkosten in Höhe von 536,15 €, Abschleppkosten in Höhe von 319,81 € sowie eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 €. Die Klage ging am 17.08.2018 beim Gericht ein. Die Beklagte zahlte vor Zustellung der Klage an die Klägerin, so dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klage bis auf die auch geltend gemachten Zinsen zurücknahm. Die Klägerin ließ anschließend das Fahrzeug unter Verwendung von Gebrauchtteilen reparieren und wendete einen Betrag in Höhe von 2.972,87 € hierfür auf. Darüber hinaus mietete sie für den Zeitraum des Nutzungsausfalls ihres Kfz einen Ersatzwagen an, wofür ihr Kosten in Höhe von 1.666,00 € in Rechnung gestellt wurden. Die Klägerin erweiterte daraufhin die rechtshängige Klage. Nach einem weiteren Zahlungseingang seitens der Beklagten erklärten die Parteien den Rechtsstreit in Höhe der geltend gemachten Zinsen übereinstimmend für erledigt.

Die Klägerin begehrt weiteren Schadensersatz in Höhe von 2.263,87 €. Sie habe das Fahrzeug ordnungsgemäß mit Gebrauchtteilen reparieren lassen, wofür sie über den von der Beklagten bereits erstatteten Betrag weitere 597,87 € aufgewendet habe. Sie sei wirtschaftlich und finanziell auch nicht in der Lage gewesen, die Reparaturkosten vorzustrecken und habe entsprechende Hinweise an die Beklagte erteilt. Darüber hinaus sei sie zwingend auf ein Fahrzeug angewiesen gewesen, so dass sie für die Dauer der Reparatur einen Ersatzwagen anmieten haben müssen. Hierfür seien ihr 1.666,00 € in Rechnung gestellt worden.

Sie beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.263,87 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie ist der Auffassung, der Klägerin stünde kein weiterer Schadensersatz über den bereits erstatteten Betrag zu. Die Reparaturkosten würden den Wiederbeschaffungsaufwand überschreiten, welcher durch die Beklagte ausgeglichen worden sei. Sie bestreite, dass die erfolgte Reparatur sach- und fachgerecht durchgeführt wurde. Darüber hinaus stünden der Klägerin Mietwagenkosten nur für einen vom Gutachten ausgewiesenen Zeitraum der Wiederbeschaffung zu, und das Gutachten ginge lediglich von 14 Tage aus. Von Beginn an sei die Wirtschaftlichkeit der Reparatur zweifelhaft gewesen, so dass sich die Klägerin für den Nutzungsausfall an die im Gutachten ausgewiesene Wiederbeschaffungsdauer halten müsse.

Hinsichtlich des weiteren Vorbingens der Parteien wird auf den Inhalt der gegenseitig gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Das Amtsgericht ist trotz der Festsetzung des Gebührenstreitwerts oberhalb von 5.000,00 € sachlich für den Rechtsstreit zuständig. Die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts richtet sich nach § 5 Halbsatz 1 ZPO. Nach dieser Vorschrift werden mehrere in der Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Ansprüche nebeneinander, also gleichzeitig verfolgt werden (vgl. Zöller, Herget, ZPO 32. Auflage, § 5 Seite 3Rdnr. 3 m. w. N.). Im vorliegenden Fall wurden die Ansprüche jedoch nacheinander geltend gemacht, denn die ursprüngliche, auf eine Hauptforderung von 2.980,00 € nebst Zinsen bezifferte Klage war bis auf die nur wenige Euro betragenden Zinsen bereits zurückgenommen, als die Klägerin die nun zunächst auf diese Zinsen beschränkte Klage um 2.263,87 € nebst Zinsen hieraus erweitert hat.

II.

Die Klage ist auch begründet, denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz aus den §§ 7, 1 StVG, 823 Abs. 1, 249 BGB in Verbindung mit § 115 Abs. 1 VVG zu. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien nicht streitig.

1. Die Klägerin kann die weiter angefallenen Reparaturkosten in Höhe von 597,87 € von der Beklagten erstattet verlangen. Dabei ist unschädlich, dass die aufgewendeten Reparaturkosten über dem mit dem Gutachten festgestellten Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen. Mit den schadensrechtlichen Grundsätzen ist es vereinbar, dass einem Geschädigten, der sich zu einer Reparatur entschließt und diese nachweislich auch durchführt, Kosten der Instandsetzung zuerkannt werden, die den Wiederbeschaffungswert bis zu 30 % übersteigen (BGH vom 15.02.2005, Aktenzeichen VI ZR 70/04). Dies ist hier der Fall. Der mit dem Gutachten festgelegte Wiederbeschaffungswert beträgt 2.300,00 €. Damit liegt die 130 % Grenze für eine Reparatur bei 2.990,00 €, welcher durch die tatsächlichen Reparaturkosten entsprechend der klägerisch vorgelegten Rechnung vom 24.08.2018 in Höhe von 2.972,87 € brutto übersteigt Dabei ist im vorliegenden Fall auch unerheblich, dass die Reparaturkosten nur durch die Verwendung von Gebrauchtteilen unterhalb der 130 % Grenze bleiben. Grundsätzlich können bei einer Reparatur Gebrauchtteile Verwendung finden, wenn eine sach- und fachgerechte Reparatur entsprechend dem im Gutachten durchgeführten Reparaturmaßnahmen vorgenommen wird. Dem steht auch die Entscheidung des BGH vom 14.12.2010, Aktenzeichen VI ZR 231/09 nicht entgegen. Im dort entschiedenen Fall begehrte der Kläger über tatsächlich angefallene Reparaturkosten hinaus eine fiktive Erstattung von Reparaturkosten bis zur 130 % Grenze, weil es ihm gelungen war, die Reparaturkosten unterhalb dem vom Sachverständigen geschätzten Aufwand zu halten. Die Kosten lagen dort aber auch unterhalb des Wiederbeschaffungswertes. so dass der Kläger letztlich fiktiv oberhalb des Wiederbeschaffungswertes abrechnete. Dem hat der BGH eine Absage erteilt. Im hier zugrundeliegenden Sachverhalt werden aber Reparaturkosten oberhalb des Wiederbeschaffungswertes verlangt, weiche tatsächlich auch angefallen sind. Der BGH hat diesbezüglich in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungswert liegen, bis zur sogenannten 130 % Grenze verlangt werden können, wenn sie tatsächlich angefallen sind und die Reparatur fachgerecht und zumindest wertmäßig in einem Umfang durchgeführt wird, den der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat. Die Beklagte hat lediglich einfach bestritten, dass die Reparatur vollständig und fachgerecht durchgeführt wurde. Dies ist nicht ausreichend. Die Klägerseite hatte die Reparaturrechnung vorgelegt, so dass es Angelegenheit der Beklagten gewesen wäre, konkret zu bestreiten, welche durchgeführten Arbeiten nicht denen des Sachverständigengutachtens entsprechen. Hierzu hat sie trotz erteilten Hinweises des Gerichts nicht weiter vorgetragen.

2. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf die angefallenen Kosten für die Inanspruchnahme eines Ersatzwagens. Nach ständiger Rechtsprechung gehören Mietwagenkosten zum ersatzfähigen Schaden im Sinne des § 249 BGB. Die Angemessenheit der Kosten der Höhe nach ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Klägerin kann Erstattung der Mietwagenkosten auch für den gesamten Zeitraum verlangen. Die Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin, dass sie mehrfach darauf hingewiesen habe, zur Vorfinanzierung einer Wiederbeschaffung oder Reparatur wirtschaftlich nicht in der Lage zu sein, nicht entgegengetreten. Eine erste Zahlung der Beklagten erfolgte trotz unstreitiger Haftung zu 100 % erst nach Ablauf der Mietzeit für den Ersatzwagen. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin zur Reparatur berechtigt war. Darüber hinaus erfolgte kein Vortrag der Beklagten dahingehend, dass die Dauer der Reparatur der Klägerin anzulasten wäre. Im Ergebnis ist daher nicht ersichtlich, wie die Klägerin auf die Dauer der Reparatur hätte weiter Einfluss nehmen können, um ihrer Schadensminderungspflicht hier gerecht zu werden. Die Beklagte hat daher die vollständigen Kosten für die Inanspruchnahme eines Ersatzwagens zu tragen.

III.

Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ergibt sich aus den §§ 288, 291 BGB.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 91a, 269 Abs. 3 ZPO. Hinsichtlich des erledigenden Teils liegt die Kostentragungspflicht bei der Beklagten, da die Klage bei Erhebung zulässig und begründet war. Letztlich hat die Beklagte den geltend gemachten Zinsanspruch auch ausgeglichen. Für den zurückgenommenen Teil der Klage richtet sich die Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO und die Kosten sind ebenfalls der Beklagten aufzuerlegen. Sie hat durch Nichtzahlung des geschuldeten Schadensersatzes Anlass zur Klageerhebung gegeben. Die Zahlung erfolgte nach Anhängigkeit, aber vor Rechtshängigkeit der Klage, so dass die Klägerin gezwungen war, die Klage zurückzunehmen. Gemäß § 269 Abs. 3 ZPO können die Kosten in einem solchen Fall der Beklagten auferlegt werden.

V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

VI.

Der Gebührenstreitwert war nach den §§ 39, 63 Abs. 1 GKG auf 5.244,38 € festzusetzen.

Streitwerte bei teilweiser Klagerücknahme und anschließender Erweiterung sind zu addieren (AG Siegburg, Beschluss vom 29.03.2010, Aktenzeichen 118 C 192/09). Hiervon ausgenommen ist aber die anwaltliche Terminsgebühr, da über den zurückgenommenen Klagegegenstand nicht verhandelt wurde. Der Streitwert für die anwaltliche Terminsgebühr war daher gesondert auf 2.263,87 € festzusetzen. Die erfolgte Erledigungserklärung ist für den Streitwert unbeachtlich (vgl. BGH NJW-RR 95, Seite 1089).“

AG Bautzen, Urteil vom 7.2.2019 – 20 C 545/18

Ein Störgeräusch bei einem Oberklassefahrzeug ist ein erheblicher Mangel, der die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag erfüllt

Durch das Landgericht Dresden (LG Dresden, Urteil vom 28.1.2019 – 10 O 378/19) wurde entschieden, dass bei einem Oberklassefahrzeug Störgeräusche einen erheblichen Mangel darstellen können, die nach gescheiterten Nachbesserungsversuchen seitens des Verkäufers zu einem Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…] A[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7-9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

V[…] GmbH & Co. KG, […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Rücktritt vom Kaufvertrag

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch

Richter am Landgericht […] als Einzelrichter

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 am 28.01.2019

für Recht erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Leasinggeber V[…] GmbH, […] unter der Leasing-Vertrags-Nr. […] einen Betrag in Höhe von 35.223.84 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 2.11.2015 bis 27.3.2017 und weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit 28.3.2017 zuzahlen.

II. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 865.37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit 28.3.2017 zu zahlen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung per Hinterlegung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

A) Der Kläger, der einen Pkw Volkswagen Phaeton geleast hatte, machte gegen die Beklagte namens einer Leasinggesellschaft Mängelgewährleistungsansprüche geltend; er rügte das Auftreten von Störgeräuschen bei hohen Geschwindigkeiten.

Zunächst forderte er im Namen der Leasinggeberin im Rahmen einer Rückabwicklung des Kaufvertrages und die Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich Gebrauchsvorteilen) Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs.

Zwischenzeitlich endete der Leasingvertrag; der Kläger gab das Fahrzeug an die Beklagte als „zurücknehmenden Händler“ zurück. Er begeht nunmehr die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Betrages, den er sich für Gebrauchsvorteile anrechnen lässt, an die Leasinggeberin.

Im Einzelnen:

Am 9.9.2015 schloss der Kläger unter Vermittlung der Beklagten mit der V[…] GmbH einen Leasingvertrag über das Fahrzeug VW Phaeton. Fahrgestellnummer […] (ausgestattet mit einem Diesel-Motor). Das Fahrzeug wurde von der Beklagten zu einem Kaufpreis von 42.444,- € einschließlich Umsatzsteuer an die Leasinggeberin verkauft. Am 2.11.2015 wurde das Fahrzeug auf den Kläger zugelassen und wies zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger einen km-Stand von 35.748 km auf.

Der Kläger rügte bei Werkstattbesuchen bei der Beklagten am 14.3.2016 und 4.5.2016 die Geräuschentwicklung bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug.

Mit Schreiben vom 26.5.2016 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten im Namen des Leasinggebers den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Am 20.7.2016 kam es zu einem Werkstattbesuch des Klägers, bei dem sich die Beklagte unter Hinzuziehung des Sachverständigen H[…] erneut mit vom Kläger gerügten Geräuschentwicklungen auseinandersetzte. Es wurde festgestellt, dass ein Wählhebelseilzug für die Parksperre am Getriebe anlag und insoweit eine Änderung vorgenommen.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15.8.2016 mit, das beanstandete Geräusch habe am 20.7.2016 lokalisiert werden können; durch Arbeiten am Wählhebelseilzug für die Parksperre und an dem Schaltseil seien die zuvor bemängelten Geräusche abgestellt worden.

Bei den nunmehr noch von dem Kläger beschriebenen Geräuschen handele es sich um eine reine Komfortbeanstandung. Von daher werde der Antrag des Klägers auf Rückabwicklung abgelehnt.

Am 8.10.2018 gab der Kläger bei Beendigung des Leasingverhältnisses das Fahrzeug an die Beklagte als „zurücknehmenden Händler“ zurück. Es wies zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von 80.700 km auf.

B) Der Kläger behauptet, er habe ein Mangelsymptom – ein markantes, störendes, atypisches und drehzahlabhängiges Fahrgeräusch bei Erreichen höherer Geschwindigkeiten – in der Folgezeit nach Übergabe des Fahrzeugs an ihn festgestellt. Solche Störgeräusche seinen bei Fahrzeugen dieser Fahrzeugklasse untypisch. Trotz mehrerer Nachbesserungsversuche sei es der Beklagten nicht gelungen, diese Geräusche abzustellen.

M[…] L[…], ein Mitarbeiter der Beklagten, habe das Geräusch bei einer zweiten Probefahrt am 14.4.2016 wahrgenommen und als Röcheln beschrieben. Der Mitarbeiter der Beklagten F[…] M[…] habe ihm gegenüber bestätigt, dass auch er das Störgeräusch wahrgenommen habe. Am 14.3.2016, 14.4.2016 und 4.5.2016 seien erfolglose Nachbesserungsversuche unternommen worden. Bei einem vierten Werkstatttermin habe Herr H[…] das markante Störgeräusch ebenfalls wahrgenommen, aber dies als „Schwirrgeräusch“ bezeichnet. Dies habe durch Arbeiten an dem Fahrzeug zwar verringert, aber nicht beseitigt werden können.

Das streitgegenständliche Fahrzeug habe zum Zeitpunkt des Verkaufs von der Beklagten an die Leasinggeberin einen Unfallschaden oberhalb der Bagatellgrenze aufgewiesen und sei somit nicht unfallfrei gewesen.

