Kein Anscheinsbeweis bei Auffahrunfall nach vorhergehendem Spurwechsel des Unfallgegners, Haftung für mittelbaren Verkehrsunfall aufgrund eines geplatzten Reifens und zu den Erstattungsansprüchen bei einer beschädigten Brille

Nach dem Urteil des Landgerichts Frankfurt a. M. (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.3.2017 – 2-10 O 280/14) besteht kein Anscheinsbeweis bei einem Auffahrunfall nach vorhergehendem Spurwechsel des Unfallgegners. Zudem haftet der Halter für Schäden aufgrund eines mittelbaren Verkehrsunfalls. Bei einer durch den Verkehrsunfall beschädigten Brille kann nur der Zeitwert erstattet verlangt werden.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

[…] Sch[…]

Kläger

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen,

[…]

gegen

[…] Versicherung […]

Beklagte

Prozessbevollmächtigte: […]

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main

durch die Richterin […] als Einzelrichterin im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist zum 03.03.2017 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.117,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.08.2014 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 118,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.08.2014 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 3.750,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.08.2014 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Unfall vom 22.04.2013 am Unfallort BAB 5, km 475,290, Fahrtrichtung Frankfurt am Main künftig entstehen, mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, insbesondere Versicherungen oder Sozialversicherungsträger übergehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Hergang eines Verkehrsunfalls, der sich am 22.04.2013 auf der BAB 5 ereignete.Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Halter und Eigentümer des Kraftfahrzeugs Nissan Almera, amtliches Kennzeichen […]. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherin des Sattelzugs Scania A4xZ mit dem amtlichen Kennzeichen […].Am 22.04.2013 gegen 11:08 Uhr befuhr der Kläger – mit seiner Ehefrau, der Zeugin Sch[…] als Beifahrerin – die BAB 5 in Fahrtrichtung Frankfurt am Main bei km 475,290 auf der linken von drei Spuren. Zeitgieich befuhr der Zeuge L[…] mit dem beklagten Sattelzug die rechte Fahrspur. Die Zeugen Re[…] und Ri[…] fuhren in ihrem PKW mit einigem Abstand hinter dem klägerischen Fahrzeug. Der Zeuge S[…] fuhr in seinem LKW mit einigem Abstand hinter dem beklagten Sattelzug. In  unmittelbarer Nähe befanden sich zudem der Zeuge Schu[…] in seinem Mazda (amtliches Kennzeichen: […]) sowie der Zeuge B[…] in seinem BMW (amtliches Kennzeichen. […]). Wo — insbesondere auf welcher Spur – sich die Zeugen Schu[…] und B[…] genau befanden, ist zwischen den Parteien umstritten.Während der Fahrt löste sich von einem Reifen am Beklagtenfahrzeug die Reifendecke von der Karkasse, so dass Reifenteile auf die Fahrbahn geschleudert wurden. In der Folge kam es zu einem Unfall zwischen dem klägerischen Fahrzeug, dem Mazda des Zeugen Schu[…] und dem BMW des Zeugen B[…], wobei zwischen den Parteien umstritten ist, wie dieser sich genau ereignete. Durch den Unfall kam der Mazda des Zeugen Schu[…] rechts von der Fahrbahn ab und blieb in einem dort befindlichen Feld stehen. Der BMW des Zeugen B[…] sowie das klägerische Fahrzeug kamen auf der linken Fahrspur der BAB zum Stehen.Das klägerische Fahrzeug wurde durch den Unfall erheblich beschädigt. Der Fahrzeugschaden (Wiederbeschaffungswert (differenzbesteuert  2,5%) i.H.v.  4.682,93 EUR abzüglich Restwert i.H.v. 150,00 EUR) beläuft sich auf 4.532,93 EUR. […]Dem Kläger entstanden durch den Unfall folgende weitere Sachschäden:[…]Soweit der Kläger jeweils nur einen Restbetrag geltend macht, hat die Beklagte vorgerichtlich bereits 30% des entstandenen Schadens ersetzt.Darüber hinaus wurde bei dem Unfall die Brille des Klägers beschädigt. Der Kläger wendete für die Ersatzanschaffung 401,75 EUR auf […]. Seit der Anschaffung der zerstörten Brille im Februar 2010 verschlechterte sich die Sehstärke des Klägers auf dem linken Auge um 0,5 Dioptrien […]. Die Beklagte zahlte für die zerstörte Brille 48,00 EUR an den Kläger. […] Der Kläger erlitt in Folge des Unfalls eine Rippenserienfraktur (4. bis 11. Rippe) auf der linken Seite und eine Lungenkontusion. Er befand sich vom 22.04.-27.04.2013 stationär im Krankenhaus und war nach der Entlassung für sechs Wochen arbeitsunfähig. Der Kläger wurde in der Folge mehrfach ärztlich untersucht. Es wird auf die ärztlichen Berichte […] sowie das ärztliche Gutachten […] Bezug genommen. Die Beklagte zahlte bislang ein Schmerzensgeld i.H.v. 1.250,00 EUR an den Kläger.Mit anwaltlichem Schreiben […] machte der Kläger Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Auf die Anlagen […] wird Bezug genommen.Der Kläger behauptet, er sei mit seinem Fahrzeug auf dem linken von drei Fahrspuren gefahren, Wobei sich in relevanter Reichweite keine weiteren Fahrzeuge vor ihm auf der linken Spur befunden hätten. Plötzlich seien mehrere deutlich langsamer fahrende Fahrzeuge ohne Setzen eines Fahrrichtungsanzeigers zügig von der mittleren Fahrspur auf die linke Fahrspur vor sein Fahrzeug gewechselt, um den Reifenteilen des Sattelzuges auszuweichen. Das Fahrzeug des Zeugen Schu[…] (Mazda) sei hierbei derart dicht vor das Fahrzeug des Klägers gefahren, dass dieser trotz einer Betriebsbremsung und eines Ausweichmanövers nach links (begrenzt durch die linke Leitplanke) einen Zusammenstoß nicht mehr habe verhindern können.Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm die Kosten für die Neuanschaffung der Brille ohne einen Abzug „Neu-für-Alt“ zu erstatten seien, da es für Brillen keinen Gebrauchtmarkt gäbe und er aus medizinischen Gründen auf die Brille angewiesen sei. […] Eine vollständige Genesung des Klägers sei nicht zu erwarten. Insbesondere verblieben auf Lebenszeit Schmerzen und ein gesundheitlicher Dauerfolgeschaden in  Form eines Druckschmerzes. Es sei ein Schmerzensgeld von mindestens 7.500,00 EUR angemessen.[…]Die Beklagte behauptet, auf der linken Fahrspur sei zunächst der Zeuge B[…] (BMW) gefahren, dahinter der Zeuge Schu[…] (Mazda) und wiederum dahinter der Kläger. Als Reifenteile der Karkasse des beklagten Sattelzuges auf die Fahrbahn geschleudert wurden, habe der Zeuge B[…] unfallvermeidend – wohl bis zum Stillstand – abgebremst (Vollbremsung). Auch der Zeuge Schu[…] habe eine Vollbremsung unternommen und habe zudem nach rechts gelenkt, um auf den freien  Mittelstreifen auszuweichen. Der Kläger habe das Geschehen zu spät gemerkt, er sei zu schnell gefahren oder mit zu geringem Sicherheitsabstand und sei auf das nach rechts ausscherende Fahrzeug des Zeugen Schu[…] aufgefahren, welches aus diesem Grund über den rechten Fahrstreifen über die Autobahnbegrenzung hinausgeschossen sei. Der Kläger sei dann noch gegen das Heck des Fahrzeugs des Zeugen B[…] (BMW) geprallt.Der Kläger hätte bei angemessener Reaktion den Unfall vermeiden können. Die Beklagte treffe lediglich eine Mithaftung von 30% (Betriebsgefahr).Die Beklagte  ist  der Ansicht, dass bei  der Schadensposition  „Brille“  lediglich  der Zeitwert/Gebrauchswert anzusetzen sei. Dies insbesondere, weil sich die Sehstärke verschlechtert habe. Es seien lediglich 160,00 EUR zu Grunde zu legen. […]Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dem Beklagten stehe kein weiteres Schmerzensgeld zu.Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen […] sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 13.03.2015 […] und 12.02.2016 […] sowie auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K[…] vom 15.12.2016 Bezug genommen. Die Parteien haben […] einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. 

Entscheidungsgründe

Die teilweise zulässige Klage ist teilweise begründet. 

I.

[…] 

2.

Gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG hängen bei der Beteiligung mehrerer Kraftfahrzeuge an einem Verkehrsunfall die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.  Diese Ersatzpflicht ist jedoch gemäß § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht, wobei als unabwendbar ein Ereignis dann gilt, wenn sowohl der Halter als auch der Fahrer jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt beachtet haben.Die Haftung des Klägers ist hier gemäß § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen, weil der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis war und auch durch die Anwendung äußerst möglicher Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. 

a)

