Keine Erstattung der zusätzlichen Reisekosten für einen auswärtigen Rechtsanwalt

Nach dem Beschluss des Landgerichts Görlitz (LG Görlitz, Beschluss vom 21.11.2011 – 1 O 278/10) können im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens grundsätzlich nicht die zusätzlichen Reisekosten für einen auswärtigen die Rechtsanwalt geltend gemacht werden, der weder am Sitz der einen noch der anderen Partei seinen Kanzleisitz hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Görlitz vom 26.09.2011 ist zwar zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Die mit Schriftsatz vom 01.09.2011 geltend gemachten Reisekosten in Höhe von zusätzlich 137,56 Euro kann die Beklagte bzw. deren Prozessbevollmächtigter von dem Kläger nicht verlangen. Nach der zu beachtenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 91 Abs. 2 ZPO (vgl.: Beschluss vom 12.12.2002, Az.: I ZB 29/02; 21.02.2007,. Az.: VIII ZB 93/06) können die hier geltend gemachten zusätzlichen Reisekosten nicht verlangt werden. Vorliegend ist der Sachverhalt so, dass die Beklagte in ihrem Gerichtsstand verklagt wurde und zu der Wahrnehmung ihrer Interessen einen Rechtsanwalt aus Berlin beauftragt hat. Bei dieser Konstellation handelt es sich bei dem dadurch anfallenden Mehraufwand durch Reisekosten in der Regel nicht um Kosten, die im Sinne von § 91 Abs. 2 ZPO für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung notwendig sind (vgl.: BGH a. a. O.). Das gilt auch für den Fall, dass der auswärtige Anwalt bereits vorprozessual in derselben Angelegenheit tätig geworden ist. Eine zugelassene Ausnahme von der vorgenannten Regel liegt hier nicht vor. Die wäre zum Beispiel gegeben, wenn ein auswärtiger Rechtsanwalt mit Spezialkenntnissen beauftragt werden müsste und ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann. Der Bundesgerichtshof hat im Übrigen in seinem Beschluss vom 12.12.2002 (vgl.: BGH a. a. O.) Folgendes ausgeführt:

„Dagegen rechtfertigt der Umstand, dass die Partei ständig mit dem beauftragten auswärtigen Rechtsanwalt zusammenarbeitet, kein Abweichen von der Regel. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Einschätzung der Notwendigkeit in diesen Fällen stets subjektiv geprägt ist. Für eine Partei mögen die zusätzlichen Reisekosten unerheblich erscheinen, solange sie nur den Anwalt ihres Vertrauens beauftragen kann. Doch muss sie in diesem Fall bereit sein, diese Zusatzkosten auch dann selbst zu tragen, wenn dem Gegner die Prozesskosten auferlegt worden sind.“

Die Erinnerung war daher als unbegründet zurückzuweisen.“

LG Görlitz, Beschluss vom 21.11.2011 – 1 O 278/10

Keine Ausnahme vom Rauchverbot für Spielhallen in Brandenburg

Nach dem Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgericht (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 17.11.2011 – 53 Ss-OWi 404/10 (204/10)) verstößt eine fehlende Ausnahmeregelung für abgetrennte Nebenräume für Raucher nicht gegen die verfassungsrechtlichen Grundrechte. 

Leitsatz:

Für Spielhallen besteht nach dem Brandenburgischen Nichtrauchendenschutzgesetz (BbgNiRSchG) auch nicht durch analoge Anwendung der Regelung für Gaststätten eine Ausnahmeregelung vom Rauchverbot durch die Einrichtung von Nebenräumen für Raucher. Das totale Rauchverbot in Spielhallen verstößt nicht gegen die Grundrechte des Spielhallenbetreibers.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss

In der Bußgeldsache
gegen                      […]
Verteidiger:          Rechtsanwalt Stephan M. Höhne,
                                Wallstraße 15, 02625 Bautzen,

wegen Verstoß gegen das Brandenburgische Nichtrauchendenschutzgesetz

hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als Senat für Bußgeldsachen
durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Pisal,
den Richter am Oberlandesgericht Thies und
den Richter am Oberlandesgericht Heck

am  17. November 2011

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 14. April 2010 wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht Eisenhüttenstadt hat gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Brandenburgische Nichtrauchendenschutzgesetz eine Geldbuße von 300 Euro verhängt, weil er in der von ihm betriebenen Spielhalle einer Person in einem abgetrennten Raum das Rauchen gestattet habe. Nach den getroffenen Feststellungen führte die Stadt Eisenhüttenstadt am 23. Juni 2009 gegen 17.00 Uhr eine Kontrolle über die Einhaltung der Vorschriften des Nichtrauchendenschutzgesetzes durch, bei der im hinteren Raum der Spielhalle eine rauchende Person festgestellt wurde. Ein Gespräch mit der aufsichtsführenden Person der Spielhalle ergab, dass der Inhaber dort das Rauchen erlaubt hatte.

Das Amtsgericht hat in den Urteilsgründen weiter ausgeführt, der Betrieb der Spielhalle unterfalle gemäß §2 Abs. 1Nr. 8, §4 Abs. 2 Satz 1BbgNiRSchG dem Anwendungsbereich des Nichtrauchendenschutzgesetzes, weil der Betroffene alkoholische Getränke und Fastfood anbiete und damit ein Gaststättengewerbe betreibe (§ 1Abs. 1 GastG). Bei dem als Raucherbereich ausgewiesenen hinteren Raum der aus insgesamt zwei Räumen bestehenden Spielhalle handele es sich nicht um einen Nebenraum der Gaststätte im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 BbgNiRSchG, bei dem eine Ausnahme vom Rauchverbot gelte, denn zehn von insgesamt zwölf Spielgeräten seien in diesem Raum aufgestellt worden, der zudem auch größer als der vordere Raum sei. Da der Betroffene von der Stadtverwaltung bereits am […] 2009 auf die Geltung des Rauchverbotes auch für Nebenräume der Spielhalle hingewiesen worden sei, liege vorsätzliche Verhalten vor.

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Er greift u.a. die zum Vorliegen eines Nebenraums getroffenen Feststellungen an und beanstandet ferner, dass das Landgericht die Verfassungswidrigkeit der für Spielhallenbetreiber ausnahmslos geltenden landesgesetzlichen Regelungen über das Rauchverbot verkannt habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.


II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Verfahrensbeanstandungen greifen aus den in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom […] 2010 dargelegten Gründen nicht durch.

Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung der angefochtenen Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Brandenburgische Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit vom 18. Dezember 2007 (Brandenburgisches Nichtrauchendenschutzgesetz,GVBl.1/07; zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 15. Juli 2010, GVB1.1/10).

Das Verbot des Tabakrauchens in Spielhallen folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 8, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Nr. 9 BbgNiRSchG.

Entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, ob der in der Spielhalle des Betroffenen als Raucherbereich bestimmte Raum die Voraussetzungen eines Nebenraums erfüllt, die § 4 Abs. 2 BbgNiRSchG vorgibt. Ausnahmeregelungen für Nebenräume von Spielhallen sind – anders z.B. als bei Hotels und Gaststätten (§ 4 Abs. 2 BbgNiRSchG) – gesetzlich nicht vorgesehen. Auch der Umstand, dass der Betroffene in der Spielhalle Getränke und Snacks anbietet, begründet nicht die Anwendung des Ausnahmetatbestandes. Er betreibt damit zwar neben der Spielhalle auch eine Gaststätte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 8, § 3 Nr. 8 BbgNiRSchG, § 1 GastG (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5. Juni 2009 – OVG 1 S 8-09, zit. nach Juris). Gleichwohl findet die für Gaststätten geltende Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 2 BbgNiRSchG keine Anwendung. Sie gilt nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht für Betriebe mit dem Hauptzweck einer Spielhalle, in denen zusätzlich auch Getränke und Snacks ausgeschenkt werden (VG Cottbus, Beschl. v. 25. Oktober 2011 – 3 L 251/11, zit. nach Juris; Dürr, GewArch 2009, 286, 289 und Anmerkung zu OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5. Juni 2009 – 1 S 8.09, zit. nach Juris). Anderenfalls könnte jeder Betreiber einer Einrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 BbgNiRSchG durch einen zusätzlichen Getränkeausschank die Geltung der Ausnahmevorschrift des § 4 Abs. 2 BbgNiRSchG für sich herbeiführen. Dies widerspricht ersichtlich dem Regelungszweck der Norm, die nur für Nebenräume von Hotels, Gaststätten, Kultureinrichtungen im Sinne von § 2 Abs. 1Nr. 3 BbgNiRSchG und Diskotheken Ausnahmeregelungen vorsieht, und dem Willen des Gesetzgebers, der ausweislich der Gesetzesbegründung (LT-Drucks. 4/7371 v. 19. März 2009) für Spielhallen keine Ausnahme zulassen wollte (VG Cottbus, Dürr, aaO.).