C) Der Kläger beantragte zunächst:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Leasinggeber V[…] GmbH, […] unter der Leasing-Vertrags-Nr. […] Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW VW Phaeton 5-Sitzer 4Motion V6 TDI DPF mit dem amt. Kennzeichen […], Fahrgestellnummer […], einen Betrag in Höhe von 42.440,00 € abzüglich eines Betrages, der sich wie folgt berechnet:

0,16 € / km X Kilometerstand gemäß Tachostand zum Zeitpunkt der Rückgabe abzüglich 35748 km (Anfangsbestand)

nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 2.11.2015 bis einen Tag vor Rechtshängigkeit und weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des unter Ziff. I. bezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet.

III. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 865,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Zu Ziff. I. beantrage er ab 4.9.2017 hilfsweise

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Leasinggeber V[…] GmbH Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Betrag i.H.v. 42.440,00 EUR abzgl. eines Betrages, der sich errechnet – wie unter Ziffer I. des Hauptantrages angegeben – nebst 4 % aus dem sich gemäß entsprechender Berechnung ergebenden Betrages seit dem 02.11.2015 bis einen Tag vor Rechtshängigkeit und weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger erklärte nach Übergabe des Fahrzeugs an die Beklagte den vormaligen Klageantrag zu II. für in der Hauptsache erledigt und beantragt nunmehr:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Leasinggeber V[…] GmbH, […] unter der Leasing-Vertrags-Nr. […] einen Betrag in Höhe von 35.242,56 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 2.11.2015 bis einen Tag vor Rechtshängigkeit und weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

II. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 865,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte stimmt der Erklärung des vormaligen Klageantrages zu II. für in der Hauptsache erledigt zu und beantragt, dem Kläger insoweit die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen und die Klage abzuweisen.

D) I. Die Beklagte behauptet, am 14.3.2016 habe der Kläger eine Art Röcheln aus dem Motorraum beanstandet. Am 14.4.2016 habe sich der Kläger nicht an die Beklagte gewandt Die Mitarbeiter M[…] L[…] und F[…] M[…] hätten bei einer daraufhin durchgeführten Probefahrt entsprechende Geräuschentwicklung nicht feststellen können. Am 4.5.2016 sei erneut ein Röcheln durch den Kläger beanstandet worden; Herr M[…] habe bei einer nochmaligen Probefahrt an diesem Tag die Beanstandung erneut nicht bestätigen können.

Am 20.7.2016 habe der Kläger Schwirrgeräusche, die vom Wählhebel oder vom Motorraum stammen, beanstandet. Dies hätten die Mitarbeiter der Beklagten bestätigen, aber auch beseitigen können, wie eine anschließende Probefahrt ergeben habe.

Es sei mitnichten so, dass es sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bei dem Pkw Volkswagen Phaeton um ein Unfallfahrzeug gehandelt habe. Nachlackierungen seien vor dem Verkauf an die Leasinggeberin aus optischen Gründen zur Beseitigung von Gebrauchsspuren, nicht aber zur Beseitigung von Unfallschäden vorgenommen worden. Zum Zwecke der Lackierung der Motorhaube hätten die Schraubverbindungen zum Kotflügel gelöst werden müssen.

II. Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger sei der Nachweis nicht gelungen, dass zum Zeitpunkt seiner Beanstandungen Störgeräusche an dem Fahrzeug bestanden. Der Sachverständige könne insoweit keine Aussage treffen; die Zweifel müssten zu Lasten des Klägers gehen.

E) Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 4.9.2017 und 30.7.2018 Bezug genommen.

Das Gericht hat den Kläger persönlich zur Sache angehört und Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen M[…] L[…] und F[…] M[…] sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. M[…] N[…] und durch dessen mündliche Anhörung. Hinsichtlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Zeugeneinvernahmen vom 4.9.2017 (Bl. 68 RS ff) sowie auf das schriftliche Gutachten vom 1.2.2018, Bl. 128 ff. d.A , die schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 26.7.2018 (Bl. 183 dd. d.A) und das Protokoll der Anhörung des Sachverständigen am 30.7.2018 (Bl. 191 ff.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A) Die zulässige Klage ist in der Sache im Wesentlichen begründet.

I. Der Leasinggeberin stand ein Recht zur Rücktritt vom Kaufvertrag zu. dass der Kläger in deren Namen wirksam ausgeübt hat.

1.) Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass bei hohen Geschwindigkeiten bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug im Zeitpunkt der Untersuchung durch den gerichtlich beauftragten Sachverständigen ein Geräusch in Form eines kurzen Pfeiftons auftrat, der von der Tonhöhe her variierte und in dem verschiedene Frequenzen zum Tragen kamen. Die hohe Tonlage beschrieb der Sachverständige als nicht immer gleich, sondern wechselnd. Er stellte weiter fest, dass die Geräusche jeweils mit einer kurzen Dauer sporadisch auftraten. Das Störgeräusch wurde von dem Sachverständigen im Bereich des hinteren Schiebedachausschnitts bis hin zum Fahrertürausschnitt in Höhe des Dachrahmens lokalisiert.

Das Gericht sieht keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen zu zweifeln.

2.) Bei einem Fahrzeug, dass eine solche – wenn auch nur sporadische und kurzzeitige Geräuschentwicklung – aufweist, liegt jedenfalls dann, wenn es sich um ein Fahrzeug der Fahrzeugklasse wie das streitgegenständliche Fahrzeug handelt, eine Minderung der Eignung zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch vor.

Der Sachverständige konnte das Störgeräusch hören und messen, und zwar auf einer Messfahrt von insgesamt 43 km bei einer Fahrtstreckenkombination von Stadt-, Land- und Autobahnstrecken. Auch wenn das Geräusch nicht durchgängig, sondern sporadisch auftritt, handelt es sich nicht um ein solch selten auftretendes Phänomen, dass es bei der Bedeutung der Eignung für den vom Vertrag vorausgesetzten Gebrauch zu vernachlässigen wäre. Es handelte sich um ein Fahrzeug der Oberklasse bzw. Luxusklasse, bei der eine besonders hochwertige Verarbeitung geschuldet war. Der Sachverständige hat dazu überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass Hersteller von Oberklassefahrzeugen besonderen Wert auf einen geringen Innengeräuschpegel legen und bei fachgerechter Vorgehensweise vermeidbare Geräuschentwicklungen möglichst unterbunden werden sollen. Bei dem Fahrzeug handelte es sich zwar um ein Gebrauchtfahrzeug, jedoch noch um ein relativ „junges“ Gebrauchtfahrzeug mit Erstzulassung zum 12.5.2014.

Die Zweifel, die von Beklagtenseite an der Kompetenz des Sachverständigen hinsichtlich der Beurteilung von Anforderungen an Oberklassefahrzeugen angemeldet wurden, vermag das Gericht nicht zu teilen. Der Sachverständige ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kfz-Schäden und -Bewertungen; dies setzt eine besondere Sachkunde und eine fachliche Qualifikation über dem (Durchschnitts-)Niveau der ihren Beruf ordnungsgemäß Ausübenden voraus. Erfahrungen des Sachverständigen mit Innen- und Außengeräuschmessungen bei Oberklassefahrzeugen hat der Sachverständige als Prüfingenieur im damaligen Kraftfahrzeugtechnischen Amt der DDR in der Zeit von 1984 bis 1989 gemacht. Angesichts der zwischenzeitlichen technischen und auch wirtschaftlichen Entwicklung vermag das Gericht jedoch nicht davon auszugehen, dass Ende der 1980er Jahre bei höherklassigen Fahrzeugen wie Volvo 740/760, Mercedes Benz W 126 und Renault 25 unübliche, sporadische Pfeifton-Erscheinungen mit hoher Frequenz Ende 2015 bei einem Oberklassefahrzeug wie dem streitgegenständlichen VW Phaeton als Umstand zu werten ist, der als irrelevant für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch einzustufen ist. Der Anspruch der Kunden an Oberklassefahrzeuge, aber auch der Anspruch der Hersteller selbst an die von ihnen angebotenen Oberklassefahrzeuge ist seit Ende der 1980er Jahren nicht geringer, sondern höher geworden. Darauf, dass sich die Anforderungen in innenakustischer Hinsicht seit den 1980er Jahren nicht vermindert haben dürften, hatte das Gericht bereits mit Beschluss vom 18.10.2018 hingewiesen.

3.) Das Gericht gelangt zu der Überzeugung, dass diese Mängel bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorgelegen haben.

a) Dazu, ob die vom Sachverständigen Neuhaus festgestellten Geräusche schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages zwischen der Beklagten und der Leasinggeberin auftraten bzw. beim Fahren entsprechender Geschwindigkeiten aufgetreten wären, vermochte der Sachverständige keine Aussage zu treffen.

b) Die Darstellung des Klägers, er habe schon frühzeitig ab dem 14.3.2016 gegenüber der Beklagten ein markantes, störendes, atypisches Fahrgeräusch, das bei höheren Geschwindigkeiten auftritt, gerügt, findet sich in der Art und Weise, wie seine Beanstandungen intern bei der Beklagten dokumentiert wurden, nicht uneingeschränkt bestätigt.

Unter dem 14.3.2016 ist als Kundenbeanstandung bei der Beklagten intern aber immerhin u.a. ein „Knistern Bereich Schiebedach links zw. A- & B-Säule bei ca. 3.000 U/min.“ notiert.

Auch der Zeuge M[…] L[…] gab an, dass der Kläger am 14.3.2016 eine entsprechende Beanstandung äußerte. Ein solches Symptom – „Knistern“ – unterscheidet sich freilich von kurzen Pfeiftönen, die der Sachverständige bei seiner Anhörung vom 30.7.2017 (S. 7 des Protokolls) beschrieben hat.

c) (1) In den Eintragungen zum 4.5.2016 heißt es, dass der Kunde „lautes spor. Röcheln. Geräusch tritt nach dem Anfahren an einer Kreuzung/Ampel für ca. 3 Sek. auf.“ beanstandet.

Das wäre mithin keine Rüge eines vor allem bei hohen Geschwindigkeiten auftretenden Geräuschs.

(2) Zum Zeitpunkt 26.5.2016 heißt es in der Fahrzeughistorie, der Kunde habe ein „untypisches, röchelndes Geräusch im Motorraum“ beanstandet. So schwer für einen Laien Aussagen zur Provenienz einer akustischen Erscheinung auch sein mögen, liegt nicht unbedingt nahe, dass mit „röchelndem Geräusch“, dessen Herkunft dem Motorraum zugeordnet wird, auch ein gelegentlich bei hohen Geschwindigkeiten auftretender Pfeifton, der nach den Feststellungen des Sachverständigen im Bereich des hinteren Schiebedachausschnitts bis hin zum Fahrertürausschnitt lokalisiert wurde, gemeint gewesen sein könnte – zumal am 14.3.2016 durchaus zwischen Störgeräuschen im Bereich des Schiebedachs und solchen, die vom Motorraum her kommen, differenziert worden sein soll.

(3) Weiter heißt es in der Fahrzeughistorie, am 20.7.2016 habe der Kunde „Schwirrgeräusche aus dem Motorraum“ beanstandet. Ferner ist auch eingetragen: „Wählhebel/Wählhebelseilzug“.

bb) Der Zeuge M[…] L[…] schilderte, die Kundenberater seien angehalten, die Beanstandungen möglichst im Originalton festzuhalten. Nach seinen Angaben wurde beim Termin vom 14.3.2016 ein Knistern (bei 3000 U/min) beanstandet; auch am 4.5. soll u. a. ein Knistern neben dem Ohr im Bereich der A-Säule bei Geschwindigkeiten von ca. 160 km/h beanstandet.

Diese Beanstandung, an die sich der Zeuge erinnert, wurde in der Fahrzeughistorie nicht festgehalten.

Nach seinen Bekundungen soll vom Kläger am 20.7.2016 lediglich ein Schwirrgeräusch, das dann auch habe abgestellt werden können, gerügt worden sein.

cc) Der Zeuge M[…] bekundete, der Kläger habe ihm gegenüber in den beiden ersten von ihm begleiteten Werkstattterminen jeweils lediglich ein Röcheln des Motors beanstandet. Dies steht freilich in Widerspruch zu den internen Notizen zum 14.3.2016 und zur Aussage des Zeugen L[…] zum 4.5.2016. Er führte denn auf Vorhalt auch aus, dass es zwar auch eine Rüge einer Geräuschentwicklung bei ca. 160 km/h gegeben habe, diese jedoch abgestellt worden sei. Er selbst führte nach seinen Angaben bei den von ihm durchgeführten Probefahrten bei den beiden ersten Werkstattterminen nur Probefahren im Stadtbereich aus, so dass er offenbar aus eigener Kenntnis über die Behebung einer solchen Geräuschentwicklung nicht berichten konnte. Soweit er ausführte, diese Beanstandung sei in der Karosserieabteilung der Beklagten behoben worden, widerspricht dies den Angaben der Beklagten, die insoweit gerade mangels Nachvollziehbarkeit des gerügten Mangelsymptoms keine Arbeiten ausgeführt haben will.

Auch nach Angaben des Zeugen M[…] soll der Kläger am 20.7.2016 lediglich Schwirrgeräusche und mithin andere akustische Erscheinungen als zuvor gerügt haben,

dd) Der Kläger rügte in seinem Schreiben vom 26.5.2016 schriftlich sowohl ein Fahrgeräusch aus der Antriebsregion als auch – zusätzlich – ein bei höheren Geschwindigkeiten auftretendes Geräusch und beanstandete insbesondere, dass mangels Probefahrten bei höheren Geschwindigkeiten die zweitere Rüge gar nicht überprüft worden sei.

d) In seinem schriftlichen Gutachten führt der Sachverständige aus, dass als Ursache des von ihm bei höheren Geschwindigkeiten festgestellten Störgeräuschs die am 2.7.2015 und am 10.7.2015 im Serviceheft des streitgegenständlichen Fahrzeugs eingetragenen Arbeiten, die möglicherweise nicht fachgerecht ausgeführt worden sein könnten, in Betracht kommen, ohne sich insoweit abschließend festzulegen. Nicht unerhebliche Karosseriearbeiten, die unter Werkstatt- und nicht unter herstellerseitigen Manufakturbedingungen ausgeführt worden seien, könnten die Ursache für die Störgeräusche begründet haben. Der Sachverständige hielt zur Mangelbehebung letztlich ein versuchsweise Herantasten an die mögliche Ursache für erforderlich, wobei nach seinen Ausführungen Sitz und Passung der vorderen Türen einschließlich der Türfensterrahmen und ihrer Dichtungselemente. Sitz und Passung von Schiebedach und Schiebedachrahmen einschließlich der dazugehörigen Dichtungselemente und die im vorderen Sitzbereich angeordneten Be- und Entlüftungsöffnungen zu überprüfen, einzustellen oder zu erneuern sein sollten.

Es ist nicht ersichtlich, dass in diesen Bereichen in der Zeit ab Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger bis zum 4.5.2016 und auch bis zur Besichtigung und Testung durch den Sachverständigen Arbeiten vorgenommen worden wären.

Das Gericht ist deshalb – auch unter Berücksichtigung aller Umstände – überzeugt, dass die vom Sachverständigen festgestellten Mängel bereits bei Übergabe der Kaufsache an die Käuferseite bzw. bei der ..stellvertretenden“ Übergabe an den Kläger vorlagen.

