Das Urteil des Amtsgerichts Weißwasser vom 13.03.2025 (Az. 3 C 175/24) betrifft eine restliche Vergütungsforderung aus abgetretenem Recht durch ein Kfz-Sachverständigenbüro gegen eine Haftpflichtversicherung. Der Kläger, ein Kfz-Sachverständiger, machte eine restliche Vergütung für ein Schadensgutachten geltend. Die Beklagte, Haftpflichtversicherer der Unfallgegnerin, hatte nur einen Teil der Gutachterkosten erstattet. Das Gericht gab der Klage in vollem Umfang statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger den „erforderlichen“ Herstellungsaufwand ersetzt verlangen. Dies umfasst auch die Kosten für ein Sachverständigengutachten, sofern diese im Rahmen des wirtschaftlich Erforderlichen liegen. Der Maßstab ist dabei die Sicht eines vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten.
Das Gericht führte in seiner Entscheidung aus, dass keine Preiskontrolle durchzuführen sei, sondern eine tatrichterliche Schätzung nach § 287 ZPO. Als Schätzgrundlage wurde die BVSK-Honorarbefragung 2022 herangezogen, die als marktgerechter Indikator für ortsübliche Honorare gewertet wurde. Die Einwendungen der Beklagten gegen diese Schätzgrundlage wurden mangels konkreter Gegendarstellung verworfen.
Das vom Kläger abgerechnete Grundhonorar lag im Mittelwert des sogenannten Korridors der Honorarbefragung für die zugrunde liegende Schadenshöhe und wurde als angemessen angesehen.
Auch die abgerechneten Nebenkosten (Fahrtkosten, Fotos, Schreib- und Kommunikationspauschalen) entsprachen den Richtwerten des BVSK und wurden ebenfalls für erforderlich und somit erstattungsfähig gehalten.
Das Urteil folgt der ständigen Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Verkehrsunfällen. Es setzt sich dezidiert mit dem Spannungsfeld zwischen Honorarvereinbarung, Erforderlichkeitsmaßstab und der Bindung an marktübliche Werte auseinander und betont die Eigenständigkeit der tatrichterlichen Schätzung. Die Argumente der Versicherung – insbesondere zur (angeblich) besseren Eignung der zeitabhängigen Vergütung nach JVEG – wurden unter Hinweis auf die fehlende Übertragbarkeit auf Privatgutachter zurückgewiesen.
Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.1.2022 – 10 S 64/21; AG Weißwasser, Urteil vom 13.3.2025 – 3 C 175/24; AG Dresden, Urteil vom 16.1.2025 – 103 C 2114/24; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10.9.2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22
Auszug aus der Gerichtsentscheidung:
„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
[…] Kfz-Sachverständigenbüro […]
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]
gegen
[…] Versicherung[…]
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
[…]
wegen Restliche Vergütungsforderung Sachverständigenkosten
hat das Amtsgericht Weißwasser
durch Richter […]
ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 13.03.2025
für Recht erkannt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 511,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 29.6.2024 zu zahlen.
- Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 77,20 € freizustellen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 511,70 EUR festgesetzt.
Entscheidungsgründe
(ohne Tatbestand gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Der Kläger hat Anspruch auf weiteren Schadensersatz aus abgetretenem Recht aus der Gutachterrechnung vom 04.04.2024 in Höhe von 511,70 € aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2; 18 Abs. 1 StVG; 249, 398, 823 Abs. 1 BGB; 115 Abs. 1 VVG sowie auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von 77,20 € sowie Verzugszinsen gem. §§ 286 Abs. 2 Ziffer 3, 288 Abs. 1 und 4 BGB haben.
1.
Die Beklagte hat keinen Erfolg, soweit sie die Höhe und die Erforderlichkeit des geltend gemachten restlichen Schadensersatzes angreift.
Gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte grundsätzlich vom Schädiger den erforderlichen Herstellungsaufwand erstattet verlangen. Dabei ist der Geschädigte in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er kann jedoch vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. u.a. BGH NJW 2014, 1947).
Dies gilt auch für Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen zur Schadensermittlung nach einem Verkehrsunfall. Ein Geschädigter darf einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und von dem Unfallverursacher bzw. dessen Versicherung
nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen
Sachverständigenkosten verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014, Aktenzeichen: VI ZR 225/13, zitiert nach Juris). Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat (vgl. hierzu insgesamt: BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17 –, Rn. 17, Juris m.w.N).
Unabhängig von der zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen getroffenen Vereinbarungen zur Höhe der Vergütung ist für die Erstattungsfähigkeit allein maßgeblich, ob sich die Kosten für die Erstellung des Schadensgutachtens im Bereich des Erforderlichen halten. Liegen die vom Sachverständigen berechneten Preise erheblich über den üblichen Preisen, so sind diese jedenfalls nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH NJW 2014, 3151). Der Kläger hat vorliegend dargelegt, dass das von ihm abgerechnete Honorar bzw. die berechneten Positionen angemessen und ortsüblich waren.