Es spricht zunächst kein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Klägers.Die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat; es muss sich um Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist (BGH, Urteil vom 15.12.2015 – VI ZR 6/15).Hier ist der Kläger unstreitig von hinten auf den Mazda des Zeugen Schu[…] aufgefahren.Bei Auffahrunfällen kann – auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen – der erste Anschein dafür sprechen, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVG), unaufmerksam war (§ 1 StVG) oder aber mit einer den Straßen- und Sichtverhältnis sen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1  StVG) (BGH, Urteil  vom 13.12.2011 -VI ZR 177/10).Das „Kerngeschehen“ – also der Auffahrunfall – reicht als solches allerdings als Grundlage eines Anscheinsbeweises dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststeilungen ergeben. Steht allerdings nicht fest, ob über das – für sich gesehen typische – Kerngeschehen hinaus Umstände vorliegen, die, sollten sie gegeben sein, der Annahme der Typizität des Geschehens entgegenstünden, so steht der Anwendung des Anscheinsbeweises nichts entgegen. Ist also ein Sachverhalt unstreitig, zugestanden oder positiv festgestellt, der die für die Annahme eines Anscheinsbeweises erforderliche Typizität aufweist, so obliegt es demjenigen, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis angewendet werden soll, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass weitere Umstände vorliegen, die dem feststehenden Sachverhalt die Typizität wieder nehmen; er hat den Anscheinsbeweis zu erschüttern (BGH, Urteil vom 13.12.2016 -VI ZR 32/16).Es obliegt demnach dem Auffahrenden – hier dem Kläger – den Anscheinsbeweis zu erschüttern und den Spurwechsel des Vorausfahrenden zu beweisen. Dies ist dem Kläger jedoch gelungen.Nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht im gemäß § 286 ZPO erforderlichen Maße davon überzeugt, dass der Unfall durch den beklagten Sattelschlepper sowie den Zeugen Schu[…] dergestalt verursacht wurde, dass der Reifen des auf der rechten Spur fahrenden Sattelschleppers platzte und Reifenteile auf die Fahrbahn flogen und der Zeuge Schu[…] daraufhin von der mittleren Fahrspur auf die linke Fahrspur vor das klägerische Fahrzeug wechselte. Dabei fuhr das Fahrzeug des Zeugen Schu[…] derart dicht vor das Fahrzeug des Klägers, dass dieser trotz eines Abbremsvorgangs und eines Ausweichmanövers nach links (begrenzt durch die linke Leitplanke) einen Zusammenstoß nicht mehr verhindern konnte.Die Kammer stützt ihre Überzeugung dabei insbesondere auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K[…] und die Aussagen der Zeugen Sch[…] und R[…].Im Kern ergibt sich der vorbeschriebene Unfallhergang zunächst aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K[…] vom 15.12.2016. Der Sachverständige hat schlüssig ausgeführt, dass das Klägerfahrzeug zunächst mit dem rechten Teil seiner Front in  Kontaktmit dem linken Teil des Fahrzeughecks des Zeugen Schu[…] gekommen sein müsse […]. Hierbei habe sich die Heckscheibe des Pkw des Zeugen Schu[…] gelöst und sei zwischen der linken und mittleren Fahrspur im Bereich der dortigen Fahrbahnmarkierung liegengeblieben.Das Klägerfahrzeug sei nach einer Rotation im Uhrzeigersinn mit seiner linken Fahrzeugseite im Bereich der B-Säule in Kontakt mit dem Pkw des Zeugen B[…] gekommen […]. Anschließend müsse das Klägerfahrzeug mit dem linken vorderen Eckbereich in Kontakt mit der links der Fahrbahn befindlichen Betonleitwand gekommen sein, an welcher das Klägerfahrzeug auch zum Stillstand gekommen sei. Der Pkw des Zeugen Schu[…] sei durch den Anstoß des Klägerfahrzeugs ebenfalls in eine Rotation im Uhrzeigersinn geraten und sei abseits der Fahrbahn zum Stillstand gekommen.Die in Anlage H gezeigten Reifenspuren müssten von einem der rechtsseitigen Räder des Pkw des Zeugen Schu[…] gezeichnet worden sein. Somit ergebe sich in Verbindung mit der relativen Kollisionsposition eine fahrbahnbezogene Kollision entsprechend der Skizze Anlage I.  Der Pkw des Zeugen Schu[…] müsse sich zum Kollisionszeitpunkt teilweise auf dem linken und teilweise auf dem mittleren Fahrstreifen befunden haben. Diese Position sei mit einem unmittelbaren Spunwechsel des Zeugen Schu[…] gut erklärbar. Bei einem abgeschlossenen Spurwechsel und einem Auffahren des Klägerfahrzeugs wäre es hingegen zu einem flächigen Auffahren des Klägerfahrzeugs auf den Pkw des Zeugen Schu[…] gekommen.Die rechnerische Mindestgeschwindigkeit des Pkw des Zeugen Schu[…] nach der Kollision betrage 88 km/h. Tatsächlich dürfe diese noch höher – bei etwa 100 km/h – gelegen haben, da der Pkw des Zeugen Schu[…] erst nach einer Auslaufstrecke von rund 100 m zum Stillstand gekommen sei. Es könne unter Berücksichtigung der Fahrzeugbeschädigungen mit einer kollisionsbedingten Beschleunigung des Pkw des Zeugen Schu[…] von allenfalls 20 km/h gerechnet werden. Demnach könne der Zeuge Schu[…] seinen Pkw vor der Kollision nicht bis zum Stillstand  abgebremst haben. Die Geschwindigkeit vor der Kollision  müsse mindestens 80 km/h betragen haben.Dasselbe gelte auch für den Pkw des Zeugen B[…], da dieser erst rund 160 m nach dem Klägerfahrzeug zum Stillstand gekommen sei. Der Pkw des Zeugen B[…] müsse bei der Kollision noch eine deutliche Geschwindigkeit inne gehabt haben. Von der Kollisionssituation her könne sich der Pkw des Zeugen Schu[…] prinzipiell in einem Spurwechselvorgang vom mittleren zum linken Fahrstreifen oder vom linken zum mittleren Fahrstreifen hin befunden haben. Dass der Pkw des Zeugen B[…] vor dem Pkw des Zeugen Sch[…] bis zum Stillstand abgebremst habe und der Zeuge Schu[…] seinen Pkw 30 cm hinter dem Pkw des Zeugen B[…] zum Stillstand gebracht hatte, als der Kläger aufgefahren sei, müsse technisch ausgeschlossen werden.Das Gericht hält diese Ausführungen für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Der Sachverständige, gegen dessen Fachkunde und Neutralität keine Bedenken bestehen und Einwendungen von den Parteien auch nicht erhoben wurden, hat seine Feststellungen und Schlussfolgerungen auch für Laien äußerst nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei dargelegt und mit Lichtbildern und Skizzen veranschaulicht.Die Ausführungen des Sachverständigen werden zudem durch die Aussage der Zeugin Sch[…] bestätigt […]. Diese hat bekundet, dass sie und ihr Mann auf der linken Spur gefahren seien und plötzlich alle „wie Ameisen“ auf ihre Spur gefahren seien. Alle hätten versucht auf die linke Spur zu kommen, zuletzt sei dann noch ein Fahrzeug rüber gezogen, welches sie dann auch getroffen hätten, da sie nicht mehr rechtzeitig hätten bremsen können. Das helle Auto habe sich noch vor sie geschoben. Er sei ihnen richtig vors Auto gefahren, da sei kein Platz mehr gewesen, ein Auto hätte vielleicht noch hingepasst, mehr nicht. Dieses weiße Fahrzeug habe dann auch bremsen müssen, denn vor ihm seien ja auch Fahrzeuge gewesen, die alle auf die linke Spur gezogen seien. Der Kläger habe auch gebremst, er habe richtig auf der Bremse drauf gestanden.Die Kammer hält diese Aussage für glaubhaft. Die Aussage ist sowohl im Kern- als auch im Randgeschehen präzise und enthält lebensnahe Details sowie individuelle Schilderungen („wie Ameisen“). Auch an der Glaubwürdigkeit der Zeugin bestehen keine Zweifel, auch wenn es sich um die Ehefrau des Klägers handelt. Sie zeigte keine einseitigen Belastungstendenzen und räumte ein, wenn sie etwas nicht mehr sicher wusste oder die Angaben von ihrem Mann übernommen hatte.Hinzu kommt, dass die Aussage der Zeugin Sch[…] auch im Einklang mit der Aussage des Zeugen R[…] steht. Dieser hat bekundet, dass er etwa 300 Meter hinter dem Unfallgeschehen auf der linken Spur gewesen sei und gesehen habe, wie ein Fahrzeug von der Mittelfahrbahn gegen das klägerische Fahrzeug gefahren sei. Er habe gesehen wie ein Auto von der Mittelspur nach links gezogen und gegen das Auto des Klägers gefahren sei, also dieses am Flügel vom Motor berührt habe. Das Auto von der mittleren Spur seidann nach rechts von der Fahrbahn herunter geschossen. Das klägerische Auto sei dann gegen die feste Fahrbahnbegrenzung auf der linken Seite gestoßen. Der Zeuge Schu[…] habe ihm einen bösen Brief geschrieben und ihm unterstellt, dass er eine Falschaussage mache.Das Gericht hält diese Aussage für glaubhaft. Der Zeuge hat seine Beobachtungen nachvollziehbar und detailliert geschildert. Der Zeuge hatte als Beifahrer des hinter dem Unfall fahrenden Fahrzeugs auch eine gute Sicht auf die Situation. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen ebenfalls keine Zweifel. Er war sehr darauf bedacht, lediglich seine Wahrnehmungen zu schildern und hat Wahrnehmungslücken stets frei eingeräumt. Auch hat er als nicht unfallbeteiligter Zeuge keine wirtschaftlichen Eigeninteressen am Ausgang des Verfahrens und zeigte keinerlei einseitige Be- oder Entlastungstendenzen.Die Aussage der Zeugin R[…] war zum Kerngeschehen des streitgegenständlichen Unfalls unergiebig. Zwar konnte die Zeugin von dem platzenden Reifen berichten sowie davon, dass der Mazda des Zeugen Schu[…] rechts von der Fahrbahn abgekommen und das klägerische Fahrzeug gegen die linke Fahrbahnbegrenzung gefahren sei. Ob bzw. wie es zu einer Kollision zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem Mazda des Zeugen Schu[…] gekommen ist, konnte die Klägerin hingegen nicht bekunden. Der Zeuge Schu[…]habe ihnen (den Zeugen R[…] und R[…]) einen Brief geschrieben und ihnen eine Falschaussage vorgeworfen.Auch die Aussage des Zeugen B[…] war zum Kerngeschehen des streitgegenständlichen Unfalls unergiebig. Er konnte keine Aussage zu der streitgegenständlichen Kollision des Klägers mit dem Zeugen Schu[…] machen. Auch konnte er nichts dazu sagen, von welchem Auto sein BMW getroffen wurde. Darüber hinaus konnte er keine konkrete Aussage dazu machen, auf welcher Spur er sich befand bzw. ob er die Spur kurz zuvor gewechselt hatte. Jedenfalls habe er keine Vollbremsung gemacht, sondern langsam abgebremst. Darüber hinaus hat der Zeuge die Situation bei Ankunft an der späteren Unfallstelle – abweichend von den anderen Zeugen – so geschildert, dass die Reifenteile bereits auf der Straße gelegen hätten und der beklagte Sattelzug bereits auf dem Seitenstreifen gestanden habe.Die Aussagen der Zeugen Schu[…] und S[…] waren nicht geeignet, den insoweit von dem Kläger geführten Beweis zu erschüttern.Der Zeuge Schu[…] hat ausgeführt, er sei mit drei bis vier Fahrzeugen auf der linken Spur relativ schnell – 170 bis 180 km/h – unterwegs gewesen. Der vor ihm fahrende BMW habe dann plötzlich voll gebremst. Er habe dann auch gebremst und habe es noch geschafft, ca. 30 cm hinter dem BMW zum Stehen zu kommen. Er habe dann auf die mittlere Spur fahren wollen und habe das Lenkrad eine Nuance nach rechts gedreht. In diesem Moment habe es einen unglaublichen Schlag getan und es habe ihn nach rechts von der Fahrbahn katapultiert. Er habe ungefähr zwei Sekunden gestanden, bevor er das Lenkrad gedreht habe um auf die mittlere Fahrspur zu wechseln. Vor dem Unfall habe er nicht die Spur gewechselt. Es sei richtig, dass er die anderen Zeugen angeschrieben habe, um diesen zu schildern wie sich der Unfall aus seiner Sicht tatsächlich zugetragen habe.Die Aussage des Zeugen war nicht glaubhaft. Die Aussage steht bereits im Widerspruch zu den objektiven Feststellungen  und Wertungen des Sachverständigen Dr.-Ing. K[…]. Dieser hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Zeuge Schu[…] seinen Pkw vor der Kollision nicht bis zum Stillstand abgebremst haben könne, sondern die Geschwindigkeit vor der Kollision mindestens 80 km/h betragen haben müsse. Da die Ausführungen des Sachverständigen auf physikalischen  Gesetzmäßigkeiten beruhen, erscheint die Aussage des Zeugen Schu[…] insoweit nicht glaubhaft. Darüber hinaus war der Zeuge bemüht, ein eigenes Verschulden an dem Unfall nicht zuzugeben. Dazu schrieb er sogar den Kläger sowie die unfallunbeteiligten Zeugen R[…] und R[…] an, um diesen seine Version des Unfaiigeschehens zu schildern und diese ggf. in seinem Sinne zu beeinflussen. Auch dies spricht gegen die Glaubhaftigkeit des Zeugen Schu[…].Der Zeuge S[…] hat ausgesagt, er habe im Rückspiegel einen Kleinwagen – wohl einen Nissan – gesehen, der mit hoher Geschwindigkeit (ca. 80 bis 110 km/h) auf das Stauende zugefahren sei. Der Kleinwagen sei dann auf einen großen weißen Kombi aufgefahren,der dann ins Feld gefahren sei. Er habe den Eindruck, dass der Kleinwagen noch gebremst habe. Er glaube der Kleinwagen sei auf der ganz linken von drei Spuren gefahren. Der weiße Kombi müsse also auch ganz links auf der Spur gewesen sein, es habe nämlich einen zentralen Aufprall gegeben. Den weißen Kombi habe er vorher noch nicht wahrgenommen. Er könne also nicht sagen, ob der weiße Kombi zeitnah vor dem Zusammenprali die Spur gewechselt habe.Die Aussage des Zeugen S[…] zum Kerngeschehen ist ebenfalls unergiebig. Er nahm den Pkw des Zeugen Schu[…] vor dem Unfall nicht wahr und konnte keine Aussage dazu treffen, ob dieser zeitnah vor dem Unfall die Spur gewechselt habe. Die Schilderung desZeugen, dass es zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem Zeugen Schu[…] einen zentralen Aufprall gegeben habe, wird durch das Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K[…] wiederlegt, der geschildert hat, dass der Pkw des Zeugen Schu[…] sich zum Kollisionszeitpunkt teilweise auf dem linken und teilweise auf dem mittleren Fahrstreifen befunden habe und es nicht zu einem zentralen Aufprall gekommen sei. 

b)

Der Kläger hat damit auch bewiesen, dass der Unfall für ihn unabwendbar war.Auf der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststehenden Tatsachengrundlage (s.o.) war das Unfallereignis für den Kläger unabwendbar, weil der Kläger äußerste Sorgfalt beachtet und alle Gefährdungsmomente in seine Fahrweise einbezogen hat. Er ist nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren und hat ausreichenden Sicherheitsabstand zu den vor ihm fahrenden Fahrzeugen eingehalten. Er durfte darauf vertrauen, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer plötzlich von der mittleren Spur so knapp vor Ihm einscheren würde, dass er selbst mit einem Bremsmanöver und dem Ausweichen nach links eine Kollision nicht mehr vermeiden konnte.Zwar ist bei der Frage, ob sich ein Fahrer wie ein „Idealfahrer“ verhalten hat, nicht nur zu prüfen, ob er in der konkreten Unfallsituation wie ein solcher gehandelt hat, sondern auch, ob ein Idealfahrer  überhaupt in  eine solche  Gefahrenlage geraten  wäre (BGH, Urteil  vom 13.12.2005 – VI ZR 68/04). Nachdem für den Kläger bis zum Ausscheren der anderen Fahrzeuge auf die linke Spur keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass dies geschehen werde, würde eine noch umsichtigere Fahrweise die Anforderungen an einen Idealfahrer überspannen.Die Haftung des Klägers für den Verkehrsunfall vom 22.04.2013 auf der BAB 5 ist daher gemäß § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen.

3.

a)

Der Sachschaden des Klägers ist in Höhe von 4.117,02 EUR nach §§ 249 ff. BGB ersatzfähig. Dies setzt sich wie folgt zusammen: […]

Hinsichtlich der zerstörten Brille steht dem Kläger lediglich ein weiterer Anspruch in  Höhe von 112,00 EUR zu. Für die zerstörte Brille ist nur der Zeitwert zu ersetzen. Auch Brillen habe eine begrenzte Lebensdauer. Diese sind bei täglichem Gebrauch den Alltagseinflüssen ausgesetzt, so dass im Laufe der Zeit selbst bei intensiver Pflege leichte Beschädigungen, wie Kratzer, nicht vermeidbar sind. Neben der Abnutzung unterliegen insbesondere die Brillengestelle in Material, Form und Farbe modisch sich ständig ändernden Anschauungen (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 25.06.2010 – 5 U 195/09; AG Bielefeld, Urteil vom 09.11.2015 – 421 C 256/15). Die zerstörte Brille des Klägers war bei dem Unfallereignis bereits über drei Jahre alt. Zudem hat sich die Sehstärke des Klägers seit der Anschaffung der zerstörten Brille im Februar 2010 bis zur Neuanschaffung im Juli 2013 auf dem linken Auge um 0,5 Dioptrien verschlechtert, und zwar nicht unfallbedingt. Das Gericht verkennt nicht, dass trotz der vorgenannten Umstände (Kratzer, veränderte Dioptrienwerte) die Brillengläser theoretisch eine nicht unerheblich Zeit lang weiter genutzt werden können, auch wenn dies im Interesse der eigenen Sicherheit nicht empfehlenswert erscheint. Jedenfalls wäre vor diesem Hintergrund jedenfalls mittelfristig die Einsetzung neuer Brillengläser zu erwarten gewesen. Der Erwerb einer neuen Brille stellt den Kläger im Ergebnis wirtschaftlich besser als vor dem Unfall.  Unter Würdigung der gesamten Umstände bemisst das Gericht nach ordnungsgemäßdurchgeführter Schätzung i.S.d. § 287 ZPO den Zeitwert der zerstörten  Brille  auf 160,00 EUR. Dies entspricht auch den Angaben der Beklagten, welchen der Kläger nicht entgegen getreten ist.  Die Beklagte hat bereits 48,00 EUR an den Kläger gezahlt, so dass ein Anspruch von 112,00 EUR verbleibt.