4.) Der Rücktritt erfolgte auch nicht verfrüht; eine nochmalige Fristsetzung zur Nachbesserung war nicht erforderlich.

a) Der Kläger hat – wie die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben hat – am 14.3.2016 und 4.5.2016 u. a. eine Störgeräuschentwicklung bei höheren Geschwindigkeiten gerügt; von der Beklagtenseite ist jedoch dieser Aspekt unzureichend bzw. letztlich nicht geprüft worden. Prüffahrten im Stadtverkehr waren dazu nicht ausreichend. Im Sinne des § 440 S. 2 BGB liegt daher eine fehlgeschlagene Nachbesserung vor. Zwar wurde eine Nachbesserung insoweit gar nicht versucht, weil unzureichend geprüft und der Mangel nicht nachvollzogen werden konnte; dies ist jedoch einer fehlgeschlagenen Nachbesserung gleichzusetzen.

b) Käme man entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung zu dem Ergebnis, die Voraussetzungen für einen Rücktritt hätten am 26.5.2016 nicht vorgelegen, so wären diese jedenfalls ab Zugang des Schreibens der Beklagtenseite vom 15.8.2016 zu bejahen und das weitere Vorgehen des Klägers als konkludent hilfsweise nochmals erklärter Rücktritt zu werten.

Am 15.8.2016 bezeichnete die Beklagte die von dem Kläger beschriebenen und noch nicht beseitigten Störgeräusche bei höheren Geschwindigkeiten als reine Komfortbeanstandung, weshalb ein Rücktritt zurückgewiesen werde. Im Hinblick auf das bisherige Prüfverhalten der Beklagte war diese Erklärung dahingehend zu verstehen, dass ein Versuch der Mängelbeseitigung im Hinblick auf die von der Beklagten als Bagatelle eingestuften gerügten Störgeräusche bei höheren Geschwindigkeiten nicht zu erwarten war, sondern gleichfalls abgelehnt werden würde.

5.) Darauf, ob es sich bei dem streitgegenständlichen VW Paeton um ein Unfallfahrzeug handelte, kam es nach allem für die hier zu treffende Entscheidung nicht an.

Ein Nachweis wäre indes wohl bislang nicht als geführt anzusehen; der gerichtlich beauftragte Sachverständige hat hierzu zwar Indizien benannt (wie etwa eine erhöhte Lackschichtendicke im Bereich der Kühlerhaube sowie Werkzeugansatzspuren an den Schraubverbindungen bei den vorderen Kotflügeln): einen sicheren Rückschluss auf ein vorangegangenes Unfallereignis erlauben diese und die weiteren vom Sachverständigen herausgearbeiteten Indizien nach dem Dafürhalten des Gerichts jedoch nicht.

II. 1.) Im Rahmen der Rückabwicklung hat die Beklagte den Kaufpreis zurückzuerstatten.

2.) Den Wert der von Käuferseite herauszugebenden gezogenen Nutzungen schätzt das Gericht wie folgt:

Von der zu erwartenden Gesamtfahrleistung ist die km-Laufleistung bei Übergabe an den Kläger in Abzug zu bringen. Der Kaufpreis ist durch die so ermittelte Restlaufleistung zu dividieren und das Ergebnis mit der zwischen Übergabe an den Kläger und Rückgabe zurückgelegten Laufleistung zu multiplizieren.

a) Der Sachverständige hat ausgeführt, das bei Fahrzeugen wie dem streitgegenständlichen unter Berücksichtigung einer üblichen Nutzung und bei Durchführung der vom Hersteller vorgegebenen Inspektionen und Ölwechselintervalle von einer regelmäßigen Gesamtfahrleistung von 300.000 km auszugehen ist. Der Sachverständige hat eingehend begründet, weshalb er eine derartige Gesamtlaufleistung ansetzt und weshalb die von der Beklagten angesetzte Gesamtlaufleistung weit untersetzt erscheint. Diese Ausführungen erachtet das Gericht für überzeugend.

b) Damit berechnet sich der in Abzug zu bringende Nutzungsvorteil für den Kläger wie folgt:

42.444,-€: (300.000 km – 35.748 km) x 44.952 km = 7.220,16 €

c) Die Käuferin hat das Fahrzeug nicht selbst genutzt, sondern es dem Kläger im Rahmen eines Leasinggeschäfts überlassen. Von daher wäre vorstellbar, dass die von ihr tatsächlich gezogenen Vorteile auf Grund der Nutzungsmöglichkeit des Kaufgegenstandes im Rahmen der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Leasingvertrag auch oberhalb jenes Betrages liegen könnten, der sich bei einer linearen „Abschreibung“ des Kaufpreises im Verhältnis zur zu erwartenden Restlaufleistung und Berücksichtigung der Fahrleistung der „Käuferseite“ zwischen Übergabe und Rückgabe des Fahrzeugs ergibt. Die Beklagtenseite hat einen derartigen etwaigen weitergehenden Nutzungsvorteil der Leasinggeberin indes nicht zu behauptet.

Sie hat sich auf Einwände zur anzunehmenden Gesamtlaufleistung beschränkt, die jedoch zur Überzeugung des Gerichtes ohne Erfolg bleiben mussten.

3.) Die Beklagte schuldet nach §§ 346 , 100 BGB die Herausgabe des Nutzungsvorteils des Kaufpreises.

Der Anspruch des Käufers auf Nutzungsersatz für Kapitalnutzung durch den Verkäufer richtet sich dabei nach dem Netto-Kaufpreis (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 5.8.2010, Gz.: 28 U 22/10). Dieser liegt oberhalb jenes Betrages, aus dem der Kläger Nutzungsentgelt verlangt.

Herauszugeben sind die tatsächlichen Nutzungen, u.U. nach § 347 1 1 BGB auch jene Nutzungen, die er bei ordnungsgemäßer Wirtschaft hätte ziehen können. Die von der Klägerseite behauptete marktübliche Verzinsung von Kapitalanlagen erscheint eher übersetzt; auch eine generelle Vermutung, dass gewerbliche Unternehmen mit eingesetztem Kapital einen Gewinn von 10 % erzielen, erscheint nicht gerechtfertigt. Die Klägerseite hat jedoch auf andere Weise näher dargelegt, dass die Beklagte zur Erzielung von Nutzungen in Höhe von 4 % in der Lage gewesen war. Sie hat hierzu die Jahresabschlüsse der Beklagten zu den Geschäftsjahren 2013 bis 2015 vorgelegt. Angesichts dieses Vortrags hätte die Beklagte im Rahmen der sekundären Darlegungslast zumindest eine konkrete Behauptung aufstellen müssen, welche Nutzungen sie denn (lediglich) erzielt haben will oder welche Nutzungen sie lediglich zu ziehen in der Lage war.

III. Die Zinsforderung im Übrigen beruft auf §§ 286, 288 BGB.

IV. Bei den zu erstattenden außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben die Klägervertreter den vollen Kaufpreis als Streitwert angesetzt. Dieser Wert entsprach aber weder dem seinerzeitigen Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs noch dem Hauptsachebetrag des Zahlungsbetrages, der zulässigerweise hätte geltend gemacht werden können. Ausgehend von einer Laufleistung von 48.878 km am 22.8.2016 (vgl. Eintrag in der Reparaturhistorie, Bl. 107 d.A) ist lediglich ein Streitwert von 40,335,07 € anzusetzen gewesen. Da sich gegenüber dem von den Klägervertretern angesetzten Wert kein Gebührensprung ergibt, hat dies jedoch letztlich auf die Höhe der zu erstattenden außergerichtlichen Kosten keinen Einfluss.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§91 a I I, 92 II Nr. 1 ZPO. Die Kosten waren der Beklagten auch insoweit aufzuerlegen, als der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.Die Beklagte befand sich nämlich in Annahmeverzug.

VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S. 1 und 2 ZPO.“

LG Dresden, Urteil vom 28.1.2019 – 10 O 378/19

Anspruch auf Erstattung der zusätzlichen Transportkosten für nicht mehr betriebsbereites Fahrzeug zum Händler des Leasinggebers nach Ende des Leasingvertrages

Durch das Amtsgericht Dresden (AG Dresden, Urteil vom 9.4.2018 – 105 C 6011/17) wurde entschieden, dass durch den Schädiger im Rahmen der Schadensregulierung auch die Kosten für einen zusätzlichen Transport des nicht mehr betriebsbereiten Fahrzeugs zum vom Leasinggeber benannten Händler nach dem Ende eines Leasingvertrages erstattet werden müssen.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit
G[…] GmbH, […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7-9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung AG, […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Dresden durch
Richterin am Amtsgericht […]
ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 09.04.2018
für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 303,45 EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 09.09.2017 zu zahlen,
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf 303,45 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Danach hat die Klägerin Anspruch auf Ausgleich des offenen Schadensersatzanspruches aus dem Verkehrsunfall vom 13.08.2017 […] in Görlitz, §§ 823 Abs. 2, 1 StVG, 115 WG.
Nachdem die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 164,35 EURO unter dem 05.12.2017 reguliert wurden, wurde der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt und war nur noch über die streitige Position Transportkosten zu befinden.
Auch insoweit haben die Beklagten für die zusätzlichen Kosten für die Verbringung des Fahrzeuges aufzukommen. Ausweislich des als Anlage K1 vorgelegten Schadensgutachtens vom 21.08.2017 war das Fahrzeug nicht mehr betriebsbereit. Da der Leasingvertrag für das beschädigte Fahrzeug zeitnah nach dem Verkehrsunfall ausgelaufen ist und der Kläger Rückgabe des Fahrzeuges beim Autohaus […], verpflichtet war, sind auch die Kosten für die weitere Verbringung des Fahrzeuges erforderlich und daher zu erstatten. Die von der Beklagtenseite zitierte Rechtssprechung steht dem nicht entgegen, da sich diese vom hier zu entscheidenden Fall unterscheidet, wonach die Klägerin zur Herausgabe des nicht mehr fahrbereiten Fahrzeuges an den Eigentümer verpflichtet ist. Eine Reparatur des beschädigten Fahrzeuges vor dem Termin zur Rückgabe des Fahrzeuges wäre der Klägerin nicht mehr möglich gewesen. Zudem wurde erst nach der Rückgabe des Fahrzeuges an das Autohaus […] durch das als Anlage
K1 vorgelegte Schadensgutachten vom 21.08.2017 der Eintritt des wirtschaftlichen Totalschadens festgestellt. Dies hat die Klägerin durch Vorlage der Schreiben Anlage K8, K9 sowie des Gutachtens (Anlage K1) substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt. Das pauschale Bestreiten der Beklagten insoweit ist somit unerheblich.
Soweit die Beklagte die Kostentragung bezüglich des teilweise für erledigt erklärten Betrages negiert, kann sie ebenfalls nicht durchdringen. Bereits mitschreiben vom 02.10.2017 (Anlage K8) wurde die als Anlage K11 vorgelegte Bescheinigung der Steuerberatungsgesellschaft der Klägerin vom 24.10.2017 übersandt, aus der sich die fehlende  Vorsteuerabzugsberechtigung ergibt. Mt dem Ausgleich der Mehrwertsteuer war die Beklagte folglich in Verzug, sodass auch
hinsichtlich des erledigt erklärten Teils die Kosten von Beklagtenseite zu tragen sind, gem. §§ 91, 269 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 ZPO.
Der Zinsanspruch folgt §§ 280, 286, 288 BGB.“

AG Dresden, Urteil vom 9.4.2018 – 105 C 6011/17

Kein Anscheinsbeweis bei Auffahrunfall nach vorhergehendem Spurwechsel des Unfallgegners, Haftung für mittelbaren Verkehrsunfall aufgrund eines geplatzten Reifens und zu den Erstattungsansprüchen bei einer beschädigten Brille

Nach dem Urteil des Landgerichts Frankfurt a. M. (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.3.2017 – 2-10 O 280/14) besteht kein Anscheinsbeweis bei einem Auffahrunfall nach vorhergehendem Spurwechsel des Unfallgegners. Zudem haftet der Halter für Schäden aufgrund eines mittelbaren Verkehrsunfalls. Bei einer durch den Verkehrsunfall beschädigten Brille kann nur der Zeitwert erstattet verlangt werden.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

[…] Sch[…]

Kläger

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen,

[…]

gegen

[…] Versicherung […]

Beklagte

Prozessbevollmächtigte: […]