Diese gesetzliche Regelung ist auch nicht verfassungswidrig, soweit sie – anders als z.B. bei Gaststätten, Hotels und Diskotheken – für den Betrieb von Spielhallen keine Ausnahmen vom Rauchverbot zulässt.

Die Vorschriften zum Rauchverbot in Spielhallen stellen einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Betreiber dar (Art. 12 Abs. 1GG, Art. 49 Abs. 1 BbgVerf), weil diese nicht mehr selbst darüber bestimmen können, ob ihren Kunden das Rauchen gestattet oder untersagt ist, und weil sie daran gehindert werden, ihre Leistungen an diejenigen zu erbringen, die zu einem Verzicht auf das Rauchen beim Besuch der Spielhalle nicht bereit sind. Dabei ist der Gesetzgeber wegen des überragenden Schutzgutes der Gesundheit der Bevölkerung von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht daran gehindert, ein absolutes Rauchverbot zu verhängen (BVerfG, Urt. v. 30. Juli 2008 – 1BvR 3262/07 – zit. nach Juris). Entscheidet sich der Gesetzgeber indes wie hier für eine Konzeption des Nichtraucherschutzes, die mit Rücksicht auf kollidierende Interessen Ausnahmetatbestände vorsieht, hat er entsprechend dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1GG, Art. 12 Abs. 1BbgVerf) bei der Ausgestaltung des Gesetzes zu beachten, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe nur anders behandelt werden darf, wenn zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewichtbestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss darstellt, wenn gesetzlich in Gaststätten zugelassene Raucherräume in Diskotheken untersagt sind (BVerfG, aaO.).

Der Landesgesetzgeber hat bei seiner Gesetzeskonzeption hinsichtlich der unterschiedlichen Reichweite der Geltung des Rauchverbotes in Hotels, Gaststätten und Diskotheken einerseits und Spielhallen andererseits jedoch Gründe für eine Differenzierung herangezogen, die von solcher Art und solchem Gewicht sind, dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 12 Abs. 1, Art. 49 Abs. 1 BbgVerf nicht vorliegt (vgl. Gesetzesbegründung LT-Drucks. 4/7371 v. 19. März 2009): Das Gaststättengewerbe und das Spielhallengewerbe unterscheiden sich nach Art der Nutzung und der gesellschaftlichen Bedeutung erheblich. Der Gaststättenbesuch dient gemeinhin dem geselligen Beisammensein und der Pflege sozialer Kontakte. Durch Ausnahmeregelungen soll auch Rauchern ermöglicht werden, dieses sozial erwünschte Verhalten zu pflegen, ohne auf das Rauchen verzichten zu müssen. Für Hotels und Diskotheken gilt Entsprechendes. Das Aufsuchen von Spielhallen demgegenüber erfüllt typischerweise keine geselligen Zwecke. Darüber hinaus ist das Spiel an Automaten mit erheblichen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Risiken verbunden und kann zur Spielsucht führen. Der Landesgesetzgeber hat im Übrigen im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative berücksichtigt, dass die Besucher von Spielhallen überwiegend bereits tabakabhängig sind und bei Spielsüchtigen häufig weitere Abhängigkeiten hinzutreten, was auch der Bundesgesetzgeber bei den besonderen Regelungen für den Ausschank von Alkohol berücksichtigt hat (§ 3 Abs. 3 SpielV). Der Gesetzgeber hat weiterhin im Rahmen seines Beurteilungsspielraums ohne erkennbaren Einschätzungsfehler zugrunde gelegt, dass im Hinblick auf die festgestellten Umsatzsteigerungen der Unterhaltungsautomatenwirtschaft seit 2005, die auch im Jahr 2008 nach der Einführung der Rauchverbote anhielten, für eine Abwanderung der Spielhallennutzer in Gaststätten mit Raucherräumen nichts ersichtlich sei.

Das Amtsgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Betroffene gemäß § 7 Abs. 1Nr. 2, § 6 Abs. 2 BbgNiRSchG ordnungswidrig und dabei auch vorsätzlich gehandelt habe, weil er das Rauchen in der von ihm betriebenen Spielhalle zugelassen hat, obwohl ihn die Stadtverwaltung bereits zuvor auf die Geltung des Rauchverbotes hingewiesen hatte. Auch die Rechtsfolgenentscheidung weist keine den Betroffenen benachteiligende Rechtsfehler auf.“

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 17.11.2011 – 53 Ss-OWi 404/10 (204/10)

Die Zulassung eines Fahrzeugs stellt eine Ingebrauchnahme dar, die zu einer Verschlechterung der Kaufsache führt

Durch das Landgericht Bautzen (LG Bautzen, Urteil vom 4.11.2011 – 1 S 88/09) wurde entschieden, dass ein Verbraucher bei einem Widerruf eines finanzierten Kaufvertrages für die durch eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung dem Verkäufer Wertersatz zu leisten hat, wenn er hierauf spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden.

Bei einem Neufahrzeug stellt nach den Entscheidungsgründen des Gerichts bereits die bloße Zulassung des Fahrzeugs eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme dar, durch die eine Verschlechterung eintritt.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

Autohaus […]

– Klägerin und Berufungsbeklagte –

[…]

gegen

[…]

– Beklagte und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz aus Kaufvertrag

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Bautzen durch

[…]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum […].2011 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 30.6.2009 abgeändert.
    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.450,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seitdem 25.10.2008 sowie weitere 156,50 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Beklagte zu 84 % und die Klägerin zu 16 % zu tragen.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

[…]

Tatbestand

Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäߧ§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO
abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Wertersatzanspruch in Höhe von lediglich 1.450,00 €.

Zu Recht hat das Amtsgericht einen Wertersatzanspruch gemäß §§ 357 Abs. 3 Satz 1 BGB dem Grunde nach bejaht.

Die Beklagte hat den Vertrag als Verbraucherin geschlossen. Das ergibt sich daraus, dass im Vertrag nicht das „M[…]“ und die Geschäftsadresse der Beklagten, sondern ihr Name [u]nd ihre private Anschrift angegeben sind und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Pkw überwiegend geschäftlich genutzt werden sollte.

Gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB hat der Verbraucher abweichend von § 346 Abs. 2 Satzl Nr. 3 BGB Wertersatz für eine durch die bestimmunsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten/Berufungsklägerin steht der Anwendung des § 357 Abs. 3 BGB die Entscheidung des EuGH vom 17.4.2008 (AZ: C-404/06) bzw. die Richtlinie 199/44/EG nicht entgegen. Zutreffend hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass nach der genannten Entscheidung des EuGH dem Verbraucher die Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsgutes unentgeltlich zu belassen ist, während im vorliegenden Fall die Klägerin den gekauften Pkw in vertragsgemäßem Zustand und zum vertragsgemäßen Zeitpunkt habe übergeben wollen, was die Beklagte vereitelt habe.