[…]

b)

Darüber hinaus kann der Kläger von der Beklagten wegen der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von weiteren 3.750,00 EUR verlangen (§115 Abs. 1 VVG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2, 3 StVG i.V.m. § 253 BGB i.  V. m. § 287 ZPO).Gemäß des unfallchirurgischen Gutachtens des Dr. K[…] vom 28.05.2014 […] – welchem die Beklagte nicht entgegengetreten ist – habe der Kläger in Folge des Unfalls eine Rippenserienfraktur (4. bis 11. Rippe) auf der linken Seite und eine Lungenkontusion erlitten.Er habe sich vom 22.04.-27.04.2013 stationär im Krankenhaus befunden und sei nach der Entlassung für sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen. Danach habe der Kläger seine Tätigkeit als Hausmeister auf 400,00 EUR-Basis wieder aufgenommen. Der Kläger sei in der Folge mehrfach ärztlich  untersucht worden. Bei der Röntgenverlaufskontrolle am 07.05.2013 seien die Rippenserienfrakturen der 4. bis 11. Rippe links ohne wesentliche Dislokation festgestellt worden. Die Rippenfrakturen seien noch nicht vollständig knöchern durchbaut gewesen. Eine weitere Röntgenverlaufskontrolle sei am 29.05.2013 erfolgt. Dabei sei festgestellt worden, dass die Lungen regelgerecht belüftet und unauffällig seien. Auf der linken Seite seien die Rippenserienfraktur mit pleuralem Wandbegleitschatten im Sinne eines Hämatoms, des Weiteren eine BWS-Kyphose und degenerative Veränderung im Sinne einer Spondylosis deformans diagnostiziert worden. Bei einer weiteren Kontrolle am 16.10.2013 sei festgestellt worden, dass die Rippen 9, 10 und 11 pseudarthrotisch verheilt seien. Insgesamt bestehe eine Dehiszenz von etwa 3 bis 4 mm, so dass nicht zu erwarten sei, dass die Frakturen noch heilen. Es sei eine Weiterbehandlung durch einen Schmerztherapeuten erfolgt, wobei Volatren retard  und Novalgin eingesetzt worden seien. Am Tag der gutachterlichen Untersuchung (21.05.2014) hätten sich noch folgende feststellbare Unfallfolgen gefunden:Druckschmerz am linkskaudaien Hemithorax bei mit Falschgelenkbildung verheilten Rippen 9, 10 und 11. Aufgrund der verbliebenen Unfallfolgen bestehe ein Grad der Erwerbsminderung von 2%. Der Zustand der pseudarthrotisch verheilten Rippen werde dauerhaft so verbleiben. Schmerzabhängig müsse der Kläger die Schmerzmittel Novaminusulfon 500 1-0-1 und Voltaren ret. 1-0-1 weiterhin einnehmen.Nach alledem schuldet die Beklagte dem Kläger gemäß § 253 Abs. 2 BGB die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes für die erlittenen Unfallfolgen. Unter zusammenfassender Würdigung aller für die Höhe des Schmerzensgeldes maßgeblichen Umstände erachtet die Kammer ein Schmerzensgeld von insgesamt 5.000,00 EUR (wovon 1.250,00 EUR bereits gezahlt wurden) als angemessen und erforderlich, aber auch als ausreichend.Schmerzensgeld soll  dem Geschädigten  einen  angemessenen Ausgleich für  diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund.Bei der Festsetzung dieser billigen  Entschädigung dürfen  grundsätzlich  alle  in Betracht kommenden Umstände des Falles berücksichtigt werden, darunter auch der Grad des Verschuldens des Verpflichteten und die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Teile. Dabei hat die Rücksicht auf Höhe und Maß der Lebensbeeinträchtigung (Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen) durchaus im Vordergrund zu stehen, während das Rangverhältnis der übrigen Umstände den Besonderheiten des Einzelfalles zu entnehmen ist (grundlegend:  BGH, Beschluss  vom 06.07.1955 – GSZ 1/55;  BGH, Beschluss  vom 16.09.2016-VGS 1/16).Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat sich das Gericht an den Entscheidungen des LG Dortmund vom 09.06.2004 (21 O 454/03; IMMDAT Plus Schmerzensgeld-Tabelle Nr. 3731), des OLG München vom 13.03.1984 (5 U 3797/83; IMMDAT Plus Schmerzensgeld-Tabelle Nr. 554) sowie des AG Soltau vom 16.01.2013 (24 C 390/12; IMMDAT Plus Schmerzensgeld-Tabelle Nr. 4928) orientiert, die vom Grad der Verletzungen und der Folgen als vergleichbar angesehen werden können.

c)

Ist der Geschädigte – wie hier – selbst für den Schaden nicht mitverantwortlich, weil der Unfall für ihn unabwendbar war, hat er gegen jeden der Schädiger einen Anspruch auf Schadensersatz, für den diese als Gesamtschuldner haften ohne Rücksicht auf das Gewicht ihres jeweiligen Verantwortungsbeitrages, § 840 BGB analog (Freymann/Wellner-Scholten, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl., § 17 StVG, Rn. 44; BGH, Urteil vom 13.12.2005 – VI 2R 68/04). § 840 Abs. 1  BGB findet insoweit auch bei Ansprüchen aus Gefährdungshaftung entsprechende Anwendung (BGH, Urteil vom 13.12.2005 – Vl ZR 68/04; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., §840, Rn. 1).Aus diesem Grund war die Beklagte zum vollen Schadensersatz zu verurteilen, auch wenn den Zeugen Schu[…] ebenfalls ein Mitverschulden an dem Unfall treffen dürfte. Das unter schiedliche Gewicht der Verantwortungsbeiträge der jeweiligen Schädiger ist jedoch erst im Innenverhältnis zu berücksichtigen.

4.

Der Kläger hat lediglich einen Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen in  Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz aus §§ 288, 291 BGB.[…] 

5.

Der Kläger hat auch Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, da diese als adäquate und dem Schädiger zurechenbare Folgeschäden zu ersetzen sind, § 249 BGB. Der Kläger durfte seinen Rechtsanwalt bereits vor Verzug der Beklagten auf deren Kosten für seine Anspruchsdurchsetzung einschalten, da er insoweit schutzbedürftig ist. Jedoch sind die zuzusprechenden Anwaltskosten aus dem Geschäftswert der berechtigten Forderung des Klägers zu berechnen (BGH, Urteil vom 07.11.2007 -VIII ZR 341/06).Dies ergibt gemäß der Berechnungsmethode des Klägers folgenden Anspruch:[…]

6.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung der Einstandspflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden hinsichtlich der Unfallfolgen zu.Ein zulässiger Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (BGH, Beschluss vom 09.01.2007 – VI ZR 133/06). Zukünftige materielle und immaterielle Schäden sind – auch nach dem unfallchirurgischen Gutachten des Dr. K[…] vom 28.05.2014 […] – nicht gänzlich unwahrscheinlich. 

III.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 a, 92 Abs. 1, 93 ZPO.[…]“ 

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.3.2017 – 2-10 O 280/14

Fehlende Voraussetzung für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO nach 14 Monaten

Nach der Entscheidung des Landgerichts Dresden (LG Dresden, Beschluss vom 8.2.2017 – 15 Qs 12/17) liegen die Voraussetzungen des § 111a StPO für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach 14 Monaten ab dem Tatzeitpunkt nicht mehr vor.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

BESCHLUSS

in dem Strafverfahren gegen

[…],

Verteidiger:
Rechtsanwalt Stephan M. Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen

wegen Widerstands gg. Vollstreckungsbeamte u. a.

ergeht am 08.02.2017

durch das Landgericht Dresden – Strafkammer als Beschwerdekammer –

nachfolgende Entscheidung:

1. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 23.01.2017 (24 Cs 152 Js 3244/16).

aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Die Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis lagen am 23.01.2017 nicht mehr vor.
Bei § 111 a StPO handelt es sich um eine vorbeugende Eilmaßnahme zum Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren durch einen ungeeigneten Kraftfahrer.
Die vorläufige Entziehung längere Zeit nach der Tat durch Beschluss vom 23.01.2017 […] ist nur dann gerechtfertigt, wenn der für § 69 StGB maßgebliche Sachverhalt erst noch ausermittelt werden muss. Liegt die Anlasstat mehrere Monate zurück und sind mehrere Monate keine sachaufklärenden Ermittlungen geführt worden, scheidet die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis in der Regel als unverhältnismäßig aus (so etwa Landgericht Leipzig, Beschluss vom 23.09.2014 -1 Qs 329/14, zitiert nach Juris).

Bei Anlegung dieses Maßstabes kann auch im vorliegenden Einzelfall – bei dem es sich insbesondere nicht um einen Regelfall nach § 69 Abs. 2 StGB handelt – der am Ende der Hauptverhandlung verkündete Beschluss keinen Bestand haben. Der für Strafbefehl und Hauptverhandlung maßgebliche Sachverhalt war bereits im Dezember 2015 ausermittelt. Die Anlasstat ist vor 14 Monaten begangen worden. Der Angeklagte hat sich seitdem im Kraftverkehr bewegt, ohne dass es zu Auffälligkeiten gekommen ist. Zusätzliche Erkenntnisse, die die charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen betreffen, hat die Hauptverhandlung, soweit dies dem Protokoll zu entnehmen ist, nicht erbracht.

Es sind auch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Gefahr der Wiederholung der Tat begründen könnten.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 467 StPO analog.“

LG Dresden, Beschluss vom 8.2.2017 – 15 Qs 12/17

Ermittlung des Heizölverbrauchs im Rahmen einer Nebenkostenabrechnung durch Ablesen der Füllstandsanzeige mit Hilfe eines Messstabes

Durch das Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 30.11.2016 – 20 C 56/15) wurde entschieden, dass für die Ermittlung des verbrauchten Heizöls im Rahmen einer Nebenkostenabrechnung das Ablesen des Füllstands eines Öltanks mithilfe eines Messstabes ausreichend ist. Zudem beschäftigte sich das Gericht mit den Ansprüchen an die Form der Aufstellung der Kosten in einer formal ordnungsgemäßen Nebenkostenabrechnung. Darüber hinaus wurde durch das Gericht entschieden, dass eine Ermittlung der Heiz- und Warmwasserkosten durch eine vertraglich vereinbarte Differenzberechnung gegen § 2 der Heizkostenverordnung verstößt, da nach dieser Verordnung die Heiz- und Warmwasserkosten anteilig nach
Grund- und Verbrauchskosten zu ermitteln und zu bestimmen sind.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit
[…] M[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]
gegen

1. […] G[…]

– Beklagter –

2. […] F[…]

– Beklagte –

wegen Räumung/Forderung/Herausgabe

hat das Amtsgericht Bautzen durch Richter am Amtsgericht […]

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2016

am 30.11.2016
für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1.348,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 232,00 € vom 03.06.2014 bis 03.12.2015 und aus 1.348,51 € seit dem 15.09.2014 sowie nicht anrechenbare vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 117,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.02.2015 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, auf die vom Kläger gezahlten Gerichtskosten 4% Jahreszinsen seit dem Tag der Einzahlung bei der Gerichtskasse bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung zu zahlen.
Die weiteregehende Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 22%, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 78%.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

5. Streitwert: 2.006,56 €.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von den Beklagten Nachzahlungen aufgrund zweier Betriebskostenabrechnungen.

Mit schriftlichem Mietvertrag vom 30.04.2012 vermietete der Kläger den Beklagten eine im Erdgeschoss des Wohnhauses in 02692 Doberschau […] gelegene Wohnung von ca. 75 m² Nach dem Inhalt des Mietvertrages wurden den Beklagten neben der Wohnung zur sonstigen Nutzung ein Partykeller, ein Bad im Untergeschoss in einer Größe von ca. 60m² „unentgeltlich mitvermietet“. Im schriftlichen Mietvertrag vereinbarten die Parteien eine Grundmiete und monatliche Vorauszahlungen auf die Betriebskosten, die der Vermieter jährlich abzurechnen hatte. In § 29 des schriftlichen Mietvertrages vereinbarten die Parteien:

„Zwischen Mieter und Vermieter gilt als vereinbart, dass der Mieter neben den Betriebskosten für die angemietete Wohnung und auch die anfallenden Betriebskosten für die zur Nutzung überlassenen Räume (Partykeller, Küche und Bad im UG.) trägt. Die Erfassung erfolgt über Wärmemengenzähler bzw. über Kalt-Warmwasseruhren abzüglich des Verbrauchs der Mieter im 1.OG“.

Auf den Inhalt des schriftlichen Mietvertrages (Bl. 14 bis 24 d.A.) wird im Übrigen Bezug genommen. Mit schriftlicher Heiz- und Betriebskostenabrechnung vom 25.06.2014 für das Jahr 2013 rechnete die vom Kläger beauftragte Hausverwaltung die Betriebskosten für die im Erdgeschoss gelegene Wohnung der Kläger ab. Die Betriebskostenabrechnung ergab eine Nachforderung von 1.039,36 € zu Lasten der Beklagten (Bi. 29/30 d.A.). Mit weiterer Heiz-und Betriebskostenabrechnung vom 25.06.2014 berechnete die vom Kläger beauftragte Hausverwaltung die Betriebskosten für das Jahr 2013 betreffend das Untergeschoss des Wohnhauses.
Nach dieser Betriebskostenabrechnung hatten die Beklagten 732,70 € nachzuzahlen (B. 31/32 d.A.). Die Nachforderungen beglichen die Beklagten nicht.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von den Beklagten die Zahlung der Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen vom 25.06.2014.

Er beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.754,56 € nebst bis zum 12.01.2015 ausgerechneter Zinsen in Höhe von 35,40 € sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.986,56 € ab dem 13.01.2015 und vorgerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 150,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen und festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, gesamtschuldnerisch auf die vom Kläger
verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 4% seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

In Höhe eines weiteren ursprünglich eingeklagten Teils der Hauptforderung von 232,00 € (Restmiete für August 2014) haben die Parteien den, Rechtsstreit in der Hauptsache überein stimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagten behaupten:
Die Betriebskostenabrechnungen seien formal unwirksam, weil sie von den Mietern rechnerisch nicht nachvollziehbar seien. Die Betriebskostenabrechnungen seien auch inhaltlich fehlerhaft. Die Abrechnung der Heizkosten für das Erdgeschoss leide darunter, dass sie bis März 2013 nicht In der Lage gewesen seien, die Wärmeeinstellung der Heizkörper zu regulieren, was gegenüber dem Kläger im Oktober 2012 beanstandet worden sei. Des Weiteren sei der Ölverbrauch in unzulässiger Weise, nämlich unter Verwendung mit einem Messstab gemessen worden. Beim Kaltwasserzähler fehle ein Ableseprotokoll. Die erfasste Wärmemenge von 16,712 sei nicht nachvollziehbar. Mietvertraglich nicht vereinbart sei der Umlagemaßstab der unter der Überschrift „Betriebskosten auf Einheiten“ abgerechneten Kostenpositionen. Kosten für den Heckenschnitt seien unzulässigerweise angesetzt worden. Denn die Parteien hätten
vereinbart, dass sie, die Beklagten, den Heckenschnitt durchführen sollten, was sie auch getan hätten. Trotzdem habe der Kläger eine externe Firma hierfür beauftragt. Auch die Betriebskostenabrechnung für das Untergeschoss („Partykeller“) sei unwirksam. Bei Abschluss des
Mietvertrages sei nämlich vereinbart worden, dass die Mieter nur die Wasser- und Stromkosten für das Untergeschoss zahlen sollten. Zudem sei es unbillig, sie mit den gesamten Betriebskosten für das Untergeschoss zu belasten. Denn das Untergeschoss sei nicht Teil der Mietsache, weil es – abgesehen von Küche und Bad – keinen abschließbaren Raum darstelle.
Mithin seien sie nicht in der Lage, diese Räumlichkeiten allein zu nutzen. Schließlich habe der Kläger gegen seine Verpflichtung verstoßen, angemessene Vorauszahlungen auf die Energie- und Betriebskosten festzusetzen und zu verlangen. Hätte der Kläger angemessene Vorauszahlungen verlangt, dann hätten sie die Räumlichkeiten nicht gemietet.

