Grenzen der Erstattung von Mietwagenkosten nach Verkehrsunfällen

Nach dem Urteil des Landgerichts Görlitz Außenkammern Bautzen vom 28. Februar 2024 (Az. 5 O 502/22) kann ein Geschädigter nicht die Kosten für einen Mietwagen für einen längeren Zeitraum bis zur Auslieferung eines Neufahrzeugs beanspruchen, wenn die Möglichkeit besteht, ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug in einem deutlich kürzeren Zeitraum anzuschaffen.

In der Schadensregulierung nach Verkehrsunfällen besteht der Grundsatz, dass der Geschädigte Anspruch auf Ersatz notwendiger Aufwendungen hat, um den Zustand vor dem Unfall wiederherzustellen. Dazu gehören auch die Kosten für einen Mietwagen gehören, falls das Fahrzeug repariert wird oder ein Ersatzfahrzeug beschafft werden muss.

Das Landgericht Görlitz legt in seinem Urteil fest, dass die Erstattung der Mietwagenkosten auf den Zeitraum begrenzt ist, der notwendig ist, um ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Ein Geschädigter kann also nicht die Kosten für die Miete eines Wagens für die gesamte Dauer bis zur Auslieferung eines neu bestellten Fahrzeugs verlangen, wenn ein vergleichbares Ersatzfahrzeug schneller verfügbar wäre.

Dieses Urteil spiegelt das allgemeine Prinzip der Schadensminderungspflicht wider. Es wird erwartet, dass der Geschädigte angemessene Anstrengungen unternimmt, um den Schaden gering zu halten. In diesem Fall bedeutet das, dass der Geschädigte ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug in einem angemessenen Zeitraum beschaffen sollte, anstatt auf die Auslieferung eines Neufahrzeugs zu warten, was möglicherweise länger dauert und höhere Kosten verursacht.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

gegen

1. […]

– Beklagte –

2. […] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
[…]

Unterbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz […]

am 28.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 808,05 Euro zu zahlen nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz des BGB seit dem 01.02.2022.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 86 % und die Beklagten zu 14 %
zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 6.081,47 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in An-
spruch.

Am 17.05.2021 ereignete sich in Bautzen auf der August-Bebel-Straße in Höhe der Hausnummer 10 ein Verkehrsunfall unter Beteiligung des Pkw Peugot M der Klägerin und des Busses der Beklagten zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

Der Unfall wurde allein durch den Bus verursacht.

An dem Fahrzeug der Klägerin entstand Totalschaden. Die Klägerin beauftragte ein Schadensgutachten, welches am 25.05.2021 erstellt wurde […].

Am 27.05.2021 entschied sich die Klägerin, als Ersatzfahrzeug einen Neuwagen zu bestellen. Dieser wurde am 05.10.2021 an die Klägerin ausgeliefert. Für die Zeit bis zum 04.10.2021 mietete die Klägerin ein Ersatzfahrzeug an. Der Autovermieter berechnete ihr dafür 7.021,00 Euro brutto […]. Die Beklagten regulierten Mietwagenkosten im Umfang von 944,53 Euro. Den Differenzbetrag macht die Klägerin geltend.

Die Klägerin trägt vor, das Neufahrzeug habe ihr Verkäufer seinerseits bereits vor dem Unfalltage bestellt und es sei eine baldige Auslieferung zugesichert worden. Aufgrund von Lieferengpässen konnte jedoch das Neufahrzeug auch an ihren Verkäufer erst später ausgeliefert werden.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.081,47 €
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz p.a. seit dem 01.02.2022 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 160,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagten beantragen:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten tragen vor, dass ein Wiederbeschaffungszeitraum von 29 Tagen ausreichend gewesen wäre. Die erforderlichen und erstattungsfähigen Kosten für eine Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeuges für 29 Tage würde sich auf 944,53 Euro belaufen. Damit sei der erstattungsfähige Schaden reguliert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen und auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten nach dem Verkehrsunfall vom 17.05.2021 Anspruch auf Zahlung weiterer 808,02 Euro nebst Verzinsung (§§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG, § 115
VVG).

Im übrigen war die Klage abzuweisen.

Unstreitig haften die Beklagten für unfallbedingte Schäden der Klägerin zu 100 %.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten für die Dauer von 29 Tagen, und zwar in Höhe von 808,05 Euro.

Der Betrag des Schadenersatzes wird geschätzt (§ 287 ZPO).

Über den Zeitraum von 29 Tagen hinaus, den die Beklagten zugestanden haben, durfte die
Klägerin unfallbedingt einen Mietwagen nicht nehmen. Soweit sie darüber hinaus einen
Mietwagen genommen hat, sind die damit verbundenen Kosten nicht mehr unfallbedingt.

Der Zeitraum von 29 Tagen war ausreichend, um ein vergleichbares Ersatzfahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu finden. Zunächst durfte die Klägerin abwarten, bis ihr das
Schadensgutachten vom 25.05.2021 vorlag. Danach durfte sie überlegen, wie sie weiter
vorgehen will. Anschließend war von einer Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen
auszugehen. Dieser Aufwand kann aufgrund des Gutachtens geschätzt werden, das die
Klägerin eingeholt hat […]. Dort wird ein Wiederbeschaffungszeitraum von 14 Tagen
ausgewiesen.

Wenn sich der Geschädigte, wie vorliegend die Klägerin, dazu entschließt, ein Ersatzfahrzeug nicht auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu erwerben, sondern ein Neufahrzeug bestellt, so trägt er das Risiko, dass eine derartige Ersatzbeschaffung länger dauert, als die Ersatzbeschaffung auf dem Gebrauchtwagenmarkt selbst. Denn er hat – lediglich – Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wäre der Unfall nicht passiert. Wäre der Unfall nicht passiert, hätte die Klägerin ein Fahrzeug vom Typ Peugot M gehabt, mit einer Laufleistung von 42.272 km bei einer Erstzulassung vom 21.01.2019. Ein solches Fahrzeug wieder zu beschaffen, hätte etwa zwei Wochen gedauert (so die sachverständige Einschätzung […]).

Der erforderliche Aufwand für einen Mietwagen wird geschätzt – auf Grundlage der
Frauenhofer-Erhebung für 2021 – mit einem Aufschlag von 30 %.

Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 12.02.2024 aus der Frauenhofer-Tabelle zitierten
Daten sind zutreffend und unstreitig. Der Berechnung sind außerdem zutreffend die Daten
aus der Frauenhofer-Erhebung für 4 mal 7 Tage plus einen Tag zugrunde zu legen. Es ist
auch richtig, die Fahrzeugklasse VI zugrunde zu legen. Dies wird bestätigt durch das
Schadensgutachten […].
Für den Zeitraum von 29 Tagen ermittelt sich damit ein Aufwand für einen Mietwagen in Höhe von 1.752,58 Euro. Hiervon haben die Beklagten 944,53 Euro reguliert, sodass noch ein Schadensbetrag von 808,05 Euro offen bleibt.

Die unfallbedingten und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben die Beklagten bereits vollständig reguliert. Sie sind dabei zutreffend von einem Gegenstandswert bis 16.000,00 Euro ausgegangen. Die von der Klägerin geltend gemachte Differenz von 160,88 Euro beruht darauf, dass sie von einem Gegenstandswert für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten von 22.000,00 Euro ausgegangen ist.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 3
ff. ZPO.“

LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22

Angemessenheit der Sachverständigenkosten gemäß BVSK-Honorarbefragung und Honorartabelle der HUK-Coburg bei Schadengutachten nach Verkehrsunfällen

Das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 21. Februar 2024 (23 C 518/23) betrifft die Erstattung von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Im Kern ging es darum, ob die geltend gemachten Kosten für ein Schadengutachten nach einem Verkehrsunfall angemessen und erstattungsfähig sind. Das Gericht bestätigte, dass die Kosten angemessen waren, da sie sich im Rahmen der Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg bewegten. Es wurde entschieden, dass die beklagte Versicherung den restlichen Betrag der Sachverständigenkosten zu zahlen hat.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Vergütungsforderung

hat das Amtsgericht Bautzen […] im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO am 21.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt , an den Kläger 317,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinsssatz hieraus seit dem 22.10.2023 zu zahlen
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 317,46 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht restlichen Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 05.09.2023 in Schirgiswalde zugetragen hat. Die 100 %-ige Einstandspflicht der Beklagten für alle unfallbedingten Schäden ist unstreitig.

Gegenstand dieses Rechtsstreits sind allein restliche Sachverständigenkosten in Höhe der
Klageforderung.

In einer Vereinbarung des Geschädigten mit dem Kläger vom 06.09.2023 […] ist – auszugsweise – geregelt

„Aus Anlass des oben beschriebenen Schadenfalles beauftrage ich das oben genannte Kfz-Sachverständigenbüro, ein Gutachten zur Schadenhöhe zu erstellen. Das Sachverständigenbüro berechnet sein Honorar in Anlehnung an die Schadenhöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg einschließlich Nebenkosten.
Das Kfz-Sachverständigenbüro ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offen zu legen und den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Kfz-Sachverständigenbüros aus dem Sachverständigenvertrag gegen mich nicht berührt.
Es kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet . Eine Inanspruchnahme meinerseits erfolgt nur Zug-um-Zug gegen Rückabtretung der noch offenen Forderung.“

Der Geschädigte beauftragte den Kläger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Dieser fertigte das Gutachten am 13.09.2023 […] und stellte dem Geschädigten hierfür 833,24 € brutto in Rechnung. Die Rechnung beinhaltet folgende Abrechnungspositionen:

Pos Beschreibung / Einzelpreis Gesamtpreis

1. KfZ-Schadensgutachten 1 625,00 € 625,00 €
-Datenerfassung
– Fahrzeugbeschädigungen aufnehmen
– Altschäden fotografieren u. dokumentieren
– Festlegung wirtschaftlichster Reparaturweg
– Erstellung Schadenskalkulation
– Ermittlung Wiederbeschaffungswert

2. Lichtbilder 10 Stück 2,00 € 20,00 €
3. Fahrtkosten 6 Km 0,70 € 4,20 €
4. Schreibkosten (pauschal) 1 21,00 € 21,00 €
5. Porto & Telefon ( pauschal) 1 9,00 € 9,00 €
6. Restwertermittlung 1 pauschal 21,00 € 21,00 €
Gesamtbetrag ohne MwSt. 700,20 €
19 % MwSt 133,04 €
Gesamtbetrag incl. MwSt 833,24 €

Die Beklagte zahlte hierauf bislang 515,78 € .

Der Kläger geht davon aus , dass die abgerechnete Vergütung angemessen , orts- und marktüblich ist, da sowohl von dem Honorartableau der HUK -Coburg ( = 846,09 € ) sowie den Ergebnissen der Honorarbefragung 2020 des BVSK ( Korridor 710,50 € – 780,50 € zzgl. MwSt ) als maßgeblichen Orientierungshilfen gedeckt .