Die Sachlage ist auch eine andere als beim Fernabsatzgeschäft. Hinsichtlich des Fernabsatzgeschäftes hat der EuGH in seinem Urteil vom 3.9.2009 (AZ C-489/07, NJW 2009, 3015, zitiert nach Juris) ausgeführt, dass die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf beeinträchtigt würden, wenn dem Verbraucher auferlegt würde, allein deshalb Wertersatz zu zahlen, weil er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware geprüft und ausprobiert habe. Da das Widerrufsrecht gerade zum Ziel habe, dem Verbraucher diese Möglichkeit einzuräumen, könne deren Wahrnehmung nicht zur Folge haben, dass er dieses Recht nur gegen Zahlung eines Wertersatzes ausüben könne. Das Widerrufsrecht beim finanzierten Kaufvertrag hat diese Zielsetzung nicht. Der Verbraucher ist beim finanzierten Kaufvertrag dadurch hinreichend geschützt, dass er im Vertrag auf die Wertersatzfolge bei Ingebrauchnahme sowie auf die Möglichkeit ihrer Vermeidung hingewiesen wird.

Die Widerrufsbelehrung mit den genannten Hinweisen war vorliegend durch einen schwarzen umrandeten Kasten auch deutlich hervorgehoben.

Die teilweise in der Literaturvertretene Auffassung, dass sich aus dem Warnzweck der Belehrung ergebe, dass auch auf den voraussichtlichen Umfang der allein durch die Ingebrauchnahme eintretenden Wertminderung hingewiesen werden müsse (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Aufl. § 357 Rn. 10) geht über eine zulässige Gesetzesauslegung hinaus und ist da her abzulehnen.

Die Beklagte hat das Fahrzeug durch die ihrerseits veranlaßte Zulassung bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen. Die Zulassung eines Fahrzeugs stellt bereits den Beginn des bestimmunsgemäßen Gebrauchs dar. Denn bestimmungsgemäßer Gebrauch eines Kfz ist seine Nutzung im Straßenverkehr, wofür die Zulassung eine unabdingbare Voraussetzung ist.

Die Beklagte hat der Klägerin den Auftrag zur Zulassung auch bereits am […].2008 erteilt. Die Behauptung der Beklagten, dass zwischen den Parteien vereinbart worden sei, dass das Fahrzeug vorerst nicht zugelassen werde, da sich die Beklagte innerhalb der Widerrufsfrist eine Bedenkzeit vorbehalten habe, hat sich in der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht nicht bestätigt. Das Amtsgericht hat vielmehr beanstandungsfrei und damit gemäß § 529 ZPO für das Berufungsgericht bindend festgestellt, dass die Beklagte die zeitnahe Zulassung des gekauften Fahrzeuges ausdrücklich gewünscht und nicht erklärt habe, sie wolle sich das Geschäft noch einmal überlegen.

Die Kammer hat zur Höhe des Wertersatzes ein Sachverständigengutachten eingeholt, da sich Zweifel an der Richtigkeit der amtsgerichtlichen Schätzung daraus ergaben, dass der geschätzte Wertersatz so hoch wie der von der Klägerin geltend gemachte pauschalisierte Schadensersatzanspruch war, der auch einen entgangenen Gewinn umfaßt.

Nach dem nachvollziehbaren und überzeugenden Sachverständigengutachten steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass allein die Zulassung auf die Beklagte einen Wertverlust in Höhe von 1.450,00 € verursacht hat.

Die Reduzierung des berechtigten Forderungsbetrages hat einen Gebührensprung zur Folge, so dass die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nur in Höhe von 156,50 € als Verzugsschaden zu ersetzen sind (1,3 Geschäftsgebühr x 105 € + 20,00 € Telekommunikationspauschale). Auch der Zinsanspruch folgt aus Verzug (§§ 286, 288 BGB).“

LG Bautzen, Urteil vom 4.11.2011 – 1 S 88/09

Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall, bei dem der Abbiegende kurzzeitig zuvor den Fahrtrichtungsanzeiger setzte und wieder ausschaltet

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 407/11) trifft den Wartepflichtigen bei einem Verkehrsunfall die überwiegende Haftung, wenn der vermeintlich Abbiegende nur den Fahrtrichtungsanzeiger setzte und wieder ausschaltet.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz in zuerkannter Höhe nach §§ 7,17 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG.

Nach den genannten Vorschriften ist für die Haftung dem Grunde nach auf die Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der am Unfall beteiligten Kraftfahrer und ihrer Fahrzeuge abzustellen. Die Abwägung aller unfallrelevanten Verschuldens- und Verursachungsanteile führt im vorliegenden Streitfall dazu, dass der Kläger 1/3, die Beklagten 2/3 der Unfallfolgen zu tragen haben.

Dabei hat das Gericht durch die Beweisaufnahme folgenden Sachverhalt festgestellt:

Am Unfalltag, dem […].08.2011, fuhr die Zeugin T[…] mit dem Pkw des Klägers auf dem G[…]ring. In Annäherung an die von rechts kommende Einmündung der F[…]straße sah die Zeugin T[…] hinter der Einmündung auf dem G[…]ring eine Baustelle und dachte zunächst, dass ein Vorbeifahren an dieser Baustelle nicht möglich sei, weshalb sie mindestens zweimal den rechten Fahrtrichtungsanzeiger betätigte. Den rechten Fahrtrichtungsanzeiger schaltete die danach wieder aus, weil sie dann sah, dass vor ihr auf dem G[…]ring fahrende Fahrzeuge die Baustelle passieren konnten. Die Beklagte zu 1), die mit ihrem Pkw Renault an der Einmündung der F[…]straße zum G[…]ring angehalten hatte, sah zunächst nach links in Richtung des herannahenden Pkw Audi. Sie sah dabei den rechten Fahrtrichtungsanzeiger zweimal blinken. Außerdem sah sie, dass die Zeugin T[…] die Fahrt verlangsamte. Danach blickte die Beklagte zu 1) nach rechts. Ohne sich nochmals nach links zu vergewissern, fuhr sie danach in den G[…]ring ein. Zwischenzeitlich hatte die Zeugin T[…] ihre Abbiegeabsicht aufgegeben, so dass es zu einer Kollision der beiden Fahrzeuge kam. Dieser festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Angaben der Beklagten zu 1) und der Zeugin V[…]. Die Zeugin V[…] hat angegeben, dass die Zeugin Laura T[…] mindestens zweimal den rechten Fahrtrichtungsanzeiger betätigt und die Fahrt verlangsamt hat. Die Beklagte zu 1) hat angegeben, dass die Zeugin T[…] den rechten Fahrtrichtungsanzeiger viermal hat blinken lassen. Im Gegensatz zur Angabe der Zeugin T[…] geht das Gericht davon aus, dass die Zeugin T[…] die Fahrt verlangsamt hat und mindestens zweimal rechts geblinkt hat. Die Beklagte zu 1) hat ferner bestätigt, dass sie sich vor dem Einfahren in den G[…]ring nicht nochmals nach links orientiert hat.

Die sich aufgrund dieser Sachverhaltsfeststellung ergebende Rechtsfrage, ob sich der Wartepflichtige auf ein Blinkzeichen des Pkw auf der vorrangigen Straße verlassen kann, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Pkw-Fahrer auf der Vorfahrtsstraße, der den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt, für den Wartepflichtigen einen Vertrauenstatbestand schafft, auf den sich der Wartepflichtige auch verlassen kann. Demgegenüber folgt das erkennende Gericht der Gegenmeinung (OLG Dresden, Versicherungsrecht 1995, S. 234, OLG Hamm, NZV2003, S. 414), nach der sich der Wartepflichtige allein auf den betätigten Fahrtrichtungsanzeigers des Pkw auf der vorrangingen Straße nicht verlassen darf; vielmehr muss der Wartepflichtige solange mit dem Einfahren in die Vorfahrtsstraße warten, bis er erkennen kann, dass der Pkw auf der vorrangigen Straße entsprechend dem gesetzten Fahrtrichtungsanzeiger auch wirklich abbiegen wird.