Der Kläger entgegnet:
Die Betriebskostenabrechnungen seien professionell erstellt und für die Beklagten rechnerisch nachvollziehbar. Nach Beanstandung durch die Beklagten sei die Heizungsanlage Anfang Januar 2013 repariert und die Regulierbarkeit der Heizkörper im Erdgeschoss hergestellt worden. Auch die Kosten für Heizung und Warmwasser seien ordnungsgemäß ermittelt worden. Dabei sei der Verbrauch des Öls im Öltank zulässigerweise mit einem Maßstab ermittelt worden. Die Wärmemengenzähler seien zu Anfang eines jeden Abrechnungsjahres auf Null gestellt worden. Die Verbrauchswerte am Kaltwasserzähler hätten die Beklagten selbst abgelesen und mitgeteilt. Die Kosten für die Grundstückspflege seien angefallen und durch Rechnungen, in die die Beklagten keine Einsicht genommen hätten, auch belegt. Die Betriebskosten für das Untergeschoss seien entsprechend der wirksamen Vereinbarung in § 29 des
schriftlichen Mietvertrages Im Wege der Differenzrechnung ermittelt worden. Diese Vereinbarung sei deswegen abgeschlossen worden, weil im Untergeschoss keine separaten Energiezähler vorhanden seien. Die Kosten für das Warmwasser für das Untergeschoss errechneten sich daher aus dem Verbrauch des Vorerfassungszählers abzüglich des durch die Warmwasserzähler im Erdgeschoss und Obergeschoss gemessenen Verbrauchs. Das Gleiche gelte für das Kaltwasser. Die Wärmemenge errechne sich aus dem beim Hauptwärmemengenzähler angezeigten Verbrauch abzüglich des Verbrauchs des Wärmemengenzählers für
das Obergeschoss.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen […]. Auf die Niederschriften vom 04.12.2015 (Bl. 144 bis 152 d.A.,) vom 05.02.2016 (Bl. 158 bis 162 d.A.,) vom 06.04.2016 (Bl. 173 bis 176 d.A.,) und vom 26.10.2016 (Bl. 199 bis 201 d.A.) wird Bezug genommen. Außerdem hat das Gericht ein schriftliches Gutachten eines Sachverständigen für Heiz- Betriebskostenabrechnung und Messtechnik eingeholt. Auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen P[…] vom 15.07.2016 ( Bl. 182 bis 190 d.A.), wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch in tenorierter Höhe nach § 556 BGB auf Nachzahlungen aufgrund der Betriebskostenabrechnungen vom 25.06.2014 für das Jahr 2013
betreffend das Erdgeschoss und das Untergeschoss.
Der Kläger hat formal ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnungen nach § 556 BGB erstellt. Diese Vorschrift setzt zunächst voraus, dass die Parteien im Mietvertrag eine sogenannte Umlagevereinbarung getroffen haben. Dies ist im Mietvertrag vom 30.04.2012 geschehen.

Nach dem Inhalt des Mietvertrages hatten die Beklagten monatliche Vorauszahlungen auf die Betriebskosten zu leisten und der Kläger als Vermieter hatte die Verpflichtung, die angefallenen Betriebskosten jährlich gegenüber den Beklagten abzurechnen. Dabei hat der Kläger die
Anforderungen, die nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die Form einer solchen Abrechnung zu stellen sind, eingehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss eine Abrechnung der Betriebskosten die Im Abrechnungszeitraum relevanten Betriebskostenpositionen aufführen. Die Abrechnung muss ferner bei jeder Betriebskostenposition den Gesamtbetrag der Kosten aufführen, ferner den Umlagemaßstab und den sich daraus ergebenden, auf den Mieter entfallenden Einzelbetrag der jeweiligen Kostenposition. Die Abrechnung muss ferner die vom Mieter geleisteten Vorauszahlungen enthalten sowie unter Berücksichtigung dieses Betrages – die noch geschuldete Nachzahlung oder das Guthaben des Mieters. Die verfahrensgegenständlichen Betriebskostenabrechnungen vom 25.06.2014 für das Erdgeschoss und das Untergeschoss erfüllen diese Anforderungen. Sie sind rechnerisch nachvollziehbar. Das Gericht vermag die Auffassung der Beklagten nicht zu teilen, dass mangels einer Nachvollziehbarkeit in diesem Sinn die Betriebskostenabrechnungen bereits formal unwirksam sind. Richtig ist zwar, dass die Betriebskostenabrechnungen von der üblichen Gestaltung abweichen. Denn in den Betriebskostenabrechnungen werden die einzelnen Betriebskostenpositionen nach dem Umlagemaßstab gruppiert und mit den Gesamtkosten dieser Gruppierung aufgelistet (Anlage zur Kostenermittlung). Unter dem Abschnitt „ Verteilung der Kosten“ (zweite Seite der jeweiligen Abrechnung) werden dann von
diesen Gesamtkosten anhand der für die Wohnung der Beklagten zutreffenden Umlagemaßstäbe die Einzelbeträge für die zusammengefassten Gruppierungen berechnet. Für die von den Beklagten als unverständlich gerügten Betriebskosten auf Einheiten ergibt sich aus den Abrechnungen: Unter den Betriebskosten auf Einheiten hat der Kläger die Preise für die Wasserzähler (231,80 €) und das Hauslicht (281,90 €) zusammengefasst, die er nach Anzahl der Wohnungseinheiten gegenüber den Mietern abrechnet. Diese Betriebskosten ergeben 512,99 €. Bei der Verteilung der Kosten legt er 3 Wohneinheiten zugrunde, so dass auf jede Einheit 170,99667, aufgerundet 171,00 € entfallen. Auf Seite 1 der Betriebskostenabrechnung für das Erdgeschoss wird dann entsprechend der Anzahl der Einheiten des Mieters, bei den Beklagten eine Einheit, ein Abrechnungsbetrag von 171,00 € in Ansatz gebracht. Die rechnerische
Nachvollziehbarkeit ist für den Mieter also möglich. Entsprechendes gilt für die anderen, in den Betriebskostenabrechnungen aufgeführten Abrechnungspositionen.
Die danach formal ordnungsgemäßen, mithin auch fälligen Betriebskostenabrechnungen hatte das Gericht auf die von den Beklagten erhobenen inhaltlichen Einwendungen zu überprüfen.

Dabei ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Betriebskostenabrechnung für die Wohnung der Beklagten im Erdgeschoss im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Die Heiz- und Warmwasserkosten für das Erdgeschoss sind in der Betriebskostenabrechnung ordnungsgemäß angesetzt und ermittelt worden. Die Behauptung der Beklagten, dass die Heizkosten zu hoch angesetzt seien, weil sich einzelne Heizkörper in der Zeit von Januar bis März 2013 nicht hätten regulieren lassen, konnte nicht bewiesen werden. Möglicherweise waren einige Heizungsventile für die Heizungssteuerung nicht ordnungsgemäß eingestellt, was der Zeuge […] H[…] allerdings nicht sicher bestätigen konnte. Der Zeuge […] A[…], der nach der Beanstandung der Beklagten über die mangelnde Regulierbarkeit der Heizung in der Wohnung der Beklagten gewesen ist, hat indessen angegeben, dass er den angezeigten Mangel bereits am 03. Januar 2013 durch Reparaturarbeiten beseitigt hat. Zu den verbleibenden zwei Tagen des Januar 2013 vermochte der Zeuge A[…] nicht anzugeben, ob die Heizkörper – wie von den Beklagten behauptet – ohne Regulierungsmöglichkeit die volle Heizleistung erbrachten. Der Zeuge vermochte lediglich zu sagen, dass die Heizung nicht auf „kalt“ gestellt werden konnte. Gegenüber den in der Betriebskostenabrechnung für das Erdgeschoss angesetzten Heiz-und Warmwasserkosten kann auch nicht vorgebracht werden, dass der Kläger den Ölverbrauch falsch erfasst habe. Ein Verstoß gegen das in § 7 Abs. 2 der Heizkostenverordnung nomierte Leistungsprinzip (hierzu: BGH, Urteil vom 01.02.2012, Az.: Vlll ZR 156/11) liegt nicht vor. Der Kläger hat – wie aus der Heizkostenabrechnung für das Erdgeschoss hervorgeht – die Brennstoffkosten nicht nach dem Abflussprinzip ermittelt. Er hat vielmehr den Verbrauch im Abrechnungszeitraum gemessen. Dabei hat er eine Methode verwendet, die zwar nicht die allerhöchste Präzision aufweist, jedoch eine zulässige Methode darstellt, den Brennstoffverbrauch zu ermitteln. Das ergibt sich aus dem vom Gericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen, der in seinem nachvollziehbaren, verständlichen und von den Parteien nicht an
gegriffenen Gutachten ausgeführt hat, dass der Ölverbrauch durch einen Heizölzähler, eine sogenannte Peiltabelle oder durch das Ablesen der Füllstandsanzeige ermittelt werden kann.
Letztere Variante weise gegenüber den anderen Varianten Erfassungsungenauigkeiten auf.
Sie könne bei Anwendung der Verbrauchsermittlung über eine Füllstandsanzeige eine Abweichung von 111 Litern gegenüber der Ermittlung des Verbrauchs durch eine Peiltabelle auftreten. Der Kläger lässt, wie der Zeuge K[…] bekundet hat, den Ölverbrauch über die Füllstandsanzeige ermitteln. Dies ist nach Auffassung des Gerichts eine nach der Heizkostenverordnung zulässige Methode. Denn der Vermieter hat nach § 6 der Heizkostenverordnung den Verbrauch bei Heizöl durch die Subtraktion des Anfangstatbestandes vom Endtatbestand zu ermitteln (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage, § 6 Heizkostenverordnung, Anm. 20). Diese Vorgehensweise hat der Kläger gewählt. Nach dem Inhalt des eingeholten Gutachtens hat er auch eine zulässige Verbrauchsermittlungsmethode angewandt. Die vom Gutachter festgestellten Ungenauigkeiten würden sich zu Lasten der Beklagten nur dann auswirken, wenn das Mietverhältnis innerhalb des Abrechnungzeitraumes beendet worden wäre, was allerdings nicht der Fall ist. Auch die Rüge, dass das Ableseprotokoll für den Kaltwasserzähler fehle,
greift nicht durch. Dieser Einwand ist nicht hinreichend konkret. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Beklagten vielmehr gehalten, die Abrechnungsunterlagen beim Vermieter einzusehen, falls sie der Meinung sind, dass der Vermieter bestimmte Betriebskostenpositionen, hier das Kaltwasser, falsch abgerechnet hat. Anhand der eingesehenen
Unterlagen müssen sie dann konkrete Einwendungen vortragen, etwa fehlerhaft abgelesene Kaltwasserwerte. Dies haben die Beklagten nicht getan. Richtig ist der Einwand gegenüber der Betriebskostenabrechnung für die Wohnung der Beklagten im Erdgeschoss, dass die unter den „Betriebskosteneinheiten“ erfassten Betriebskostenpositionen nicht nach der Anzahl der Wohnungseinheiten, sondern nach der Wohnfläche hätten abrechnet werden müssen.
Denn in § 6 Nr. 4 des schriftlichen Mietvertrages haben die Parteien nämlich vereinbart, dass die nicht der Heizkostenverordnung unterfallenden Betriebskostenarten nach dem Verhältnis der Wohn- bzw. der Geschäftsflächen zueinander zu ermitteln und abzurechnen sind, soweit sie nicht verbrauchsabhängig im ganzen Haus ermittelt werden. Die Beklagten sind indessen durch diese fehlerhafte Abrechnung nicht benachteiligt. Denn die Abrechnung dieser Kostenpositionen nach einem Flächenmaßstab würde zu höheren Kosten der Beklagten führen.
Inhaltlich fehlerhaft abgerechnet sind allerdings die Heiz- und Warmwasserkosten in der Betriebskostenabrechnung 2013 für das Untergeschoss. Diese Kosten (222,65 € und 54,43 €) kann der Kläger von den Beklagten nicht aufgrund der Vereinbarung in § 29 Nr. 2 des schriftlichen Mietvertrages verlangen. Nach dieser Vereinbarung sollten die Beklagten auch die anfallenden Betriebskosten für die ihnen zur Nutzung überlassenen Räume (Partykeller, Küche und Bad im Untergeschoss) tragen, wobei die Erfassung auch die Heiz-und Warmwasserkosten im Wege der Differenzberechnung erfolgen sollte. Die Berechnung sollte dadurch erfolgen, dass die Heiz-und Warmwasserkosten unter Abzug des Verbrauchs der Mieter im 1. Obergeschoss und des Verbrauchs der Mietwohnung der Beklagten ermittelt werden sollten. Diese Vereinbarung ist unwirksam, weil sie gegen § 2 der Heizkostenverordnung verstößt. Die Vorschriften der Heizkostenverordnung für die Ermittlung der Energiekosten sind zwingend (LG Hamburg, Urteil vom 28.04.2005, Az.: 307 S 4/05; BGH, Urteil vom 20.01.1993, Az.: VIII ZR 10/92, Rn. 21). Nach dieser Verordnung sind die Heiz- und Warmwasserkosten anteilig nach Grund- und Verbrauchskosten zu ermitteln und zu bestimmen. Ein solches, von der Heizkostenverordnung vorgeschriebenes Ermittlungsverfahren hat der Kläger für die Räumlichkeiten im Untergeschoss nicht durchgeführt. Es liegt auch kein Ausnahmetatbestand vor, denn der Kläger ist nicht selbst Nutzer einer Wohnung Im Miethaus. Es kann daher dahinstehen, ob die Parteien beim Abschluss des Mietvertrages – wie von den Beklagten behauptet – mündlich eine andere Vereinbarung getroffen haben. Bezüglich der anderen Betriebskosten des Untergeschosses ist die Vereinbarung nach § 29 Nr. 2 des schriftlichen Mietvertrages allerdings wirksam. Eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten liegt nicht vor, so dass sie in die anderen, durch Differenzberechnung ermittelten Betriebskosten für das Untergeschoss zahlen müssen.
Auch weitere, von den Beklagten vorgebrachten Einwände bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
Die Kosten für die Grundstückspflege kann der Kläger verlangen. Die Umlage haben die Parteien im schriftlichen Mietvertrag vereinbart. Eine entgegenstehende mündliche Abrede, nämlich die behauptete Vereinbarung, dass die Mieter den Heckenschnitt durchführen und hierfür
die Kosten für die Grundstückspflege entfallen sollen, hatten die Beklagten zu beweisen. Diesen Beweis konnten sie indessen nicht führen.
Beweisfällig sind sie schließlich auch für die Behauptung geblieben, dass die Heizung im Bad nicht richtig funktioniere und das Bad von Schimmel befallen sei. Die von den Beklagten insoweit behaupteten Mängel können sich auch auf die Betriebskostenabrechnung auswirken.
Denn nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird eine Mietminderung auf der Grundlage der Warm-, nicht der Kaltmiete berechnet. Allerdings haben die für das Vorliegen eines zur Mietminderung führenden Mangels beweisbelasteten Beklagten den Vorschuss für den Sachverständigen nicht eingezahlt. Sie vermochten daher nicht zu beweisen, dass im Bad der Wohnung die von ihnen behaupteten Mängel im Abrechnungszeitraum vorgelegen haben.
Dem Zahlungsanspruch des Klägers aus den Betriebskostenabrechnungen können die Beklagten auch nicht den Einwand von Treu und Glauben ( § 242 BGB) oder einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Nachforderung aus den Betriebskostenabrechnungen wegen Verschuldens beim Vertragsabschluss mit der Begründung entgegenhalten, dass der Kläger die
Beklagten über die Höhe einer auf sie zukommenden Nachforderung nicht hinreichend aufgeklärt habe. Denn dem Kläger oblag keine Aufklärungspflicht gegenüber den Beklagten mit dem Inhalt, dass die Vorauszahlungen auf die Betriebskosten möglicherweise deren tatsächliche
Höhe unterschreiten können. Es ist vielmehr Sache des Mieters, sich bei diesen dem Mietvertrag betreffenden Punkte zu informieren und ggfs. Aufklärung vom Vermieter zu verlangen (BGH, Urteil vom 28.04.2004, Az.: XII ZR 21/02, Rn. 21). Lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände kann sich eine Pflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter zur kostendeckenden Vorschussfestsetzung ergeben, etwa dann, wenn der Vermieter eine bestimmte Kostenhöhe gegenüber dem Mieter versichert hat oder den Mieter hinsichtlich der Mietkosten getäuscht hat (BGH, Urteil vom 11.02.2004, VIII ZR, 195/03). Zu solchen besonderen Umständen haben die
Beklagten allerdings keinen Sachvortrag gehalten. Im Ergebnis kann der Kläger daher die Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2013 für das Erdgeschoss in voller Höhe und für das Untergeschoss in Höhe von 309,15 € verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 a, 92, 100 ZPO.

