Das Landgericht Görlitz (Außenkammer Bautzen) hat mit Endurteil vom 27. Juni 2025 im Verfahren 5 O 549/23 über Restansprüche aus einem beendeten Gewerbemietverhältnis entschieden. Die Klägerin, eine Gastronomiegesellschaft, begehrte von der Beklagten, der ehemaligen Vermieterin, die Rückzahlung eines Betriebskostenguthabens aus dem Jahr 2020 sowie die Herausgabe einer Mietbürgschaft. Die Beklagte verweigerte dies unter Verweis auf Gegenforderungen wegen behaupteter Schäden an den Mieträumen sowie Nachforderungen aus früheren Nebenkostenabrechnungen.
Das Gericht bestätigte ein zuvor ergangenes Versäumnisurteil im Wesentlichen und stellte fest, dass der Zahlungsanspruch in Höhe von 1.439,11 € durch eine wirksame Aufrechnung der Beklagten mit einer titulierten Gegenforderung aus einem früheren Verfahren (§§ 387 ff. BGB) in der Hauptsache erledigt sei. Hinsichtlich der weiteren Klageanträge – Rückgabe der Bürgschaftsurkunde und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten – wies das Gericht die Einwendungen der Beklagten zurück.
Rechtsdogmatisch stützte sich das Gericht beim Herausgabeanspruch der Bürgschaftsurkunde auf § 371 BGB in Verbindung mit einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB), wonach dem Mieter nach Wegfall des Sicherungszwecks ein eigener Rückgabeanspruch zusteht. Der Rückforderungsanspruch sei nicht durch etwaige Gegenrechte ausgeschlossen, da weder ein Zurückbehaltungsrecht noch aufrechenbare Gegenansprüche der Beklagten bestünden. Die von der Beklagten geltend gemachten Mängel – etwa fehlende Sockelleisten, ein nicht vorhandenes Waschbecken oder unsachgemäße Reinigung – seien entweder nicht substantiiert vorgetragen, verjährt, irrelevant aufgrund fehlender Fristsetzung (§§ 280, 281 BGB) oder mangels konkreter Beweisangebote nicht entscheidungserheblich. Zudem seien etwaige Verwaltungskosten aus der Betriebskostenabrechnung 2019 nicht umlagefähig gewesen, da der Mietvertrag eine derartige Umlage nicht vorsah.
Hinsichtlich der Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bejahte das Gericht einen Verzug der Beklagten (§§ 286, 288 BGB). Eine Aufrechnung der Beklagten mit ihrem titulierten Zahlungsanspruch aus dem Vorprozess gegen diesen Freistellungsanspruch sei mangels Gleichartigkeit im Sinne des § 387 BGB nicht möglich, da es sich bei der Freistellung um eine Handlungspflicht, nicht um eine Geldschuld handele.
Auszug aus der Gerichtsentscheidung:
„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
[…]
– Klägerin –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]
gegen
[…]
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigter:
[…]
wegen Forderung/Herausgabe
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch
Vorsitzenden Richter am Landgericht […] als Einzelrichter
am 27.06.2025
für Recht erkannt:
1.
Das Versäumnisurteil des LG Görlitz -Außenkammer Bautzen- vom 11.10.2024 wird unter der Maßgabe aufrecht erhalten, dass Buchstabe 1 a) in der Hauptsache erledigt ist.
2.
Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Die Vollstreckung aus dem vorliegenden Urteil und die Fortsetzung der Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 6000 € zulässig.
Beschluss:
Der Streitwert bleibt auf 5.360,62 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Mit der Klage werden Restforderungen aus einem beendeten Mietverhältnis geltend gemacht.Die Klägerin war Mieterin eines von der Beklagten vermieteten Gewerbeobjekts.
Das Mietverhältnis endete im August 2021; die Räume wurden am 13.8.2021 an die Beklagte übergeben. Streitgegenständlich im vorliegenden Verfahren ist das Guthaben aus einer Betriebskostenabrechnung und die Rückgabe der Mietbürgschaft.