Tut der Wartepflichtige dies nicht, vertraut er also allein auf den gesetzten Fahrtrichtungsanzeiger, dann trifft ihn die überwiegende Haftung. Diese ist regelmäßig mit zwei Dritteln zu bemessen. So verhält es sich auch im Streitfall. Die Beklagte zu 1) hat sich allein auf den Fahrtrichtungsanzeiger der Zeugin T[…] verlassen. Sie hat dann nach rechts gesehen. Als aus dieser Richtung kein Verkehr mehr kam, ist sie dann losgefahren und in die vorrangige Straße eingefahren, ohne sich durch einen Blick nach links zu vergewissern, ob die Zeugin T[…] wirklich nach rechts in die F[…]straße einbiegt. Die Beklagte zu 1) trifft daher das überwiegende Verschulden. Aber auch die Zeugin T[…] hat durch das Betätigen des rechten Fahrtrichtungsanzeigers zum Unfall beigetragen. Ihre Mithaftung ist entsprechend den genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte mit einem Drittel zu bewerten.“

AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 407/11

Rechtscharakter und Pflichten eines Gerüststellungsvertrages bei unvorhergesehener Verlängerung

Durch das Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 1091/10) wurde zum Rechtscharakter eines Gerüststellungsvertrages und den sich hieraus ergebenden vertraglichen Pflichten im Falle einer unvorhergesehenen Verlängerung der Standzeit entschieden. Das Gericht stellte klar, dass ein Gerüststellungsvertrag in der Regel als Werkvertrag zu qualifizieren ist. Dies bedeutet, dass der Gerüstbauunternehmer verpflichtet ist, das Gerüst bis zur tatsächlichen Beendigung der Bauarbeiten bereitzustellen, selbst wenn dies über die ursprünglich geplante Bauzeit hinausgeht.

Im konkreten Fall hatte die Klägerin das Gerüst vorzeitig abgebaut, obwohl die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen waren und trotz Aufforderung der Beklagten, das Gerüst weiterhin bereitzustellen. Das Gericht betonte, dass Verzögerungen im Bauablauf zu den typischen Risiken gehören, die vom Gerüstbauunternehmer berücksichtigt werden müssen. Die Beklagte konnte daher berechtigt Schadensersatz wegen der durch den Abbau verursachten Bauverzögerungen und zusätzlichen Kosten geltend machen. Aufgrund dieser Vertragsverletzung wurde der Vergütungsanspruch der Klägerin durch die Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch der Beklagten vollständig erloschen.

Diese Entscheidung verdeutlicht die Notwendigkeit, dass Gerüstbauunternehmer bei der Planung und Ausführung ihrer Verträge flexibel auf Bauverzögerungen reagieren und die vertraglich vereinbarte Leistung entsprechend den tatsächlichen Erfordernissen des Bauvorhabens anpassen müssen.

Nachfolgende Instanzen:

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

[…]

gegen

Gemeinde C[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Bautzen durch Richter am Amtsgericht […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2011

für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vorder Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  4. Streitwert: […].

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die restliche Vergütung für die Gerüstgestellung.

Am 04.09.2009 schlossen die Parteien einen schriftlichen Vertrag, durch den sich die Klägerin verpflichtete, für das Bauvorhaben der Beklagten, nämlich die Renovierung der Grundschule in C[…], Gerüste zu erstellen und vorzuhalten. Grundlage des Vertrages vom 04.09.2009 war das Angebot der Klägerin vom 22.07.2009. Im Vertrag vom 04.09.2009 vereinbarten die Parteien, dass die Gerüste ab 16.09.2009 zur Verfügung gestellt werden sollten und bis Ende Juli 2010 vorgehalten werden sollten. Einzelfristen sollten sich nach dem Bauablaufplan richten. Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Vertrages vom 04.09.2009 Bezug genommen.

Nach dem Bauzeitenplan zum Vertrag sollten die Gerüstarbeiten bis 19.07.2010 andauern. Mit Schreiben vom 12.07.2010 kündigte die Klägerin an, die Gerüste zum 19.07.2010 abzubauen; gleichzeitig bot sie der Beklagten aufgrund des sich aus den Bauprotokollen ergebenden Umstandes, dass die Fassadendämmungs- und die Fassadenputzarbeiten längere Zeit in Anspruch nehmen würden, ein Nachtragsangebot über verlängerte Gerüststandzeiten an. Dieses Angebot nahm die Beklagte nicht an. Vielmehr verlangte sie mit Schreiben vom 16.07.2010 und 19.07.2010 das weitere Vorhalten des Gerüsts. Am 19.07.2010 baute die Klägerin das Gerüst ab. Mit Schlussrechnung vom 23.07.2010 berechnete sie der Klägerin unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Abschlagszahlungen einen Betrag von 2.161,52 € (Klageforderung). Diesen Betrag zahlte die Beklagte nicht.

Die Klägerin behauptet, sie habe den Vertrag vom 04.09.2009 fachgerecht erfüllt. Eine Abnahme ihrer Leistungen durch die Beklagte sei aufgrund der Eigenart der Leistung nicht erforderlich. Die Positionen NA02-01.01 und NA02-02.01 der Schlussrechnung schulde die Beklagte aufgrund des von ihr angenommenen 2. Nachtragsangebots vom 28.04.2010; auch diese Leistungen habe sie fachgerecht und mangelfrei erbracht. Zum vertraglich vereinbarten Gewährleistungseinbehalt, den sie in der Schlussrechnung nicht berücksichtigt habe, ist die Klägerin der Auffassung, dass die diesbezügliche Vereinbarung als allgemeine Geschäftsbedingung gegen § 307 BGB verstoße und daher unwirksam sei. Die Klägerin ist ferner der Rechtsauffassung, dass sie am 19.07.2010 das Gerüst habe abbauen dürfen, weil der Gerüstbauvertrag im Hinblick auf die vereinbarte Überlassungszeit als Mietvertrag einzuordnen sei mit der Folge, dass die Vorhaltung des Gerüsts nur bis 19.07.2010 von ihr geschuldet sei.

Die Klägerin [beantragt],

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.161,52 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (01.12.2010) und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 272,87 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass die Schlussrechnung vom 23.07.2010 nicht fällig sei, weil sie die Gerüstbauleistungen der Klägerin nicht abgenommen habe. Die in den Positionen NA02-01.01 und NA02-02.01 der Schlussrechnung berechneten Leistungen habe die Klägerin nicht erbracht. Weiter sei der vertraglich vereinbarte Gewährleistungseinbehalt, der nach der bereinigten Rechnung 328 € betrage, in Abzug zu bringen. Im Übrigen sei die Forderung der Klägerin erloschen durch Schadensersatzforderungen, mit denen sie aufrechnen könne. Dabei ist die Beklagte der Rechtsauffassung, dass der Gerüstbauvertrag auch bezüglich der Leistungszeit nicht als Miet-, sondern als Werkvertrag einzuordnen sei. Dies bedeute, dass die Klägerin das Gerüst bis zur Beendigung der Arbeiten an den Bauwerken vorzuhalten habe. Aus den auch der Klägerin zugeleiteten Bauberatungsprotokollen habe sich ergeben, dass im Juli 2010 die Fassadendämmungs- und Fassadenputzarbeiten noch nicht beendet gewesen seien. Daher habe die Klägerin die Gerüste über den 19.07.2010 auch ohne Nachtragsvereinbarung vorhalten müssen. Durch den vertragswidrigen vorzeitigen Gerüstabbau seien ihr folgende Schäden entstanden:

Die Fa. W[…] habe die Wärmedämmungsarbeiten im Juli 2010 wegen des Gerüstabbaus nicht fristgemäß vornehmen können. Bis zur Erstellung eines neuen Gerüsts durch die Gerüstbaufirma C[…] hätten sich die Wärmedämmungsarbeiten verzögert. Für die Verzögerung habe die Fa. W[…] gemäß Rechnung vom 23.08.2010 einen Betrag von 987,70 € berechnet. Es habe eine neue Gerüstbaufirma, nämlich die Fa. C[…], beauftragt werden müssen. Beim Architektenbüro E[…] seien hierfür gemäß Rechnung vom 25.08.2010 728,07 € zusätzlich angefallen. Schließlich habe die Fa. Gerüstbau C[…] mit dem Gerüstbau, den die Klägerin geschuldet habe, beauftragt werden müssen. Hierfür seien – bezogen auf die mit der Klägerin vertraglich vereinbarten Preise – Mehrkosten i.H.v. 1.695,52 € angefallen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen […] M[…] und […] P[…]. Auf Inhalt der Niederschrift vom 07.09.2011, Blatt 184 -193 d.A, wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im Ergebnis unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zwar einen Anspruch aus der Schlussrechnung vom 19.07.2010 (abzüglich der von der Beklagten bestrittenen Rechnungspositionen NA02-01.01 i.H.v. netto 120,70 € und NA02-02.01 i.H.v. netto 77,01 €). Der Restbetrag der Rechnung ist in dessen durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatz in gleicher Höhe erloschen.