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main

durch die Richterin […] als Einzelrichterin im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist zum 03.03.2017 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.117,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.08.2014 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 118,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.08.2014 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 3.750,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.08.2014 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Unfall vom 22.04.2013 am Unfallort BAB 5, km 475,290, Fahrtrichtung Frankfurt am Main künftig entstehen, mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, insbesondere Versicherungen oder Sozialversicherungsträger übergehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Hergang eines Verkehrsunfalls, der sich am 22.04.2013 auf der BAB 5 ereignete.Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Halter und Eigentümer des Kraftfahrzeugs Nissan Almera, amtliches Kennzeichen […]. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherin des Sattelzugs Scania A4xZ mit dem amtlichen Kennzeichen […].Am 22.04.2013 gegen 11:08 Uhr befuhr der Kläger – mit seiner Ehefrau, der Zeugin Sch[…] als Beifahrerin – die BAB 5 in Fahrtrichtung Frankfurt am Main bei km 475,290 auf der linken von drei Spuren. Zeitgieich befuhr der Zeuge L[…] mit dem beklagten Sattelzug die rechte Fahrspur. Die Zeugen Re[…] und Ri[…] fuhren in ihrem PKW mit einigem Abstand hinter dem klägerischen Fahrzeug. Der Zeuge S[…] fuhr in seinem LKW mit einigem Abstand hinter dem beklagten Sattelzug. In  unmittelbarer Nähe befanden sich zudem der Zeuge Schu[…] in seinem Mazda (amtliches Kennzeichen: […]) sowie der Zeuge B[…] in seinem BMW (amtliches Kennzeichen. […]). Wo — insbesondere auf welcher Spur – sich die Zeugen Schu[…] und B[…] genau befanden, ist zwischen den Parteien umstritten.Während der Fahrt löste sich von einem Reifen am Beklagtenfahrzeug die Reifendecke von der Karkasse, so dass Reifenteile auf die Fahrbahn geschleudert wurden. In der Folge kam es zu einem Unfall zwischen dem klägerischen Fahrzeug, dem Mazda des Zeugen Schu[…] und dem BMW des Zeugen B[…], wobei zwischen den Parteien umstritten ist, wie dieser sich genau ereignete. Durch den Unfall kam der Mazda des Zeugen Schu[…] rechts von der Fahrbahn ab und blieb in einem dort befindlichen Feld stehen. Der BMW des Zeugen B[…] sowie das klägerische Fahrzeug kamen auf der linken Fahrspur der BAB zum Stehen.Das klägerische Fahrzeug wurde durch den Unfall erheblich beschädigt. Der Fahrzeugschaden (Wiederbeschaffungswert (differenzbesteuert  2,5%) i.H.v.  4.682,93 EUR abzüglich Restwert i.H.v. 150,00 EUR) beläuft sich auf 4.532,93 EUR. […]Dem Kläger entstanden durch den Unfall folgende weitere Sachschäden:[…]Soweit der Kläger jeweils nur einen Restbetrag geltend macht, hat die Beklagte vorgerichtlich bereits 30% des entstandenen Schadens ersetzt.Darüber hinaus wurde bei dem Unfall die Brille des Klägers beschädigt. Der Kläger wendete für die Ersatzanschaffung 401,75 EUR auf […]. Seit der Anschaffung der zerstörten Brille im Februar 2010 verschlechterte sich die Sehstärke des Klägers auf dem linken Auge um 0,5 Dioptrien […]. Die Beklagte zahlte für die zerstörte Brille 48,00 EUR an den Kläger. […] Der Kläger erlitt in Folge des Unfalls eine Rippenserienfraktur (4. bis 11. Rippe) auf der linken Seite und eine Lungenkontusion. Er befand sich vom 22.04.-27.04.2013 stationär im Krankenhaus und war nach der Entlassung für sechs Wochen arbeitsunfähig. Der Kläger wurde in der Folge mehrfach ärztlich untersucht. Es wird auf die ärztlichen Berichte […] sowie das ärztliche Gutachten […] Bezug genommen. Die Beklagte zahlte bislang ein Schmerzensgeld i.H.v. 1.250,00 EUR an den Kläger.Mit anwaltlichem Schreiben […] machte der Kläger Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Auf die Anlagen […] wird Bezug genommen.Der Kläger behauptet, er sei mit seinem Fahrzeug auf dem linken von drei Fahrspuren gefahren, Wobei sich in relevanter Reichweite keine weiteren Fahrzeuge vor ihm auf der linken Spur befunden hätten. Plötzlich seien mehrere deutlich langsamer fahrende Fahrzeuge ohne Setzen eines Fahrrichtungsanzeigers zügig von der mittleren Fahrspur auf die linke Fahrspur vor sein Fahrzeug gewechselt, um den Reifenteilen des Sattelzuges auszuweichen. Das Fahrzeug des Zeugen Schu[…] (Mazda) sei hierbei derart dicht vor das Fahrzeug des Klägers gefahren, dass dieser trotz einer Betriebsbremsung und eines Ausweichmanövers nach links (begrenzt durch die linke Leitplanke) einen Zusammenstoß nicht mehr habe verhindern können.Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm die Kosten für die Neuanschaffung der Brille ohne einen Abzug „Neu-für-Alt“ zu erstatten seien, da es für Brillen keinen Gebrauchtmarkt gäbe und er aus medizinischen Gründen auf die Brille angewiesen sei. […] Eine vollständige Genesung des Klägers sei nicht zu erwarten. Insbesondere verblieben auf Lebenszeit Schmerzen und ein gesundheitlicher Dauerfolgeschaden in  Form eines Druckschmerzes. Es sei ein Schmerzensgeld von mindestens 7.500,00 EUR angemessen.[…]Die Beklagte behauptet, auf der linken Fahrspur sei zunächst der Zeuge B[…] (BMW) gefahren, dahinter der Zeuge Schu[…] (Mazda) und wiederum dahinter der Kläger. Als Reifenteile der Karkasse des beklagten Sattelzuges auf die Fahrbahn geschleudert wurden, habe der Zeuge B[…] unfallvermeidend – wohl bis zum Stillstand – abgebremst (Vollbremsung). Auch der Zeuge Schu[…] habe eine Vollbremsung unternommen und habe zudem nach rechts gelenkt, um auf den freien  Mittelstreifen auszuweichen. Der Kläger habe das Geschehen zu spät gemerkt, er sei zu schnell gefahren oder mit zu geringem Sicherheitsabstand und sei auf das nach rechts ausscherende Fahrzeug des Zeugen Schu[…] aufgefahren, welches aus diesem Grund über den rechten Fahrstreifen über die Autobahnbegrenzung hinausgeschossen sei. Der Kläger sei dann noch gegen das Heck des Fahrzeugs des Zeugen B[…] (BMW) geprallt.Der Kläger hätte bei angemessener Reaktion den Unfall vermeiden können. Die Beklagte treffe lediglich eine Mithaftung von 30% (Betriebsgefahr).Die Beklagte  ist  der Ansicht, dass bei  der Schadensposition  „Brille“  lediglich  der Zeitwert/Gebrauchswert anzusetzen sei. Dies insbesondere, weil sich die Sehstärke verschlechtert habe. Es seien lediglich 160,00 EUR zu Grunde zu legen. […]Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dem Beklagten stehe kein weiteres Schmerzensgeld zu.Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen […] sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 13.03.2015 […] und 12.02.2016 […] sowie auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K[…] vom 15.12.2016 Bezug genommen. Die Parteien haben […] einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. 

Entscheidungsgründe

Die teilweise zulässige Klage ist teilweise begründet. 

I.

[…] 

2.

Gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG hängen bei der Beteiligung mehrerer Kraftfahrzeuge an einem Verkehrsunfall die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.  Diese Ersatzpflicht ist jedoch gemäß § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht, wobei als unabwendbar ein Ereignis dann gilt, wenn sowohl der Halter als auch der Fahrer jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt beachtet haben.Die Haftung des Klägers ist hier gemäß § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen, weil der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis war und auch durch die Anwendung äußerst möglicher Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. 

a)

Es spricht zunächst kein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Klägers.Die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat; es muss sich um Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist (BGH, Urteil vom 15.12.2015 – VI ZR 6/15).Hier ist der Kläger unstreitig von hinten auf den Mazda des Zeugen Schu[…] aufgefahren.Bei Auffahrunfällen kann – auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen – der erste Anschein dafür sprechen, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVG), unaufmerksam war (§ 1 StVG) oder aber mit einer den Straßen- und Sichtverhältnis sen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1  StVG) (BGH, Urteil  vom 13.12.2011 -VI ZR 177/10).Das „Kerngeschehen“ – also der Auffahrunfall – reicht als solches allerdings als Grundlage eines Anscheinsbeweises dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststeilungen ergeben. Steht allerdings nicht fest, ob über das – für sich gesehen typische – Kerngeschehen hinaus Umstände vorliegen, die, sollten sie gegeben sein, der Annahme der Typizität des Geschehens entgegenstünden, so steht der Anwendung des Anscheinsbeweises nichts entgegen. Ist also ein Sachverhalt unstreitig, zugestanden oder positiv festgestellt, der die für die Annahme eines Anscheinsbeweises erforderliche Typizität aufweist, so obliegt es demjenigen, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis angewendet werden soll, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass weitere Umstände vorliegen, die dem feststehenden Sachverhalt die Typizität wieder nehmen; er hat den Anscheinsbeweis zu erschüttern (BGH, Urteil vom 13.12.2016 -VI ZR 32/16).Es obliegt demnach dem Auffahrenden – hier dem Kläger – den Anscheinsbeweis zu erschüttern und den Spurwechsel des Vorausfahrenden zu beweisen. Dies ist dem Kläger jedoch gelungen.Nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht im gemäß § 286 ZPO erforderlichen Maße davon überzeugt, dass der Unfall durch den beklagten Sattelschlepper sowie den Zeugen Schu[…] dergestalt verursacht wurde, dass der Reifen des auf der rechten Spur fahrenden Sattelschleppers platzte und Reifenteile auf die Fahrbahn flogen und der Zeuge Schu[…] daraufhin von der mittleren Fahrspur auf die linke Fahrspur vor das klägerische Fahrzeug wechselte. Dabei fuhr das Fahrzeug des Zeugen Schu[…] derart dicht vor das Fahrzeug des Klägers, dass dieser trotz eines Abbremsvorgangs und eines Ausweichmanövers nach links (begrenzt durch die linke Leitplanke) einen Zusammenstoß nicht mehr verhindern konnte.Die Kammer stützt ihre Überzeugung dabei insbesondere auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K[…] und die Aussagen der Zeugen Sch[…] und R[…].Im Kern ergibt sich der vorbeschriebene Unfallhergang zunächst aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K[…] vom 15.12.2016. Der Sachverständige hat schlüssig ausgeführt, dass das Klägerfahrzeug zunächst mit dem rechten Teil seiner Front in  Kontaktmit dem linken Teil des Fahrzeughecks des Zeugen Schu[…] gekommen sein müsse […]. Hierbei habe sich die Heckscheibe des Pkw des Zeugen Schu[…] gelöst und sei zwischen der linken und mittleren Fahrspur im Bereich der dortigen Fahrbahnmarkierung liegengeblieben.Das Klägerfahrzeug sei nach einer Rotation im Uhrzeigersinn mit seiner linken Fahrzeugseite im Bereich der B-Säule in Kontakt mit dem Pkw des Zeugen B[…] gekommen […]. Anschließend müsse das Klägerfahrzeug mit dem linken vorderen Eckbereich in Kontakt mit der links der Fahrbahn befindlichen Betonleitwand gekommen sein, an welcher das Klägerfahrzeug auch zum Stillstand gekommen sei. Der Pkw des Zeugen Schu[…] sei durch den Anstoß des Klägerfahrzeugs ebenfalls in eine Rotation im Uhrzeigersinn geraten und sei abseits der Fahrbahn zum Stillstand gekommen.Die in Anlage H gezeigten Reifenspuren müssten von einem der rechtsseitigen Räder des Pkw des Zeugen Schu[…] gezeichnet worden sein. Somit ergebe sich in Verbindung mit der relativen Kollisionsposition eine fahrbahnbezogene Kollision entsprechend der Skizze Anlage I.  Der Pkw des Zeugen Schu[…] müsse sich zum Kollisionszeitpunkt teilweise auf dem linken und teilweise auf dem mittleren Fahrstreifen befunden haben. Diese Position sei mit einem unmittelbaren Spunwechsel des Zeugen Schu[…] gut erklärbar. Bei einem abgeschlossenen Spurwechsel und einem Auffahren des Klägerfahrzeugs wäre es hingegen zu einem flächigen Auffahren des Klägerfahrzeugs auf den Pkw des Zeugen Schu[…] gekommen.Die rechnerische Mindestgeschwindigkeit des Pkw des Zeugen Schu[…] nach der Kollision betrage 88 km/h. Tatsächlich dürfe diese noch höher – bei etwa 100 km/h – gelegen haben, da der Pkw des Zeugen Schu[…] erst nach einer Auslaufstrecke von rund 100 m zum Stillstand gekommen sei. Es könne unter Berücksichtigung der Fahrzeugbeschädigungen mit einer kollisionsbedingten Beschleunigung des Pkw des Zeugen Schu[…] von allenfalls 20 km/h gerechnet werden. Demnach könne der Zeuge Schu[…] seinen Pkw vor der Kollision nicht bis zum Stillstand  abgebremst haben. Die Geschwindigkeit vor der Kollision  müsse mindestens 80 km/h betragen haben.Dasselbe gelte auch für den Pkw des Zeugen B[…], da dieser erst rund 160 m nach dem Klägerfahrzeug zum Stillstand gekommen sei. Der Pkw des Zeugen B[…] müsse bei der Kollision noch eine deutliche Geschwindigkeit inne gehabt haben. Von der Kollisionssituation her könne sich der Pkw des Zeugen Schu[…] prinzipiell in einem Spurwechselvorgang vom mittleren zum linken Fahrstreifen oder vom linken zum mittleren Fahrstreifen hin befunden haben. Dass der Pkw des Zeugen B[…] vor dem Pkw des Zeugen Sch[…] bis zum Stillstand abgebremst habe und der Zeuge Schu[…] seinen Pkw 30 cm hinter dem Pkw des Zeugen B[…] zum Stillstand gebracht hatte, als der Kläger aufgefahren sei, müsse technisch ausgeschlossen werden.Das Gericht hält diese Ausführungen für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Der Sachverständige, gegen dessen Fachkunde und Neutralität keine Bedenken bestehen und Einwendungen von den Parteien auch nicht erhoben wurden, hat seine Feststellungen und Schlussfolgerungen auch für Laien äußerst nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei dargelegt und mit Lichtbildern und Skizzen veranschaulicht.Die Ausführungen des Sachverständigen werden zudem durch die Aussage der Zeugin Sch[…] bestätigt […]. Diese hat bekundet, dass sie und ihr Mann auf der linken Spur gefahren seien und plötzlich alle „wie Ameisen“ auf ihre Spur gefahren seien. Alle hätten versucht auf die linke Spur zu kommen, zuletzt sei dann noch ein Fahrzeug rüber gezogen, welches sie dann auch getroffen hätten, da sie nicht mehr rechtzeitig hätten bremsen können. Das helle Auto habe sich noch vor sie geschoben. Er sei ihnen richtig vors Auto gefahren, da sei kein Platz mehr gewesen, ein Auto hätte vielleicht noch hingepasst, mehr nicht. Dieses weiße Fahrzeug habe dann auch bremsen müssen, denn vor ihm seien ja auch Fahrzeuge gewesen, die alle auf die linke Spur gezogen seien. Der Kläger habe auch gebremst, er habe richtig auf der Bremse drauf gestanden.Die Kammer hält diese Aussage für glaubhaft. Die Aussage ist sowohl im Kern- als auch im Randgeschehen präzise und enthält lebensnahe Details sowie individuelle Schilderungen („wie Ameisen“). Auch an der Glaubwürdigkeit der Zeugin bestehen keine Zweifel, auch wenn es sich um die Ehefrau des Klägers handelt. Sie zeigte keine einseitigen Belastungstendenzen und räumte ein, wenn sie etwas nicht mehr sicher wusste oder die Angaben von ihrem Mann übernommen hatte.Hinzu kommt, dass die Aussage der Zeugin Sch[…] auch im Einklang mit der Aussage des Zeugen R[…] steht. Dieser hat bekundet, dass er etwa 300 Meter hinter dem Unfallgeschehen auf der linken Spur gewesen sei und gesehen habe, wie ein Fahrzeug von der Mittelfahrbahn gegen das klägerische Fahrzeug gefahren sei. Er habe gesehen wie ein Auto von der Mittelspur nach links gezogen und gegen das Auto des Klägers gefahren sei, also dieses am Flügel vom Motor berührt habe. Das Auto von der mittleren Spur seidann nach rechts von der Fahrbahn herunter geschossen. Das klägerische Auto sei dann gegen die feste Fahrbahnbegrenzung auf der linken Seite gestoßen. Der Zeuge Schu[…] habe ihm einen bösen Brief geschrieben und ihm unterstellt, dass er eine Falschaussage mache.Das Gericht hält diese Aussage für glaubhaft. Der Zeuge hat seine Beobachtungen nachvollziehbar und detailliert geschildert. Der Zeuge hatte als Beifahrer des hinter dem Unfall fahrenden Fahrzeugs auch eine gute Sicht auf die Situation. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen ebenfalls keine Zweifel. Er war sehr darauf bedacht, lediglich seine Wahrnehmungen zu schildern und hat Wahrnehmungslücken stets frei eingeräumt. Auch hat er als nicht unfallbeteiligter Zeuge keine wirtschaftlichen Eigeninteressen am Ausgang des Verfahrens und zeigte keinerlei einseitige Be- oder Entlastungstendenzen.Die Aussage der Zeugin R[…] war zum Kerngeschehen des streitgegenständlichen Unfalls unergiebig. Zwar konnte die Zeugin von dem platzenden Reifen berichten sowie davon, dass der Mazda des Zeugen Schu[…] rechts von der Fahrbahn abgekommen und das klägerische Fahrzeug gegen die linke Fahrbahnbegrenzung gefahren sei. Ob bzw. wie es zu einer Kollision zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem Mazda des Zeugen Schu[…] gekommen ist, konnte die Klägerin hingegen nicht bekunden. Der Zeuge Schu[…]habe ihnen (den Zeugen R[…] und R[…]) einen Brief geschrieben und ihnen eine Falschaussage vorgeworfen.Auch die Aussage des Zeugen B[…] war zum Kerngeschehen des streitgegenständlichen Unfalls unergiebig. Er konnte keine Aussage zu der streitgegenständlichen Kollision des Klägers mit dem Zeugen Schu[…] machen. Auch konnte er nichts dazu sagen, von welchem Auto sein BMW getroffen wurde. Darüber hinaus konnte er keine konkrete Aussage dazu machen, auf welcher Spur er sich befand bzw. ob er die Spur kurz zuvor gewechselt hatte. Jedenfalls habe er keine Vollbremsung gemacht, sondern langsam abgebremst. Darüber hinaus hat der Zeuge die Situation bei Ankunft an der späteren Unfallstelle – abweichend von den anderen Zeugen – so geschildert, dass die Reifenteile bereits auf der Straße gelegen hätten und der beklagte Sattelzug bereits auf dem Seitenstreifen gestanden habe.Die Aussagen der Zeugen Schu[…] und S[…] waren nicht geeignet, den insoweit von dem Kläger geführten Beweis zu erschüttern.Der Zeuge Schu[…] hat ausgeführt, er sei mit drei bis vier Fahrzeugen auf der linken Spur relativ schnell – 170 bis 180 km/h – unterwegs gewesen. Der vor ihm fahrende BMW habe dann plötzlich voll gebremst. Er habe dann auch gebremst und habe es noch geschafft, ca. 30 cm hinter dem BMW zum Stehen zu kommen. Er habe dann auf die mittlere Spur fahren wollen und habe das Lenkrad eine Nuance nach rechts gedreht. In diesem Moment habe es einen unglaublichen Schlag getan und es habe ihn nach rechts von der Fahrbahn katapultiert. Er habe ungefähr zwei Sekunden gestanden, bevor er das Lenkrad gedreht habe um auf die mittlere Fahrspur zu wechseln. Vor dem Unfall habe er nicht die Spur gewechselt. Es sei richtig, dass er die anderen Zeugen angeschrieben habe, um diesen zu schildern wie sich der Unfall aus seiner Sicht tatsächlich zugetragen habe.Die Aussage des Zeugen war nicht glaubhaft. Die Aussage steht bereits im Widerspruch zu den objektiven Feststellungen  und Wertungen des Sachverständigen Dr.-Ing. K[…]. Dieser hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Zeuge Schu[…] seinen Pkw vor der Kollision nicht bis zum Stillstand abgebremst haben könne, sondern die Geschwindigkeit vor der Kollision mindestens 80 km/h betragen haben müsse. Da die Ausführungen des Sachverständigen auf physikalischen  Gesetzmäßigkeiten beruhen, erscheint die Aussage des Zeugen Schu[…] insoweit nicht glaubhaft. Darüber hinaus war der Zeuge bemüht, ein eigenes Verschulden an dem Unfall nicht zuzugeben. Dazu schrieb er sogar den Kläger sowie die unfallunbeteiligten Zeugen R[…] und R[…] an, um diesen seine Version des Unfaiigeschehens zu schildern und diese ggf. in seinem Sinne zu beeinflussen. Auch dies spricht gegen die Glaubhaftigkeit des Zeugen Schu[…].Der Zeuge S[…] hat ausgesagt, er habe im Rückspiegel einen Kleinwagen – wohl einen Nissan – gesehen, der mit hoher Geschwindigkeit (ca. 80 bis 110 km/h) auf das Stauende zugefahren sei. Der Kleinwagen sei dann auf einen großen weißen Kombi aufgefahren,der dann ins Feld gefahren sei. Er habe den Eindruck, dass der Kleinwagen noch gebremst habe. Er glaube der Kleinwagen sei auf der ganz linken von drei Spuren gefahren. Der weiße Kombi müsse also auch ganz links auf der Spur gewesen sein, es habe nämlich einen zentralen Aufprall gegeben. Den weißen Kombi habe er vorher noch nicht wahrgenommen. Er könne also nicht sagen, ob der weiße Kombi zeitnah vor dem Zusammenprali die Spur gewechselt habe.Die Aussage des Zeugen S[…] zum Kerngeschehen ist ebenfalls unergiebig. Er nahm den Pkw des Zeugen Schu[…] vor dem Unfall nicht wahr und konnte keine Aussage dazu treffen, ob dieser zeitnah vor dem Unfall die Spur gewechselt habe. Die Schilderung desZeugen, dass es zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem Zeugen Schu[…] einen zentralen Aufprall gegeben habe, wird durch das Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K[…] wiederlegt, der geschildert hat, dass der Pkw des Zeugen Schu[…] sich zum Kollisionszeitpunkt teilweise auf dem linken und teilweise auf dem mittleren Fahrstreifen befunden habe und es nicht zu einem zentralen Aufprall gekommen sei. 