Der Rechtsvorgänger der Klägerin und die Beklagte schlossen den Mietvertrag im Jahr 1994; vertragsgemäß wurde auf Grund Nachtrages vom27.2.1998 eine Mietbürgschaft der Kreissparkasse Bautzen übergeben. Mit Vertrag vom 3.1.2011/24.5.2012 wurde das Mietverhältnis mit Wirkung zum 1.1.2011 auf die Klägerin übertragen. Wegen der hierfür relevanten Dokumente wird auf die Anlagen […] verwiesen.
Aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2020 stand zugunsten der Klägerin ein Betrag von 1878,78 € als Guthaben offen; […]. Dagegen schuldete die Klägerin unstreitig für das Jahr 2021 noch eine Nachzahlung auf die Nebenkosten i.H.v. jedenfalls 439,67 €; diesen Betrag hat die Klägerin mit dem Guthaben für 2020 verrechnet, sodass für das Jahr 2020 noch 1439,11 € zur Zahlung offenstehen.
Für das Jahr 2019 hatte die Beklagte einen Nachzahlungsbetrag i.H.v. 472,05 € berechnet auf der Grundlage nachträglich in Ansatz gebrachter Verwaltungskosten über 585,36 €. Die Klägerin hält die Berechnung der Verwaltungskosten für nicht berechtigt und verweist auf die Regelungen des Mietvertrages.
Die Beklagte wurde mehrfach – durch die Klägerin direkt und zuletzt anwaltlich – aufgefordert sowohl die Mietbürgschaft herauszugeben, als auch das streitgegenständliche Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung für 2020 auszuzahlen; E-Mail Schreiben vom 19.1.2023 und vom 21.6.2023, […]. Zuletzt wurde die Beklagte anwaltlich gemahnt mit Anwaltsschreiben vom 27.11.2023.
Bei Rückgabe der Gewerberäume wurde durch die beauftragte Hausverwaltung ein Abnahmeprotokoll gefertigt; die Berechtigung der darin erhobenen Beanstandungen sind zwischen den Parteien streitig; wegen der Feststellungen wird auf das Abnahmeprotokoll, […] verwiesen.
Unstreitig hat die Beklagte gegenüber der Klägerin bis zum Zeitpunkt der Einspruchsbegründung im Prozess Ansprüche wegen mangelhafter Rückgabe der Mietsache nicht geltend gemacht.
Allerdings wurde die Klägerin mit Urteil des Landgerichts Görlitz – Einzelrichterin – vom 24.9.2021 (Az: 5 O 19/20) rechtskräftig verurteilt, einen Betrag von 6.971,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 6.11.2019 an die Beklagte zu zahlen. Dieser Betrag war bei Einleitung des vorliegenden Klageverfahrens unbezahlt und wurde durch die Klägerin erst am 7.5.2025 beglichen, nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 9.4.2025 die aus dem genannten Urteil resultierende Forderung gegen die bezifferten Forderungen der vorliegenden Klage zur Aufrechnung gestellt und wegen der Rückgabe der Bürgschaft ein Zurückbehaltungsrecht eingewandt hatte.
Die Klägerin macht zu den gerügten Mängel und Schäden im Einzelnen geltend:
Ein Waschbecken sei im Büro nicht vorhanden gewesen; jedenfalls habe ein derartiges Becken nach Ablauf der über 20-jährigen Mietzeit keinen Wert mehr gehabt. Sockelleisten in den Räumlichkeiten seien bei Übergabe der Mietsache nicht vorhanden gewesen; nach Ablauf der Mietzeit hätten derartige Sockelleisten keinen Wert mehr gehabt. Richtig sei, dass eine Lüftungsöffnung in einer Toilette mit einer Holzplatte verschlossen war und Deckenplatten beschädigt gewesen seien. Dies habe seine Ursache in einer Mangelhaftigkeit der Mieträume gehabt, nämlich Durchfeuchtungen und Schädlingsbefall, was der Beklagten auch bekannt sei.