Bei der Kostenentscheidung war zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie einen Teil der Klageforderung, nämlich den vom Kläger geltend gemachten Mietrückstand für August 2014 in Höhe von 232,00 €, nach Rechtshängigkeit beglichen und diese Forderung aus pro
zessökonomischen Gründen anerkannt haben. Die Kosten der Teilklagerücknahme waren zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 30.11.2016 – 20 C 56/15

Bei Zustellung eines Urteils an die Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO, welches noch keine Entscheidungsgründe enthält, können die Entscheidungsgründe durch das Gericht nicht nachgeholt werden

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden (OLG Dresden, Beschluss vom 29.6.2016 – OLG 23 Ss 398/16 (B)) können bei einer Zustellung eines Urteils an die Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO, welches noch keine Entscheidungsgründe enthält, die Entscheidungsgründe durch das Gericht nicht nachgeholt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

BESCHLUSS

In der Bußgeldsache

gegen[…]

Verteidiger:
Rechtsanwalt Stephan M. Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der Bußgeldsenat – der Einzelrichter – des Oberlandesgerichts Dresden am 29.06.2016

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Zittau vom 23. Februar 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgerichts Zittau zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 23. Februar 2016 hat das Amtsgericht Zittau den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 160,00 € verurteilt sowie ein Fahrverbot gegen Ihn für die Dauer von einem Monat verhängt.

Hiergegen hat der Betroffene durch seinen Verteidiger form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit der Verfahrens- sowie der Sachrüge begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.

Das angefochtene Urteil war auf die Sachrüge aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Zittau zurückzuverweisen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat in ihrer Stellungnahme vom 22. Juni 2016 hierzu wie folgt ausgeführt:

„Das Amtsgericht Zittau hat den Betroffenen am 23. Februar 2016 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 45 km/h zu einer Geldbuße von 160,00 EUR verurteilt. Gleichzeitig verhängte das Amtsgericht gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat und ordnete an, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Ein tritt der Rechtskraft.

Mit Verfügung vom selben Tag übersandte der erkennende Richter die Akten an die Staatsanwaltschaft Görlitz zur Zustellung gemäß § 41 StPO. Aus dem zu diesem Zeitpunkt in den Akten befindlichen und vom Richter unterzeichneten Hauptverhandlungsprotokoll ergibt sich der vollständige Urteilstenor des am 23. Februar 2016 verkündeten Urteils.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Zittau legte der Verteidiger des Betroffenen mit Schreiben vom 24. Februar 2016, eingegangen beim Amtsgericht Zittau am selben Tag, Rechtsbeschwerde ein.

Am 17. März 2016 brachte das Amtsgericht ein mit Gründen versehenes Urteil zu den Akten und verfügte zugleich dessen Zustellung an den Betroffenen sowie dessen Verteidiger. […] Der Verteidiger des Betroffenen begründete die Rechtsbeschwerde […]. Der Betroffene rügt die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge – vorläufigen – Erfolg, weil das der Staatsanwaltschaft gemäß richterlicher Verfügung vom 23. Februar 2016 zugestellte Urteil entgegen § 71 OWiG i. V. m. § 267 StPO keine Gründe aufgewiesen hat und damit dem Rechtsbeschwerdegericht eine materiell-rechtliche Überprüfung auf etwaige Rechtsfehler von vornherein verwehrt ist. Eine Ergänzung durch die am 17. März 2016 zu den Akten gebrachten schriftlichen Urteilsgründe war vorliegend unzulässig. 

1.

Das Rechtsbeschwerdegericht hat auf die Sachrüge hin zu prüfen, ob nach der am 23. Februar 2016 erfolgten Zustellung eines Urteils ohne Gründe an die Staatsanwaltschaft die Fertigung der am 17. März 2016 und damit innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe zulässig war – ohne dass es einer entsprechenden Verfahrensrüge bedarf –, weil von der Klärung dieser Frage abhängt, welcher Urteilstext auf die Sachrüge hin vom Rechtsbeschwerdegericht auf materiell-rechtliche Fehler überprüft werden soll (OLG Bamberg, ZfS 2006, 592; OLG Köln, VRS 63, 460; OLG Brandenburg, NStZ-RR 2004, 121; OLG Dresden, Beschluss vom 4. Mai 2016 – 23 Ss 223/16 [B]). 

2.

Im Bußgeldverfahren ist, wie auch im Strafverfahren, unabhängig von der Einhaltung der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO die nachträgliche Ergänzung eines nicht mit Gründen versehenen, also abgekürzten Urteils bzw. die nachträgliche Fertigung schriftlicher Urteilsgründe grundsätzlich unzulässig, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist; dieser Grundsatz gilt nur dann nicht, wenn das Gesetz entsprechende Ausnahmen zulässt (vgl. BGHSt 43, 23; BayObLG ZfS 2004, 382; OLG Bamberg a.aO.; OLG Brandenburg, a.a.O.).

Für das Bußgeldverfahren regelt § 77 b OWiG, unter welchen Voraussetzungen eine schriftliche Begründung des Urteils nachträglich zu den Akten gebracht werden kann. 

3.

Im vorliegenden Fall hat auf Veranlassung des Tatrichters ein nicht mit Gründen versehenes, also abgekürztes Urteil den inneren Dienstbereich des Gerichts verlassen, ohne dass die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG gegeben waren.

a)

Mit der in der Verfügung vom 23. Februar 2016 getroffenen Anordnung der Übersendung der Akten mit Hauptverhandlungsprotokoll und unterzeichnetem Urteilsformular an die Staatsanwaltschaft zur Zustellung gemäß § 41 StPO hat sich der Tatrichter für die Hinausgabe eines Urteils In eben dieser, nicht mit Gründen versehenen Fassung entschieden (vgl. OLG Gelle, VRS 75, 461; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2007, 212; OLG Brandenburg, a.aO.; OLG Bamberg, a.a.O.). Damit hat ein schriftliches Urteil ohne Gründe den inneren Dienstbereich des Gerichts verlassen und ist mit der Zustellung an die Staatsanwaltschaft nach außen hin in Erscheinung getreten. Da der Tatrichter das Hauptverhandlungsprotokoll mit dem unterzeichneten Urteil der Staatsanwaltschaft in der Urschrift ausdrücklich unter Berufung auf § 41 StPO und somit für den Empfänger eindeutig erkennbar im Wege der förmlichen Bekanntmachung einer Entscheidung zugeleitet hat, muss er sich an dieser Erklärung festhalten lassen (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.; BGHSt 58, 243). 

b)

Die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG für ein Absehen von Urteilsgründen waren bereits deswegen nicht gegeben, weil nicht alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet hatten, die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde für den Betroffenen noch nicht abgelaufen und ein Verzicht des Betroffenen gemäß § 77b Abs. 1 Satz 3 OWiG auch nicht entbehrlich war. Eine entsprechende Anwendung des § 77b OWiG kommt nach Sinn, Zweck und Regelungsgehalt dieser Norm vorliegend nicht zur Anwendung (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 3 Ss OWi 1610/08, 3 Ss OWi 1610/2008-, juris).

4.

Da somit die am 17. März 2016 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe unbeachtlich sind, das – maßgebliche – der Staatsanwaltschaft am 23. Februar 2016 zugegangene Urteil aber keine Gründe enthält, somit dem Rechtsbeschwerdegericht keine Nachprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler ermöglicht, unterliegt es allein deswegen der Aufhebung.“ 

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung an.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Bei Mitteilung des toleranzbereinigten Messwertes ist es jedenfalls tunlich, auch die Höhe des konkret berücksichtigten Toleranzwertes mitzuteilen.

Ein standardisiertes Messverfahren liegt nicht mehr vor, wenn bei Aufbau oder Bedienung gegen die Bedienungsanleitung oder Vorschriften der Bauartzulassung durch die PTB verstoßen wird. Sollte daher das Verbindungskabel zwischen Rechner und Bedieneinheit die mit der Gerätezulassung vorgeschriebene Länge von maximal drei Metern überschritten haben, so läge ein standardisiertes Messverfahren nicht mehr vor. Dies allein führt jedoch grundsätzlich nicht zu einem Verwertungsverbot des Messergebnisses. Vielmehr ist das dem Verfahren zugrundeliegende Messergebnis gegebenenfalls unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen zu überprüfen. Im Übrigen hat das Amtsgericht zutreffend auf eine Stellungnahme der PTB vom 22. Mai 2015 zu möglichen Auswirkungen der Kabellänge Bezug genommen. Insoweit ist obergerichtlich geklärt, dass es vor diesem Hintergrund nicht rechtsfehlerhaft ist, wenn das Amtsgericht sich aufgrund der Stellungnahme der PTB vom 22. Mai 2015 die Überzeugung davon verschafft, dass bei der hier Im Raum stehenden geringfügigen Überschreitung der Kabellänge kein Einfluss auf das Messergebnis zu erwarten ist (vgl. insoweit OLG Celle, Beschluss vom 21. April 2016, 2 Ss OWi 82/16).“

OLG Dresden, Beschluss vom 29.6.2016 – OLG 23 Ss 398/16 (B)

Verteilung von Geldspielgeräten in Spielhallen im Rahmen des Nichtrauchendenschutzgesetzes

Durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 8.6.2016 – 2 L 25/13) wurde das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin (VG Schwerin, Urteil vom 22.8.2012 – 7 A 2057/11) bestätigt, wonach eine Behörde in Mecklenburg-Vorpommern nicht durch Bescheid festlegen darf, dass in einem für Raucher eingerichteten Nebenraum weniger Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit aufgestellt werden dürfen, als im Hauptraum.

1. Instanz: VG Schwerin, Urteil vom 22.8.2012 – 7 A 2057/11

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Verwaltungsstreitverfahren

T[…] GmbH,

[…]

Proz.-Bev.:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen

– Klägerin und Berufungsbeklagte –

gegen

Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock,

[…]

– Beklagter und Berufungskläger –

wegen

Gewerberecht

hier: Nichtraucherschutzauflage

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der mündlichen Verhandlung vom

8. Juni 2016

[…]

für Recht erkannt:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. August 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vom Gericht festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer gewerberechtlichen Auflage.

Die Klägerin betreibt auf der Grundlage entsprechender Erlaubnisse in Rostock insgesamt vier Spielhallen. In diesen Spielhallen sind jeweils Raucherräume eingerichtet, die flächenmäßig deutlich kleiner sind als der den Nichtrauchern vorbehaltene Spielhallenbereich. Die Raucherräume sind durch Wände abgetrennt vom jeweiligen Nichtraucherbereich und können nur erreicht werden, wenn der jeweilige Nichtraucherbereich durchschritten wird. In dem Raucherräumen befinden sich jeweils sechs Geldspielgeräte und keine weiteren Spielgeräte. In den Nichtraucherbereichen befinden sich jeweils sechs Geldspielgeräte und weitere Spielgeräte wie Billard- und Snookertische.

Nach Anhörung der Klägerin erließ der Beklagte für die einzelnen Spielhallen am 24.06.2011 gleichlautende Auflagenbescheide, die gestützt auf § 33i GewO folgendes bestimmten:

„Wenn ein Nebenraum als Raucherbereich eingerichtet wird, ist sicherzustellen, dass die Spielhalle durch den Hauptraum ihr Gepräge erhält. Der Raucherraum ist so zu errichten, dass er gegenüber dem Hauptraum (Nichtraucherbereich) eine untergeordnete Größe und eine untergeordnete Funktion aufweist. Es ist zu gewährleisten, dass im Raucherbereich nach Art und Anzahl weniger Spielgeräte aufgestellt sind als im Hauptraum der Spielhalle.“

Die dagegen eingelegten Widersprüche blieben ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22.08.2012 auf die Klage der Klägerin die jeweiligen Bescheide insoweit aufgehoben, als im Nebenraum der Spielhalle mit dem Raucherbereich weniger Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten als im Hauptraum der Spielhalle mit dem Nichtraucherbereich aufgestellt werden dürfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Bescheide erfüllten zwar den Tatbestand des § 33i Abs. 1 Satz 2 GewO, genügten aber den Anforderungen der nach der Norm geforderten Ermessensentscheidung nicht. Der Beklagte habe die von der Klägerin gewünschte Aufteilung der Geldspielgeräte im Verhältnis 6/6 auf Nichtraucher- und Raucherbereich nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht hinreichend in die Ermessenprüfung eingestellt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 04.12.2013 die Berufung des Beklagten zugelassen.

Der Beklagte hat die Berufung mit folgenden Überlegungen begründet: Der Begriff „Nebenraum“ i.S.d. § 2 Abs. 1 NichtRSchutzG M-V sei der Tatbestandsseite der Norm zuzuordnen und nicht der Ermessensseite. Dies verkenne das Verwaltungsgericht. Als Nebenraum sei ein Raum dann anzusehen, wenn er nicht nur flächenmäßig kleiner sei als der Hauptraum, sondern auch eine nachrangige Funktion habe. Die untergeordnete Funktion könne nicht nach dem Verhältnis von Rauchern zu Nichtrauchern bestimmt werden. Das Nichtraucherschutzgesetz M-V beruhe auf dem Gedanken, dass das Rauchen absolut verboten sei und es nur ausnahmsweise in gesonderten, unbedeutenden Räumen erlaubt sei. Für die Abgrenzung sei der Umsatz von ausschlaggebender Bedeutung. Würden im Raucherraum so viele Geldspielgeräte wie im Hauptraum aufgestellt, würde der Umsatz in beiden Räumen nahezu gleich sein, weil die Geldspielgeräte den Hauptumsatz generierten. Das widerspreche der Funktion eines Nebenraumes. Auch die tatsächlichen Annahmen des Verwaltungsgerichts zur Funktionsweise von Geldspielgeräten seien unzutreffend.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22.08.2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Zweck des Nichtraucherschutzgesetzes sei nicht der Versuch, den Rauchern das Rauchen abzugewöhnen, sondern der Schutz des Nichtrauchers. Dieser sei unter Berücksichtigung des durch das Nichtraucherschutzgesetz M-V erfolgten Eingriffs in die Grundrechte der Art. 12 und 14 GG des Spielhallenbetreibers dadurch gewährleistet, dass die Nichtraucher die Möglichkeit hätten, das Angebot der Spielhalle zu nutzen, ohne dabei mit dem Raucherbereich in Berührung zu kommen. Der Schutzzweck des Nichtraucherschutzgesetzes M-V verlange nicht, dass im Nichtraucherbereich mehr Geldspielgeräte stehen als im Raucherbereich, weil diese Geldspielgeräte im Nichtraucherbereich regelmäßig auch dann nicht ausgelastet seien, wenn dort gleich viele wie im Raucherbereich aufgestellt seien. Dies liege daran, dass die überwiegende Zahl der Besucher der Spielhallen Raucher und die Geldspielgeräte die Hauptattraktion der Spielhallen seien.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend die angegriffenen Auflagenbescheide insoweit aufgehoben, als sie anordnen, dass im Raucherbereich weniger Geldspielgeräte aufgestellt werden als im Hauptraum der Spielhalle.