Der Anspruch der Klägerin aus der Schlussrechnung vom 19.07.2010 ergibt sich aus § 631 BGB i.V.m. dem Bauvertrag vom 04.09.2009. Von einer gesonderten Abnahme der Gerüstbauleistungen der Klägerin ist die Fälligkeit des Rechnungsbetrages nicht abhängig. Wie die Klägerin ist das Gericht der Rechtsauffassung, dass es einer förmlichen Abnahme nicht bedurfte, weil eine solche zwingend vertraglich nicht vereinbart war. Vereinbart hatten die Parteien die Geltung der VOB/B. Nach § 5 Nr. 5 VOB/B gilt die Leistung als abgenommen mit Ablauf vom 12 Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung, wenn keine (förmliche) Abnahme verlangt wird. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass eine Abnahme verlangt wurde. Zwar ist keine gesonderte Fertigstellungsanzeige erfolgt. In der Schlussrechnung vom 19.07.2010 liegt indessen konkludent eine solche Anzeige, da die Beklagte nicht widersprochen hat.

Im Übrigen hat die Beklagte nicht bestritten, dass die Klägerin die in der Schlussrechnung aufgeführten Leistungen – abgesehen von zwei berechneten Zulagepositionen – mangelfrei und fachgerecht ausgeführt hat. Einen Anspruch auf Zahlung der Zulagepositionen NA02-01.01 und NA02-02.01 hat die Klägerin jedoch nicht. Unstreitig ist zwar, dass die Parteien mit den von der Beklagten angenommenen 2. Nachtragsangebot vom 28.04.2010 die Zulagepositionen vereinbart haben. Nicht bewiesen ist jedoch, dass diese Zulagepositionen auch wirklich angefallen sind. Der Zeuge P[…], der für die Beklagte als Bauleiter für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben tätig war, hat angegeben, dass diese Zulagepositionen durch ein Aufmaß – im Gegensatz zu den anderen Rechnungspositionen – nicht belegbar waren. Der Mitarbeiter der Klägerin, der Zeuge M[…], hat zwar angegeben, dass die ZusatzPositionen beim Altbau angefallen seien deswegen, weil sich die Standzeit über den 06.05.2010 hinaus verlängert habe, was zu einer Mengenüberschreitung über-10 % hinaus geführt habe. Der Zeuge P[…] hat demgegenüber angegeben, dass der Altbau zum Zeitpunkt des 2. Nachtragsangebots bereits saniert gewesen sei. Eine Sicherheitsleistung von 328 € kann die Beklagte von der Schlußrechnung der Klägerin nicht abziehen. Denndie Beklagte hat nicht vorgetragen, daß sie die Sicherheit gemäß § 17 Nr. 5 (1) VOB/B auf ein Sperrkonto eingezahlt hat.

Gegen den danach gegebenen Vergütungsanspruch der Klägerin hat die Beklagte mit einem Schadensersatzanspruch zulässigerweise aufgerechnet. Dem Grunde nach ergibt sich dieser Schadensersatzanspruch aus einer Pflichtverletzung der Klägerin, die darin bestand, dass die Klägerin am 19.07.2010 das Gerüst abbaute, obwohl die Beklagte ihr zuvor mit Schreiben vom 16.07.2010 mitgeteilt hatte, dass die Renovierungsarbeiten (Fassadendämmung und Fassadenputz) noch nicht beendet waren. Nach Rechtsauffassung des Gerichts hatte die Klägerin trotz der im Vertrag vom 04.09.2009 vereinbarten Fristen entsprechend dem Bauablaufplan das Gerüst auf entsprechendes Verlangen der Beklagten über den 19.07.2010 vorzuhalten.

Diese Verpflichtung für die Klägerin ergibt sich aus § 1 Nr. 4 VOB/B i.V.m. der Vergütungsregelung nach § 2 Nr. 6 VOB/B. Die Anwendung dieser Regelungen setzt rechtlich voraus, dass der (hier unstreitig vorliegende selbständige) Gerüstbauvertrag als Bauvertrag (Werkvertrag) eingeordnet wird, auf den die Bestimmungen der VOB/B auch hinsichtlich der Gerüststandzeiten anzuwenden sind. Diese rechtliche Einordnung ist indessen streitig. Im Einzelnen:

Teilweise wird vertreten, dass auf den selbstständigen Gerüstbauvertrag teilweise Miet-, teilweise Werkvertragsrecht Anwendung findet, und zwar dergestalt, dass sich das Auf-, Um- und Abbauen des Gerüsts nach Werkvertragsrecht beurteile; das Vorhalten des Gerüsts beurteile sich nach Mietvertragsrecht. Aus dieser rechtlichen Einordnung wird deswegen die Schlussfolgerung gezogen, dass das Gerüstbauunternehmen nicht verpflichtet sei, dass Gerüst über die vertraglich vereinbarte Zeit hinaus stehen zu lassen. Etwas anderes gelte nur, wenn die Vertragspartner ein vertragliches „Anordnungsrecht“ des Auftraggebers vereinbart haben, nach dessen Inhalt das Gerüstbauunternehmen das Gerüst nach Ablauf der vereinbarten Zeit vorhalten müsse (Volker Schmidt, Ausgewählte Probleme des Gerüstbauvertrags, NJW-Spezial 2011, S. 236 mit Nachweisen, insbesondere aus der Rechtsprechung; OLG Celle, Urteil v. 03.04.2007, Az: 16 U 267/06). Auf diese Rechtsauffassung stützt sich die Klägerin. Sie ist der Auffassung, dass sie zu dem im Vertrag vereinbarten Zeitpunkt, nämlich dem 19.07.2010, das Gerüst abbauen durfte, da die Beklagte das Nachtragsangebot über eine weitere Standzeit des Gerüsts nicht angenommen hat.