Eine nicht besenrein Übergabe der Mieträume sei zu bestreiten; jedenfalls sei der Klägerin – was unstreitig ist – eine Frist zur Vornahme etwa noch erforderlicher Reinigungsarbeiten nicht gesetzt worden.
Wegen der Gegenansprüche der Beklagten beruft sich die Klägerin auf die Einrede der Verjährung, hilfsweise auf Verwirkung.
Nachdem die Beklagte im 1. Termin zur mündlichen Verhandlung säumig war, hat der Einzelrichter ein Versäumnisurteil mit nachfolgendem Urteilstenor Ziff 1 erlassen:
I. Die Beklagte wird verurteilt,
a. an die Klägerin 1.439,11 € nebst für den Zeitraum bis zum 13. Dezember 2023 ausgerechnete Zinsen in Höhe von 265,40 € sowie weiterer Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 1.439,11 € seit dem 14. Dezember 2023 zu zahlen.
b. an die Kreissparkasse Bautzen die Bürgschaftsurkunde der Kreissparkasse Bautzen vom 21. April 1998 […] über den Betrag in Höhe von 7.669,80 DM im Original herauszugeben.
c. die Klägerin gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 273,50 € freizustellen.
Hiergegen hat die Beklagte form und fristgerecht Einspruch eingelegt.
Die Klägerin betrieb die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 11.10.2024, woraufhin die Beklagte die Forderung unter Buchstabe a) im Oktober 2024 beglich. Mit Anwaltsschriftsatz vom 20.05.2025 erklärte die Klägerin den Rechtsstreit hinsichtlich Buchstabe a) für erledigt.
Die Beklagte hat sich der teilweisen Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil des LG Görlitz -Außenkammer Bautzen- vom 11.10.2024 unter der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass Buchstabe a) in der Hauptsache erledigt ist.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet die Mieträume seien in schlechtem Zustand zurückgegeben wurden; es seien diverse Mängel vorhanden gewesen deren Beseitigung einen Aufwand von insgesamt 4150 € erfordere.
Die Lüftung in der Toilette sei mit einer Holzplatte verschlossen gewesen (unstreitig); die Räume seien nicht besenrein übergeben worden. Im Verkaufsraum seien Sockelleisten beschädigt gewesen oder ganz fehlend. Im Büro habe ein Waschbecken gefehlt. Die Decken in den Toiletten seien schadhaft.
Um diese Mängel und Schäden zu beseitigen seien Kosten von 4150 € erforderlich wie folgt:
Die erforderliche Reinigung koste 500 €. Das Herstellen der Lüftung kostet 1000 €. Der Ersatz der Sockelleisten sei mit 1400 € zu veranschlagen. Die Montage eines Waschbeckens koste 600 €. Der Ersatz beschädigter Deckenplatten sei mit 250 € zu veranschlagen.
Darüber hinaus beruft sich die Beklagte auf einen in der Betriebskostenabrechnung für 2019 ausgewiesene Nachzahlungsbetrag von 472,05 €.
Mit diesen Ansprüchen erklärt die Beklagte gegen den Zahlungsanspruch der Klägerin die Aufrechnung wie und macht gegen den Anspruch auf Freigabe der Bürgschaft ein Zurückbehaltungsrecht geltend.
Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, deren Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 11.4.2025 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Einspruch der Beklagten ist in der Sache nicht begründet. In dem Umfang, in welchem Versäumnisurteil erging, ist die Klage wegen der Rückgabe der Bürgschaft und der geforderten Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten zulässig und begründet; wegen der ursprünglich eingeklagten Nebenkostenforderung ist die Hauptsache zwar nicht durch die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung, wohl aber durch die seitens der Beklagten erklärte Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Urteil im Vorverfahren erledigt, worauf auf die insoweit zulässige Klageänderung die Feststellung der Erledigung auszusprechen war. Gegen die begründeten Forderungen auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten und Rückgabe der Bürgschaft stehen der Beklagten keine Gegenrechte, insbesondere keine aufrechenbaren Ansprüche und auch kein Zurückbehaltungsrecht zu.