Der Kläger beantragt
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 317,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 22.10.2023 zu zahlen.

Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen

Die Aktivlegitimation wird bestritten: Die Abtretungsvereinbarung sei unwirksam, da gegen das Transparenzgebot verstoßend. Im übrigen seien alle berechtigten Ansprüche mit der vorprozessualen Zahlung abgegolten , der darüberhinausgehende Betrag sei nicht erforderlich iSd. § 249 BGB , wie sich aus dem eigenen Prüfbericht ergebe […] . Das Grundhonorar sei nach tatsächlich angefallenem Zeitaufwand zu ermitteln, wie es z.B. die DEKRA mache, vgl. auch die Stellungnahme der Firma Logicheck […]; hinsichtlich der Nebenkosten sei eine Orientierung am JVEG vorzuziehen. Schreibkosten und Restwertermittlung seien durch das Grundhonorar mit abgedeckt , die Schreibkosten im übrigen übersetzt.

Zum Sach- und Streitstand wird im übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen .

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der restlichen Kosten des
Sachverständigengutachtens in Höhe von weiteren 317,46 € aus den §§ 7 , 18 StVG, 398,
249 S. 2 BGB iVm. § 287 ZPO zu.

1. Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich aus der vom Geschädigten am 06.09.2023 unterschriebenen Abtretungserklärung […]. Anders als die Beklagte meint, verstößt die zur Abtretung getroffenen Regelungen nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 (1) S. 2 BGB. Insbesondere ist diese hinreichend bestimmt: Sie enthält Name und Anschrift des Geschädigten und des Unfallgegners, die Kennzeichennummern des Unfallgegners und die namentliche Nennung der Beklagten als Krafthaftpflichtversicherung mit Versicherungs- und Schadensnummer. Inhaltlich ist klar und an sich unmissverständlich geregelt, dass das
Sachverständigenbüro berechtigt ist , den abgetretenen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen sowie, unter welchen Voraussetzungen der Geschädigte gleichwohl in Anspruch genommen werden kann . Das Gericht teilt im übrigen die Auffassung des Klägervertreters, dass die von der Beklagtenseite zitierten Entscheidungen nicht einschlägig sind.

2. Ob der Herstellungsaufwand erforderlich iSd. § 249 (2) S. 1 BGB ist, bemisst sich nach der gängigen Rechtsprechung zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung danach, ob im Rahmen einer Plausibilitätsbetrachtung das vereinbarte Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist und wenn ja, diese deutliche Überhöhung für den geschädigten Laien erkennbar ist/ sein musste.

Ausgangspunkt für den erforderlichen Herstellungsaufwand ist vorliegend die Honorarvereinbarung, die hierzu korrespondierende, vom Zedenten nicht beglichene Rechnung als auch der Parteivortrag, § 287 ZPO .

Die Parteien haben eine Honorarvereinbarung dahin geschlossen , dass das Sachverständigenbüro sein Honorar in Anlehnung an die Schadenshöhe gemäß Honorartabelle des BVSK und der HUK-Coburg zzgl. der erforderlichen Nebenkosten abrechnet […].

Das abgerechnete Grundhonorar i.H.v. 743,75 € brutto bewegt sich sowohl im Korridor der Honorartabelle des BVSK wie auch dem Honorartableau der HUK Coburg, mithin mehrerer im Rahmen des § 287 ZPO von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannter Orientierungswerte und Maßstäbe : Auch das hiesige Gericht orientiert sich hieran. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die abgerechnete Vergütung aus Sicht des erkennenden Gerichts keine Bedenken, bereits eine deutliche Überhöhung liegt damit nicht vor. Selbst wenn man dies anders sähe: es fehlt an Vortrag, weshalb das abgerechnete Honorar dem Geschädigten als objektiv deutlich überhöht dem Geschädigten hätte subjektiv erkennbar sein müssen.

Für das erkennende Gericht besteht kein Anlass , bei der Prüfung der Höhe der Gutachterkosten im Rahmen des § 287 ZPO von diesen zulässigen und anerkannten Schätzgrundlagen abzuweichen: Ob eine andere Berechnungsgrundlage, z.B. nach Zeitaufwand, auch möglich oder sogar vorzuziehen sein könnte, kann auch deshalb dahinstehen, als die Erkennbarkeit einer objektiv deutlichen Überhöhung – die hier nicht vorliegt – auf subjektiver Ebene bei dem Geschädigten, der in der Regel abrechnungstechnischer Laie ist, allenfalls bei einem krassen, sich geradezu aufdrängenden Missverhältnis angenommen werden könnte.

3. Dem Kläger steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der abgerechneten Nebenkosten zu .

Auch hinsichtlich der beanstandeten Nebenkosten steht einem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz insoweit zu, soweit sie objektiv nicht deutlich überhöht sind und dies für den Geschädigten subjektiv erkennbar waren. Hierzu ist nach der höchstrichterlichen Rspr. eine Orientierung auch anhand der Vorgaben des JVEG im Rahmen des § 287 ZPO anerkannt (BGH vom 26.04.2016, VI ZR 50/15). Deshalb orientiert sich auch das erkennende Gericht hieran: Die abgerechneten Nebenkosten entsprechen im Ergebnis den insoweit aus Sicht eines durchschnittlichen Unfallbeteiligten erwartbaren Sätzen . Danach ergibt sich folgendes:

a) Die Position Schreibkosten (pauschal) ist iHv. 21,00 € zzgl. MwSt. zu erstatten: Das Gutachten umfasst (ohne Lichtbilder) 12 Seiten. Bei Schreibkosten iHv 1,80 € / Seite (vgl. LG Bremen Urteil vom 02.09.2016 , 3 S 289/15) ist die Höhe der Pauschale im Ergebnis von § 12 (1) S. 2 Nr. 3 JVEG gedeckt.

b) Ebenfalls zu erstatten sind die Kosten der Restwertermittlung iHv 21,00 € zzgl. MwSt : Das Gericht teilt nicht die Rechtsauffassung der Beklagten, dass diese Kosten vom Grundhonorar mit abgedeckt sind . Der Umfang einer Restwertermittlung ist stark abhängig vom jeweiligen Einzelfall und geht über die allgemeine Feststellung eines Fahrzeugschadens hinaus . Abgesehen davon ist für einen Geschädigten nicht erkennbar , dass Restwertermittlungskosten in einem Grundhonorar enthalten sein könnten.

II.

Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus den §§ 280 , 286 , 288 BGB

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 11 , 711 , 713 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23

Rechtsprechung zum Werkstattrisiko: BGH stärkt Rechte der Unfallgeschädigten

In einer Reihe von Entscheidungen zum sogenannten Werkstattrisiko hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Unfallverursacher grundsätzlich die gesamte Werkstattrechnung nach einem Verkehrsunfall erstatten müssen, auch wenn diese möglicherweise überhöht ist. Der BGH führte hierzu aus, dass der Geschädigte, der in der Regel kein Fachwissen hat, um den Schaden und die dafür anfallenden Kosten zu beurteilen, die gesamten Reparaturkosten von der Versicherung des Unfallverursachers erstattet bekommen kann. Dies gilt selbst dann, wenn Teile der Reparatur möglicherweise nicht durchgeführt wurden, aber auf der Rechnung stehen.

Insoweit verbleibt der Versicherung des Unfallverursachers die Möglichkeit selbst von der Reparaturwerkstatt die Kosten für überhöhte oder nicht erforderliche oder erfolgte Reparaturmaßnahmen zurückzufordern.

Allerdings soll dies nicht zu einer Bereicherung des Geschädigten führen. Daher darf er, falls er die Rechnung noch nicht bezahlt hat, nur Zahlung direkt an die Werkstatt, nicht aber an sich selbst verlangen.

  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 38/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 239/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 253/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 266/22
  • BGH, Urteil vom 16.1.2024 – VI ZR 51/23

Nichtberücksichtigung streitiger Anrechnungen im Kostenfestsetzungsverfahren

Nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22) sind streitige Einwendungen zur Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in einem Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen.

Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren setzt voraus, dass die Geschäftsgebühr im Erkenntnisverfahren tituliert wurde oder vom Kostenschuldner außergerichtlich erstattet wurde und dies unstreitig ist. Der Grund dafür ist, dass der Kostenfestsetzungsbeamte keine materielle Prüfung der vorgerichtlichen Tätigkeit und der dabei angefallenen Gebühren vornehmen kann. Ohne Titel oder unstreitige Erstattung würde dies zu einer unzulässigen Überprüfung der materiell-rechtlichen Einwendung führen, was im Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen ist​.

KG Berlin, Beschluss vom 17.07.2007 – 1 W 256/05; AG Leipzig, Beschluss vom 6.6.2024 – 117 C 1924/23; AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22

Aus den Entscheidungsgründen:

„Der Festsetzung liegt der Antrag vom 27.07.2023 zugrunde.

Zu dem Antrag wurde der Gegenseite rechtliches Gehör gewährt. Es wurde eingewendet, dass im Antrag die Anrechnung der Geschäftsgebühr durch den Kläger unterblieb. Es wurde vorgetragen, dass durch die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 453,87 EUR auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten geleistet wurde.

Gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG ist eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr des Teils 2 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens zur Hälfte anzurechnen. Gemäß § 15a Abs. 3 RVG kann sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung der Grundgebühr berufen, unter anderem wenn dieser eine der Gebühren beglichen hat.

Zu beachten ist hier, dass es sich bei dem Gegenstand, der dem Gegenstandswert für die Geschäftsgebühr zugrunde gelegt wird und dem Gegenstand für das gerichtliche Verfahren um verschiedene Gegenstände handelt. Die Geschäftsgebühr ist aus einem Gegenstandswert in Höhe von 6.364,27 EUR entstanden – es ergibt sich damit eine Geschäftsgebühr in Höhe von 579,80 EUR. Der Gegenstandswert für das gerichtliche Verfahren beläuft sich lediglich auf 3.182,12 EUR.

Die Beklagte trägt im Schreiben vom 27.09.2023 vor, dass sie die Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert in Höhe von 3.182,12 EUR gezahlt hat. Tatsächlich ist die Gebühr jedoch aus einem Wert in Höhe von 6.364,23 EUR entstanden. Daraus geht hervor, dass die Zahlung auf einen anderen Gegenstand geleistet wurde. Eine Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG erfolgt dann nicht.

Weiterhin bestehen offensichtlich Streitigkeiten über den Gegenstand der Zahlung und ob die Zahlung auf die geringere Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert des gerichtlichen Verfahrens auf die Verfahrensgebühr erfolgen kann.