Die Beurteilung des vertraglich vereinbarten Vorhaltezeitraums nach Mietrecht begegnet indessen durchgreifenden Einwendungen. Denn der Vermieter schuldet die Überlassung der Mietsache als Hauptleistung. Demgegenüber bestimmt VOB/C, DIN 18451, Ziff. 4.1.1, dass die ersten 4 Wochen der Überlassung des Gerüsts als Nebenleistung gewährt wird. VOB/C ist auf den vorliegenden Streitfall anwendbar, weil die Parteien die Geltung der VOB/B vereinbart haben, die ihrerseits auf die VOB/C verweist. Weiter wird darauf hingewiesen, dass abweichend vom Mietvertragsrecht der Gerüstbauunternehmer beim selbstständigen Gerüstbauvertrag nicht nur die Überlassung des Gerüsts, sondern dessen Anpassung für die jeweiligen Erfordernisse der Einzeigewerke schuldet, also entsprechend dem Baufortschritt das Gerüst von ihm um- und anzupassen sei (Burkard Lotz, Der Gerüstbauvertrag und die gesetzlichen Sicherheiten, Baurecht 2000, S. 1806, Englert, Katzenbach, Motzke, Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil C, München 2008, DIN 18451, Vorbemerkung Anmerkung 2; OLG Köln, Baurecht 2000, S. 1874; OLG Karlsruhe, IBR 2006, S. 81). Die aus diesen Einwänden sich ergebende Schlussfolgerung, dass der selbstständige Gerüstbauvertrag dem Werkvertragsrecht insgesamt zuzuordnen ist, teilt auch das erkennende Gericht. Die rechtliche Einordnung des selbstständigen Gerüstbauvertrages als Werkvertrag entspricht zudem auch den Bedürfnissen der Praxis. Kaum ein Bauvorhaben wird zu den vorher geplanten Fertigstellungsterminen auch wirklich abgeschlossen. Bei der überwiegenden Anzahl der Bauvorhaben kommt es aus vorher nicht vollständig kalkulierbaren Umständen zu Verzögerungen. Dies weiß auch der Gerüstbauunternehmer. Alle Baubeteiligten müssen daher bei sorgfältiger Planung solche Verzögerungen berücksichtigen. Auch der Gerüstbauunternehmer muss daher mit einer Verlängerung der Vorhaltezeiten rechnen. Aufgrund dieser praktischen Gegebenheiten muss auf eine Standzeitverlängerung § 1 Nr. 4 VOB/B anwendbar sein (so zutreffend Englert, Katzenbach, Motzke, Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil C, DIN 18451, Anm. 119, 136). Dies hat zur Folge, dass der Gerüstbauunternehmer „auf Verlangen des Auftraggebers“ vertraglich nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, mit auszuführen hat, § 1 Nr. 4 VOB/B. Für den Gerüstbauunternehmer bedeutet dies, dass er auf Verlangen des Auftraggebers das Gerüst über die vertraglich bestimmte Zeit hinaus weiterhin vorzuhalten hat, und zwar so lange, bis die Arbeiten, denen das Gerüst nachdem Inhalt des Gerüstbauvertrages dient, abgeschlossen sind. Im Gegenzug kann der Gerüstbauunternehmer nach § 2VOB/B für die verlängerte Standzeit die vorgesehene Vergütung verlangen.

Im vorliegenden Streitfall hat die Beklagte als Auftraggeberin mit Schreiben vom 16.07.2010 eine verlängerte Gerüststandzeit vom Kläger verlangt. Diese nicht vereinbarte Leistung hatte der Kläger nach § 1 Nr. 4 VOB/B auszuführen, ohne sie vom Abschluss einer Nachtragsvereinbarung abhängig machen zu dürfen. Die Ausführung hat er abgelehnt, indem er am 19.07.2010 das Gerüst entgegen § 1 Nr. 4 VOB/B abgebaut hat. Der Kläger hat den der Beklagten durch den vertragswidrigen Gerüstabbau entstandenen Schaden zu ersetzen.

Der Höhe nach hat die Beklagte durch den vorzeitigen Gerüstabbau Mehraufwendungen i.H.v. 987,70 € für einen zusätzlichen Planungsaufwand ihrer Architekten (Rechnung v. 23.08.2010) und Mehrkosten für das ersatzweise bestellte Gerüst bei der Fa. Gerüstbau C[…] i.H.v. 1.695,52 € (Schlussrechnung v. 04.05.2011) beweisen können. Insoweit hat der Zeuge […] P[…] glaubhaft und nachvollziehbar angegeben, dass infolge des Gerüstabbaus die Fa. W[…] die Dämm- und Putzarbeiten nicht hat zum Anschluss bringen können. Da die Dämm- und Putzarbeiten noch abgeschlossen werden mussten, habe die Bauherrin, die Beklagte, eine neue Gerüstbaufirma suchen und beauftragen müssen. Das Architektenbüro habe deswegen Ausschreibungsunterlagen erstellen müssen und die daraufhin eingegangenen Angebote auswerten müssen. Die Auswertung habe der Beklagten zur Entscheidung vorgelegt werden müssen. Die zusätzlichen, der Beklagten berechneten Zeiten in der Rechnung vom 25.08.2010 sind plausibel und nachvollziehbar. Der Zeuge P[…] hat ferner angegeben, dass er als Schadensersatz nicht den gesamten, der Beklagten von der Fa. Gerüstbau C[…] berechneten Betrag berücksichtigt hat. Er habe vielmehr bei der Berechnung des Schadensersatzes nur diejenigen Positionen aus der Schlussrechnung der Fa. C[…] vom 04.05.2011 berücksichtigt, die den Verbindungsbau und den Schulergänzungsbau betrafen. Insoweit habe er die Positionen, die die Fa. R[…] vertraglich in Ansatz bringen durfte und die Positionen, die die Fa. C[…] in Ansatz gebracht hat, verglichen und den (höheren) Differenzbetrag als Schadensersatz berechnet. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden.

Eine Nachfristsetzung bedurfte es nicht. Mit Schreiben vom 16.07.2010 hat die Beklagte die Klägerin zur Verlängerung der Gerüststandzeit aufgefordert. Durch den Gerüstabbau vom 19.07.2010 hat die Klägerin gezeigt, dass sie diese Leistung endgültig ablehne.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 1091/10

Verurteilung eines Bestellers in einem Vergütungsprozess zur Zahlung der Vergütung Zug-um-Zug gegen Beseitigung bestehender Mängel und die daraus folgende Kostenentscheidung

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 10.8.2011 – 20 C 321/10) führt ein wirksames Zurückbehaltungsrecht eines Bestellers aufgrund einer mangelhaft durchgeführten Reparatur in einem Prozess auf Zahlung der Vergütung nicht zur Klageabweisung, sondern zur Verurteilung des Bestellers zur Zahlung der Vergütung Zug-um-Zug gegen Beseitigung der bestehenden Mängel.  Soweit der Besteller als Beklagter anstelle der vorgenannten Zug-um-Zug Verurteilung eine Klageabweisung beantragt, trägt er anteilig die Kosten des Verfahrens.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Zahlung einer Vergütung für eine Fahrzeugreparatur. Der Beklagte beauftragte den Kläger, verschiedene Reparaturen an seinem Pkw […] vorzunehmen. Nachdem der Kläger die Reparaturen vorgenommen hat, berechnete er dem Beklagten hierfür einen Betrag von 814,34 €. Einen Betrag i.H.v. 100,00 € zahlte der Beklagte; den Rest zahlte er nicht.

[…]

Dem Beklagten steht jedoch teilweise ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 III BGB zur Seite, weil der Kläger die Reparatur nicht mangelfrei ausgeführt hat. Das Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängel nach § 641 III BGB führt allerdings – im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Beklagten – nicht zur Klageabweisung. Vielmehr führt es im Vergütungsprozess zur Verurteilung zur Zahlung Zug-um-Zug gegen Behebung der bestimmt zu bezeichnenden Mängel (Palandt-Sprau, § 641 Anm. 17 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies hat zwar den Nachteil, dass die Prüfung der Frage, ob die Mängel ordnungsgemäß beseitigt wurden, in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert wird, was unpraktikabel ist. Dieser Nachteil ist allerdings hinzunehmen, weil nach dem Gesetz der Vergütungsanspruch auch bei einem mangelhaften Werk fällig werden kann und damit die Vorleistungspflicht des Unternehmers zur Herstellung des Werks endet.

[…]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte insoweit unterlegen ist, als er Klageabweisung (statt Verurteilung Zug-um-Zug gegen Mängelbeseitigung) beantragt hat und nicht alle von ihm behaupteten Mängel beweisen konnte.“

AG Bautzen, Urteil vom 10.8.2011 – 20 C 321/10

Zu den Voraussetzungen der Berechnung eines Bereicherungsanspruchs nach erbrachten Werkleistungen an einer Immobilie ohne nachweisbare vertragliche Grundlage

Durch das Landgericht Bautzen (LG Bautzen, Beschluss vom 10.8.2011 – 2 O 165/09) wurde hierzu entschieden:

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91 a ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.

Haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht gemäß § 91 a ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen.

Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens wie tenoriert zu quoteln.

Die Klägerin konnte das Bestehen vertraglicher Ansprüche nicht beweisen, da sie das Zustandekommen wirksamer Verträge nicht beweisen konnte. […]

Es hat allerdings nach bisherigem Sach- und Streitstand ein Bereicherungsanspruch in Höhe von 1.259,13 € bestanden.

Die Werkleistungen wurden „durch Leistung“ der Klägerin erlangt. Denn diese handelte in dem Glauben, hierzu der GbR gegenüber verpflichtet zu sein. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Klägerin beide der GbR gehörenden Wohnungen renoviert hat, und zwar nicht für den Gesellschafter […], sondern für die GbR. […]

Der Bereicherungsanspruch ist nicht gem. § 814 BGB wegen Leistung in Kenntnis der Nichtschuld ausgeschlossen. Die Beklagten behaupten nicht, die Klägerin habe gewusst, dass keine wirksamen Werkverträge geschlossen worden seien. Zudem hat die Beweisaufnahme gezeigt, dass die Klägerin in dem Glauben handelte, zu den Sanierungen der GbR gegenüber vertraglich verpflichtet gewesen zu sein.

Gemäß § 818 Abs. 2 BGB ist Wertersatz zu leisten. Für die Höhe des Bereicherungsanspruchs kommt es vorliegend nicht auf die objektiv bemessene Steigerung des Verkehrswertes des Grundstücks an. Zwar stellt die Rechtsprechung des BGH beim Bau auf fremdem Grund und Boden grundsätzlich auf eine solche Wertermittlung ab. Eine solche Wertermittlung würde jedoch nicht den Grundsätzen von Treu und Glauben entsprechen. Die Bereicherungsansprüche gehören dem Billigkeitsrecht an und stehen daher im besonderen Maße unter den Grundsätzen von Treu und Glauben (vgl. BGH Urteil vom 26. 04. 01, Aktenzeichen VIIZR 222/99, zitiert nach JURIS). Auch bei Renovierung einer Mietwohnung durch den Mieter in Unkenntnis der Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel ist nicht auf die dadurch eingetretene Wertsteigerung, sondern auf den Wert der erbrachten Dienst- oder Werkleistung abzustellen (vgl. BGH Urteil v. 27.5.2009, AZ: VIII ZR 302/07).

Vorliegend glaubte sich die Klägerin ebenfalls zur Werkleistung verpflichtet.

Die von der Klägerin angesetzten Preise werden von den Beklagten nicht substantiiert angegriffen, so dass diese herangezogen werden können.

Teilweise mit Erfolg berufen sich die Beklagten auf den Einwand der aufgedrängten Bereicherung. Dieser führt zu einer dreifachen Beschränkung des Bereicherungsanspruchs:

Erstens wäre die Haftung auf den jeweiligen Anteil der Beklagten am Gesellschaftsvermögen beschränkt gewesen.

Zweitens war hinsichtlich solcher Leistungen, deretwegen die vormaligen Mieter verurteilt wurden und nun ratenweise gezahlt wird, der Bereicherungsanspruch zu kürzen.

Drittens bestand der Bereicherungsanspruch nur hinsichtlich solcher Leistungen, die zur Wiederherstellung der Vermietbarkeit unbedingt erforderlich waren. Gemäß § 744 Abs. 2 BGB ist jeder Teilhaber eines gemeinschaftlichen Gegenstandes berechtigt, die zur Erhaltung des Gegenstandes notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilhaber zu treffen; er kann verlangen, dass diese ihre Einwilligung zu einer solchen Maßregel im Voraus erteilen.

Notwendige Erhaltungsmaßregeln sind solche, die im Interesse der Gemeinschaft zur Erhaltung der Substanz oder des wirtschaftlichen Wertes im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung aus der Sicht eines vernünftigen Teilhabers erforderlich sind; entscheidend ist ein wirtschaftlicher Maßstab unter Berücksichtigung der auch finanziellen Zumutbarkeit für die Teilhaber. Da die GbR vorliegend unstreitig über keine finanziellen Mittel verfügte, kann als notwendige Erhaltungsmaßregel nur das anerkannt werden, was zur Wiederherstellung der Vermietbarkeit unbedingt erforderlich war.

Bei ungerechtfertigter Bereicherung haftet jeder Gesellschafter auf den vollen Betrag, den die GbR nach § 812 BGB schuldet (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 70. Aufl. § 714 Rn. 13). […]“

LG Bautzen, Beschluss vom 10.8.2011 – 2 O 165/09

Keine Wertminderung für ein mehr als fünf Jahre altes Fahrzeug

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Dresden (AG Dresden, Urteil vom 22.7.2011 – 112 C 2416/11) hat der Geschädigte beim Verkehrsunfall grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung einer Wertminderung, wenn sein Fahrzeug älter als fünf Jahre ist.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger kann nicht gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1 und Abs. 2, 251 BGB, 115 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 WG, 1 PflVersG von der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalles vom […].[…].2010 weiteren Schadenersatz beanspruchen.

Zu Gunsten des Klägers greift der Haftungstatbestand aus § 7 Abs. 1 StVG ein, da im Sinne dieser Vorschrift „bei dem Betrieb“ des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw […] eine Sache des Klägers, nämlich sein Pkw […], beschädigt wurde.

Der Fahrer oder die Fahrerin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges haben den Unfall auch allein zu vertreten, sodass kein Haftungsausschluss nach § 17 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 StVG in Betracht kommt. Das steht zwischen den Parteien außer Streit.

Jedoch kommen weitere Schadenersatzansprüche des Klägers nach den §§249 Abs. 1 und Abs. 2, 251 BGB nicht in Betracht, da dieser hier nur noch als Hauptforderung eine merkantile Wertminderung begehrt, die aber angesichts des Alters des Klägerwagens ausgeschlossen ist. Der Klägerwagen war im Zeitpunkt des Unfalles vom […].[…].2010 unstreitig mehr als fünf Jahre alt. Bei einem derartigen Fahrzeugalter ist eine merkantile Wertminderung in der Regel ausgeschlossen (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 68. Auflage 2008, Rn 14 zu § 251 BGB m.w.N.).

Zwar ist die vorgenannte Altergrenze keine starres Limit. Auch bei Fahrzeugen, die älter als fünf Jahre sind, kann ausnahmsweise eine merkantile Wertminderung in Betracht kommen, und zwar dann, wenn das Alter durch außergewöhliche den Fahrzeugwert positiv beeinflussende verkehrswesentliche Eigenschaften kompensiert wird (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O.).

Ist beispielsweise die genannte Altersgrenze von 5 Jahren nur geringfügig überschritten, kann eine Fahrleistung, die für fünfjährige Fahrzeuge als unterdurchschnittlich anzusehen ist, oder auch eine außergewöhnliche Verbesserungsinvest[i]tion – wie etwa ein neuer Motor- zu einer solchen Kompensation führen.

Im Falle des Klägers und seines unfallbeteilten Pkw kann von einem solchen Kompensationseffekt aber nicht ausgegangen werden. Der klägerische Pkw Audi war am […].[…].2002 erstzugelassen worden und befand sich damit im Zeitpunkt des Unfalles schon im neunten Zulassungsjahr. Er hatte zur Unfallzeit außerdem bereits 82.808 km zurückgelegt, und befand sich, als er auf den Kläger zugelassen wurde, auch nicht mehr in erster Hand (vgl. insoweit Gutachten des Kfz-Sachverständigenzentrums […]) Es ist außerdem nicht ersichtlich, dass an dem Wagen außergewöhnliche Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt worden sind.