Im Einzelnen:
Nach Beendigung des Mietverhältnisses hat die Beklagte die ihr überlassene Mietbürgschaft an die Bürgin zurückzugeben; die Klägerin als Hauptschuldnerin kann dies klageweise einfordern. Dies ergibt die Auslegung des Vertrages zur Stellung einer Mietsicherheit. Bei Wegfall des Sicherungszwecks steht, wenn sich nicht aus den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen etwas anderes ergibt, der Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde aus § 371 BGB dem Bürgen zu.
Dem Schuldner kann daneben ein eigener Herausgabeanspruch an den Bürgen zustehen, wenn er sich selbst gegenüber dem Gläubiger zur Sicherheitsleistung verpflichtet hatte und der Sicherungszweck weggefallen ist (BGH NJW 2015, 2961 Rn. 24 ff.; 2015, 1952 Rn. 49 ff.)
Gemäß § 16 des Nachtrags zum Mietvertrag wurde zwischen den Parteien eine Mietkaution vereinbart, für die durch Herrn […] M[…] an die Beklagte die Bürgschaftsurkunde übergeben wurde.
Eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung hinsichtlich der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde wurde durch die Parteien nicht geregelt. Der Herausgabeanspruch der Klägerin ergibt sich jedoch aus der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB).
Der Zweck der Sicherungsvereinbarung und die Interessenlage der Parteien erfordern es, dass der Gläubiger die erhaltenen Rechte und Vorteile aus einer geleisteten Sicherheit nach Wegfall des Sicherungszweckes nicht mehr behalten darf. In diesem Sinne können und müssen auch Rechte aus einer Bürgschaft zurückgegeben werden (BGH, NJW 2009, 218). Denknotwendig muss ein solches Herausgabeverlangen an den Bürge auch durch den Schuldner geltend gemacht werden können. Hierhingehend besteht auch ein erhebliches Interesse des Schuldners, der sich andernfalls fortwährend Ansprüchen der Bank und der Gefahr der Inanspruchnahme der Bürgschaft ausgesetzt sieht.
Gegen den Anspruch auf Rückgabe der Mietsicherheit stehen der Beklagten keine Gegenrechte, insbesondere kein Zurückbehaltungsrecht zu.Der Beklagten stehen keine Rechte mehr aus dem Urteil im vorangegangenen Verfahren zu, nachdem die Beklagte gegen die ursprüngliche Klageforderung zu Ziff. 1 Buchst. a die Aufrechnung erklärt und die Klägerin im Übrigen den (vollen) ursprünglich geschuldeten Betrag aus dem streitgegenständlichen Urteil an die Beklagte gezahlt hat. Die Beklagte kann auch aus vermeintlichen Ansprüchen wegen Schäden an der zurückgegebenen Mietsache sowie einer nicht ordnungsgemäßen Reinigung der Mietsache keine Rechte herleiten. Dabei kann dahinstehen, ob die im Falle ihres Bestehens verjährten Ansprüche wegen der Regelung des § 215 BGB der Klageforderung noch entgegengehalten werden können. Denn die Beklagte hat das Bestehen von Gegenansprüchen bereits nicht schlüssig dargelegt. Wegen der unstreitig vorhandenen Schäden an der Decke des Mietobjektes, wie auch wegen mit einer Holzplatte verschlossenen Lüftung ist die Erklärung der Klägerin, wonach hierfür eine Schädlingsbefall und Durchfeuchtungen im Mietobjekt, die bauseits bedingt sind, verantwortlich waren, unwidersprochen geblieben.Wegen