b)

Der Kläger hat damit auch bewiesen, dass der Unfall für ihn unabwendbar war.Auf der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststehenden Tatsachengrundlage (s.o.) war das Unfallereignis für den Kläger unabwendbar, weil der Kläger äußerste Sorgfalt beachtet und alle Gefährdungsmomente in seine Fahrweise einbezogen hat. Er ist nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren und hat ausreichenden Sicherheitsabstand zu den vor ihm fahrenden Fahrzeugen eingehalten. Er durfte darauf vertrauen, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer plötzlich von der mittleren Spur so knapp vor Ihm einscheren würde, dass er selbst mit einem Bremsmanöver und dem Ausweichen nach links eine Kollision nicht mehr vermeiden konnte.Zwar ist bei der Frage, ob sich ein Fahrer wie ein „Idealfahrer“ verhalten hat, nicht nur zu prüfen, ob er in der konkreten Unfallsituation wie ein solcher gehandelt hat, sondern auch, ob ein Idealfahrer  überhaupt in  eine solche  Gefahrenlage geraten  wäre (BGH, Urteil  vom 13.12.2005 – VI ZR 68/04). Nachdem für den Kläger bis zum Ausscheren der anderen Fahrzeuge auf die linke Spur keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass dies geschehen werde, würde eine noch umsichtigere Fahrweise die Anforderungen an einen Idealfahrer überspannen.Die Haftung des Klägers für den Verkehrsunfall vom 22.04.2013 auf der BAB 5 ist daher gemäß § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen.

3.

a)

Der Sachschaden des Klägers ist in Höhe von 4.117,02 EUR nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähig. Dies setzt sich wie folgt zusammen: […]

Hinsichtlich der zerstörten Brille steht dem Kläger lediglich ein weiterer Anspruch in  Höhe von 112,00 EUR zu. Für die zerstörte Brille ist nur der Zeitwert zu ersetzen. Auch Brillen habe eine begrenzte Lebensdauer. Diese sind bei täglichem Gebrauch den Alltagseinflüssen ausgesetzt, so dass im Laufe der Zeit selbst bei intensiver Pflege leichte Beschädigungen, wie Kratzer, nicht vermeidbar sind. Neben der Abnutzung unterliegen insbesondere die Brillengestelle in Material, Form und Farbe modisch sich ständig ändernden Anschauungen (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 25.06.2010 – 5 U 195/09; AG Bielefeld, Urteil vom 09.11.2015 – 421 C 256/15). Die zerstörte Brille des Klägers war bei dem Unfallereignis bereits über drei Jahre alt. Zudem hat sich die Sehstärke des Klägers seit der Anschaffung der zerstörten Brille im Februar 2010 bis zur Neuanschaffung im Juli 2013 auf dem linken Auge um 0,5 Dioptrien verschlechtert, und zwar nicht unfallbedingt. Das Gericht verkennt nicht, dass trotz der vorgenannten Umstände (Kratzer, veränderte Dioptrienwerte) die Brillengläser theoretisch eine nicht unerheblich Zeit lang weiter genutzt werden können, auch wenn dies im Interesse der eigenen Sicherheit nicht empfehlenswert erscheint. Jedenfalls wäre vor diesem Hintergrund jedenfalls mittelfristig die Einsetzung neuer Brillengläser zu erwarten gewesen. Der Erwerb einer neuen Brille stellt den Kläger im Ergebnis wirtschaftlich besser als vor dem Unfall.  Unter Würdigung der gesamten Umstände bemisst das Gericht nach ordnungsgemäßdurchgeführter Schätzung i.S.d. § 287 ZPO den Zeitwert der zerstörten  Brille  auf 160,00 EUR. Dies entspricht auch den Angaben der Beklagten, welchen der Kläger nicht entgegen getreten ist.  Die Beklagte hat bereits 48,00 EUR an den Kläger gezahlt, so dass ein Anspruch von 112,00 EUR verbleibt.

[…]

b)

Darüber hinaus kann der Kläger von der Beklagten wegen der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von weiteren 3.750,00 EUR verlangen (§115 Abs. 1 VVG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2, 3 StVG i.V.m. § 253 BGB i.  V. m. § 287 ZPO).Gemäß des unfallchirurgischen Gutachtens des Dr. K[…] vom 28.05.2014 […] – welchem die Beklagte nicht entgegengetreten ist – habe der Kläger in Folge des Unfalls eine Rippenserienfraktur (4. bis 11. Rippe) auf der linken Seite und eine Lungenkontusion erlitten.Er habe sich vom 22.04.-27.04.2013 stationär im Krankenhaus befunden und sei nach der Entlassung für sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen. Danach habe der Kläger seine Tätigkeit als Hausmeister auf 400,00 EUR-Basis wieder aufgenommen. Der Kläger sei in der Folge mehrfach ärztlich  untersucht worden. Bei der Röntgenverlaufskontrolle am 07.05.2013 seien die Rippenserienfrakturen der 4. bis 11. Rippe links ohne wesentliche Dislokation festgestellt worden. Die Rippenfrakturen seien noch nicht vollständig knöchern durchbaut gewesen. Eine weitere Röntgenverlaufskontrolle sei am 29.05.2013 erfolgt. Dabei sei festgestellt worden, dass die Lungen regelgerecht belüftet und unauffällig seien. Auf der linken Seite seien die Rippenserienfraktur mit pleuralem Wandbegleitschatten im Sinne eines Hämatoms, des Weiteren eine BWS-Kyphose und degenerative Veränderung im Sinne einer Spondylosis deformans diagnostiziert worden. Bei einer weiteren Kontrolle am 16.10.2013 sei festgestellt worden, dass die Rippen 9, 10 und 11 pseudarthrotisch verheilt seien. Insgesamt bestehe eine Dehiszenz von etwa 3 bis 4 mm, so dass nicht zu erwarten sei, dass die Frakturen noch heilen. Es sei eine Weiterbehandlung durch einen Schmerztherapeuten erfolgt, wobei Volatren retard  und Novalgin eingesetzt worden seien. Am Tag der gutachterlichen Untersuchung (21.05.2014) hätten sich noch folgende feststellbare Unfallfolgen gefunden:Druckschmerz am linkskaudaien Hemithorax bei mit Falschgelenkbildung verheilten Rippen 9, 10 und 11. Aufgrund der verbliebenen Unfallfolgen bestehe ein Grad der Erwerbsminderung von 2%. Der Zustand der pseudarthrotisch verheilten Rippen werde dauerhaft so verbleiben. Schmerzabhängig müsse der Kläger die Schmerzmittel Novaminusulfon 500 1-0-1 und Voltaren ret. 1-0-1 weiterhin einnehmen.Nach alledem schuldet die Beklagte dem Kläger gemäß § 253 Abs. 2 BGB die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes für die erlittenen Unfallfolgen. Unter zusammenfassender Würdigung aller für die Höhe des Schmerzensgeldes maßgeblichen Umstände erachtet die Kammer ein Schmerzensgeld von insgesamt 5.000,00 EUR (wovon 1.250,00 EUR bereits gezahlt wurden) als angemessen und erforderlich, aber auch als ausreichend.Schmerzensgeld soll  dem Geschädigten  einen  angemessenen Ausgleich für  diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund.Bei der Festsetzung dieser billigen  Entschädigung dürfen  grundsätzlich  alle  in Betracht kommenden Umstände des Falles berücksichtigt werden, darunter auch der Grad des Verschuldens des Verpflichteten und die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Teile. Dabei hat die Rücksicht auf Höhe und Maß der Lebensbeeinträchtigung (Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen) durchaus im Vordergrund zu stehen, während das Rangverhältnis der übrigen Umstände den Besonderheiten des Einzelfalles zu entnehmen ist (grundlegend:  BGH, Beschluss  vom 06.07.1955 – GSZ 1/55;  BGH, Beschluss  vom 16.09.2016-VGS 1/16).Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat sich das Gericht an den Entscheidungen des LG Dortmund vom 09.06.2004 (21 O 454/03; IMMDAT Plus Schmerzensgeld-Tabelle Nr. 3731), des OLG München vom 13.03.1984 (5 U 3797/83; IMMDAT Plus Schmerzensgeld-Tabelle Nr. 554) sowie des AG Soltau vom 16.01.2013 (24 C 390/12; IMMDAT Plus Schmerzensgeld-Tabelle Nr. 4928) orientiert, die vom Grad der Verletzungen und der Folgen als vergleichbar angesehen werden können.

c)

Ist der Geschädigte – wie hier – selbst für den Schaden nicht mitverantwortlich, weil der Unfall für ihn unabwendbar war, hat er gegen jeden der Schädiger einen Anspruch auf Schadensersatz, für den diese als Gesamtschuldner haften ohne Rücksicht auf das Gewicht ihres jeweiligen Verantwortungsbeitrages, § 840 BGB analog (Freymann/Wellner-Scholten, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl., § 17 StVG, Rn. 44; BGH, Urteil vom 13.12.2005 – VI 2R 68/04). § 840 Abs. 1  BGB findet insoweit auch bei Ansprüchen aus Gefährdungshaftung entsprechende Anwendung (BGH, Urteil vom 13.12.2005 – Vl ZR 68/04; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., §840, Rn. 1).Aus diesem Grund war die Beklagte zum vollen Schadensersatz zu verurteilen, auch wenn den Zeugen Schu[…] ebenfalls ein Mitverschulden an dem Unfall treffen dürfte. Das unter schiedliche Gewicht der Verantwortungsbeiträge der jeweiligen Schädiger ist jedoch erst im Innenverhältnis zu berücksichtigen.

4.

Der Kläger hat lediglich einen Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen in  Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz aus §§ 288, 291 BGB.[…] 

5.