Ist streitig und nicht ohne weiteres feststellbar, ob die Verfahrensgebühr wegen der Bezahlung der Geschäftsgebühr zu reduzieren ist, so handelt es sich um eine in der Kostenfestsetzung nicht zu berücksichtigenden materiell-rechtliche Einwendung (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG § 15a Rn. 23).

Damit wurde der Einwand der Beklagten nicht berücksichtigt. Die geltend gemachten Gebühren und Auslagen sind entstanden und daher antragsgemäß festzusetzen.“

AG Bautzen, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2024 – 20 C 173/22

Angemessenheit der Sachverständigenkosten gemäß BVSK-Honorarbefragung bei Schadengutachten nach Verkehrsunfällen

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Görlitz (AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23) ist die Höhe der erforderlichen Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, wobei für die Höhe der angemessenen Vergütung inklusive der Nebenkosten die BVSK-Honorarbefragung einen üblicher Maßstab darstellt.

Das Gericht stellte fest, dass das vom Kläger geforderte Honorar zuzüglich Nebenkosten für das Schadengutachten im Rahmen der üblichen Vergütungen liegt. Diese Feststellung erfolgt unter Berücksichtigung der Ergebnisse der BVSK-Honorarbefragung. Gemäß § 287 Abs. 1 ZPO wird der Schadensersatzanspruch entsprechend geschätzt.

Durch das Gericht wird hervorgehoben, dass es sachgerecht ist, das Honorar primär an der Höhe des entstandenen Schadens auszurichten. Eine Berechnung des Honorars basierend auf dem Zeitaufwand wird als nicht erforderlich erachtet. Zudem wird angeführt, dass eine solche Berechnung nach Zeitaufwand keine angemessenere Honorarbemessung ermöglichen würde, da der tatsächliche Stundenaufwand oft wenig transparent und sehr individuell variieren kann.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Görlitz […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 13.11.2023

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 130,97 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2023 zu zahlen. […]
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 130,97 EUR festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist bis auf einen Teil der Nebenforderungen begründet.

Der Kläger hat aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf eine noch offene Restforderung in Höhe von 130,97 EUR für die Kosten seines Gutachtens, als Teil des abgetretenen Schadensersatzanspruchs der Geschädigten, Frau Reinsch, für den beim Verkehrsunfall am 03.05.2022 in Görlitz entstandenen Schaden, für den die Beklagte unstreitig haftet.

Nachdem die ursprüngliche Abtretung noch wegen unwirksamer Klausel angegriffen worden war, ist die Beklagte der Wirksamkeit der neuen Abtretung nicht mehr entgegengetreten.

Soweit die Beklagte die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenrechnung angreift, dringt sie damit nicht durch. Das vom Kläger geltend gemachte Honorar nebst Nebenkosten bewegt sich bei der hier vorliegenden Schadenshöhe im Bereich üblicher Vergütungen unter Berücksichtigung der BVSK-Befragung, so dass die Höhe des Schadensersatzanspruchs gemäß § 287 Abs.1 ZPO entsprechend geschätzt werden kann. Es ist sachgerecht und nicht zu bestanden, dass sich das Honorar dabei insbesondere nach der Schadenshöhe orientiert. Eine Orientierung am Zeitaufwand ist demgegenüber nicht erforderlich und ermöglicht auch keine angemessenere Honorarberechnung, da der Stundenaufwand – wenig transparent – auch sehr individuell anfallen kann. […]“

AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23

Beitragsbild: fiktives, mit DALL·E 3 erstelltes Bild

Sachverständigenkosten für die Erstellung eines Schadengutachtens nach einem Verkehrsunfall im Sinne der BVSK-Honorarbefragung sind angemessen

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Pirna (AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23) ist die Höhe der erforderlichen Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, soweit der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen nicht vollständig beglichen ist.

Das Urteil behandelt die Frage der Erstattungsfähigkeit von Gutachterkosten nach einem Verkehrsunfall, bei dem die Haftung der Beklagten grundsätzlich feststeht. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Gutachterkosten gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB. Da die Rechnung für das Gutachten vom Kläger nicht (vollständig) bezahlt wurde, prüft das Gericht die Angemessenheit der Kosten nach § 287 ZPO. Es orientiert sich dabei an der BVSK-Honorarbefragung, die vom Bundesgerichtshof als zulässige Schätzgrundlage anerkannt wurde. Die Beklagte hatte argumentiert, dass die BVSK-Honorarbefragung nicht geeignet sei, die Angemessenheit der Kosten zu überprüfen, was das Gericht jedoch zurückweist. Das Gericht stellte zudem fest, dass auch die Nebenkosten erstattungsfähig sind. Es orientiert sich dabei ebenfalls an der BVSK-Honorarbefragung. Die Beklagte hatte die Erstattungsfähigkeit der Nebenkosten in Frage gestellt. Schlussendlich hat die Beklagte auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 255 BGB. Eine analoge Anwendung dieses Paragraphen scheidet aus, da die Sachverständigenkosten nicht dem sogenannten Werkstattrisiko unterliegen, das bei Reparaturkosten relevant wäre.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]
Inhaber des Kfz-Sachverständigenbüros […]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Pirna […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 01.09.2023

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 257,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 25.5.2023 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 257,58 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe

I.

Die Parteien streiten um weitere Schadensersatzansprüche – konkret: Gutachterkosten – nach einem Verkehrsunfall und bei dem Grunde nach unstreitiger Haftung der Beklagten.
Die zulässige Klage ist begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von restlichen Gutachterkosten in Höhe von EUR 257,58 gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249 BGB.

a) Die – abgesehen vom Stichwort „hinreichende Bestimmbarkeit“ nicht näher begründeten – Zweifel der Beklagten an der Aktivlegitimation des Klägers vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Die […] vorliegende Abtretungserklärung ist hinreichend bestimmt, da die anzutretende Forderung – nämlich der Schadensersatzanspruch aus dem Unfallereignis, soweit er auch Ersatz der Kosten des Gutachtens gerichtet ist – ohne weiteres identifizierbar ist.

b) Die nach § 249 Abs. 1 BGB geschuldete Wiederherstellung des ohne das Schadensereignis bestehenden Zustands umfasst nach einem Verkehrsunfall regelmäßig auch die Erstellung eines entsprechenden Unfallgutachtens, da dem Geschädigten die Weiterverfolgung seiner rechtlichen Ansprüche ohne ein solches Gutachten regelmäßig nicht möglich wäre.

Anders als bei Reparaturkosten liegt bei Gutachterkosten nur im Falle einer durch den Schädiger bereits bezahlten Rechnung ein Indiz für die Angemessenheit der ausgewiesenen Kosten vor (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2016, Az. VI ZR 491/15). Die Beklagte hat die Zahlung der Rechnung durch den Kläger bestritten, dieser hat keinen entsprechenden Beweis angeboten, womit von einer noch nicht bezahlten Rechnung auszugehen war. Dies führt dazu, dass das Gericht die streitigen Kosten am Maßstab des § 287 ZPO zu prüfen hat.

c) Im Rahmen der Prüfung der Höhe der Gutachterkosten gemäß § 287 ZPO orientiert sich das hiesige Gericht grundsätzlich am Maßstab der BVSK-Honorarbefragung, welche vom Bundesgerichtshof wiederholt als zulässige Schätzgrundlage bestätigt wurden (vgl. etwa NJW 2014, 1947). Dabei gilt allerdings, dass abgerechnete Sachverständigenkosten, die höher liegen als die BVSK Sätze, nicht zwingend mit einem Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gleichzusetzen sind (BGH, NJW 2014, 1947).

Dass sich die vom Gutachter abgerechneten Kosten im Rahmen der BVSK-Honorarbefragung halten, steht zwischen den Parteien letztlich nicht in Streit. Die Beklagte ist jedoch der Ansicht, dass die BVSK-Honorarbefragung grundsätzlich kein geeignetes Mittel sei, um die Angemessenheit der Sachverständigenkosten zu überprüfen. Dies schon deshalb, weil nach Ansicht der Beklagten der Zeitaufwand und nicht die Schadenshöhe die maßgebliche Bemessungsgrundlage darstellen sollte. Die Beklagte verweist diesbezüglich auch auf die Abrechnungspraxis zum JVEG.

Mit dieser Argumentation kann die Beklagte im Ergebnis nicht durchdringen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die BVSK-Honorarbefragung sehr wohl als taugliche Schätzgrundlage ansieht (vgl. etwa BGH NJW 2014, 1947). Zwar ist es zutreffend, dass dem erkennenden Gericht damit gleichwohl die Möglichkeit offen bleibt, auch andere Grundlagen zur Ermittlung der Gutachterkosten heranzuziehen. Auch der Zeitaufwand – gegebenenfalls ohne Berücksichtigung der Schadenshöhe – wäre somit potenziell eine mögliche Grundlage für die Prüfung am Maßstab des § 287 ZPO.

Das hiesige Gericht sieht allerdings im Rahmen seines gemäß § 287 ZPO eröffneten Ermessens von dieser Möglichkeit ab und verbleibt bei der Orientierung an der BVSK-Honorarbefragung. Gegen die Orientierung allein am Zeitaufwand spricht im Vergleich zu einer Orientierung an der BVSK-Honorarbefragung vor allem, dass der erforderliche Zeitaufwand regelmäßig nicht ohne weiteres festzustellen ist. Die Parteien, insbesondere die beklagte Partei, kann hierzu regelmäßig maximal eine Einschätzung abgegeben. Diese Einschätzung müsste – sofern man denn tatsächlich allein nach Maßgabe des Zeitaufwandes vorgehen wollte – regelmäßig aber noch im Rahmen eines gerichtlich einzuholenden Sachverständigengutachtens überprüft werden. Gleiches würde auch in Bezug auf den anzusetzenden Stundensatz des Gutachters gelten. Ein solches Vorgehen ist ersichtlich weitaus weniger prozessökonomisch als die Orientierung an der vom Bundesgerichtshof wiederholt bestätigten BVSK-Honorarbefragung.

d) Dass sich die hier konkret abgerechneten Nebenkosten im Rahmen der nach BVSK-Honorarbefragung anzusetzenden Kosten halten, ist zwischen den Parteien unstreitig.

e) Dem Kläger steht dabei auch ein Anspruch auf Ersatz der abgerechneten Nebenkosten zu. Zwar hat der Geschädigte mit dem Gutachter keine ausdrückliche Vereinbarung über die Nebenkosten und deren konkrete Höhe geschlossen.

Allerdings handelt es sich bei den typischerweise als Nebenkosten abgerechneten Tätigkeiten für KfZ-Gutachten um Leistungen, welche im Regelfall nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Nach § 631 Abs. 1, 2 BGB ist in einem solchen Fall die übliche Vergütung zu leisten, wobei die durch das Gericht gemäß § 287 ZPO zu schätzen ist. Auch hier orientiert sich das Gericht erneut an der BVSK-Honorarbefragung.