Die Auflagenbescheide des Beklagten sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als sie die Klägerin verpflichten, im Raucherbereich zahlenmäßig weniger Geldspielgeräte aufzustellen als im Nichtraucherbereich.

Ermächtigungsgrundlage für die angegriffenen Auflagenbescheide ist § 33i Abs. .1 Satz 2 GewO. Danach kann eine Erlaubnis nach § 33i Abs. 1 Satz 1 GewO nachträglich mit einer Auflage verbunden werden, soweit dies zum Schutz der Gäste vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist. Die Klägerin betreibt die Spielhallen auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 33i Abs. 1 Satz 1 GewO. Hier dient die Auflage der Durchsetzung des § 2 Abs. 1 Nichtraucherschutzgesetzes M-V (NichtRSchutzG M-V). Dies erfordert, dass sich die Auflage innerhalb des gesetzlichen Rahmens dieser Vorschrift hält. Dies ist aus folgendem Grund nicht geschehen:

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NichtRSchutzG M-V dürfen in Spielhallen Raucherbereiche eingerichtet werden. Diese sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NichtRSchutzG M-V als vollständig abgetrennte Nebenräume einzurichten, die die Belange des Nichtraucherschutzes nicht beeinträchtigen. Bei den von der Klägerin in den von den Auflagenbescheiden betroffenen Spielhallen eingerichteten Nebenräumen handelt es sich nach den Erkenntnissen des Beklagten um im Verhältnis zu den Nichtraucherbereichen flächenmäßig deutlich kleinere und von den Nichtraucherbereichen vollständig durch Wände abgetrennte Räume, die durch eine Tür betreten werden können, ohne dass die Nichtraucher gezwungen sind, diese Räume zu betreten, um in den Nichtraucherbereich zu gelangen. Insoweit erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 NichtRSchutzG M-V. Der Begriff des Nebenraumes verlangt aber nicht nur, dass der flächenmäßig in Anspruch genommene Raum deutlich kleiner ist als der Nichtraucherbereich, sondern auch, dass funktionelle Nachrangigkeit gegenüber dem Nichtraucherbereich besteht. Das folgt aus der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 NichtRSchutzG M-V, wonach der Nebenraum die Belange des Nichtraucherschutzes nicht beeinträchtigen darf. Eine solche Beeinträchtigung ist dann gegeben, wenn der Raucherbereich funktionell nicht nachrangig gegenüber dem Nichtraucherbereich ist, insbesondere dann, wenn in ihm die Hauptattraktivität der jeweiligen Spielhalle aufgestellt ist und zur Verfügung steht. Maßgebend ist, dass der Nichtraucherschutz in der jeweiligen Spielhalle auch dann vollständig erreicht werden kann, wenn in ihr ein Raucherbereich eingerichtet ist. Der Senat folgt insoweit der Rechtsauffassung des Beklagten nicht, dass sich aus dem funktionellen Verständnis des Begriffes Nebenraum ergebe, dass in diesem in jedem Fall weniger Geldspielgeräte aufgestellt sein müssen als im Nichtraucherbereich. Maßgebend ist nach Überzeugung des Senats im Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 2 NichtRSchutzG M-V, dass der Neben raum, in dem geraucht werden darf, die Belange des Nichtraucherschutzes nicht beeinträchtigt.

Der Nichtraucherschutz soll diejenigen Gäste vor den Gefahren des Passivrauchens schützen, die nicht selbst rauchen. Ihnen muss die Möglichkeit geboten werden, ihrem Interesse an Spielen, wie sie in einer Spielhalle konkret angeboten werden, nachzugehen ohne dabei passiv mitrauchen zu müssen. Dafür ist erforderlich, dass im Nichtraucherbereich alle von der Spielhalle angebotenen Arten von Spielgeräten in so großer Zahl angeboten werden, dass die nicht rauchenden Spieler, die den Gefahren des Passivrauchens nicht ausgesetzt werden dürfen, die Möglichkeit haben, diese Spielgeräte in angemessener Zeit und in angemessenen Umfang zu nutzen. Insbesondere müssen die nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten vorrangig von den Besuchern der Spielhalle genutzten Geldspielautomaten in ausreichender Zahl den nicht rauchenden Gästen zur Verfügung stehen, so dass diese für diesen Personenkreis auch attraktiv genug sind, um sie aufzusuchen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Zahl der Geldspielgeräte im Raucherbereich die der Geldspielgeräte im Nichtraucherbereich nicht übersteigt. Unter diesen Umständen haben die nicht rauchenden Besucher einer Spielhalle regelmäßig ausreichend Möglichkeit, ihr Interesse an der Nutzung der Geldspielgeräte zu befriedigen, ohne dass sie veranlasst sein könnten, sich durch einen Aufenthalt im Raucherbereich den Gefahren des Passivrauchens auszusetzen. Unter Berücksichtigung der im Übrigen gelten den Anforderungen an die räumliche Größe des Raucherbereiches im Verhältnis zum Nichtraucherbereich und insbesondere den Vorgaben für das Aufstellen von Geldspielautomaten aus der Spielverordnung vom 27.01.2006 und dem Gebot, eine ausbeuterische Ausnutzung des Spieltriebes der Besucher der Spielhalle zu vermeiden (vgl. BVerwG Beschl. V. 25.11.1993- 1 B 192/93, GewArch 1994, 20) ergeben sich ausreichend Einschränkungen für das Aufstellen von Geldspielautomaten im Raucherbereich, so dass grundsätzlich eine Beeinträchtigung der Belange des Nichtraucherschutzes dann zu verneinen sein dürfte, wenn alle diese vorstehend dargestellten Anforderungen eingehalten werden. Die zuständige Behörde hat im Einzelfall die Möglichkeit nachzuweisen, dass durch die konkrete Gestaltung der Einrichtung oder der Abläufe in der Spielhalle eine Beeinträchtigung des Nichtraucherschutzes vorliegt, obwohl die Zahl der Geldspielgeräte im Raucherbereich die Zahl der Geldspielgeräte im Nichtraucherbereich nicht übersteigt.

Der Beklagte hat solche konkreten Anhaltspunkte nicht zur Begründung seiner Auflagenbescheide herangezogen, sondern sich mit der allgemein gehaltenen Behauptung begnügt, dass das Aufstellen von sechs Geldspielgeräten in einem Raum mit 37 m² Grundfläche führe zu einer ausbeuterischen Ausnutzung eines durch die Gewinnerwartung geschaffenen Anreizes, sich mit unkontrollierter Risikobereitschaft großen Verlustgefahren auszusetzen und deshalb sei im Interesse des Nichtraucherschutzes generell erforderlich, dass die Zahl der Geldspielgeräte im Raucherbereich niedriger sein müsse als im Nichtraucherbereich. Unabhängig von der Frage, ob die Annahme des Beklagten zur ausbeuterischen Ausnutzung des Spieltriebes zutrifft – die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stützt sich darauf, dass dies nur im Einzelfall beurteilt werden könne und deswegen einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich sei hat dies mit dem Nichtraucherschutz nichts zu tun, sondern ist eine andere Problemstellung, der zwar mit einer Auflage nach § 33i Abs. 1 Satz 2 GewO begegnet werden kann, die aber einzelfallbezogen begründet werden muss. Soweit der Beklagte meint, dass die Konzentration von Geldspielgeräten in einem Raum mit ca. 37 m² Fläche zu einer Verlagerung der Hauptattraktivität der Spielhalle in diesen Raum führe, bleibt er dafür eine konkrete Begründung schuldig, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Hälfte der vorhandenen Geldspielgeräte im Nichtraucherbereich aufgestellt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.“

OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 8.6.2016 – 2 L 25/13

Siehe auch: 1. Instanz: VG Schwerin, Urteil vom 22.8.2012 – 7  A  2057/11

Erstattungsanspruch der eigenen Rechtsanwaltskosten bei der Schadensregulierung eines Verkehrsunfalls eines Rechtsanwalts

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 1.9.2015 – 21 C 348/15) hat ein Rechtsanwalt gegenüber dem Schädiger einen Erstattungsanspruch für die eigenen Rechtsanwaltskosten bei der Schadensregulierung eines eigenen Verkehrsunfalls.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung AG, […]

vertreten durch d. Vorstand

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigter:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

[…]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 01.09.2015

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 124,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 08.08.2014 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die seitens des Klägers verauslagten Gerichtskosten Zinsen i.H.v. 4 Prozent seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf bis 500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Entfälltgemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Form von Rechtsanwaltskosten gemäß §§7, 18 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG.

I.

a) Unstreitig wurde das Fahrzeug des Klägers am 15.07.2014, gegen 11.20 Uhr, auf der […]straße in Bautzen durch einen Lkw, welcher am Unfalltag bei der Beklagten haftpflichtversichert war, beschädigt. Insoweit ist die Beklagte zu 100% einstandspflichtig.

b) Gemäß § 249 BGB sind Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig, wenn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts in der konkreten Situation erforderlich und auch zweckmäßig war.

Dabei ist der Beklagtenseite zuzustimmen, dass in einfach gelagerten Schadensfällen, in welchen die Haftung nach Grund und Höhe derart klar Ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein Anlass zu zweifeln an der Ersatzpflicht des Schädigers steht, die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs durch Einschaltung eines Rechtsanwalts nur dann erforderlich ist, wenn der Geschädigte selbst hierzu aus besonderen Gründen nicht in der Lage. Jedoch ist nach Ansicht des Gerichts aufgrund der Komplexität heutiger Schadensregulierungen ein einfacher Fall im Straßenverkehr nur in absoluten Ausnahmefällen vorhanden. Es sind dann insbesondere Missbrauchskonstellationen denkbar, bei denen die Beauftragung eines Rechtsanwalts geradezu als unvernünftige oder bloß schikanöse Ausnutzung von Ersatzansprüchen erfolgt (vgl. Wagner, NJW 2006, 3244, 3248). Außerdem ergibt sich die Berechtigung zur Einschaltung eines Rechtsanwalts auch aus dem Grundsatz der Waffengleichheit, da die Beklagte als Haftpflichtversicherer über eine Rechtsabteilung und entsprechend über ein juristisch geschultes und erfahrenes Personal bzgl. der Abwicklung von Schadensfällen verfügt (AG Darmstadt. ZfS 2002, 71; AG Kassel, NJW 2009, 2898).

Ebenso ist der Beklagtenseite zuzugestehen, dass ein Ersatz für aufgewandte Zeit nicht verlangtwerden kann. Allerdings handelt es sich hier nicht um einen Schadensersatz wegen aufgewandter Zeit, sondern um die Ersatzpflicht für die Beauftragung eines Rechtsanwalts. Die Ersatzpflicht entfällt auch nicht, wenn der Klägerselbst als Rechtsanwalt tätig wurde (vgl. Palandt, § 249 Rdnr. 57). Dabei ist nicht ersichtlich, weswegen ihm eine entsprechende und übliche Vergütung nicht zugesprochen werden sollte. Seine durch den Beruf erworbenen Fähigkeiten können ihn nicht derart zum Nachteil ausgelegt werden, dass ihm eine anwaltliche Tätigkeit im eigenen Interesse unvergütet bleibt. Allein die persönlichen Verhältnisse beim Schädiger oder Geschädigten begründen keinen Anspruch auf Ermäßigung des Schadensersatzes. Insoweit ist es dem Geschädigten nicht zuzumuten, seine besonderen beruflichen Fähigkeiten in den Dienst des Schädigers zu stellen (vgl. AG Halle, Urteil vom 28.04.2010, Az; 2 C 876/09).

Außerdem geht das Gericht davon aus, dass hier kein derartig einfach gelagerter Fall vorliegt, so dass die Abrechnung der Rechtsanwaltskosten sich als rechtsmissbräuchlich darstellen würde. Laut Vortrag des Klägers wurde durch die Beklagtenseite nur auf der Grundlage einer Haftungsquote von 75 zu 25 abgerechnet, da sich das Fahrzeug des Klägers zu nah an einem Kreuzungsbereich befunden habe. Dieser Vortrag wurde schließlich auch von der Beklagtenseite nicht bestritten. Insoweit geht das Gericht davon aus, dass die vollständige Einstandspflicht der Beklagtenseite gerade nicht bereits zu Beginn der Schadensregulierung unstreitig war.

c) Auch die Höhe der Klageforderung ist begründet. Sie ergibt sich aus einem Gegenstandswert i.H.v. 638,37 € sowie einer 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 W RVG sowie der Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 W RVG. Substantiierte Einwände gegen die Höhe wurde auch von der Beklagtenseite nicht erhoben.

d) Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286 I, 288 I BGB. Auch wenn eine Haftpflichtversicherung einer Prüfungspflicht von 4 – 6 Wochen einzuräumen ist, so hat dies allerdings keinen späteren Eintritt der Fälligkeit zur Folge. Einerseits wäre das Abstellen auf den Prüfungszeitraum, weicher je nach Einzelfall 4 – 6 Wochen umfassen kann, zu unbestimmt, um einen Zeitpunkt zur Verzinsung festzulegen und andererseits ergeben sich die Verzugszinsen aus den gesetzlichen Regelungen und können durch einen Prüfungszeitraum nicht umgangen werden.

e) Der Ausspruch zum Feststellungsantrag ergibt sich ebenfalls aus Verzugsgesichtspunkten (vgl. LG Görlitz, Urteil vom 07.07.2014, Az: 12 82/14). Die Gerichtskosten sind Teil des Schadens, der infolge des Verzugs mit der der Klage zugrunde liegenden Hauptforderung entstanden und als solcher mit seinem Eintritt während des Verzugs gemäß § 288 IBGB zu verzinsen ist (vgl. AG Bad Segeberg, Urteil vom 08.11.2012, Az; 17 a C 256/10).“

AG Bautzen, Urteil vom 1.9.2015 – 21 C 348/15

Anspruch eines Autohauses auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren

Nach dem Urteil des Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 31.7.2015 – 21 C 24/15) hat grundsätzlich auch ein Autohaus einen Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten für die Schadensregulierung.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

Autohaus […]

vertreten durch den Geschäftsführer […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 05.06.2015 eingereicht werden konnten,

am 31.07.2015

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 630,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 630,80 € seit dem 06.08.2014 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist. auf die seitens der Klägerin verauslagten Gerichtskosten Znsen in Höhe von 4% seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Soweit der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt, wird die Berufung nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 630,80 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin macht weitergehende Schadensersatzansprüche in Form von Honorarkosten aus einem Verkehrsunfall vom 10.07.2014, gegen 10:30 Uhr beim Unfallort […] geltend.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Halterin des Pkw Typ VW Caddy mit dem amtlichen Kennzeichen […] und der Fzg.ldent,-Nr. […]. Die Beklagte war die Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen […]. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte dem Grunde nach vollumfänglich haftet.