Die Klage musste demnach insgesamt der Abweisung unterliegen.“

AG Dresden, Urteil vom 22.7.2011 – 112 C 2416/11

Keine Unwirksamkeit einer Nebenkostenabrechnung bei fehlerhafter Angabe der Vorauszahlungen

Nach dem Beschluss des Amtsgerichts Dresden (AG Dresden, Beschluss vom 3.7.2011 – 141 C 8233/10) ist eine Nebenkostenabrechnung nicht unwirksam, wenn in ihr durch den Vermieter keine oder eine falsche Nebenkostenvorauszahlung des Mieters aufgeführt wird.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Der Beklagte war Mieter einer Wohnung im Anwesen […]. In den Mietvertrag, der auf die Heiz-, Warmwasser- und Betriebskosten gemäß § 2 BetrKV monatliche Vorauszahlungen des Beklagten in Höhe von 110 EUR vorsah, ist die Klägerin […] durch Erwerb des Eigentums an der Wohnung eingetreten.

Mit Schreiben vom [..].12.2009 […] übermittelte die Hausverwaltung der Klägerin an den Beklagten eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008, die „abzüglich angeforderte Vorauszahlungen“ von 0 EUR eine Nachzahlung von 907,81 EUR auswies. Der Beklagte erhob innerhalb eines Jahres nach Zugang der Abrechnung keine Einwendungen gegen die Abrechnung, zahlte jedoch lediglich 27,81 EUR auf die Betriebskostennachforderung.

Die Klägerin mahnte restliche 880 EUR zuzüglich einer Mahngebühr von 2,56 EUR zunächst mit Schreiben ihrer neuen Hausverwaltung vom 26.10.2010, später mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.11.2010 vergeblich an. Mit ihrer Klage macht sie neben ihrer Restforderung von 880 EUR vorgerichtliche Mahnkosten für die Mahnung der Hausverwaltung vom 26.10.2010 in Höhe von 2,50 EUR und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 50,70 EUR geltend.

Der Beklagte behauptet, er habe Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 880 EUR an den Vorvermieter gezahlt. Weil die Klägerin diese Vorauszahlungen in ihrer Betriebskostenabrechnung nicht berücksichtigt habe, sei ihre Betriebskostenabrechnung unwirksam. Im Hinblick auf den von ihm beabsichtigten Klageabweisungsantrag beantragt der Beklagte Prozesskostenhilfe.

II.

Die Rechtsverteidigung des Beklagten bietet nur hinsichtlich der von der Klägerin pauschal geltend gemachten vorgerichtlichen Mahnkosten von 2,50 EUR hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sich aus dem Klagevorbringen nicht ergibt, dass sich der Beklagte bereits am [..].10.2010 mit der Erfüllung der Nachzahlungsforderung im Verzug befunden hat. Weil der Beklagte aufgrund der von ihm dargelegten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist, die Kosten seiner Rechtsverteidigung aus eigenen Mitteln zu bestreiten, ist ihm insoweit gemäß § 114 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Im Übrigen hat die Rechtsverteidigung des Beklagten jedoch keine Aussicht auf Erfolg, weil seine Einwendungen nicht geeignet sind, den von der Klägerin schlüssig dargelegten Anspruch auf restliche Betriebskostennachzahlung von 880 EUR aus der Betriebskostenabrechnung vom […].12.2009 in Verbindung mit dem Mietvertrag und § 556 Abs. 3 BGB sowie auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280, 286 Abs. 1 BGB zu Fall zu bringen. Insbesondere ist die Betriebskostenabrechnung der Klägerin vom […].12.2009 nicht deswegen ein „rechtliches Nullum“, weil in ihr keine Verrechnung mit Betriebskostenabrechnungen des Beklagten stattgefunden hätte. An dem für eine wirksame Betriebskostenabrechnung konstitutiven Abzug von Vorauszahlungen des Beklagten fehlt es nicht deswegen, weil die Betriebskostenabrechnung diesen Abzugsbetrag – möglicherweise inhaltlich unzutreffend – mit Null ausweist. Selbst wenn der Beklagte an den Vorvermieter 2008 Vorauszahlungen von insgesamt 880 EUR geleistet hätte, würde die formelle Wirksamkeit der Abrechnung als solche hierdurch nicht in Frage gestellt. Denn die Möglichkeit des Beklagten, die Richtigkeit des Abzuges von 0 EUR Vorauszahlungen vor dem Hintergrund seines Wissens um die von ihm geleisteten Vorauszahlungen rechnerisch nachzuprüfen, wäre durch einen solchen Fehler nicht beeinträchtigt (vgl. zur Abgrenzung von inhaltlicher Unrichtigkeit und formeller Unwirksamkeit einer Betriebskostenabrechnung auch BGH, Urteil vom 18.11.2008, VIIIZR 295/07, zitiert nach juris, Tn. 22). Ob die Vorauszahlungen des Beklagten mit „0 EUR“ oder mit einem anderen Betrag ausgewiesen sind, macht für die Abgrenzung der form eilen Unwirksamkeit einer Betriebskostenabrechnung von einem bloßen inhaltlichen Fehler keinen Unterschied.

Die Berufung auf eine etwaige inhaltliche Unrichtigkeit der Abzugsposition „Vorauszahlungen“ ist dem Beklagten gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB abgeschnitten. Der dieser Vorschrift zugrunde liegende Rechtsgedanke, im Interesse des Rechtsfriedens in absehbarer Zeit nach einer Betriebskostenabrechnung für Klarheit über die wechselseitig geltend gemachten Ansprüche zu sorgen, greift auch dann, wenn in einer Betriebskostenabrechnung die Vorauszahlungen des Mieters unrichtig ausgewiesen sind (vgl. LG Köln, Urteil vom 06.11.2008, 6 S 439/07, zitiert nach juris, Tn. 8 f.).“

AG Dresden, Beschluss vom 3.7.2011 – 141 C 8233/10

Voraussetzungen für die Beurteilung eines Unternehmers als Kaufmann

Das Landgericht Braunschweig (LG Braunschweig, Beschluss vom 21.6.2011 – 6 O 944/11) entschied in seinem Beschluss zur örtlichen Zuständigkeit, dass ein Unternehmer, der nicht im Handelsregister eingetragen ist, sein Gewerbe von seinem Wohnsitz aus betreibt und in der Selbstauskunft gegenüber dem Vertragspartner einen Umsatz von null Euro angab, im Rahmen eines Gerichtsprozesses nicht als Kaufmann im Sinne des § 1 HGB eingestuft werden kann. Eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung ist damit unwirksam.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Eine  örtliche  Zuständigkeit  im   hiesigen   Bezirk  ist   nicht  gegeben.  Vielmehr  hat  der Beklagte  seinen  Wohnsitz  und   damit  seinen  allgemeinen  Gerichtsstand  im  Landgerichtsbezirk  […].  Die in den  Leasingbedingungen der Klägerin enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung entfaltet keine Wirkung, weil der Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein  Kaufmann im Sinne des § 1 Abs. 1 HGB war. Ein Indiz dafür ist  bereits die fehlende Eintragung im Handelsregister. Entscheidende Bedeutung hat
dagegen der Inhalt der Selbstauskunft, deren Ablichtung von Klägerseite als Anlage K […] vorgelegt worden ist. Sämtliche Angaben zu Umsatz und Vermögen sind dort mit 0,00 Euro vermerkt worden. Mit diesem Inhalt hat die Leasinggeberin die Auskunft akzeptiert,  sodass sie auch jetzt daran festhalten  lassen muss. Die Auskunft lässt den unmittelbaren Schluss zu, dass das Unternehmen nach Art oder Umfang  keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderte, insbesondere weil es keinen Umsatz machte. Im  Übrigen lässt die Selbstauskunft auch erkennen, dass keine gesonderte Betriebsstätte vorhanden war, sondern offensichtlich die Unternehmensberatung von der Wohnanschrift des Beklagten aus betrieben wurde.“

LG Braunschweig, Beschluss vom 21.6.2011 – 6 O 944/11