Der Kläger hat auch Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, da diese als adäquate und dem Schädiger zurechenbare Folgeschäden zu ersetzen sind, § 249 BGB. Der Kläger durfte seinen Rechtsanwalt bereits vor Verzug der Beklagten auf deren Kosten für seine Anspruchsdurchsetzung einschalten, da er insoweit schutzbedürftig ist. Jedoch sind die zuzusprechenden Anwaltskosten aus dem Geschäftswert der berechtigten Forderung des Klägers zu berechnen (BGH, Urteil vom 07.11.2007 -VIII ZR 341/06).Dies ergibt gemäß der Berechnungsmethode des Klägers folgenden Anspruch:[…]

6.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Einstandspflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden hinsichtlich der Unfallfolgen zu.Ein zulässiger Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (BGH, Beschluss vom 09.01.2007 – VI ZR 133/06). Zukünftige materielle und immaterielle Schäden sind – auch nach dem unfallchirurgischen Gutachten des Dr. K[…] vom 28.05.2014 […] – nicht gänzlich unwahrscheinlich. 

III.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 a, 92 Abs. 1, 93 ZPO.[…]“ 

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.3.2017 – 2-10 O 280/14

Erstattungsanspruch der eigenen Rechtsanwaltskosten bei der Schadensregulierung eines Verkehrsunfalls eines Rechtsanwalts

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 1.9.2015 – 21 C 348/15) hat ein Rechtsanwalt gegenüber dem Schädiger einen Erstattungsanspruch für die eigenen Rechtsanwaltskosten bei der Schadensregulierung eines eigenen Verkehrsunfalls.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung AG, […]

vertreten durch d. Vorstand

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigter:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

[…]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 01.09.2015

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 124,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 08.08.2014 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die seitens des Klägers verauslagten Gerichtskosten Zinsen i.H.v. 4 Prozent seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf bis 500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Entfälltgemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Form von Rechtsanwaltskosten gemäß §§7, 18 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG.

I.

a) Unstreitig wurde das Fahrzeug des Klägers am 15.07.2014, gegen 11.20 Uhr, auf der […]straße in Bautzen durch einen Lkw, welcher am Unfalltag bei der Beklagten haftpflichtversichert war, beschädigt. Insoweit ist die Beklagte zu 100% einstandspflichtig.

b) Gemäß § 249 BGB sind Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig, wenn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts in der konkreten Situation erforderlich und auch zweckmäßig war.

Dabei ist der Beklagtenseite zuzustimmen, dass in einfach gelagerten Schadensfällen, in welchen die Haftung nach Grund und Höhe derart klar Ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein Anlass zu zweifeln an der Ersatzpflicht des Schädigers steht, die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs durch Einschaltung eines Rechtsanwalts nur dann erforderlich ist, wenn der Geschädigte selbst hierzu aus besonderen Gründen nicht in der Lage. Jedoch ist nach Ansicht des Gerichts aufgrund der Komplexität heutiger Schadensregulierungen ein einfacher Fall im Straßenverkehr nur in absoluten Ausnahmefällen vorhanden. Es sind dann insbesondere Missbrauchskonstellationen denkbar, bei denen die Beauftragung eines Rechtsanwalts geradezu als unvernünftige oder bloß schikanöse Ausnutzung von Ersatzansprüchen erfolgt (vgl. Wagner, NJW 2006, 3244, 3248). Außerdem ergibt sich die Berechtigung zur Einschaltung eines Rechtsanwalts auch aus dem Grundsatz der Waffengleichheit, da die Beklagte als Haftpflichtversicherer über eine Rechtsabteilung und entsprechend über ein juristisch geschultes und erfahrenes Personal bzgl. der Abwicklung von Schadensfällen verfügt (AG Darmstadt. ZfS 2002, 71; AG Kassel, NJW 2009, 2898).

Ebenso ist der Beklagtenseite zuzugestehen, dass ein Ersatz für aufgewandte Zeit nicht verlangtwerden kann. Allerdings handelt es sich hier nicht um einen Schadensersatz wegen aufgewandter Zeit, sondern um die Ersatzpflicht für die Beauftragung eines Rechtsanwalts. Die Ersatzpflicht entfällt auch nicht, wenn der Klägerselbst als Rechtsanwalt tätig wurde (vgl. Palandt, § 249 Rdnr. 57). Dabei ist nicht ersichtlich, weswegen ihm eine entsprechende und übliche Vergütung nicht zugesprochen werden sollte. Seine durch den Beruf erworbenen Fähigkeiten können ihn nicht derart zum Nachteil ausgelegt werden, dass ihm eine anwaltliche Tätigkeit im eigenen Interesse unvergütet bleibt. Allein die persönlichen Verhältnisse beim Schädiger oder Geschädigten begründen keinen Anspruch auf Ermäßigung des Schadensersatzes. Insoweit ist es dem Geschädigten nicht zuzumuten, seine besonderen beruflichen Fähigkeiten in den Dienst des Schädigers zu stellen (vgl. AG Halle, Urteil vom 28.04.2010, Az; 2 C 876/09).

Außerdem geht das Gericht davon aus, dass hier kein derartig einfach gelagerter Fall vorliegt, so dass die Abrechnung der Rechtsanwaltskosten sich als rechtsmissbräuchlich darstellen würde. Laut Vortrag des Klägers wurde durch die Beklagtenseite nur auf der Grundlage einer Haftungsquote von 75 zu 25 abgerechnet, da sich das Fahrzeug des Klägers zu nah an einem Kreuzungsbereich befunden habe. Dieser Vortrag wurde schließlich auch von der Beklagtenseite nicht bestritten. Insoweit geht das Gericht davon aus, dass die vollständige Einstandspflicht der Beklagtenseite gerade nicht bereits zu Beginn der Schadensregulierung unstreitig war.

c) Auch die Höhe der Klageforderung ist begründet. Sie ergibt sich aus einem Gegenstandswert i.H.v. 638,37 € sowie einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 W RVG sowie der Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 W RVG. Substantiierte Einwände gegen die Höhe wurde auch von der Beklagtenseite nicht erhoben.

d) Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286 I, 288 I BGB. Auch wenn eine Haftpflichtversicherung einer Prüfungspflicht von 4 – 6 Wochen einzuräumen ist, so hat dies allerdings keinen späteren Eintritt der Fälligkeit zur Folge. Einerseits wäre das Abstellen auf den Prüfungszeitraum, weicher je nach Einzelfall 4 – 6 Wochen umfassen kann, zu unbestimmt, um einen Zeitpunkt zur Verzinsung festzulegen und andererseits ergeben sich die Verzugszinsen aus den gesetzlichen Regelungen und können durch einen Prüfungszeitraum nicht umgangen werden.

e) Der Ausspruch zum Feststellungsantrag ergibt sich ebenfalls aus Verzugsgesichtspunkten (vgl. LG Görlitz, Urteil vom 07.07.2014, Az: 12 82/14). Die Gerichtskosten sind Teil des Schadens, der infolge des Verzugs mit der der Klage zugrunde liegenden Hauptforderung entstanden und als solcher mit seinem Eintritt während des Verzugs gemäß § 288 IBGB zu verzinsen ist (vgl. AG Bad Segeberg, Urteil vom 08.11.2012, Az; 17 a C 256/10).“

AG Bautzen, Urteil vom 1.9.2015 – 21 C 348/15

Anspruch eines Autohauses auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren

Nach dem Urteil des Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 31.7.2015 – 21 C 24/15) hat grundsätzlich auch ein Autohaus einen Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten für die Schadensregulierung.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

Autohaus […]

vertreten durch den Geschäftsführer […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 05.06.2015 eingereicht werden konnten,

am 31.07.2015

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 630,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 630,80 € seit dem 06.08.2014 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist. auf die seitens der Klägerin verauslagten Gerichtskosten Znsen in Höhe von 4% seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Soweit der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt, wird die Berufung nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 630,80 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin macht weitergehende Schadensersatzansprüche in Form von Honorarkosten aus einem Verkehrsunfall vom 10.07.2014, gegen 10:30 Uhr beim Unfallort […] geltend.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Halterin des Pkw Typ VW Caddy mit dem amtlichen Kennzeichen […] und der Fzg.ldent,-Nr. […]. Die Beklagte war die Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen […]. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte dem Grunde nach vollumfänglich haftet.

Die Beklagte hat die geltend gemachten Schadensersatzansprüche bis auf die geltend gemachten anwaltlichen Honorarkosten erstattet. Mit anwaltlichen Schreiben vom 22.07.2014, vom 18.08.2014, vom 09.09.2014 und vom 30.09.2014 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre Schadensersatzansprüche geltend und setzte jeweils entsprechende Zahlungsfristen. Insgesamt wurden für Fahrzeugschaden, Kosten für Schadengutachten, Unkostenpauschale, Nutzungsausfallentschädigung und die Akteneinsichtspauschale für die Ermittlungsakte eine Forderung in Höhe von 7.614,00 € geltend gemacht. Aus diesem Gegenstandswert berechnete die anwaltliche Vertretung der Klägerin eine 1,3-fache Geschäftsgebühr und eine Auslagenpauschale nach Nr. 7002 W RVG sowie eine Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 W RVG. Somit ergibt sich eine Kostennote in Höhe von 630,80 €. 

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass Anwaltskosten auch für Autohäuser, Leasing- und Mietwagenunternehmen erstattungsfähig seien. Aufgrund der wachsenden Komplexität und der unübersichtlich gewordenen Rechtsprechung zum Ansatz und zur Angemessenheit einzelner Schadenspositionen bei Verkehrsunfällen seien Rechtsanwaltsgebühren grundsätzlich erstattungsfähig. Seltene Ausnahmen hierzu bestünden nur in Fällen, wenn ein Unternehmen bei spielsweise eine eigene Rechtsabteilung besitze. Die Klägerin habe unstreitig keine eigene Rechtsabteilung. Weiterhin gebe es für den Rechtsunkundigen keinen einfach gelagerten Verkehrsunfall. Dies gelte auch dann, wenn es sich bei den Geschädigten um eine mittelständige gewerbliche Autovermietung ohne eigene Rechtsabteilung handele.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 630,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 630,80 € seit dem 06.08.2014 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die seitens der Klägerin verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 4% seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass aufgrund der Besonderheiten des Schadensfalles die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nicht in Betracht komme.

Bereits am 22.07.2014 sei der Klägerin eine Reparaturkostenübernahmeerklärung für das streitgegenständliche Fahrzeug übersandt worden. Es liege hier eine eindeutige Haftungsfrage vor. Die Geschädigte ist ein Autohaus, so dass diese geschäftlich gewandt sei und Erfahrungen in der Abwicklung von Verkehrsunfällen besitze. Schließlich habe bereits 12 Tage nach dem Unfall eine Reparaturkostenübernahmeerklärung vorgelegen. Daher seien die Anwaltskosten nicht ersetzbar, da die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes hier nicht erforderlich gewesen sei. Der Sachverhalt sei von vornherein klar und unstreitig gewesen, der Geschäftsführer der Klägerin oder ein anderer Mitarbeiter habe über die geschäftliche Gewandtheit verfügt, eine entsprechende Unfallregulierung selbst vorzunehmen.

Die Klägerin repliziert darauf, dass es richtig sei, dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.07.2014 sich gemeldet habe. Allerdings habe sie darin nicht ihre Zahlungswilligkeit signalisiert. Gerade mit diesem Schriftsatz sei die Ursache fürdie Einschaltung eines Rechtsanwaltes durch die Klägerin gesetzt worden. Denn darin sei lediglich die Zahlung eines geringeren Reparaturkostenbetrages in Aussicht gestellt und auf erfolgte Abzüge verwiesen sowie die Vornahme weiterer Abzüge ausdrücklich vorbehalten worden. Außerdem dürfe nach der aktuellen Rechtsprechung bis zum vollständigen Ausgleich sämtlicher berechtigter Forderungen des Geschädigten dieser sich zu jeder Zeiteines Rechtsanwaltes bedienen.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat einen weitergehenden Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 630,80 € gemäß §§ 7,17 StVG, §§ 823. 249 BGB, § 115 WG.

I.

a) Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist vorliegend unstreitig.

b) Gemäß § 249 Abs. 1 und 2 BGB muss derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Hierzu kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Hierzu schließt sich das Gericht der Ansicht an, dass grundsätzlich zu den erforderlichen Kosten auch die außergerichtlichen Kosten eines Anwaltes zur Durchsetzung der Schadensersatzforderungen gehören. Angesichts der Komplexität heutiger Schadensregulierungen unter mannigfaltigen Regulierungserschwernissen benötigt der Geschädigte anwaltliche Hilfe bei der Beurteilung der Haftungslage, für das Wissen um die ersatzfähigen Schadenspositionen und zur sachgerechten Durchsetzung seiner Ansprüche.

Ausnahmsweise kann dem Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht entgegengehalten werden, dass er sich keines Rechtsanwaltes bedienen musste, wenn er beispielsweise eine eigene Rechtsabteilung hat. Ebenso spricht Einiges dafür, dass sich der Geschädigte keines Anwaltes bedienen muss, wenn die Haftungslage derart eindeutig ist, dass die Haftpflichtversicherung sofort die Haftung dem Grunde nach und der Höhe nach anerkennt.

Jedoch kann dies vorliegend dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein rechtlich einfach gelagerter Verkehrsunfall vorlag, da die Beklagte in ihrem Schreiben vom 22. Juli 2014 gerade nicht den Anspruch der Höhe nach vollumfänglich anerkannt hat. Vielmehr heißt es in dem Schreiben, welches von der Beklagtenseite als Anlage B 1 vorgelegt wurde, dass die unfallbedingten Reparaturkosten von maximal 5.540,80 € brutto übernommen würden. Nach unstreitigen Vortrag der Klägerseite entstanden jedoch Reparaturkosten in Höhe von 6.147,85 € netto. Außerdem wurden Abzüge, welche der Anlage zu entnehmen waren, gemacht. Weitere Abzüge wurden vorbehalten; Verbringungskosten wurden gekürzt. Somit lag gerade kein vollumfängliches Anerkenntnis vor. Mit außergerichtlichen sowie gerichtlichen Auseinandersetzungen durfte daher die Klägerin rechnen. In einem solchen Fall ist dann die Klägerin als Geschädigte berechtigt, sich anwaltlicher Beratung zu bedienen. Dies giltauch, wenn es sich bei der Geschädigten um eine Autovermietung und Reparaturwerkstatt handelt (vgl. AG Bernkastel – Kues, ZfS 2003, 201). Dies ergibt sich unter anderem aus dem Grundsatz der Waffengleichheit, da die Beklagte als Haftpflichtversicherer über eine Rechtsabteilung und entsprechend über ein juristisch geschultes und erfahrenes Personal bezüglich der Abwicklung von Schadensfällen verfügt (AG Darmstadt, ZfS 2002, 71). Dass die Klägerin als Geschädigte jedoch nicht über eine Rechtsabteilung verfügt, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Insofern durfte sich die Klägerin eines Rechtsanwaltes zur Durchsetzung ihrer Forderungen bedienen.

c) Einwände gegen die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren in Form einer 1,3 Gebühr aus dem Gegenstandswert von 7.614,00 € sowie der Auslagenpauschale und der Dokumentenpauschale wurden von der Beklagten nicht erhoben.

d) Die Entscheidung zu den Verzugszinsen und den Feststellungsantrag (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urteil vom 01.03.2012, Az.: 26 U 11/11, zitiert nach Juris) ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB.“

AG Bautzen, Urteil vom 31.7.2015 – 21 C 24/15

Haftungsverteilung 30% zu 70% bei einem Verkehrsunfall zwischen einem nach rechts in eine Grundstückseinfahrt einbiegenden Transporter und einem rechts überholenden Lkw

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt a. M. (AG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.11.2014 – 31 C 2372/11 (83)) ist bei einem Verkehrsunfall zwischen einem nach rechts in eine Grundstückseinfahrt einbiegenden Transporter und einem rechts überholenden Lkw eine Haftungsverteilung 70% zu 30% zu Lasten des Lkw vorzunehmen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

[…]

Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstr. 15, 02625 Bautzen

Geschäftszeichen: […]

gegen

1. [Fahrzeugführer]

2. [Halter des Fahrzeugs]

3. [Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs]

Beklagte

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2, 3: […]

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Richter am Amtsgericht […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2014 für Recht erkannt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.251,01 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 179,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.10.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 56% und die Beklagten 44% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.855,64 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Am 13.01.2011 gegen 6:30 Uhr morgens kam es zwischen Kläger- und Beklagtenfahrzeug zu einem Verkehrsunfall […] im Bereich […] in Höhe der dort befindlichen […] Tankstelle.