Die Beklagte hat die geltend gemachten Schadensersatzansprüche bis auf die geltend gemachten anwaltlichen Honorarkosten erstattet. Mit anwaltlichen Schreiben vom 22.07.2014, vom 18.08.2014, vom 09.09.2014 und vom 30.09.2014 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre Schadensersatzansprüche geltend und setzte jeweils entsprechende Zahlungsfristen. Insgesamt wurden für Fahrzeugschaden, Kosten für Schadengutachten, Unkostenpauschale, Nutzungsausfallentschädigung und die Akteneinsichtspauschale für die Ermittlungsakte eine Forderung in Höhe von 7.614,00 € geltend gemacht. Aus diesem Gegenstandswert berechnete die anwaltliche Vertretung der Klägerin eine 1,3-fache Geschäftsgebühr und eine Auslagenpauschale nach Nr. 7002 W RVG sowie eine Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 W RVG. Somit ergibt sich eine Kostennote in Höhe von 630,80 €. 

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass Anwaltskosten auch für Autohäuser, Leasing- und Mietwagenunternehmen erstattungsfähig seien. Aufgrund der wachsenden Komplexität und der unübersichtlich gewordenen Rechtsprechung zum Ansatz und zur Angemessenheit einzelner Schadenspositionen bei Verkehrsunfällen seien Rechtsanwaltsgebühren grundsätzlich erstattungsfähig. Seltene Ausnahmen hierzu bestünden nur in Fällen, wenn ein Unternehmen bei spielsweise eine eigene Rechtsabteilung besitze. Die Klägerin habe unstreitig keine eigene Rechtsabteilung. Weiterhin gebe es für den Rechtsunkundigen keinen einfach gelagerten Verkehrsunfall. Dies gelte auch dann, wenn es sich bei den Geschädigten um eine mittelständige gewerbliche Autovermietung ohne eigene Rechtsabteilung handele.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 630,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 630,80 € seit dem 06.08.2014 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die seitens der Klägerin verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 4% seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass aufgrund der Besonderheiten des Schadensfalles die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nicht in Betracht komme.

Bereits am 22.07.2014 sei der Klägerin eine Reparaturkostenübernahmeerklärung für das streitgegenständliche Fahrzeug übersandt worden. Es liege hier eine eindeutige Haftungsfrage vor. Die Geschädigte ist ein Autohaus, so dass diese geschäftlich gewandt sei und Erfahrungen in der Abwicklung von Verkehrsunfällen besitze. Schließlich habe bereits 12 Tage nach dem Unfall eine Reparaturkostenübernahmeerklärung vorgelegen. Daher seien die Anwaltskosten nicht ersetzbar, da die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes hier nicht erforderlich gewesen sei. Der Sachverhalt sei von vornherein klar und unstreitig gewesen, der Geschäftsführer der Klägerin oder ein anderer Mitarbeiter habe über die geschäftliche Gewandtheit verfügt, eine entsprechende Unfallregulierung selbst vorzunehmen.

Die Klägerin repliziert darauf, dass es richtig sei, dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.07.2014 sich gemeldet habe. Allerdings habe sie darin nicht ihre Zahlungswilligkeit signalisiert. Gerade mit diesem Schriftsatz sei die Ursache fürdie Einschaltung eines Rechtsanwaltes durch die Klägerin gesetzt worden. Denn darin sei lediglich die Zahlung eines geringeren Reparaturkostenbetrages in Aussicht gestellt und auf erfolgte Abzüge verwiesen sowie die Vornahme weiterer Abzüge ausdrücklich vorbehalten worden. Außerdem dürfe nach der aktuellen Rechtsprechung bis zum vollständigen Ausgleich sämtlicher berechtigter Forderungen des Geschädigten dieser sich zu jeder Zeiteines Rechtsanwaltes bedienen.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat einen weitergehenden Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 630,80 € gemäß §§ 7,17 StVG, §§ 823. 249 BGB, § 115 WG.

I.

a) Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist vorliegend unstreitig.

b) Gemäß § 249 Abs. 1 und 2 BGB muss derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Hierzu kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Hierzu schließt sich das Gericht der Ansicht an, dass grundsätzlich zu den erforderlichen Kosten auch die außergerichtlichen Kosten eines Anwaltes zur Durchsetzung der Schadensersatzforderungen gehören. Angesichts der Komplexität heutiger Schadensregulierungen unter mannigfaltigen Regulierungserschwernissen benötigt der Geschädigte anwaltliche Hilfe bei der Beurteilung der Haftungslage, für das Wissen um die ersatzfähigen Schadenspositionen und zur sachgerechten Durchsetzung seiner Ansprüche.

Ausnahmsweise kann dem Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht entgegengehalten werden, dass er sich keines Rechtsanwaltes bedienen musste, wenn er beispielsweise eine eigene Rechtsabteilung hat. Ebenso spricht Einiges dafür, dass sich der Geschädigte keines Anwaltes bedienen muss, wenn die Haftungslage derart eindeutig ist, dass die Haftpflichtversicherung sofort die Haftung dem Grunde nach und der Höhe nach anerkennt.

Jedoch kann dies vorliegend dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein rechtlich einfach gelagerter Verkehrsunfall vorlag, da die Beklagte in ihrem Schreiben vom 22. Juli 2014 gerade nicht den Anspruch der Höhe nach vollumfänglich anerkannt hat. Vielmehr heißt es in dem Schreiben, welches von der Beklagtenseite als Anlage B 1 vorgelegt wurde, dass die unfallbedingten Reparaturkosten von maximal 5.540,80 € brutto übernommen würden. Nach unstreitigen Vortrag der Klägerseite entstanden jedoch Reparaturkosten in Höhe von 6.147,85 € netto. Außerdem wurden Abzüge, welche der Anlage zu entnehmen waren, gemacht. Weitere Abzüge wurden vorbehalten; Verbringungskosten wurden gekürzt. Somit lag gerade kein vollumfängliches Anerkenntnis vor. Mit außergerichtlichen sowie gerichtlichen Auseinandersetzungen durfte daher die Klägerin rechnen. In einem solchen Fall ist dann die Klägerin als Geschädigte berechtigt, sich anwaltlicher Beratung zu bedienen. Dies giltauch, wenn es sich bei der Geschädigten um eine Autovermietung und Reparaturwerkstatt handelt (vgl. AG Bernkastel – Kues, ZfS 2003, 201). Dies ergibt sich unter anderem aus dem Grundsatz der Waffengleichheit, da die Beklagte als Haftpflichtversicherer über eine Rechtsabteilung und entsprechend über ein juristisch geschultes und erfahrenes Personal bezüglich der Abwicklung von Schadensfällen verfügt (AG Darmstadt, ZfS 2002, 71). Dass die Klägerin als Geschädigte jedoch nicht über eine Rechtsabteilung verfügt, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Insofern durfte sich die Klägerin eines Rechtsanwaltes zur Durchsetzung ihrer Forderungen bedienen.

c) Einwände gegen die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren in Form einer 1,3 Gebühr aus dem Gegenstandswert von 7.614,00 € sowie der Auslagenpauschale und der Dokumentenpauschale wurden von der Beklagten nicht erhoben.

d) Die Entscheidung zu den Verzugszinsen und den Feststellungsantrag (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urteil vom 01.03.2012, Az.: 26 U 11/11, zitiert nach Juris) ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB.“

AG Bautzen, Urteil vom 31.7.2015 – 21 C 24/15

Anwendungsbereich des Vollstreckungsschutzantrags gemäß § 765a ZPO

Nach dem Beschluss des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2015 – 3 M 1043/15) ist der Anwendungsbereich des Vollstreckungsschutzantrags gemäß § 765a ZPO eng auszulegen.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„BESCHLUSS

In der Zwangsvollstreckungssache

[…]

– Gläubigerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: Z-[…]

gegen

[…]

– Schuldnerin –

wegen Vollstreckungsschutzantrag § 765 a ZPO

ergeht am 25.06.2015 nachfolgende Entscheidung:

1. Der Vollstreckungsschutzantrag der Schuldnerin gem. § 765a ZPO vom 04. und 05.06.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Schuldnerin.

Gründe

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsräumung gegen die Schuldnerin aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgericht Bautzen vom 13.02.2015 […]. Der von ihr beauftragte Gerichtsvollzieher teilte der Schuldnerin mit Schreiben vom 01.06.2015 […] mit, dass er im Gläubigerauftrag am 08.07.2015 die Schuldnerin zwangsräumen werde, falls sie nicht freiwillig ausziehe.

Die Schuldnerin beantragt mit Schreiben vom 04.06.2015 und Schreiben, Eingang bei Gericht am 05.06.2015, im Wege des Vollstreckungsschutzes nach § 765a ZPO die einstweilige Einstellung des Räumungsverfahrens und Gewährung einer Räumungsfrist bis zum 31.03.2016.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass sie in dem Objekt eine Pension betreibt und noch Übernachtungsverträge bis Ende 2015 zu erfüllen hat. Sie ist 66 Jahre alt, sei gesundheitlich stark angeschlagen und könne einen Umzug nicht bewältigen. Weiter trägt sie vor, sie habe keine Mittel für eine neue Wohnung und Kaution sofort zur Verfügung. Auch seien Interessen eines Mieters durch die Räumung gefährdet.

Die Gläubigerin wurde zu dem Antrag gehört und hat mit Schreiben vom 12.06.2015 beantragt, den Antrag abzuweisen. Wegen der Begründung wird auf das der Schuldnerin bekannt gegebene Schreiben Bezug genommen.

Der Antrag auf Vollstreckungsschutz ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag d. Schuldners/in eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen. Die Anwendung des § 765a ZPO setzt voraus, dass die Vollstreckungsmaßnahme wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist und moralisch zu beanstanden wäre.

§ 765a ZPO ist eine absolute Ausnahmevorschrift und als solche trotz eines scheinbaren Ermessensspielraums eng auszulegen. Für die Anwendung des § 765a ZPO genügen weder allgemeine wirtschaftliche Erwägungen noch soziale Gesichtspunkte. Mit Härten, die jede Zwangsvollstreckung mit sich bringt, muss sich die Schuldnerin grundsätzlich abfinden (vgl. Zöller/Stöber. ZPO. § 765a Rn. 5).

§ 765a verlangt eine Interessenabwägung zwischen Schuldner und Gläubiger. Wertentscheidungen des Grundgesetzes sind zu berücksichtigen (Schutz des Eigentums, Art. 14 Grundgesetz; wirksamer Rechtschutz Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz). Das Schutzbedürfnis des Gläubigers muss stets voll und nachhaltig gewürdigt werden. Der Gläubiger hat aufgrund seines Titels ein schutzwürdiges Vollstreckungsinteresse. Er ist grundsätzlich berechtigt, seinen titulierten Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, wenn der Schuldner seine Verpflichtung nicht freiwillig erfüllt. Die Schwierigkeiten und sozialen Nöte des Schuldners dürfen nicht einseitig berücksichtigt werden. Nur bei einem krassen Missverhältnis der für und gegen die Vollstreckung sprechenden Interessen kann Vollstreckungsschutz für den Schuldner gewährt werden. Die Umstände müssen eindeutig sein und so stark zugunsten des Schuldners sprechen, dass für Zweifel kein Raum bleibt (Zöller/Stöbera.a.O. Rn. 6 mit weiteren Nachweisen).

Eine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Vollstreckungsgrenze ist vorliegend nicht erkennbar. Ein besonderer Härtefall, der die Vollstreckungsmaßnahme der Gläubigerin als sittenwidrig erscheinen lässt, ist nicht erkennbar. Umstände, an deren Vorliegen strenge Voraussetzungen zu stellen sind, die die Zwangsräumung für die Schuldnerin unzumutbar machen, sind weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

Die von der Schuldnerin behauptete schlechte gesundheitliche Verfassung und ihr Alter von 66 Jahren stellen keinen Grund dar, Vollstreckungsschutz zu gewähren. Einfach Krankheit der Schuldnerin genügt nicht, auch nicht die Gefahr psychogener Störungen (OLG Köln MDR 1988, 152). Die behauptete Gesundheitsgefahr ist nicht anhand konkret objektivierbarer Umstände und Merkmale nachgewiesen. Im Übrigen sind an die Konkretisierung der Gesundheitsgefahr strenge Anforderungen zu stellen (OLG Köln Rpfleger 1990, 30, LG Mainz NJW-RR 1998, 1451). Die Schuldnerin hat auch in keiner Weise vorgetragen, inwieweit sie sich fachärztlich behandeln lässt, um den Zustand zu verbessern.

Vollstreckungsverfahren stellen immer eine Belastung psychischer und auch physischer Art für Vollstreckungsschuldner dar. Dies ist den Besonderheiten des Vollstreckungsverfahrens mit dessen teilweise einschneidenden Veränderungen geschuldet. Es handelt sich daher um eine allgemeine mit allen Vollstreckungsverfahren einhergehende Härte.

Die Schuldnerin musste bereits mit Beginn des Zwangsversteigerungsverfahrens, also seit geraumer Zeit, mit einer möglichen Räumung rechnen und konnte so die Führung des Pensionsbetriebs entsprechend einrichten, sich um eine neue Wohnung kümmern und sich die dafür benötigten Mittel beschaffen.

Auf die Interessen eines Mieters kann sich die Schuldnerin für Gewährung von Vollstreckungsschutz nicht berufen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Schuldnerin zu tragen, § 788 ZPO.“

AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2015 – 3 M 1043/15

Fehlende Klagebefugnis für eine Vollstreckungsabwehrklage eines von einer Räumung betroffenen Mitbesitzers

Durch das Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2015 – 21 C 510/15) wurde entschieden, dass ein von einer anstehenden Räumung betroffener Mitbesitzer keine Klagebefugnis für eine Vollstreckungsabwehrklage hat.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„BESCHLUSS

in dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

gegen

[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

wegen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung

erlässt das Amtsgericht Bautzen durch erlässt das Amtsgericht Bautzen durch

am 25.06.2015

nachfolgende Entscheidung:

Der Antrag vom 10.06.2015 auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Schreiben des Obergerichtsvollziehers […] wird zurückgewiesen.

Gründe

Mit Schriftsatz vom 10.06.2015 erhob der Kläger Klage nach § 767 ZPO und beantragte die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Hierbei bezieht er sich auf ein Schreiben des OGV […].