Im Übrigen soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen zur Schätzung der Gutachterkosten nach der BVSK-Honorarbefragung insbesondere auch hinsichtlich der Nebenkosten von einer Orientierung an den eben für diese Nebenkosten in der BVSK-Honorarbefragung aufgeführten Sätzen ausgeht (vgl. etwa NJW 2014, 1947). Soweit ersichtlich, lag auch in dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes keine ausdrückliche Abrede hinsichtlich der Nebenkosten vor. Die Rechtsauffassung der Beklagten zur Nichterstattbarkeit der Nebenkosten mangels ausdrücklicher Abrede überzeugt (auch deshalb) nicht.

Soweit die Beklagte die Höhe einzelner Nebenkosten angreift, dringt sie im Ergebnis nicht durch. Wie bereits oben dargelegt, orientiert sich das Gericht – im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – an der BVSK-Honorarbefragung und den dort vorgesehenen Sätzen. Dass diese im konkreten Fall nicht wesentlich überschritten sind, ist unstreitig.

Soweit die Beklagte sich gegen die Erstattbarkeit einzelner Kategorien von Nebenkosten – beispielsweise Schreibkosten oder Kosten für Fotokopien – bereits dem Grunde nach richtet, dringt sie auch damit nicht durch. Im Wesentlichen führt die Beklagte hierzu allgemein aus, dass und warum die Erbringung oder zumindest Abrechnung entsprechender Leistungen nicht mehr zeitgemäß sei. Es ist allerdings schon nicht substantiiert vorgetragen worden, dass entsprechende Leistungen auch im konkreten Fall nicht erbracht worden seien.

2. Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nach § 255 BGB besteht nicht. § 255 BGB ist unmittelbar schon deshalb nicht anwendbar, sofern die abzutretenden Ansprüche sich aus einem selbstständigen, mit einem Dritten abgeschlossenen Vertrag über die jeweilige Sache – hier das zu begutachtende Fahrzeug – ergeben (BeckOK BGB, § 255, Rn. 38).

Auch eine analoge Anwendung – wie sie insbesondere bei Ansprüchen auf Ersatz von Reparaturkosten teilweise erwogen wird – scheidet aus. Beim Ersatz von Reparaturkosten gilt zu Lasten des Schädigers bzw. dessen Versicherung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum sogenannten Werkstattrisiko. Dem Schädiger ist es deshalb letztlich versagt, im Verhältnis zum Geschädigten eine objektive Prüfung der Erforderlichkeit der Reparaturkosten vorzunehmen. Gegenüber der Werkstatt dürfte der Schädiger eine entsprechende objektive Überprüfung aber veranlassen und muss daher die Möglichkeit behalten, nach Befriedigung des Geschädigten gegen die Werkstatt vorzugehen.

Das gilt nicht in gleicher Weise für die hier streitgegenständlichen Sachverständigenkosten. Sofern nur die Höhe der konkret abgerechneten Kosten in Streit steht, werden diese vom Gericht unabhängig von der Parteienkonstellation nach Maßgabe von § 287 ZPO geschätzt. Jedenfalls wenn – wie auch hier – kein Rückgriff auf den subjektiven Maßstab des Geschädigten hinsichtlich der subjektiven Erkennbarkeit der objektiv möglicherweise überhöhten Nebenkosten erfolgt, besteht kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung von § 255 BGB.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.“

AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23

Wirksamer Kauf eines durch Unfall beschädigten, an eine Bank sicherungsübereigneten Fahrzeugs durch ein Autohaus direkt vom Halter

Das Urteil des Amtsgerichts Zittau, Zweigstelle Löbau, vom 25. Juli 2023 (Az. 8 C 193/22) behandelt den Fall des Kaufs eines durch einen Unfall beschädigten, an eine Bank sicherungsübereigneten Fahrzeugs durch ein Autohaus direkt vom Halter.

Zum einen entschied das Gericht, dass die Klägerin nicht verpflichtet war, das Restwertangebot des Beklagten anzunehmen. Es wurde klargestellt, dass eine Geschädigte grundsätzlich die vom Sachverständigen ermittelten Kosten zugrunde legen darf. Darüber hinaus muss sich die Geschädigte nur Restwertangebote zurechnen lassen, die am regionalen Markt erzielbar sind. Das Angebot des Beklagten war in diesem Fall nicht bindend, da es von einem Ankäufer aus Leipzig stammte, der nicht als regionaler Markt angesehen werden kann.

Des Weiteren wurde das beschädigte Fahrzeug wirksam an das Autohaus verkauft. Trotz der Tatsache, dass die Klägerin im Vertrag angab, Eigentümerin des Fahrzeugs zu sein, was nicht der Fall war, da das Fahrzeug sicherungsübereignet war, bleibt die Wirksamkeit des Kaufvertrages unberührt. Das Gericht stellte fest, dass es der Klägerin erlaubt war, auch fremde Sachen zu verkaufen. Zudem wurde der Kaufvertrag vom tatsächlichen Eigentümer, der finanzierenden Bank, genehmigt.

Schließlich hat die Klägerin das Fahrzeug ohne Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht zu dem vom Sachverständigen ermittelten Restwert am regionalen Markt verkauft. Das Restwertangebot des Beklagten hatte mangels Fehlens des regionalen Marktes keinen Einfluss.

Aufgrund dieser Entscheidungsgründe wurde der Beklagte verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Autohaus von einer restlichen Kaufpreisforderung in Höhe von 2.350,00 € aus der Neufahrzeugrechnung freizustellen.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Zittau […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2023 am 25.07.2023

für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von einer restlichen Kaufpreisforderung in Höhe von 2.350,00 € aus der Neufahrzeugrechnung […] freizustellen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 2.350,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin macht restliche Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 14.07.2021 gegen 19.15 Uhr auf der B 96, Höhe Erntekranzbaude in Oppach, geltend.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Halterin des an die […] Bank […] sicherungsübereigneten Pkw Suzuki Ignis […]. Der Beklagte bearbeitete in seiner Funktion als behandelndes Büro zu Lasten des ausländischen zahlenden Büros die Ersatzansprüche, die sich gegen einen ausländischen Schadensverursacher richten.

Der Beklagte hat daher die Pflichten eines Haftpflichtversicherers für das am Verkehrsunfall beteiligte Schädigerfahrzeug, Typ Pkw Toyota Proace […] der tschechischen Halterin […].

Die Einstandspflicht sowie die alleinige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Klägerin beauftragte das Sachverständigenbüro […] mit der Erstellung eines Gutachtens. Mit Gutachten vom 19.07.2021 ermittelte der Sachverständige eine Wertminderung i.H.v. 1.100,00 €. Der Wiederbeschaffungswert betrug 17.625,00 €; der Sachverständige ermittelte darüber hinaus einen Restwert von 6.270,00 €. Die Klägerin rechnete auf Neuwagenbasis ab. Das beschädigte Fahrzeug der Klägerseite wurde am 07.07.2021 erstmals auf die Klägerin zugelassen. Die Kilometerlaufleistung war 429 Kilometer. Die Klägerin hatte am 05.07.2021 das beim Unfall beschädigte Fahrzeug zu einem Gesamtkaufpreis i.H.v. 17.950,00 € inklusive Kosten für Transport und Überführung i.H.v. 750,00 € gekauft.

Am 30.07.2021 wurde durch die Klägerin mit Einverständnis der darlehensgebenden […] Bank […] das beschädigte Fahrzeug zu einem Kaufpreis 6.270,00 € entsprechend des vom Sachverständigen […] ermittelten Restwertes veräußert. In dem Kaufvertrag vom 30.07.2021 ist vermerkt, dass die Verkäuferin (die Klägerin) Eigentümerin des Fahrzeugs ist und dass das Fahrzeug bis zum 30.07.2021 eine Gesamtlaufleistung von maximal 629 Kilometern hat.

Mit Schreiben vom 10.08.2021 unterbreitete der Beklagte der Klägerin ein Restwertangebot i.H.v. 9.070,00 €. Der von dem Beklagten benannte Restwertaufkäufer stammt aus der Region um Leipzig.

Mit Neufahrzeugrechnung vom 07.12.2021 erwarb sie am 08.12.2021 ein gleichwertiges Neufahrzeug zum einem Kaufpreis von 17.500,00 € brutto.

Unter Berücksichtigung der bisherigen Regulierung des Beklagten I.H.v. 8.880,00 € und der vorgenannten Gutschrift aus der Veräußerung des verunfallten Fahrzeuges i.H.v. 6.270,00 € verbleibt ein Restschaden i.H.v. 2.350,00 €, den die Klägerin mit der Klage verfolgt.

Die Klägerin beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von einer restlichen Kaufpreisforderung in Höhe von 2.350, Euro aus der Neufahrzeugrechnung […] freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Meinung, dass kein gültiger Vertrag zustandegekommen sei, da am 30.07.2021 die Klägerin nicht Eigentümerin des beschädigten Fahrzeuges gewesen sei und auch die Kilometerlaufleistung überschritten worden war. Darüber hinaus meint der Beklagte, dass sich die Klägerin auf das höhere Restwertangebot des Restwertankäufers aus Leipzig hätte verweisen lassen müssen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme des Geschäftsführers des Autohauses, Herrn […] R[…]. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.

1. Die Klägerin war nicht gehalten, sich auf das Restwertangebot des Beklagten einzulassen bzw. dieses anzunehmen. Eine Geschädigte darf grundsätzlich die vom Sachverständigen ermittelten Kosten zugrunde legen {vgl. BGH, Urteil v. 06.03.2007, Az: VI ZR 120/06; OLG Hamm, Urteil v. 11.11.2020, Az: 11 U 5/20; jeweils zitiert nach Beck-Online). Darüber hinaus muss sich die Geschädigte ohnehin nur Restwertangebote zurechnen lassen, die am regionalen Markt erzielbar sind (vgl. BGH, Urteil v. 13.10.2009, Az: VI ZR 318/08). Das von dem Beklagten genannte Angebot resultierte von einem Ankäufer, der in Leipzig ansässig ist. Es handelte sich damit zweifelsfrei nicht mehr um einen am regionalen Markt ansässigen Käufer.

Damit war das Angebot ohnehin für die Klägerseite nicht bindend.

Überdies – aus Sicht des Gerichts kommt es hierauf schon nicht an – war zum Zeitpunkt das beschädigte Fahrzeug auch wirksam an das Autohaus Roschk verkauft worden. Zwar hat die Klägerin in dem Vertrag angegeben, Eigentümerin des Fahrzeugs zu sein. Dies war offensichtlich nicht der Fall gewesen, da das Fahrzeug sicherungsübereignet war. Bereits dieser Aspekt lässt jedoch die Wirksamkeit des Kaufvertrages unberührt, weil es der Klägerin freistand, auch fremde Sachen zu verkaufen. Darüber hinaus wurde der Kaufvertrag auch durch den tatsächlichen Eigentümer, die finanzierende Bank, genehmigt. Hierbei war es, wie das Gericht vom Zeugen R[…] weiß, auch üblich und bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sicher, dass die Bank dies genehmigen würde, weil das Autohaus in stetiger Geschäftsbeziehung mit dieser steht.