Der erforderliche Aufwand ist im Wege tatrichterlicher Schätzung gem. § 287 ZPO zu ermitteln. Das Gericht ist bei der Schätzung der Schadenshöhe besonders freigestellt. Zwar sind die Gerichte im Rahmen der schadensrechtlichen Beurteilung nicht zur Preiskontrolle befugt (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06); das Gericht kann jedoch nach § 287 Abs. 2 ZPO im Rahmen der Erforderlichkeitsschätzung die Honorarhöhe prüfen. Bei der Bemessung der Schadenshöhe hat der Tatrichter dann allerdings zu beachten, dass der
Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 –, Rn. 17, Juris)
a) Das Gericht sieht die Tabelle der Honorarbefragung des Berufsverbandes (BVSK 2022) als geeignete und tragfähige Grundlage an, um den Betrag zu schätzen, der schadensrechtlich notwendig ist, wenn der Geschädigte die Höhe des Fahrzeugschadens durch einen Sachverständigen ermitteln lassen will. Bei der Tabelle der Honorarbefragung des Berufsverbandes (BVSK 2022) handelt es sich um eine Umfrage des größten
Zusammenschlusses der freiberuflichen qualifizierten Kfz-Sachverständigen in Deutschland, so dass die wiedergegebenen Preise nach Einschätzung des Gerichts auch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage widerspiegeln. Der Umstand, dass die Honorarumfrage nur unter Mitgliedern des BVSK durchgeführt worden ist, spricht nicht dagegen, die dort ermittelten Honorare als nicht ortsüblich einzustufen. Es handelt sich immerhin um den größten Zusammenschluss freiberuflich tätiger Kfz-Sachverständiger in Deutschland. Dies spricht nach Auffassung des Gerichts gerade für die Ortsüblichkeit. Die Heranziehung der o.g. Schätzgrundlage der BVSK-Honorarbefragung 2022 muss nur dann unterbleiben, wenn derjenige, der diese als unangemessen angreift, konkret darlegt und beweist, dass die Honorarbefragung die Abrechnungspraxis im Bezirk des eingeschalteten Sachverständigen nicht zutreffend wiedergibt (vgl. Urteil des OLG München vom 26.02.2016, X U 579/15, zitiert nach Juris). Dies ist durch die Beklagte nicht erfolgt.
Das Gericht kann nicht erkennen, dass das Honarar vorliegend auf Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Allein die Behauptung, die zeitorientierte Bemessung des Grundhonorars sei sachgerecht, reicht hierfür nicht aus. Der BGH mag eine Abrechnung nach Stunden bei Kfz-Sachverständigen für zulässig gehalten haben; er hält aber auch – wie das Gericht – eine Abrechnung entsprechend der BVSK-Honorarbefragung für zulässig. Auch der Umstand, dass Gerichtssachverständige ihr Honorar zeitbemessen nach dem JVEG abrechnen, reicht nicht aus, die Tabelle der Honorarbefragung des Berufsverbandes (BVSK 2022) als Schätzgrundlage anzugreifen. Nach dem BGH ist die Übertragung der Grundsätze des JVEG für die Vergütung gerichtlicher Sachverständiger auf Privatgutachter nicht angebracht. Der Anwendungsbereich des JVEG ist auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06 –, Rn. 21, Juris).
b) Vorliegend hält sich die vom Kläger in Rechnung gestellte Sachverständigenvergütung im Rahmen der Honorarbefragung des BVSK 2022 und ist nicht überhöht. Der Kläger hat nach Auffassung des Gerichtes auch in zulässiger Weise sein Honorar an der Höhe des Fahrzeugschadens ausgerichtet. Die Frage, ob nach einem Verkehrsunfall ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB verlangt werden kann, wird von einer Vielzahl von Gerichten und auch vom BGH bejaht (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06 –, Rn. 15, Juris).
Bei Zugrundelegung der BVSK-Honorarbefragung 2022 ergibt sich ein mittlerer Wert des sog. HB V – Korridors (623,00 bis 693,00 €) bei einem ermittelten Fahrzeugschaden von 3.875,82 € als Grundhonorar ein Nettobetrag von 658,00 €, so dass das vom Kläger angesetzte Grundhonorar von 625,00 € nicht überhöht ist.
Auch die vom BVSK in der Honorarbefragung 2022 angesetzten Nebenkosten (ohne Mehrwertsteuer) sind nach dem oben Gesagten als angemessen und somit erstattungsfähig für die Erstellung eines ordnungsgemäßen Gutachtens anzusehen. Die vom Kläger geltend gemachten Nebenkosten liegen im Rahmen dieser Beträge und sind somit nicht überhöht. Der Kläger macht Fahrtkosten (0,70 € pro Kilometer) und Kosten für die Lichtbilder (2,00 € pro Bild) in derselben Höhe geltend, wie sie durch den BVSK in der Honorarbefragung 2022 angesetzt werden. Wieviele Bilder der Gutachter für die Dokumentation des Schadens und für die Kalkulation der Reparaturkosten als erforderlich ansieht, muss diesem überlassen bleiben. Mit der Schreibkostenpauschale von 12,00 € liegt die streitgegenständliche Rechnung unter den nach der Honorarbefragung 2022 angesetzten Kosten für ein 15 seitiges Gutachten (zu 1,80 € pro Seite). Gleiches gilt für die Pauschale für Porto/Telefon.
Die Höhe der Gutachterkosten, die von der Klägerseite angesetzt worden sind, sind somit erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB.
2.
Der Kläger hat auch Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 77,20 € aus Verzug gem. §§ 286 Abs. 2 Ziffer 3, 288 Abs. 4 BGB. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 08.05.2024 dem Geschädigten gegenüber die Zahlung weiterer Gutachterkosten endgültig abgelehnt, so dass sie sich ab diesem Zeitpunkt in Verzug befand und die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten des Klägers als Verzugsschaden geltend gemacht werden können.
Der Kläger hat auch Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe auf die streitgegenständlichen Hauptforderung aus §§ 286 Abs. 2 Ziffer 3, 288 Abs. 1 BGB in gesetzlicher Höhe.
Der Klage war insgesamt stattzugeben.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 11, 711, 713 ZPO.
Eine Berufung gem. § 511 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO wird nicht zugelassen.“
AG Weißwasser, Urteil vom 13. März 2025 – 3 C 175/24