Schäden, die aus der eigenen Sphäre stammen, kann sich die Beklagte nicht an die Klägerin halten. Wegen der schadhaften und/oder nicht mehr vorhandenen Sockelleisten ist die Klägerin einen Vortrag schuldig geblieben, ob diese bereits zu Beginn des Mietobjektes im Objekt vorhanden waren. Die Klägerin hat dies zulässig bestritten; die Beklagte hätte in diesem Punkt näheren Vortrag halten müssen. Darüber hinaus ist offenkundig, dass Sockelleisten nach einem über 20 Jahre währenden Mietverhältnis weitgehend abgenutzt und damit wertlos sind; Sachvortrag der vorliegend etwas anderes nahelegen könnte, hat die Beklagte nicht gehalten. Wegen des fehlenden Waschbeckens ist anzumerken: Das Abnahmeprotokoll enthält ein Foto, auf welchem ein Anschluss zu sehen ist darunter ist vermerkt: Fehlendes Waschbecken oder Spüle? Die Beklagte bleibt hier jeden Vortrag schuldig, was konkret bei Übergabe der Mieträumlichkeiten an den ursprünglichen Mieter eingebaut gewesen sein soll. Die Klägerin hat hierzu angegeben, nach ihrer Kenntnis sei weder ein Waschbecken noch eine Spüle angebracht gewesen.Dazu hat sich die Beklagte nicht weiter erklärt.
Wegen der behaupteten unzureichenden Reinigung der Mieträumlichkeiten vor Übergabe fehlt jedenfalls die erforderliche Fristsetzung an die Klägerin zur Nachholung dieser Arbeiten. Bei der Verpflichtung zur „besenreinen“ Übergabe handelt es sich um eine Leistungspflicht des Mieters. Kommt der Mieter dieser Verpflichtung nicht nach, muss der Vermieter ihm hierzu unter Fristsetzung Gelegenheit geben, dies nachzuholen, bevor ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden kann (§§ 280, 281 BGB). Einen Sachverhalt, unter dem die Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich war, reklamiert die Beklagte nicht für sich.
Es besteht auch kein Anspruch der Beklagten aus der Nebenkostenabrechnung für 2019. Die Klägerin hat hierzu Stellung nehmend belegt, dass die geltend gemachte Forderung aus Verwaltungskosten resultiert, welche der Klägerin zu Unrecht in Rechnung gestellt worden sind. In dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag war nicht vorgesehen, dass Verwaltungskosten auf den Mieter umgelegt werden können. Die mit der Bezugnahme auf die Anl. 3 zur § 27 der 2. Berechnungsverordnung erfassten einzelnen Betriebskosten umfassen nicht die mit der Verwaltung des Mietobjekts verbundenen Kosten.
Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von den ihr entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zu; §§ 286, 288 BGB. Die Beklagte befand sich sowohl mit der Rückgabe der Bürgschaft, wie mit der Bezahlung der Nachzahlungen aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2020 in Verzug. Weder dem Eintritt, noch der Fortdauer des Verzuges stand es entgegen, dass die Klägerin aus dem im Jahr 2021 rechtskräftig gewordenen Urteil im Vorverfahren ihrerseits verpflichtet war, an die Beklagte 6.971,60 € nebst Zinsen zu zahlen. Hierzu hätte sich die Beklagte nach Erhalt der verzugsauslösenden Mahnungen auf das ihr zustehende Zurückbehaltungsrecht berufen müssen, was nicht geschehen, jedenfalls nicht vorgetragen ist.