Auch hinsichtlich eventuell zuviel gefahrener Kilometer war dies – wie auch der Zeuge R[…] bestätigte – für die Vertragsparteien nicht „festgeschrieben“. Ein Verstoß oder eine Abänderung ließe im Übrigen ebenfalls das schuldrechtliche Verhältnis und damit die Wirksamkeit des Vertrages unberührt.

Zusammenfassend hat die Klägerin das Fahrzeug ohne Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht zu dem von dem von ihr beauftragten Sachverständigen ermittelten Restwert am regionalen Markt veräußert. Das Restwertangebot des Beklagten hatte ohnehin mangels Fehlens des regionalen Marktes keinen Einfluss.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.“

AG Zittau, Zweigstelle Löbau, Urteil vom 25.7.2023 – 8 C 193/22

100%ige Haftung eines Ausparkenden bei einem Parkplatzunfall, der mit seinem Fahrzeug gegen ein den Ausparkvorgang Wartenden stößt.

Das Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 21.7.2023 – 20 C 173/22) betrifft einen Verkehrsunfall auf einem Parkplatz. Die Klägerin und die Beklagte parkten ihre Fahrzeuge in Parkbuchten, die rechtwinklig zueinander lagen. Die Klägerin fuhr rückwärts aus ihrer Parkbucht aus und blieb dann stehen, als sie bemerkte, dass die Beklagte ebenfalls rückwärts aus ihrer Parkbucht ausfuhr. Trotz des Hupens der Klägerin fuhr die Beklagte weiter rückwärts und stieß gegen das Fahrzeug der Klägerin.

Das Gericht entschied, dass die Beklagte 100% der Haftung für den Unfall trägt. Es wurde festgestellt, dass die Beklagte gegen § 1 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 5 StVO verstoßen hat, da sie rückwärts fuhr und dabei das Fahrzeug der Klägerin beschädigte. Das Gericht stellte fest, dass es technisch möglich gewesen wäre, für die Beklagte aus ihrer Parkbucht auszuparken und den Parkplatz zu verlassen, ohne das Fahrzeug der Klägerin zu treffen.

Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass der Unfall für sie unvermeidbar war. Allerdings wurde festgestellt, dass sie zum Zeitpunkt der Kollision gestanden hatte und versucht hatte, durch Hupen die Beklagte zu warnen. Das Gericht entschied, dass die Klägerin den Unfall trotz Beachtung der gebotenen Sorgfalt nicht verhindern konnte.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigter:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 30.06.2023 eingereicht werden konnten, am 21.07.2023

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4% aus 400 Euro für die Zeit vom 10.11.2021 bis zum 15.3.2022 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 412,50 Euro seit dem 16.3.2022 bis zum 28.3.2022, weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 212,50 Euro seit dem 29.3.2022 bis zum 9.11.2022 und weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 12,50 Euro seit dem 10.11.2022 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an das Versicherungsunternehmen […] einen Betrag in Höhe von 3.006,00 Euro zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 163,62 Euro […] freizustellen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 3.182,12 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 09.11.2021 auf dem Parkplatz […] in Bautzen ereignete.

Die Klägerin befuhr mit ihrem Pkw, Typ FIAT Tipo […] den Parkplatz. Die Zeugin J[…] M[…] befuhr mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW, Typ Hyundai i20 […] den Parkplatz.

Die Parteien parkten zunächst jeweils in den Parkbuchten, die rechtwinklig zueinander lagen.

Die Klägerin fuhr sodann rückwärts aus ihrer Parkbucht aus. Im Folgenden kam es zur Kollision des klägerischen Fahrzeugs und des Fahrzeugs der Zeugin J[…] M[…], die ebenfalls rückwärts aus der Parklücke ausgefahren war. Das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug und das klägerische Fahrzeug kollidierten am Kotflügel des Fahrzeugs der Klägerin und am Heck des Fahrzeugs der Zeugin J[…] M[…].

Am Fahrzeug der Klägerin entstand folgender Sachschaden:

1. Am Pkw der Klägerin entstanden entsprechend dem […] vorgelegten Gutachten vom 07.01.2022 und dem […] vorgelegten Nachtragsgutachten vom 07.03.2022 des Kfz-Sachverständigenbüros […] Beschädigungen an der linken Fahrzeugfront.

Der vordere linke Kotflügel weist eine starke Ausknickung auf. Die linke Stoßfängerwange wurde beschädigt. Der linke Scheinwerfer ist gebrochen. Am Stoßfänger wurden Halterungen abgerissen. Gegenüber den angrenzenden Fahrzeugteilen, Motorhaube, Kotflügel rechts wurden Farbtonunterschiede auffällig, sodass eine Beilackierung des rechten vorderen Kotflügels und der Motorhaube durchgeführt wurde. Die Kosten für die Reparatur des Fahrzeugs betragen ausweislich der Reparaturkostenrechnung […] der Reparaturwerkstatt […] 4.775,93 Euro brutto.

2. Ausweislich dem Gutachten des Kfz-Sachverständigenbüros […] vom 07.01.2022 entstand durch die Beschädigung eine Wertminderung in Höhe von 400,00 Euro.

Der Wiederbeschaffungswert eines gleichwertigen Fahrzeugs beträgt 18.700,00 Euro und wird somit durch die Höhe des Schadensumfangs nicht erreicht.

3. Die Gutachterkosten betragen gemäß der […] vorgelegten Rechnung […] des Sachverständigenbüros Kfz-Sachverständigenbüro […] vom 07.01.2022 und gemäß der […] vorgelegten Rechnung […] des Sachverständigenbüros […] vom 07.03.2022 insgesamt 836,09 Euro brutto.

4. Die Klägerin macht ferner restliche Mietwagenkosten gemäß der […] vorgelegten Rechnung […] der Reparaturwerkstatt […] vom 14.03.2022 geltend. Die Klägerin musste für die Dauer der Reparatur ein Ersatzfahrzeug mieten, da die Fahrt zur Arbeitsstätte, berufliche Fahrten sowie private Fahrten einen PKW erfordern.

5. Ferner beansprucht die Klägerin eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 Euro für Telefonate, Porto und Fahrtkosten.

Die Klägerin mahnte die Beklagte durch ihre Prozessbevollmächtigten zur Zahlung der Schadensersatzansprüche an und setzte eine Zahlungsfrist bis zum 17.01.2022. Die Zahlung wurde erneut durch anwaltlichen Schriftsatz am 22.03.2022 angemahnt.

Die Beklagte regulierte den Schaden unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 %.

Im Ergebnis wird unter Berücksichtigung der Zahlung der Beklagten für den Schaden am Fahrzeug ein verbleibender Betrag:

  • in Höhe von 2.387,96 Euro für die Reparaturkosten
  • in Höhe von 200,00 Euro für die Wertminderung
  • in Höhe von 418,04 Euro für die Schadensgutachten
  • in Höhe von 163,62 Euro für die Mietwagenkosten und
  • in Höhe von 12,50 Euro die restliche Unkostenpauschale für Telefonate, Porto und Fahrtkosten

geltend gemacht.

Die Klägerin behauptet, sie habe am Unfallort aus der Parklücke rückwärts ausgeparkt und habe mit ihrem Fahrzeug gestanden. Bevor die Klägerin mit ihrem Fahrzeug zum Ausgang des Parkplatzes fahren konnte, erkannte sie, dass die Zeugin J[…] M[…] mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug auszuparken begann. Zur Vermeidung einer Gefahrensituation will die Klägerin mit ihrem Fahrzeug stehengeblieben sein, um den Ausparkvorgang des Unfallgegners stehend abzuwarten. Aus der Sicht der Klägerin bestand für die Zeugin J[…] M[…] grundsätzlich ausreichend Platz für den Ausparkvorgang. Die Klägerin behauptet, als das Fahrzeug der Unfallgegnerin rückwärts auf das Fahrzeug der Klägerin dicht zu fuhr und augenscheinlich nicht das hinter ihr stehende Fahrzeug der Klägerin wahrnahm, will die Klägerin versucht haben durch durchgehendes Hupen die Zeugin J[…] M[…] zu warnen. Ungeachtet dessen soll diese die Rückwärtsfahrt fortgesetzt haben und sei gegen den Kotflügel des stehenden Fahrzeugs der Klägerin gestoßen. Die Klägerin habe den Unfall trotz Beachtung der gebotenen Sorgfalt nicht verhindern können.

Die Klägerin meint, die Zeugin J[…] M[…] habe den Unfall allein verschuldet. Insbesondere spreche ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden der Fahrzeugführerin des Fahrzeugs der Beklagtenseite. Für die Klägerin sei der Unfall unvermeidbar gewesen und hätte auch durch die Anwendung äußerst möglicher Sorgfalt nicht abgewendet werden können, sodass eine Haftung der Klägerin ausgeschlossen sei.

Aufgrund des Zeitablaufs nahm die Klägerin die Vollkaskoversicherung […] zur Zwischenfinanzierung des restlichen Schadens in Anspruch, die unter Berücksichtigung des Quotenvorrechts der Klägerin am 09.11.2022 eine Gesamtzahlung in Höhe von 3.006,00 Euro, mithin 2.387,96 Euro auf die Reparaturkosten, 200,00 Euro auf die Wertminderung und 418,04 Euro auf die Sachverständigenkosten an die Klägerin leistete. In der Folge ist die Erstattungsforderung der Klägerin in Höhe von 3.006,00 Euro durch den gesetzlichen Forderungsübergang auf die Vollkaskoversicherung übergegangen. Mit Schriftsatz vom 14.11.2022 hat sie ihre Klageanträge […] umgestellt.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4% aus 400 Euro für die Zeit vom 10.11.2021 bis zum 15.3.2022 so\wie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 412,50 Euro seit dem 16.3.2022 bis zum 28.3.2022, weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 212,50 Euro seit dem 29.3.2022 bis zum 9.11.2022 und weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 12,50 Euro seit dem 10.11.2022 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an das Versicherungsunternehmen […] einen Betrag in Höhe von 3.006,00 Euro zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 163,62 Euro […] vom 14.03.2022 freizustellen.

Die Beklagte behauptet, der Verkehrsunfall ereignete sich, als die Klägerin mit dem Pkw rückwärts aus ihrer Parkposition auf dem Parkplatz […] in Bautzen ausparkte und da bei gegen den Pkw der Zeugin J[…] M[…] stieß. Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Kollision gestanden habe. Zudem bestreitet die Beklagte, dass die Zeugin J[…] M[…] ausreichend Platz zum Ausparken gehabt habe.