Das Klägerfahrzeug war ein PKW vom Typ MB Vito 111 CDI mit dem amtlichen Kennzeichen […], dessen Halterin die Klägerin ist. Fahrer des Klägerfahrzeugs war der Zeuge […] B[…]. Das Beklagtenfahrzeug war ein LKW vom Typ MAN TGA03 A250 mit dem amtlichen Kennzeichen […], den der Beklagte zu 1. fuhr. Die Beklagte zu 2. war Halterin und die Beklagte zu 3. die Haftpflichtversicherung des LKW.

Die Fahrzeuge kollidierten im Bereich der rechten Seite des Kläger- und der linken Seite des Beklagtenfahrzeugs miteinander, als der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs rechts am Kiägerfahrzeug vorbeifahren wollte. Das Klägerfahrzeug wurde am rechten Außenspiegel sowie im Bereich der Beifahrertür und des rechten Kotflügels beschädigt. Das Beklagtenfahrzeug wurde im Bereich der Stoßstange vorne links und im Bereich der Fahrertür beschädigt.

Das Klägerfahrzeug wurde für brutto 4.697,05 Euro […] repariert, wobei die Klägerin das Fahrzeug acht Tage nicht nutzen konnte.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 04.02.2011 forderte die Klägerin die Beklagte zu 3. auf, die Haftung aus dem Unfall dem Grunde nach anzuerkennen. Mit Anwaltsschreiben vom 02.03.2011 forderte die Klägerin die Beklagte zu 3. auf, eine Zahlung in Höhe von 5.034,46 Euro zu leisten […]. Mit Schreiben vom 23.08.2011 teilte die Beklagte zu 3. mit, dass sie eine Haftungsteilung für angemessen halte und, dass sie 2.451,33 Euro an die Klägerin gezahlt habe […].

Die Klägerin behauptet, der Zeuge B[…] habe unmittelbar vor dem Unfall mit einer leichten Lenkbewegung nach links ausholen müssen, um nach rechts in die Grundstückseinfahrt […] einfahren zu können. In diesem Moment sei das von hinten kommende Beklagtenfahrzeug in die rechte Seite des Klägerfahrzeugs gefahren. Zuvor habe der Zeuge B[…] den Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts gesetzt, die Geschwindigkeit verringert und mit Blicken in Rück-, rechten Seitenspiegel und über die rechte Schulter versichert, dass sich kein anderes Fahrzeug neben ihm befunden oder zum Überholen angesetzt habe. Die Klägerin meint, ihr stünde gegen die Beklagten ein Anspruch in Höhe von insgesamt 5.348,77 Euro zu, auf den die Beklagte zu 3. lediglich 2.491,33 Euro gezahlt habe […].

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 2.855,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4% aus 4.397,10 Euro für die Zeit vom 14.1.2011 bis um 22.3.2011 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 5.348,77 Euro seit dem 23.3.2011 bis zum 24.8.2011 und weitere Zinsen In Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins satz nach § 247 BGB aus 2.855,64 Euro seit dem 25.8.2011 zu zahlen.
  2. die Beklagten werden darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 239,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basis zinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, der Fahrer des Klägerfahrzeugs habe den Unfall verursacht. Er sei trotz angekündigten Linksabbiegevorgangs und Einordnens auf dem Fahrstreifen nach links in Richtung der Tankstelle ohne Setzen eines Blinkers plötzlich nach rechts geschwenkt, so dass der sich im Geradeausverkehr normal weiter bewegende Beklagte zu 1., der am Kläger fahrzeug vorbeifahren wollte, keine Chance gehabt habe, dem Klägerfahrzeug auszuweichen.

Auch sei der Fahrer des Klägerfahrzeugs seiner Rückschauverpflichtung nicht nachgekommen, da er das Beklagtenfahrzeug ansonsten hätte sehen müssen. Dass sich das Klägerfahrzeug nach links eingeordnet habe, ergebe nur Sinn, wenn in Richtung der Tankstelle gefahren werden sollte. Ein Ausholen nach links sei zum Abbiegen nach rechts in die Einfahrt nicht erforderlich gewesen. Die Beklagten tragen vor, die geltend gemachten Abschleppkosten seien nicht zu ersetzen, da diese abgetreten worden seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen […] B[…], […] K[…], […] H[…] und […] S[…] sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Auf die Protokolle zu den Beweisaufnahmen des Amtsgerichts Bautzen vom 25.04.2012 […], 10.05.2012 […], des Amtsgerichts Löbau vom 30.10.2012 […] und des Amtsgerichts Zittau vom 07.05.2013 […] sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr.-lng. […] K[…] vom 31.03.2014 […] wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Im Übrigen hat die Klage in der Sache keinen Erfolg.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 18, 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG in Höhe von 1.251,01 Euro zu.

1.

Die Voraussetzungen der Haftung der Beklagten dem Grunde nach gemäß §§ 7 Abs. 1 und 18 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WG, 1 PflVG, 823, 249 BGB liegen vor. Das Klägerfahrzeug wurde beim Betrieb des Beklagtenfahrzeugs beschädigt. Die Halterhaftung der Beklagten zu 2. resultiert aus § 7 Abs. 1 StVG, die Haftung des Beklagten zu 1., der das Beklaglenfahrzeug gefahren ist, folgt aus § 18 StVG. Der Anspruch kann gemäß §§115 WG, 1 PflVG auch direkt gegen den Haftpflichtversicherer, d.h. gegen die Beklagte zu 3., geltend gemacht werden.

Die Ersatzpflicht der Beklagten zu 2. ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Der Unfall wurde nicht durch höhere Gewalt verursacht. Die Ersatzpflicht des Beklagten zu 1. ist nicht wegen § 18 Abs. 1 S. 2 StVG ausgeschlossen, da der Schaden nicht nicht durch ein Verschulden des Beklagten zu 1. verursacht worden ist.

2.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz aus dem Unfall jedoch nur im Umfang einer Haftungsquote von 70% zu.

a)

Gemäß § 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 3 StVG hängt bei einer Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge auch im Verhältnis der Fahrzeughalter und -führer untereinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach der unter Berücksichtigung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge gemäß §§ 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG vorzunehmende Haftungsabwägung trägt derjenige Halter bzw. Fahrer der unfallbeteiligten Fahrzeuge den größeren Verantwortungs- und damit auch den größeren Haftungsanteil, dessen Verhalten den Eintritt des Schadens in höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. BGH NJW 98,1137).

b)

Die Ersatzpflicht nach § 17 Abs. 1, 2 StVG ist vorliegend nicht aufgrund von § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen. Nach § 17 Abs. 3 StVG ist die Verpflichtung zum Ersatz für denjenigen Unfallbeteiligten ausgeschlossen, aus dessen Sicht den der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist. Als unabwendbar gilt ein Ereignis gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 StVG nur dann, wenn sowohl der Halter wie der Fahrer jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet haben. Dies Ist vorliegend indes nicht geschehen.

Weder der Fahrer des Klägerfahrzeugs noch der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs haben die nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet. Der Fahrer des Kiägerfahrzeugs hat die Sorgfaltsanforderungen aus §§ 9 Abs. 1, Abs. 5, 10 S. 2 StVO missachtet. Der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs hat beim Überholen des Klägerfahrzeugs gegen § 5 StVO verstoßen.

Das Gericht ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung sowie aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme gemäß § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass der Unfall sich ereignet hat, als das Klägerfahrzeug, nachdem es auf die Straße […] abgebogen war, die keine Fahrstreifenmarkierung aufwies, und ohne Benutzung eines Fahrtrichtungsanzeigers sowie ohne Tätigung eines Schulterblicks sich in Richtung Tankstelle orientiert hat, als das Beklagtenfahrzeug versucht hat, rechts zu überholen. Dies, obwohl dem Beklagtenfahrzeug ein Überholen ohne Nutzen des neben der Straße befindlichen Gehstreifens nicht möglich war und nicht klar war, ob das Klägerfahrzeug tatsächlich nach links in Richtung Tankstelle fahren wird.

Hierbei stützt sich das Gericht auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des schriftlichen Sachverständigengutachtens zum Unfallhergang und zur Unfallposition der Fahrzeuge zueinander sowie im Verhältnis zu den örtlichen Begebenheiten. Der Sachverständige hat aufgrund der Aussage des Zeugen B[…], der mitgeteilt hat, dass der LKW nach der Kollision halb auf Rad- und Fußweg rechts gestanden habe, und aufgrund des in Höhe des Unfallortes befindlichen Straßenschildes sowie der Unfallschäden an den Fahrzeugen dargetan, dass das Kfz der Klägerin sehr weit ausgeholt haben muss, d.h. einen Bogen gefahren sein muss, bevor es zur Kollision gekommen ist. Soweit die Zeugen K[…] und S[…] dahingegen angegeben haben, dass der Zeuge B[…] lediglich kurz nach links ausgeschwenkt sei, um in die Grundstückseinfahrt zu gelangen, ist das Gericht von der Richtigkeit dieser Aussagen schon aufgrund des Sachverständigengutachtens nicht überzeugt. Darüber hinaus haben die Zeugen B[…], der Fahrer des Klägerfahrzeugs gewesen ist, und des Zeugen H[…] einen solchen Linksschwenker nicht bestätigt, zumal nach den Angaben dieser Zeugen, was der Sachverständige bestätigte, ein solcher Schwenker zur Einfahrt in das Grundstück mit dem Klägerfahrzeug überhaupt nicht erforderlich gewesen ist.

Die Frage, ob der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs im Zeitpunkt der Kollision den Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts angeschaltet hatte, vermochte die Beweisaufnahme aus Sicht des Gerichts nicht zu klären. Insofern geht das Gericht davon aus, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs keinen Blinker gesetzt hatte. Zwar haben die Zeugen B[…] und K[…] angegeben, dass der Zeuge B[…] einen Blinker gesetzt habe. Jedoch wurden diese Aussagen durch die Zeugen H[…] und S[…], die sich ebenfalls im Klägerfahrzeug befanden, nicht bestätigt. Entgegen den Zeugen B[…] und K[…] hat der Beklagte zu 1. im Rahmen seiner informatorischen Anhörung angegeben, dass das Klägerfahrzeug nach links und nicht nach rechts geblinkt habe. Bei seiner Würdigung der Aussagen der Zeugen B[…] und K[…] hat das Gericht berücksichtigt, dass nicht erklärlich ist, weswegen der Zeuge B[…] zunächst den Blinker rechts setzt, um dann – obwohl ein solcher Schlenker nach eigener Aussage des Zeugen B[…] für die Einfahrt in das Grundstück nicht erforderlich sei – sehr weit nach links zu fahren. Soweit der Beklagte zu 1. angegeben hat, der Zeuge B[…] habe nach links geblinkt, geht das Gericht auch hiervon nicht aus, zumal die Zeugen übereinstimmend angegeben haben, man habe nicht zur Tankstelle fahren wollen.

Das Gericht ist gemäß § 286 ZPO weiter davon überzeugt, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs, der Zeuge B[…], vor der Grundstückseinfahrt keinen Schulterblick nach rechts getätigt hat. Soweit die Klägerin dies vorgetragen hat, wird der Vortrag bereits durch die Zeugenaussage des Zeugen B[…] widerlegt. Der Zeuge hat angegeben, sich nur im Rückspiegel orientiert zu haben. Insoweit ist die Aussage des Zeugen K[…], der den Schulterblick gesehen haben will, unbeachtlich, zumal ein Schulterbiick vor einem Lenken nach rechts den Unfall hätte verhindern können, da der Zeuge B[…] dann den herannahenden Beklagten-LKW hätte sehen müssen.

c)

Im vorliegenden Fall treffen nach der Abwägung gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG die Beklagten aufgrund der erhöhten Betriebsgefahr sowie des Umstandes, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs das Klägerfahrzeug entgegen § 5 Abs. 1 StVO rechts überholen wollte, obwohl aufgrund des Fahrverhaltens des Fahrers des Klägerfahrzeugs ein Fall des § 5 Abs. 7 S, 1 StVO nicht vorgelegen hat, ein größerer Verantwortungsanteil an dem Unfall. Dabei berücksichtigt das Gericht, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs den Unfall ohne weiteres hätte vermelden können, wenn er abgewartet hätte, in welche Richtung das vor Ihm befindliche und damit gut sichtbare Klägerfahrzeug weiterfährt. Ein Fall des § 5 Abs. 7 S. 1 StVO liegt nicht vor. Danach ist, wer seine Absicht nach links abzubiegen, ankündigt und sich eingeordnet hat, rechts zu überholen. Nach den Feststellungen des Gerichts fehlt es bereits daran, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs angekündigt hat, dass er nach links abbiegen wollte. Ferner hat er sich nicht so weit nach links eingeordnet, dass es dem Beklagtenfahrzeug überhaupt möglich gewesen wäre, ohne Mitbenutzung des Gehstreifens an dem Klägerfahrzeug vorbeizufahren. Insofern galt die Regel des § 5 Abs. 1 StVO, wonach links zu überholen ist, wogegen der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs ebenso verstoßen hat, wie gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, wo nach ein Überholen bei unklarerVerkehrslage unzulässig ist. Im vorliegenden Fall war unklar, ob der nicht blinkende Fahrer des Klägerfahrzeugs überhaupt nach links abbiegen wollte.

Auf Seiten der Klägerin war das Fehlverhalten des Zeugen B[…], der gegen die Sorgfaltsanforderungen der §§ 9 Abs. 1, Abs. 5, 10 S. 2 StVO verstoßen hat, zu berücksichtigen. Insoweit trifft die Klägerin einen Mitverursachungs- und damit einen Haftungsbeitrag in Höhe von 30%, zumal auch der Zeuge B[…] den Unfall durch einen Schulterbiick sowie ein klares Fahrverhalten in Richtung der rechtsseitigen Grundstückseinfahrt hätte verhindern können, wobei sich das Herannahen des Beklagtenfahrzeugs nicht in seinem direkten Blickfeld zugetragen hat.

d)

Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs ist das Gericht von der von Klägerseite geltend gemachten Forderung von 5.348,77 Euro ausgegangen, die die Beklagten hinsichtlich der der Höhe nicht in Abrede gestellt haben. Soweit die Beklagten vorgetragen haben, die Abschleppkosten seien nicht zu ersetzen, da sie abgetreten worden seien, ist der Vortrag mangels hinreichender Substantiierung nicht zu berücksichtigen.