Die durch die Klägerseite korrekt berechneten Anwaltskosten waren auch „erforderlich“ zur Rechtsverfolgung. Dem steht es nicht entgegen, dass die Klägerin mit der Forderung aus der Nebenkostenabrechnung 2020 gegen die Ansprüche der Beklagten aus dem vorgenannten Urteil hätte aufrechnen können.Vielmehr war es bei der hier bestehenden durchaus komplexen Abwicklungssituation berechtigt wegen der bestehenden Forderungen auf Zahlung sowie Rückgabe der Bürgschaft anwaltlichen Rat einzuholen, nachdem die Beklagte auf Mahnungen nicht reagiert hatte. Die Beklagte hat gegen den Anspruch der Klägerin auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht wirksam aufrechnen können.Denn die sich insoweit gegenüberstehenden Ansprüche : Derjenige der Klägerin auf Freistellung und derjenige der Beklagten auf Zahlung (aus dem Urteil des Jahres 2021) sind nicht gleichartig im Sinne von § 387 BGB .Der Anspruch auf Freistellung ist auf Vornahme einer (vertretbaren) Handlung gerichtet, der Anspruch der Beklagten demgegenüber auf Zahlung. In einem solchen Fall ist eine Aufrechnung nicht möglich. Nachdem, wie oben ausgeführt, Gegenansprüche der Beklagte nicht (mehr) bestehen, ist auch die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes hier nicht (mehr) möglich.
Der im Wege der zulässigen Klageänderung (§§ 263, 264 Nr 3 ZPO) gestellte Antrag festzustellen, dass die Hauptsache wegen der Nebenkostenforderung 2020 erledigt ist, ist zulässig und begründet.
Es liegt zunächst wegen des geltend gemachten Anspruchs ein erledigendes Ereignis vor.
Zwar konnte die Zahlung der Beklagten zur Abwendung der Zwangsvollstreckung die Hauptsache zum Zeitpunkt der Zahlung nicht erledigen:Wird aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil, vollstreckt, tritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB – und damit auch keine Erledigung – ein. Dasselbe gilt für Leistungen, die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel erbracht werden. Die Leistung erfolgt in beiden Fällen unter dem Vorbehalt des Rechtskrafteintritts, sofern der Schuldner nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt (BGH, Urteil vom 19. November 2014 – VIII ZR 191/13 – juris). Vorliegend ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erbrachte Zahlungen ausdrücklich unbedingt erbracht habe.Die Zahlung stand daher unter dem Vorbehalt der Rechtskraft des Ausspruchs zu Ziff. 1 Buchst. a des Versäumnisurteils und diese war weder zum Zeitpunkt der Zahlung, noch zum Zeitpunkt der Aufrechnung der Beklagten mit der Forderung aus dem vorangegangenen Urteil eingetreten.
Die Beklagte hat aber mit Schriftsatz vom 9.4.2025 wirksam und unbedingt die Aufrechnung mit ihrer Forderung aus dem früheren Urteil erklärt und so die streitgegenständliche Forderung zum Erlöschen gebracht. Durch diese Aufrechnungserklärung ist ein erledigendes Ereignis eingetreten. Erklärt der Beklagte im Rechtsstreit die Aufrechnung mit einer bereits vor Rechtshängigkeit der Klage fälligen Gegenanspruch, so kommt es für die Beurteilung des Zeitpunktes der Erledigungserklärung nicht auf das Entstehen oder die Fälligkeit des Gegenanspruchs, sondern auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung an; BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – IX ZR 268/02, juris. Bis zur Erklärung der Aufrechnung war die auf die Nebenkostenabrechnung 2020 gestützte Klage auch zulässig und begründet. Dem Feststellungsantrag war daher stattzugeben.
Gemäß § 97 ZPO fallen der Beklagten auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits (die im
Einspruchsverfahren entstanden sind) zur Last. Im Übrigen ergibt sich die Kostenfolge bereits aus dem aufrechtzuerhaltenden Versäumnisurteil.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
Wegen der Streitwertfestsetzung hatte es bei der Festsetzung im Versäumnisurteil zu verbleiben; §§ 48 GKG, 3 ZPO. Die von der Beklagten im Einspruchsverfahren geltend gemachten Gegenansprüche erhöhen den Streitwert nicht, da sie nicht bloß hilfsweise der Forderungen der Klägerin entgegengehalten wurden.“
LG Görlitz, Endurteil vom 27. Juni 2025 – 5 O 549/23