Die Beklagte bestreitet den geltend gemachten Zinsschaden, soweit die Klägerin begehrt, von geltend gemachten Beträgen freigestellt zu werden, dürfe der Freistellungsanspruch nicht verzinst werden, da es sich hierbei nicht um eine Geldschuld handelt.

Der Verkehrsunfall sei für die Klägerin nicht unvermeidbar gewesen. Es dürfte auch kein Anscheinsbeweis gegen die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs sprechen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugin J[…] M[…] und durch Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens. Für das Ergebnis der Zeugenvernehmung und der Anhörung der Klägerin wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2022 und auf das Sachverständigengutachten vom 13.04.2023 verwiesen. Insoweit wird auch im Übrigen wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Urteil ergeht mit dem Einverständnis der Parteien ohne Fortsetzung der mündlichen Verhandlung, § 128 Abs. 2 ZPO.

I.

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist die Klägerin auch prozessführungsbefugt, soweit Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen der Zahlung ihrer Vollkaskoversicherung im November 2022 auf diese gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergegangen sind. Dies folgt aus § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wonach die Veräußerung oder Abtretung eines Rechts auf den Prozess keinen Einfluss hat. Die Norm gibt dem Zedenten nicht nur bei der rechtsgeschäftlichen Einzelrechtsnachfolge, sondern auch dem vorliegenden gesetzlichen Forderungsübergang die Möglichkeit, Rechte des Zessionärs in gesetzlicher Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. Zöller/Greger, ZPO. 33. Aufl. 2020, § 265 ZPO Rn. 5).

II.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin und die [Vollkasko] haben nach §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG, §§ 249 ff. BGB aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen die Beklagte in Höhe von 12,50 Euro durch Zahlung an die Klägerin, auf Freistellung der Mietwagenkosten in Höhe von 136,62 Euro und in Höhe von 3.006,00 Euro durch Zahlung an die [Vollkaskoversicherung].

1.

Die [Vollkaskoversicherung] ist hinsichtlich des Klageantrags zu 2 nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG aktivlegitimiert. Zudem ist das Fahrzeug der Klägerin beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges, dessen Versicherer die Beklagte im Unfallzeitpunkt war, beschädigt worden, § 7 Abs. 1 StVG.

Der Anwendung des § 7 StVG steht nicht entgegen, dass sich der Unfall auf einem Parkplatz ereignete. Denn öffentlicher Verkehr ist auch bei – wie hier vorliegend – öffentlichen und allgemein zugänglichen Parkplätzen zu bejahen (MüKoStVR/Engel, 1. Aufl. 2017, StVG § 7 Rn. 10).

2.

Die Ersatzpflicht der Beklagten entfällt nicht nach § 7 Abs. 2 StVG. Der Unfall beruhte nicht auf höherer Gewalt.

3.

In welchem Umfang die Parteien als die am Unfall beteiligten Fahrzeughalter und Versicherer

der Fahrzeugführerin einander Ersatz leisten müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalls und insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist, § 17 Abs. 1,2 StVG.

a)

Der Ausgleich ist nicht nach § 17 Abs. 3 Satz 1 StVG ausgeschlossen. Der Zusammenstoß zwischen dem PKW der Klägerin und dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug war für keinen Unfallbeteiligten ein unabwendbares Ereignis.

Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 StVG gilt ein Ereignis nur dann als unabwendbar, wenn sowohl der

Halter als auch der Fahrer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falls gebotenen Sorgfalt beachtet hat. Unabwendbar ist ein Ereignis nur dann, wenn der Führer des Fahrzeugs die je nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat (§ 17 Abs. 3 Satz 2 StVG). Hierzu gehört ein sachgemäßes und geistesgegenwärtiges Handeln über dem Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus (BGH, Urteil vom 13.12.1990 – III ZR 14/90, BGHZ 113, 163). Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit

des Unfalls geltend machen will, muss sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben, wobei es nicht allein darauf ankommt, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, sondern auch darauf, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt In eine solche Gefahrenlage geraten wäre (BGH Urteil vom 17.03.1992 – VI ZR 62/91, NJW 1992,1684; Urteil vom 13.12.2005 – VI ZR 68/04, NJW 2006, 896).

bb)

Keine der Parteien hat darzulegen und zu beweisen vermocht, dass auch ein besonders umsichtiger Fahrer die Gefahr nicht hätte abwenden können oder jedenfalls einen weniger schweren Unfall verursacht hätte. Ein über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus sachgemäß und geistesgegenwärtig handelnder Fahrer des Fahrzeugs der Beklagten hätte den Unfall ebenso abwenden können, wie ein ebenso handelnder Fahrer des PKW der Klägerin. Zwar hat der Sachverständige nach Analyse der Spuren und Schäden bestätigt, dass das Fahrzeug der Klägerin zum Zeitpunkt der Kollision gestanden hatte und das Fahrzeug der Beklagtenseite rückwärtsfahrend gegen die linke Flanke der Frontpartie des stehenden Fahrzeugs der Klägerin gestoßen ist. Des Weiteren stellte der Sachverständige jedoch fest, dass es der Fahrerin des Beklagtenfahrzeuges technisch möglich gewesen wäre, ohne Kollision mit dem Fahrzeug der Klägerin aus der Parklücke herauszufahren und den Parkplatz vorwärtsfahrend zu verlassen. Der Verkehrsunfall war für die Zeugin J[…] M[…] vermeidbar, da es für sie aus technischer Sicht möglich gewesen wäre, mit dem Fahrzeug rückwärts aus der Parkbucht auszuparken, ohne mit dem Fahrzeug der Klägerin zu kollidieren und anschließend den Parkplatz vorwärtsfahrend zu verlassen.

Für den Nachweis der Unvermeidbarkeit des klägerischen Fahrzeugs reicht allein der erwiesene Umstand, dass der Pkw der Klägerin vor der Kollision ausweislich des unfallanalytischen Sachverständigengutachten zum Stillstand gekommen war und sie mit Hupen auf sich Aufmerksam machte, allerdings nicht aus, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein „Idealfahrer“ anstelle der Klägerin das Beklagten-Fahrzeug rechtzeitig unfallvermeidend hätte erkennen können (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 06.06.2019 – 4 U 89/18; NJW-RR2019, 1435).

b)

Unter Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG tritt die Haftung des Fahrzeugs der Klägerin aus der Betriebsgefahrvollständig hinter der Haftung des Fahrzeugs der Beklagtenseite zurück, sodass die Beklagtenseite die alleinige Haftung trifft.

Da keine Seite die Unvermeidbarkeit des Unfalls belegen kann, ist nach den jeweiligen Verursachungsanteil abzuwägen, § 17 Abs. 2 StVG. Bei der Abwägung nach § 17 Abs. 1,2 StVG ist in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; ein Faktor bei der Abwägung ist dabei das beiderseitige Ver-schulden (BGH Urteil vom 13.12.2016 -VI ZR 32/16). Bei der gebotenen Abwägung dürfen unstreitige, zugestandene oder erwiesene Tatsachen zugrunde gelegt werden, die sich auf den Unfall ausgewirkt haben. Im Rahmen der Feststellung der Verursachungsbeiträge muss jeder Seite das Mitverschulden der Gegenseite beweisen.

aa)

Die Fahrzeugführerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs hat gegen § 1 Abs. 1 i. V.

m. § 9 Abs. 5 StVO verstoßen.

Wegen der besonderen Sorgfaltspflicht spricht gegen den Rückwärtsfahrer der Beweis des ersten Anscheins (OLG München N2V 2014, 416; KG NJW-RR 2010, 1116; LG Hagen ZfS 1992, 44). Zwar ist die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter nicht unmittelbar anwendbar. Mittelbare Bedeutung erlangt sie aber über § 1

StVO. Entsprechend der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO muss sich auch derjenige, der auf einem Parkplatz rückwärts fährt, so verhalten, dass er sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann. Kollidiert der Rückwärtsfahrende mit einem anderen Fahrzeug, so können zugunsten desjenigen, der sich auf ein unfallursächliches Mitverschulden des Rückwärtsfahrenden beruft, die Grundsätze des Anscheinsbeweises zur Anwendung kommen (BGH, Urt. v. 11. 10.2016 – VI ZR 66/16 = r+s 2017, 93, beck-online; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Burmann, 27. Aufl. 2022, StVO § 9 Rn. 69). Steht fest, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt selbst also noch nicht stand, so spricht auch bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende der dargestellten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch (mit)verursacht hat. Denn gemäß § 9 Abs. 5 StVO muss sich ein Fahrer beim Rückwärtsfahren so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

Ausweislich der Feststellungen im Sachverständigengutachten konnte die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts den Beweis führen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Kollision mit ihrem Fahrzeug gestanden hatte und das Fahrzeug der Beklagtenseite rückwärtsfahrend gegen die linke Frontpartie stehenden Fahrzeugs der Klägerin gestoßen ist. Hierdurch hat die Zeugin J[…] M[…] gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen und den Verkehrsunfall verschuldet.

Zudem kommen die Grundsätze des Anscheinsbeweises zur Anwendung. Das Gericht schließt sich den oben stehenden Ausführungen an. Danach greift zulasten der Beklagtenseite ein Anscheinsbeweis aufgrund der erfolgten Kollision während eines rückwärtigen Fahrvorgangs. Die Feststellungen des Sachverständigen bestätigen, dass sich ein für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises typische Lebenssachverhalt ereignete. Denn es steht nach der Beweisaufnahme fest, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, die Zeugin J[…] M[…], als Rückwärtsfahrende, zum Kollisionszeitpunkt selbst also noch nicht stand. Es gelang der Beklagtenseite nicht, diese zu erschüttern. Zudem wäre das Fahrzeug für die Zeugin J[…] M[…] optisch sowie die Gefahrensituation durch das Hupen auch akustisch erkennbar und der Unfall für diese vermeidbar gewesen. Die Klägerin hatte noch den Versuch unternommen, die Aufmerksamkeit der Zeugin J[…] M[…] zu erreichen und den Unfall zu vermeiden. Dies deckt sich mit den Feststellungen des Sachverständigen, dass das Klägerfahrzeug bei der Kollision stand und der Aussagen aus der Zeugenbefragung, in der die

Zeugin J[…] M[…] angab, dass die Klägerin durchgehend hupte.

Die Ausführungen des Sachverständigen Schlütter sind für das Gericht plausibel. Als von der Ingenieurkammer Sachsen öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kraftfahrzeugschäden und -bewertung ist der Sachverständige Schlütter für die Begutachtung kompetent. Seine Ausführungen sind logisch, nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei.

Die Beklagte ist nach § 115 Abs. 1 Satz 2, 4 VVG einstandspflichtig.

bb)

Eine Mithaftung der Klägerin ergibt sich hier nicht aus § 1 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 5 StVO, weil ihr kein wesentliches verkehrswidriges Verhalten zur Last zulegen ist.