Nach der Haftungsquote von 70% stand der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagten in Höhe von 3.744,14 Euro zu. Diesen Anspruch hat die Beklagte zu 3. durch vorgerichtliche Zahlung in Höhe von 2.491,13 Euro teilweise erfüllt (§ 362 BGB). Der Klägerin steht gegen die Beklagten daher noch ein Anspruch in Höhe von 1.251,01 Euro zu.

Die Klägerin hat zudem gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 179,25 Euro. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gehören als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung ebenfalls zum ersatzfähigen Schaden.

Ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch insoweit besteht jedoch nur in der Höhe, in welcher der Schadensersatzanspruch gegeben ist. Insoweit kann der Kläger von den Beklagten Kostenerstattung lediglich nach Maßgabe der Haftungsquote ausgehend von einem Streitwert von 3.744,14 Euro verlangen. Eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 W RVG beträgt nach dem vorliegend anwendbaren W RVG in der Fassung gültig bis 31.07.2013 318,50 Euro, abzüglich einer 0,65 Gebühr verbleiben 159,25 Euro. Zuzüglich 20,00 Euro Pauschale belaufen sich die vorgerichtlich notwendigen Rechtsanwaltskosten auf 179,25 Euro.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Hauptforderung resultiert aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Erstmals mit Anwaltsschreiben vom 02.03.2011 wurde die Beklagte zu 3. bis zum 09.03.2011 zur Zahlung aufgefordert. Hinsichtlich der Nebenforderung ergibt sich der Zinsanspruch aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Die Klage wurde den Beklagten am 21.10.2011 zugstellt.

IV.

Die Kostenentscheidung ergeht aufgrund von §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Ausgehend von dem Klageantrag in der Hauptsache in Höhe von 2.855,64 Euro hat die Klägerin in einem Umfang von 44% (Verhältnis 1.251,01 Euro / 2.855,64 Euro) obsiegt. Die geltend gemachte Nebenforderung ist gemäß § 43 Abs. 1 GKG dem Hauptanspruch im Rahmen des Kostenstreitwerts nicht zu berücksichtigen und wirkt sich daher nicht auf die Kostengrundentscheidung aus. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht für den Kläger gemäß § 709 ZPO und für die Beklagten gemäß §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung basiert auf §§ 3 ZPO i. V. m. 48 Abs. 1 GKG.“

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.11.2014 – 31 C 2372/11 (83)

Darlegungs- und Beweislast zur Eigentümerstellung bei einem Verkehrsunfall

Nach dem Berufungsurteil des Landgerichts Görlitz (LG Görlitz, Urteil vom 23.7.2014 – 2 S 91/13) können im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast sowohl durch die gesetzliche Vermutungsregel des § 1006 BGB als auch durch andere vorgetragene und unter Beweis gestellte Umstände die Eigentümerstellung über ein Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall nachgewiesen werden.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7-9, 01097 Dresden, […]

gegen

1. […]

– Beklagter und Berufungsbeklagter –

2. […] Versicherung […]

– Beklagte und Nebenintervenientin des Beklagten zu 1 und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 2:

[…]

wegen Schadensersatz – hier: Berufung

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch

Vorsitzende Richterin am Landgericht […] als Einzelrichterin

im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatznachlass bis 18.07.2014 am 23.07.2014

für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Kamenz vom 12.04.2013, Az.: 2 C 386/12, abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.939,97 Euro nebst Znsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 25.02.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiter verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 126,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.07.2012 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen fallen den Beklagten als Gesamtschuldnern zur Last; die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten hat die Nebenintervenientin zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

[…]

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz aus einem Ereignis vom 02.09.2011 in Nebelschütz.

Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin des Pkw Opel Zafira Comfort mit dem amtlichen Kennzeichen […].

Dieses Fahrzeug habe sie am 02.09.2011 auf einer Parkfläche an der Hauptstraße in Nebelschütz geparkt. Auf der gegenüberliegenden Parkfläche habe – mit der Fahrzeugfront zum klägerischen Pkw – der bei der Beklagten Ziffer 2 haftpflichtversicherte, vom Beklagten Ziffer 1 gehaltene Pkw unbekannten Typs mit dem amtlichen Kennzeichen […] gestanden.

Beim Starten des beklagten Fahrzeuges sei dieses sprunghaft nach vorn gefahren und gegen die vordere Seite des klägerischen Fahrzeuges gestoßen. Die Klägerin habe sich zu diesem Zeitpunkt in ihrem Auto befunden, hatte das Fahrzeug jedoch noch nicht gestartet.

Den der Klägerin durch das Unfallereignis entstandenen Schaden beziffert diese auf insgesamt 1.939,97 Euro.

Den vorgenannten Betrag sowie vorgerichtliche Anwaltskosten macht sie im vorstehenden Verfahren geltend.

Die Beklagte Ziffer 2, gleichzeitig als Streithelferin für den Beklagten Ziffer 1, stellt in Abrede, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls Eigentümerin des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen […] gewesen sei. Zudem bestreitet sie den Unfallverlauf und behauptet, der Unfall sei nicht oder jedenfalls nicht so, wie von der Klägerin geschildert, geschehen.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung, die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert, abgewiesen. Auf die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils vom 12.04.2013 wird Bezug genommen.

Die Klägerin hält dieses Urteil für unrichtig und verfolgt mit der Berufung ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie erhebt Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der amtsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen und rügt zudem die Verletzung materiellen Rechts durch das Amtsgericht.

Zur Berufung beantragt die Klägerin, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 1.939,97 Euro nebst Znsen hieraus in Höhe von 4 % aus 1.494,49 Euro für die Zeit vom 03.09.2011 bis zum 24.02.2012 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 1.939,97 Euro seit dem 25.02.2012 zu zahlen,

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 126,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz daraus seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagte Ziffer 2 beantragt, gleichzeitig als Streithelferin für den Beklagten Ziffer 1,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Das Berufungsgericht hat die Klägerin zum Hergang des streitgegenständlichen Unfalls angehört sowie Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 14.08.2013 durch Vernehmung der Zeugen […] sowie gemäß Beweisbeschluss vom 09.10.2013 durch Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gerichtliche Protokollniederschrift vom 02.10.2013 und auf das Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. […] vom 03.04.2014 Bezug genommen.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat – bis auf einen Teil der als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen- auch in der Sache Erfolg.

Der Klägerin steht aus dem Unfallereignis vom 02.09.2011 gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 823 BGB, 7 StVG, 115 WG ein Schadensersatz in Höhe von 1.939,97 Euro zu.

1.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist die Klägerin zur Erhebung von Ansprüchen wegen Beschädigung des Pkw Opel Zafira mit dem amtlichen Kennzeichen […] aktiv legitimiert. Unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Klägerin Eigentümerin des beschädigten Pkw ist. Sie hat das Fahrzeug käuflich erworben und dazu die an sie adressierte Kaufpreisrechnung des Autohauses […] vom 21.08.2003 vorgelegt. Am Tage der Rechnungslegung ist die Klägerin auch im Kfz-Brief eingetragen worden. Diesen hielt sie auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz noch in den Händen. Zwar belegt die Eintragung im Kfz-Brief nicht die Eigentümerstellung, weil entsprechend § 952 BGB das Eigentum am Fahrzeugbrief dem Eigentum am Fahrzeug folgt. Aus diesem Umstand darf aber nicht geschlossen werden, die Eintragungen im Fahrzeugbrief und Fahrzeugschein seien bei der Beweiswürdigung ohne Bedeutung. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass in aller Regel der Eigentümer des Fahrzeugs und derjenige, der im Fahrzeugbrief eingetragen ist und ihn in den Händen hält, identisch ist (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 04.05.1977, NJW 1977, 1240). Weitere Unterlagen, um sein Eigentum nachzuweisen, hat in aller Regel kein Fahrzeugeigentümer.

Zudem spricht für die Klägerin die Eigentumsvermutung aus § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB, die die Beklagten nicht widerlegt haben.

Die gesetzliche Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache, dass er Eigentümer der Sache sei, enthebt den Besitzer im Grundsatz nicht nur der Beweis-, sondern auch der Darlegungslast dafür, dass und auf welcher Grundlage er oder derjenige, von dem er sein Besitzrecht ableitet, mit dem Besitzerwerb Eigentum erworben hat (BGH NJW 2002, 2101).

Derjenige, der sich – wie hier die Klägerin – auf die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB beruft, muss die Vermutungsbasis beweisen, das heißt er muss seinen unmittelbaren Besitz nachweisen, und darüber hinaus muss er die Rechtsbehauptung aufstellen, Eigentümer zu sein (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, § 1006 BGB Rn. 9). Zwar haben die Beklagten die Behauptung, die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt Besitzerin des in Rede stehenden Pkw, bestritten. Für die tatsächliche Sachherrschaft und damit den Besitz an dem Auto spricht jedoch, dass die Klägerin – wie die Beweisaufnahme ergeben hat – zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kollision „im Begriff war“ auf der Fahrerseite in den Pkw einzusteigen, sowie das Indiz, dass sie das beschädigte Fahrzeug später beim Kfz-Sachverständigen Dipl.-Ing. […] zur Begutachtung vorgeführt hat. Im Übrigen war die Klägerin auch über zwei Jahre nach dem Unfalldatum noch im Besitz des Fahrzeugs, denn sie stellte dieses dem Gerichtssachverständigen zum Ortstermin am 18.02.2014 zur Nachbesichtigung zur Verfügung.

Allein der Umstand, dass die Rechnung für die Kosten der Reparatur des Fahrzeugs an den Ehemann der Klägerin adressiert wurde, genügt bei Würdigung der Gesamtumstände gemäß § 286 ZPO zur Widerlegung der Eigentumsvermutung nicht.

2.

Die Beklagten haften der Klägerin gesamtschuldnerisch für den an ihrem Fahrzeug aufgrund des Unfallereignisses vom 02.09.2011 entstandenen Schaden. Die Haftung der Beklagten setzt voraus, dass der Betrieb des bei der Beklagten Ziffer 2 versicherten Kraftfahrzeugs adäquat kausal zu dem streitgegenständlichen Schaden geführt hat. Für diesen Kausalzusammenhang ist die Klägerin mit dem Beweismaßstab des § 286 ZPO beweispflichtig (BGHZ71, 339).

Das Gericht ist im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass das von der Klägerin vorgetragene Unfallereignis tatsächlich stattgefunden hat und es sich nicht – wie die Beklagte Ziffer 2 meint – um einen manipulierten Unfall handelt.

Bei ihrer Parteianhörung durch das Landgericht schilderte die Klägerin den eigentlichen Unfall als auch das Randgeschehen plausibel und detailreich. Diese Schilderung wurde durch die glaubhaften Aussagen der Zeugen […] bestätigt. Das Gericht hält es für ausgeschlossen, dass sich sowohl die Klägerin als auch die Zeugen den Unfall nur ausgedacht haben. Allein der Umstand der persönlichen Nähe der Zeugen zur Klägerin rechtfertigt es nicht, deren Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen.

Der gerichtliche Sachverständige Dipl.-Ing. […] hat in seinem von Fachkunde geprägten, detaillierten und gut verständlichen Gutachten vom 03.04.2014 dargestellt, dass sich die Beschädigungen am Fahrzeug der Klägerin der geschilderten Kollision zuordnen lassen.

Das Gericht verkennt nicht, dass der Sachverständige den vorgetragenen Unfallhergang aus technischer Sicht nur als möglich bezeichnet hat, und die bloße Möglichkeit der Kompatibilität für sich betrachtet zur Überzeugungsbildung nicht ausreicht. Bei der gebotenen Gesamtschau aller Fakten, insbesondere der Unfallschilderung der Klägerin und der Zeugen, ergeben sich aber keine Zweifel daran, dass die Kollision wie vorgetragen stattgefunden hat.

3.

Der in Höhe von 1.939,97 Euro geltend gemachte Schaden ist der Klägerin vollumfänglich zu ersetzen.

Der Klägerin steht zunächst ein Anspruch auf Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von 1.494,49 Euro gemäß Rechnung der Kfz-Werkstatt […] vom 17.10.2011 zu. Dass es sich hierbei um unfallbedingte Reparaturkosten handelt, ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. […] vom 07.09.2011; die Rechnungspositionen betreffen ausschließlich die Reparatur der in diesem Gutachten beschriebenen, nach der Unfallschilderung der Klägerin und den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. […] kompatibel auf die streitgegenständliche Kollision zurückzuführenden Schäden.

Die Klägerin hat darüber hinaus einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer, in der sie ihr Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen konnte. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH und ist gewohnheitsrechtlich anerkannt (Palandt/Grüneberg, BGB, § 249 Rn. 40).

Der Privatsachverständige Dipl.-Ing. […] hat in seinem Gutachten für die Durchführung der Reparatur einen Arbeitszeitaufwand von zwei Arbeitstagen für erforderlich erachtet.

Anhaltspunkte für eine Verkürzung der Reparaturdauer sind weder von den Beklagten vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Mithin kann die Klägerin Nutzungsausfallentschädigung für zwei Tage verlangen.

Der Ansatz von 34,00 Euro pro Tag ist angemessen.

Für die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung hält das Gericht die Tabellen von Sanden/Danner für eine geeignete Schätzungsgrundlage.

Das Fahrzeug der Klägerin war zum Unfallzeitpunkt bereits 11 Jahre alt. Fahrzeuge über 10 Jahre sind um zwei Tabellengruppen herabzustufen, so dass der Pkw der Klägerin in die Gruppe C einzuordnen ist.

Die Ersatzpflicht der Beklagten erstreckt sich auch auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung der Schadensersatzansprüche verursachten Kosten. Insoweit sind die der Klägerin für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der Schadenshöhe entstandenen Kosten in Höhe von 352,48 Euro als Kosten der Schadensfeststellung Teil des zu ersetzenden Schadens (Palandt/Grüneberg, BGB, § 249 Rn. 58).

Ferner war der Klägerin die Kostenpauschale von 25,00 Euro zuzusprechen.

Die in der Klageschrift berechneten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geeignete Aufwendungen gemäß § 249 Abs. 1 BGB bei einem Verkehrsunfall auch ohne vorangegangene Inverzugsetzung regelmäßig erstattungsfähig (verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung gemäß § 7 StVG).

Die zuerkannten Zinsen beruhen auf Verzugsgesichtspunkten.

Zinsen ab dem Unfallzeitpunkt aus § 849 BGB kann die Klägerin hingegen nicht beanspruchen, da ihr das Fahrzeug nicht entzogen wurde und auch keine Wertminderung vorliegt.

Deshalb war die Klage bezüglich der ab dem Unfallzeitpunkt bis zum Zeitpunkt des Zahlungsverzuges geltend gemachten Zinsen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2,100 Abs. 4, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Zudem erfordert weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

LG Görlitz, Urteil vom 23.7.2014 – 2 S 91/13