Ein Anscheinsbeweis greift nicht zulasten der Klägerin, da diese zum Zeitpunkt der Kollision bereits stand. Das ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass sich die Klägerin mit ihrem Fahrzeug verkehrsgerecht verhalten hat. Der Sachverständige stellte fest, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Kollision gestanden hat. Schlüssig ist nach den Feststellungen des Sachverständigen auch, dass die Klägerin zur Vermeidung einer Kollision durch Hupen versucht hat, auf sich aufmerksam zu machen. Nach Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Zeugin J[…] M[…] das Fahrzeug der Klägerin während des Rückwärtsfahrens übersehen hat.

cc)

Vor diesem Hintergrund und des im Übrigen geringen Verursachungsbeitrag der Klägerin an dem Unfallgeschehen haftet die Beklagtenseite zu 100%. Der Unfall war zwar weder für die Zeugin J[…] M[…] noch für die Klägerin unvermeidbar. Der Verursachungsbeitrag der Klägerin ist allerdings als so gering zu bewerten, dass er wegen des überwiegenden Mitverschuldens der Zeugin J[…] M[…] bei der gemäß § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung vollständig zurückzutritt. So liegen die Grenze zwischen dem Verhalten eines Idealfahrers und des tatsächlichen Verhaltens der Klägerin so nah beieinander, dass hinsichtlich der Verursachungsbeiträge keine Quotelung zulasten der Klägerin erfolgt.

Das Klägerfahrzeug stand ausweislich des oben stehenden Ergebnisses der Beweiswürdigung zum Zeitpunkt der Kollision. Zuvor hat sie den Ausparkvorgang zwar bei eingeschränkten Sichtverhältnisses begonnen, kam allerdings noch vor der Kollision für die Zeugin J[…] M[…]

bei gehöriger Rückschau erkennbar und rechtzeitig zum Stehen, sodass die Zeugin J[…] M[…] die Kollision hätte vermeiden können. Diesbezüglich wird auf die obenstehende Beweiswürdigung Bezug genommen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass das Klägerfahrzeug bei der Kollision stand. Zum anderen hatte die Zeugin J[…] M[…] die Möglichkeit, das eigene Fahrzeug vor der Kollision rechtzeitig anzuhalten, zumal die Klägerin mit dem Hupen noch ein Warnsignal abgegeben hat. Außerdem ist auf Parkplätzen stets mit aus Parklücken fahrenden Fahrzeugen zu rechnen, sodass der Zeugin J[…] M[…] im besonderen Maße eine Sorgfaltspflicht dahingehend oblag, das eigene Fahrzeug jederzeit anhalten zu können und auf ausparkende Fahrzeuge entsprechend reagieren zu können.

4.

Durch die Kollision entstand ein ersatzfähiger Schaden im Sinne von §§ 249 ff. BGB. Mit Ausnahme der beantragten Zinsen für den Freisteilungsanspruch ist der Schaden der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig. Unter Berücksichtigung der, der Beklagtenseite anzurechnenden Verursachungsquote von 100 %, ergibt sich der noch zu ersetzende Betrag wie folgt:

a) Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der restlichen Unkostenpauschale in Höhe von 12,50 Euro, da es sich hierbei um einen ersatzfähigen Schaden im Sinne von gemäß § 249 BGB handelt (BGH, Urteil vom 08.05.2012 – VI ZR 37/11; NJW 2011,2871).

b) Die Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund des Verkehrsunfalls einen Anspruch auf Freistellung in Bezug auf die aufgewendeten Mietwagenkosten in Höhe von 163,62 Euro gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 257 Satz 1 BGB. Der Anspruch der Klägerin ist auf Freistellung von der Verbindlichkeit gegenüber dem Autohaus […]. Aus der Rechnung vom 14.03.2022 mit der Rechnungsnummer 920277 und nicht auf Zahlung von Schadensersatz an die Klägerin gerichtet, weil der Klägerin mangels vermögensmindernder Zahlung kein Schaden entstanden ist.

c) Ferner kann die Klägerin in Folge der Zwischenfinanzierung auf die restlichen Reparaturkosten in Höhe von 2.387,96 Euro, der restlichen Wertminderung in Höhe von 200,00 Euro und auf die restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 418,04 Euro – insgesamt also 3.006,00 Euro an die [Vollkaskoversicherung] verlangen.

Auf Grund der Regulierung der Ersatzansprüche ist die [Vollkaskoversicherung] gemäß § 86 VVG Anspruchsinhaberin geworden.

5.

Der Zinsanspruch ergibt sich hinsichtlich der Hauptforderung aus §§ 286 Abs. 1 und Abs. 3, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1 analog, 291 BGB. Die Hauptforderung ist antragsgemäß zu verzinsen.

Die Fälligkeit tritt in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung ein, wenn wegen

einer Verletzung einer Person oder wegen einer Beschädigung einer Sache nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Ersatz zu leisten ist (BGH, Beschluss vom 18.11.2008 – VI ZB 22/08; NJW 2009, 910). Ist die Voraussetzung der Fälligkeit des Schadenersatzanspruchs gegeben und liegt eine Mahnung vor, sind die gesetzlichen Verzugszinsen bereits vor Ablauf der dreimonatigen Bearbeitungsfrist und aufgrund der BGB-Verzugsregelung zu zahlen (OLG Rostock, Beschluss vom 9.1.2001 -1 W 338/98; MDR 2001,935).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1,2 ZPO.

V.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG.“

AG Bautzen, Urteil vom 21.7.2023 – 20 C 173/22

Zum Werkstattrisiko des Schädigers nach einem Verkehrsunfall

Durch das Amtsgericht Leipzig (AG Leipzig, Urteil vom 30.6.2023 – 117 C 1924/23) wurde entschieden, dass die Beklagte die gesamten Reparaturkosten zu erstatten hat. Die Begründung dafür basiert auf mehreren rechtlichen Grundsätzen und Bestimmungen des deutschen Rechts.

Die Haftung der Beklagten für den durch den Unfall entstandenen Schaden zwischen den Parteien war im vorliegenden Fall unstrittig. Dies bedeutet, dass die Beklagte grundsätzlich verpflichtet ist, den durch den Unfall verursachten Schaden zu ersetzen.

Die entscheidende Frage in diesem Fall war jedoch, in welchem Umfang die Beklagte für die Reparaturkosten aufkommen muss. Hierbei spielt § 249 Abs. 2 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine zentrale Rolle. Nach dieser Vorschrift kann der Geschädigte, wenn eine Sache beschädigt wurde, statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte.

In diesem Zusammenhang hat das Gericht festgestellt, dass die Klägerin die Reparaturkosten für erforderlich halten durfte, da sie keine besseren Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten hatte. Insbesondere hat das Gericht berücksichtigt, dass der Geschädigte bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, sobald er den Reparaturauftrag erteilt hat und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Das sogenannte Werkstattrisiko geht daher zu Lasten des Schädigers.

Darüber hinaus hat das Gericht festgestellt, dass der von der Beklagten vorgelegte Prüfbericht die Erforderlichkeit der geltend gemachten Reparaturkosten aus der Sicht der Klägerin nicht in Zweifel ziehen konnte. Der Bericht ließ nicht einmal die Qualifikation seines Erstellers erkennen und konnte daher nach Auffassung des Gerichts keine Relevanz für die Regulierung haben.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…] Versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig […]

im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO am 30.06.2023

für Recht erkannt:

1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 856,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 1.096,90 € seit dem 22.7.2022 bis zum 3.2.2023, sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 856,90 € zu zahlen.

2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.096,90 € bis zum 3.2.2023 und auf 856,90 € ab dem 4.2.2023 festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche anlässlich eines Verkehrsunfalls geltend.

Am 28.6.2022 ereignete sich auf der L321 in Meine ein Verkehrsunfall. An diesem waren das Fahrzeug der Klägerin […] und das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Fahrzeug […] beteiligt. Die volle Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach für den entstandenen Schaden ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Klägerin hat den oben genannten Pkw bei der Reparaturwerkstatt […] reparieren lassen, diese hat dafür eine Rechnung über 19.103,40 € netto erstellt. Die Beklagte hat vorgerichtlich in Bezug auf die geltend gemachten Reparaturkosten einen Betrag i.H.v. insgesamt 18.006,50 € netto bezahlt. Grundlage war der von der Beklagten eingeholte Prüfbericht […] vom 30.08.2022, welcher eine Neuberechnung vorgenommen hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 16.08.2022 […] und den Prüfbericht vom 30.08.2022 […] Bezug genommen. Nach Klageeinreichung am 17.1.2023 und vor Zustellung der Klage zahlte die Beklagte auf die Reparaturkosten am 3.2.2023 einen weiteren Betrag i.H.v. 240,00 €.

Die Klägerin behauptet, ihr sei durch den Unfall ein Reparaturschaden in Höhe von insgesamt 19.103,40 € netto entstanden. Dieser Betrag sei für eine sach- und fachgerechte Instandsetzung des klägerischen Fahrzeugs erforderlich gewesen.

Die Klägerseite beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 856,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 1.096,90 € seit dem 22.7.2022 bis zum 3.2.2023, sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 856,90 € zu zahlen.

Die Beklagtenseite beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, Reparaturkosten seien allenfalls i.H.v. 17.766,50 € netto erforderlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO erklärt.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1.)
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Form von Reparaturkosten aus dem Verkehrsunfall vom 28.6.2022 i.H.v. 856,90 € netto gemäß §§7Abs. 1,17Abs. 1 StVG.823Abs. 1 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 VVG.

a)
Die Haftung der Beklagten nach einer Haftungsquote von 100 % für die der Klägerin bei dem Unfall vom 28.6.2022 entstandenen Schäden dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

b)
Der Höhe nach hat die Beklagte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB dem Kläger auch die weiteren Reparaturkosten i.H.v. 856,90 € netto zu erstatten.

Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadenersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte. Der Geschädigte ist nach diesem in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Verursacht also von mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, so ist der Geschädigte grundsätzlich auf diese beschränkt; denn nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Herstellung erforderlich (statt vieler: BGH, Urteil vom 29.10.2019 – VI ZR 45/19, Rn. 9, zitiert nach juris).

Allerdings sind unter dem Blickpunkt, dass der Schädiger grundsätzlich für alle durch das Schadensereignis verursachten Kosten einzustehen hat, an die Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt nämlich darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt (BGH, Urteil vom 08.11.1994 – VI ZR 3/94, Rn. 9, zitiert nach juris). Es ist insbesondere Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Diese „subjektbezogene Schadensbetrachtung“ kann sich sowohl zugunsten des Geschädigten als auch zugunsten des Schädigers auswirken (BGH, Urteil vom29.10.2019 – VI ZR 45/19, Rn. 10, zitiert nach juris).

Gerade im Fall der Reparatur von Kraftfahrzeugen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt hat und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1974, VI ZR 42/73, Rn. 10, zitiert nach juris). Das Werkstattrisiko geht insofern zu Lasten des Schädigers (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1991, VI ZR 314/90, Rn. 15; LG Köln, Urteil vom 07.05.2014, 9 S 314/13, Rn. 10, jeweils zitiert nach juris).

Dem Geschädigten sind in diesem Rahmen auch Mehrkosten zu ersetzen sind, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2015, 14 U 63/15, Rn. 12, zitiert nach juris; OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, BeckRS 1995, 01930; LG Köln, Urteil vom 07.05.2014, 9 S 314/13, Rn. 11, zitiert nach juris). Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Würde nämlich der Schädiger die Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB selbst vornehmen, so träfe ihn gleichfalls das Werkstattrisiko. Allein die Ausübung der Ersetzungsbefugnis durch den Geschädigten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann daher nicht zu einer anderen Risikoverteilung führen (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1974, Vl ZR 42/73, Rn. 10; LG Köln, Urteil vom Seite 507.05.2014, 9 S 314/13, Rn. 12, jeweils zitiert nach juris).

Die Zuweisung des Prognoserisikos bewirkt, dass die für die Schadensschätzung maßgeblichen Feststellungen auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Einschätzung der Wiederherstellungskosten erfolgt, der konkrete Schadensersatz sich aber nach den tatsächlichen Kosten richtet (vgl. OLG Zweibrücken, Beschiuss vom 26.06.2018, 5 U 85/17, Rn. 16, zitiert nach juris). Ersatzfähig sind danach auch die Kosten, die ex ante als erforderlich erschienen, ex post jedoch erfolglos oder in Wirklichkeit nicht erforderlich waren (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.06.2018, 5 U 85/17, Rn. 16).

Dies gilt nur dann nicht, wenn den Geschädigten ein Auswahlverschulden bezüglich des von ihm beauftragten Sachverständigen oder der beauftragten Werkstatt trifft (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1991, VI ZR 314/90, Rn. 15; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2015,14 U 63/15, Rn. 11; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.06.2018, 5 U 85/17, Rn. 16, jeweils zitiert nach juris). Der Unfallgeschädigte darf darauf vertrauen, dass die Werkstatt nicht betrügerisch Werkleistungen in Rechnung stellt, die gar nicht erbracht wurden oder Reparaturen vornimmt, die nicht erforderlich waren (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2015, 14 U 63/15, Rn. 11, zitiert nach juris).

c)
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind vorliegend auch die weiteren Reparaturkosten in Höhe von 856,90 € netto als erforderlich i.S.v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen, auch wenn die Reparaturkosten – wie von der Beklagten behauptet – zur Behebung des Unfallschadens nicht notwendig gewesen sein sollten. Mangels besserer Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten hat die Klägerin die Reparaturkosten für erforderlich halten dürfen.

(1)
Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin bezüglich der mit den Reparaturarbeiten beauftragten Reparaturwerkstatt ein Auswahlverschulden trifft. Einen Vortrag hierzu hat die Beklagte nicht gehalten.

(2)
Auch vermag der von der Beklagten vorgelegte Prüfbericht die Erforderlichkeit der geltend gemachten Reparaturkosten aus der Sicht der Klägerin nicht in Zweifel zu ziehen. Der von der Beklagten vorgelegte Bericht […] lässt nicht einmal die Qualifikation seines Erstellers erkennen, sodass er nach Auffassung des Gerichts keine Relevanz für die Regulierung hat. Weshalb der namenlose Verfasser in der Lage sein soll, die Kosten für durchgeführte Reparaturarbeiten anzuzweifeln, ohne das Auto gesehen zu haben, wird mit keinem Wort erläutert.

2.)
Die Klägerin hat gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 BGB gegen die Beklagte ferner einen Anspruch auf Ersatz von Zinsen in gesetzlicher Höhe.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.“

AG Leipzig, Urteil vom 30.6.2023 – 117 C 1924/23

Erstattung von Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall nach Schwacke-Liste als Maßstab

In einem Berufungsverfahren wurde durch das Landgericht Dresden (LG Dresden, Urteil vom 1.10.2021 – 3 S 518/20) die Frage behandelt, ob höhere Kosten für einen Mietwagen nach einem Unfallersatztarif gerechtfertigt sind. Diese in der Rechtsprechung umstrittene Frage ist von großer Bedeutung, da sie Auswirkungen auf die Höhe des Schadensersatzes hat, den ein Geschädigter nach einem Unfall verlangen kann.

Das Gericht stützte sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 19.01.2010, Az. VI ZR 112/09), das besagt, dass ein Geschädigter nicht gegen seine Pflicht zur Schadensminderung verstößt, wenn er ein Fahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist. Dies gilt jedoch nur unter bestimmten Bedingungen. Insbesondere müssen die Besonderheiten dieses Tarifs aufgrund der Unfallsituation einen höheren Preis rechtfertigen. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Vermieter zusätzliche Leistungen erbringt, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und zur Schadenbehebung erforderlich sind.

Das Gericht hat auch klargestellt, dass die Prüfung der Angemessenheit der geltend gemachten Mietwagenkosten auf der Grundlage der Anwendung der Schwacke-Liste erfolgt, die die Normaltarife für Mietwagen auflistet. Es müssen jedoch besondere Umstände im Einzelfall und damit gerade objektive Kriterien vorliegen, damit im Einzelfall gegebenenfalls auch höhere Mietwagentarife im Rahmen der Schadensabrechnung Berücksichtigung finden können.

In der Entscheidung wird zugleich durch das Gericht mitgeteilt, dass es die frühere Rechtsprechung, wonach eine generelle Spanne, zwischen 100 Prozent des Normaltarifs laut Schwacke-Liste und einem Zuschlag von 50 Prozent, in der sich die Mietwagenkosten ohne weitere Prüfung noch in einem angemessenen Rahmen bewegen sollen, nicht mehr aufrecht erhält. Jeder Fall muss individuell betrachtet werden, und es müssen objektive Kriterien vorliegen, die höhere Mietwagentarife rechtfertigen.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingereicht und auch begründet worden. Die Berufung ist indes unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen weitergehenden Schadensersatzanspruch aus den streitgegenständlichen Unfallereignissen. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO noch rechtfertigen, die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Das Amtsgericht Dresden hat in seinen Entscheidungsgründen zutreffend die allgemeinen Grundsätze der Schadensberechnung und Berücksichtigungsfähigkeit von Schadenspositionen gemäß § 249 Abs. 2 BGB dargelegt.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass im Falle der Beschädigung einer Sache statt der Herstellung der erforderliche Geldbetrag beansprucht werden kann und es ist zwischen den Parteien auch nicht streitig, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.
Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit herzuleitenden Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des Zumutbaren, von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2010, Az. VI ZR 112/09.
Auch die weiteren Ausführungen des Amtsgerichts Dresden in dem angegriffenen Urteil werden von der Kammer geteilt.
Hierauf wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen.
Soweit die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung, so wie auch schon erstinstanzlich, darauf verweist, das Amtsgericht habe die Erstattungspflicht der Beklagten auf die objektiven Kosten, das heißt den sogenannten Mietwagen – Normaltarif, unzulässig beschränkt, wird diese Auffassung durch die Kammer nicht geteilt.
Mit Urteil des BGH vom 19.01.2010, Aktenzeichen VI ZR 112/99 hat dieser entschieden, dass der Geschädigte nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung verstößt, weil er gegebenenfalls ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist. Soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation aus betriebswirtschaftlicher Sicht einen gegenüber dem „Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und in Folge dessen zur Schadenbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. Weiter führt der BGH aus, hat der bei der Schadensabrechnung nach § 287 ZPO freigestellte Tatrichter zu schätzen, welcher Schadensbetrag angemessen Ist. Hierzu führt der Bundesgerichtshof aus, dass unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif in Betracht kommt. Soweit die Berufungsklägerin unter Hinweis auf Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Dresden, hier insbesondere Urteile des 7. Zivilsenats – Urteil vom 18.03.2013 Az. 7 U 831/13; Urteil vom 31.07.2013. Az. 7 U 1952/12; Urteil vom 18.12.2013, Az. 7 U 606/13, davon ausgeht, dass grundsätzlich ein subjektiver Schadensbegriff zugrunde zu legen ist und darauf abzustellen sei, dass soweit dem Geschädigten kein Ausfallverschulden zur Last fällt, auch die Kosten erstattungspflichtig seien, die nicht nur objektiv erforderlich sind, sondern bis zu einer Kappungsgrenze von 50 Prozent über dem Normaltarif aus subjektiver Sicht des Geschädigten als angemessen zu gelten haben, findet diese Auffassung keine Stütze in der zuvor genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Die Rechtsprechung des 7. Zivilsenates des Oberlandesgerichtes Dresden zur Erstattungspflicht und -fähigkeit von Mietwagenkosten wird, so wie von der Beklagten unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Dresden vom 12.06.2020, Aktenzeichen 4 U 2796/19 dargelegt, jedenfalls uneinheitlich beurteilt.
Nach nochmaliger ausführlicher, umfangreicher Beratung und der Abwägung der Argumente des Bundesgerichtshofes und der aktuellen Entscheidungen des OLG Dresden, vermag die Kammer an der bisherigen Rechtsprechung, die einen Rahmen von 50 Prozent über dem Normaltarif laut Schwacke – Liste als generell angemessen ansah, nicht mehr festzuhalten.
Der Ausgangspunkt der Prüfung der Angemessenheit der geltend gemachten Mietwagenkoten erfolgt durch die Kammer, wie bisher, auf der Grundlage der Anwendung der Schwacke-Liste, hier der Normaltarife.
Die weitere Prüfung der Angemessenheit muss sich indes an den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof in der oben genannten Entscheidung aufgestellt hat, messen lassen. Es müssen daher die vom Bundesgerichtshof angesprochenen besonderen Umstände im Einzelfall und damit gerade objektive Kriterien vorliegen, damit im Einzelfall gegebenenfalls auch höhere Mietwagentarife im Rahmen der Schadensabrechnung Berücksichtigung finden können.
Eine generelle Spanne, zwischen 100 Prozent des Normaltarifs laut Schwacke – Liste und einem Zuschlag von 50 Prozent, in der sich die Mietwagenkosten ohne weitere Prüfung noch in einem angemessenen Rahmen bewegen sollen, erkennt die Kammer nicht (mehr) an.
Aus vorstehenden Gründen ist die Entscheidung des Amtsgerichtes Dresden sachlich, rechtlich wie auch rechnerisch zutreffend.“

LG Dresden, Urteil vom 1.10.2021 – 3 S 518/20