Zur Begründung führt er an, dass die Beklagte gegen seine Ehefrau ein Zwangsversteigerungsverfahren geführt hatte und ggf. ein Anspruch auf Räumung habe. Eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses sei ihm nicht zugestellt worden. Außerdem seien ihm keine Räumungsfristen gewährt worden.

Die Beklagte trägt vor, dass eine Klage gegen die Zwangsvollstreckungsankündigung eines Gerichtsvollziehers nicht möglich sei. Ferner seien keine Gründe vorgetragen worden, die Einwendungen im Sinne von § 767 ZPO darstellen würden.

Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unzulässig und unbegründet.

Gem. § 769 Abs. 1 ZPO kann das Prozessgericht auf Antrag anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils über die in §§ 767, 768 ZPO bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt wird.

Hierzu bedarf es einer Hauptsacheklage und die Glaubhaftmachung der tatsächlichen Behauptungen. Hier wurde zwar in der Hauptsache Klage erhoben, jedoch ist der Klageantrag unzulässig. Laut Antrag richtet sich die Klage gem. § 767 ZPO gegen das Schreiben des Obergerichtsvollziehers […]. Dies stellt aber keinen Titel dar.

Weiterhin ist der Kläger nicht Schuldner im Sinne von § 767 ZPO. Diesbezüglich fehlt ihm die Aktivlegitimation.

Soweit angegeben wird, dass der Zustellungsbeschluss nicht zugestellt worden sei, so stellt dies keine Einwendung im Sinne von § 767 ZPO dar, sondern könnte allenfalls im Rahmen von § 766 ZPO Berücksichtigung finden. Allerdings ist hierfür das Vollstreckungsgericht zuständig. Das allgemeine Zivilgericht kann dazu keine Entscheidung treffen.

Außerdem wendet sich der Kläger gegen die Räumung. Hier könnte zwar gem. § 93 ZVG der Zuschlagsbeschluss den Räumungstitel darstellen. Eine hiergegen eingelegte Beschwerde wurde bereits vom Landgericht Görlitz, Außenkammer Bautzen am 25.03.2015 zurückgewiesen. Darüber hinaus ist aber bereits fraglich, ob auch hierfür eine Zuständigkeit der allgemeinen Zivilabteilung am Amtsgericht gegeben ist. Zuständig ist nämlich das Gericht, welches den Vollstreckungstitel geschaffen hat. also hier das Vollstreckungsgericht.

Soweit eingewandt wird, dass Räumungsfristen nicht gewährt wurden, so ist nicht ersichtlich, inwieweit dies auf den Zuschlagsbeschluss Einfluss gehabt haben sollte. Die beantragten Räumungsfristen können gem. § 765a ZPO ebenfalls nur vor dem Vollstreckungsgericht beantragt werden. Diesbezüglich wurde aber bereits durch den Kläger ein Antrag gestellt […].

Weitergehende Einwendungen gegen den Zuschlagsbeschluss werden nicht erheben. Deshalb ist der Antrag sowohl auf einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückzuweisen.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsbehelf nicht gegeben.“

AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2015 – 21 C 510/15

Haftungsverteilung 30% zu 70% bei einem Verkehrsunfall zwischen einem nach rechts in eine Grundstückseinfahrt einbiegenden Transporter und einem rechts überholenden Lkw

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt a. M. (AG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.11.2014 – 31 C 2372/11 (83)) ist bei einem Verkehrsunfall zwischen einem nach rechts in eine Grundstückseinfahrt einbiegenden Transporter und einem rechts überholenden Lkw eine Haftungsverteilung 70% zu 30% zu Lasten des Lkw vorzunehmen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

[…]

Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstr. 15, 02625 Bautzen

Geschäftszeichen: […]

gegen

1. [Fahrzeugführer]

2. [Halter des Fahrzeugs]

3. [Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs]

Beklagte

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2, 3: […]

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Richter am Amtsgericht […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2014 für Recht erkannt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.251,01 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 179,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.10.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 56% und die Beklagten 44% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.855,64 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Am 13.01.2011 gegen 6:30 Uhr morgens kam es zwischen Kläger- und Beklagtenfahrzeug zu einem Verkehrsunfall […] im Bereich […] in Höhe der dort befindlichen […] Tankstelle.

Das Klägerfahrzeug war ein PKW vom Typ MB Vito 111 CDI mit dem amtlichen Kennzeichen […], dessen Halterin die Klägerin ist. Fahrer des Klägerfahrzeugs war der Zeuge […] B[…]. Das Beklagtenfahrzeug war ein LKW vom Typ MAN TGA03 A250 mit dem amtlichen Kennzeichen […], den der Beklagte zu 1. fuhr. Die Beklagte zu 2. war Halterin und die Beklagte zu 3. die Haftpflichtversicherung des LKW.

Die Fahrzeuge kollidierten im Bereich der rechten Seite des Kläger- und der linken Seite des Beklagtenfahrzeugs miteinander, als der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs rechts am Kiägerfahrzeug vorbeifahren wollte. Das Klägerfahrzeug wurde am rechten Außenspiegel sowie im Bereich der Beifahrertür und des rechten Kotflügels beschädigt. Das Beklagtenfahrzeug wurde im Bereich der Stoßstange vorne links und im Bereich der Fahrertür beschädigt.

Das Klägerfahrzeug wurde für brutto 4.697,05 Euro […] repariert, wobei die Klägerin das Fahrzeug acht Tage nicht nutzen konnte.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 04.02.2011 forderte die Klägerin die Beklagte zu 3. auf, die Haftung aus dem Unfall dem Grunde nach anzuerkennen. Mit Anwaltsschreiben vom 02.03.2011 forderte die Klägerin die Beklagte zu 3. auf, eine Zahlung in Höhe von 5.034,46 Euro zu leisten […]. Mit Schreiben vom 23.08.2011 teilte die Beklagte zu 3. mit, dass sie eine Haftungsteilung für angemessen halte und, dass sie 2.451,33 Euro an die Klägerin gezahlt habe […].

Die Klägerin behauptet, der Zeuge B[…] habe unmittelbar vor dem Unfall mit einer leichten Lenkbewegung nach links ausholen müssen, um nach rechts in die Grundstückseinfahrt […] einfahren zu können. In diesem Moment sei das von hinten kommende Beklagtenfahrzeug in die rechte Seite des Klägerfahrzeugs gefahren. Zuvor habe der Zeuge B[…] den Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts gesetzt, die Geschwindigkeit verringert und mit Blicken in Rück-, rechten Seitenspiegel und über die rechte Schulter versichert, dass sich kein anderes Fahrzeug neben ihm befunden oder zum Überholen angesetzt habe. Die Klägerin meint, ihr stünde gegen die Beklagten ein Anspruch in Höhe von insgesamt 5.348,77 Euro zu, auf den die Beklagte zu 3. lediglich 2.491,33 Euro gezahlt habe […].

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 2.855,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4% aus 4.397,10 Euro für die Zeit vom 14.1.2011 bis um 22.3.2011 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 5.348,77 Euro seit dem 23.3.2011 bis zum 24.8.2011 und weitere Zinsen In Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins satz nach § 247 BGB aus 2.855,64 Euro seit dem 25.8.2011 zu zahlen.
  2. die Beklagten werden darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 239,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basis zinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, der Fahrer des Klägerfahrzeugs habe den Unfall verursacht. Er sei trotz angekündigten Linksabbiegevorgangs und Einordnens auf dem Fahrstreifen nach links in Richtung der Tankstelle ohne Setzen eines Blinkers plötzlich nach rechts geschwenkt, so dass der sich im Geradeausverkehr normal weiter bewegende Beklagte zu 1., der am Kläger fahrzeug vorbeifahren wollte, keine Chance gehabt habe, dem Klägerfahrzeug auszuweichen.

Auch sei der Fahrer des Klägerfahrzeugs seiner Rückschauverpflichtung nicht nachgekommen, da er das Beklagtenfahrzeug ansonsten hätte sehen müssen. Dass sich das Klägerfahrzeug nach links eingeordnet habe, ergebe nur Sinn, wenn in Richtung der Tankstelle gefahren werden sollte. Ein Ausholen nach links sei zum Abbiegen nach rechts in die Einfahrt nicht erforderlich gewesen. Die Beklagten tragen vor, die geltend gemachten Abschleppkosten seien nicht zu ersetzen, da diese abgetreten worden seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen […] B[…], […] K[…], […] H[…] und […] S[…] sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Auf die Protokolle zu den Beweisaufnahmen des Amtsgerichts Bautzen vom 25.04.2012 […], 10.05.2012 […], des Amtsgerichts Löbau vom 30.10.2012 […] und des Amtsgerichts Zittau vom 07.05.2013 […] sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr.-lng. […] K[…] vom 31.03.2014 […] wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Im Übrigen hat die Klage in der Sache keinen Erfolg.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 18, 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG in Höhe von 1.251,01 Euro zu.

1.

Die Voraussetzungen der Haftung der Beklagten dem Grunde nach gemäß §§ 7 Abs. 1 und 18 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WG, 1 PflVG, 823, 249 BGB liegen vor. Das Klägerfahrzeug wurde beim Betrieb des Beklagtenfahrzeugs beschädigt. Die Halterhaftung der Beklagten zu 2. resultiert aus § 7 Abs. 1 StVG, die Haftung des Beklagten zu 1., der das Beklaglenfahrzeug gefahren ist, folgt aus § 18 StVG. Der Anspruch kann gemäß §§115 WG, 1 PflVG auch direkt gegen den Haftpflichtversicherer, d.h. gegen die Beklagte zu 3., geltend gemacht werden.

Die Ersatzpflicht der Beklagten zu 2. ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Der Unfall wurde nicht durch höhere Gewalt verursacht. Die Ersatzpflicht des Beklagten zu 1. ist nicht wegen § 18 Abs. 1 S. 2 StVG ausgeschlossen, da der Schaden nicht nicht durch ein Verschulden des Beklagten zu 1. verursacht worden ist.

2.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz aus dem Unfall jedoch nur im Umfang einer Haftungsquote von 70% zu.

a)

Gemäß § 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 3 StVG hängt bei einer Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge auch im Verhältnis der Fahrzeughalter und -führer untereinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach der unter Berücksichtigung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge gemäß §§ 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG vorzunehmende Haftungsabwägung trägt derjenige Halter bzw. Fahrer der unfallbeteiligten Fahrzeuge den größeren Verantwortungs- und damit auch den größeren Haftungsanteil, dessen Verhalten den Eintritt des Schadens in höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. BGH NJW 98,1137).

b)

Die Ersatzpflicht nach § 17 Abs. 1, 2 StVG ist vorliegend nicht aufgrund von § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen. Nach § 17 Abs. 3 StVG ist die Verpflichtung zum Ersatz für denjenigen Unfallbeteiligten ausgeschlossen, aus dessen Sicht den der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist. Als unabwendbar gilt ein Ereignis gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 StVG nur dann, wenn sowohl der Halter wie der Fahrer jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet haben. Dies Ist vorliegend indes nicht geschehen.

Weder der Fahrer des Klägerfahrzeugs noch der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs haben die nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet. Der Fahrer des Kiägerfahrzeugs hat die Sorgfaltsanforderungen aus §§ 9 Abs. 1, Abs. 5, 10 S. 2 StVO missachtet. Der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs hat beim Überholen des Klägerfahrzeugs gegen § 5 StVO verstoßen.

Das Gericht ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung sowie aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme gemäß § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass der Unfall sich ereignet hat, als das Klägerfahrzeug, nachdem es auf die Straße […] abgebogen war, die keine Fahrstreifenmarkierung aufwies, und ohne Benutzung eines Fahrtrichtungsanzeigers sowie ohne Tätigung eines Schulterblicks sich in Richtung Tankstelle orientiert hat, als das Beklagtenfahrzeug versucht hat, rechts zu überholen. Dies, obwohl dem Beklagtenfahrzeug ein Überholen ohne Nutzen des neben der Straße befindlichen Gehstreifens nicht möglich war und nicht klar war, ob das Klägerfahrzeug tatsächlich nach links in Richtung Tankstelle fahren wird.

Hierbei stützt sich das Gericht auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des schriftlichen Sachverständigengutachtens zum Unfallhergang und zur Unfallposition der Fahrzeuge zueinander sowie im Verhältnis zu den örtlichen Begebenheiten. Der Sachverständige hat aufgrund der Aussage des Zeugen B[…], der mitgeteilt hat, dass der LKW nach der Kollision halb auf Rad- und Fußweg rechts gestanden habe, und aufgrund des in Höhe des Unfallortes befindlichen Straßenschildes sowie der Unfallschäden an den Fahrzeugen dargetan, dass das Kfz der Klägerin sehr weit ausgeholt haben muss, d.h. einen Bogen gefahren sein muss, bevor es zur Kollision gekommen ist. Soweit die Zeugen K[…] und S[…] dahingegen angegeben haben, dass der Zeuge B[…] lediglich kurz nach links ausgeschwenkt sei, um in die Grundstückseinfahrt zu gelangen, ist das Gericht von der Richtigkeit dieser Aussagen schon aufgrund des Sachverständigengutachtens nicht überzeugt. Darüber hinaus haben die Zeugen B[…], der Fahrer des Klägerfahrzeugs gewesen ist, und des Zeugen H[…] einen solchen Linksschwenker nicht bestätigt, zumal nach den Angaben dieser Zeugen, was der Sachverständige bestätigte, ein solcher Schwenker zur Einfahrt in das Grundstück mit dem Klägerfahrzeug überhaupt nicht erforderlich gewesen ist.

Die Frage, ob der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs im Zeitpunkt der Kollision den Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts angeschaltet hatte, vermochte die Beweisaufnahme aus Sicht des Gerichts nicht zu klären. Insofern geht das Gericht davon aus, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs keinen Blinker gesetzt hatte. Zwar haben die Zeugen B[…] und K[…] angegeben, dass der Zeuge B[…] einen Blinker gesetzt habe. Jedoch wurden diese Aussagen durch die Zeugen H[…] und S[…], die sich ebenfalls im Klägerfahrzeug befanden, nicht bestätigt. Entgegen den Zeugen B[…] und K[…] hat der Beklagte zu 1. im Rahmen seiner informatorischen Anhörung angegeben, dass das Klägerfahrzeug nach links und nicht nach rechts geblinkt habe. Bei seiner Würdigung der Aussagen der Zeugen B[…] und K[…] hat das Gericht berücksichtigt, dass nicht erklärlich ist, weswegen der Zeuge B[…] zunächst den Blinker rechts setzt, um dann – obwohl ein solcher Schlenker nach eigener Aussage des Zeugen B[…] für die Einfahrt in das Grundstück nicht erforderlich sei – sehr weit nach links zu fahren. Soweit der Beklagte zu 1. angegeben hat, der Zeuge B[…] habe nach links geblinkt, geht das Gericht auch hiervon nicht aus, zumal die Zeugen übereinstimmend angegeben haben, man habe nicht zur Tankstelle fahren wollen.

Das Gericht ist gemäß § 286 ZPO weiter davon überzeugt, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs, der Zeuge B[…], vor der Grundstückseinfahrt keinen Schulterblick nach rechts getätigt hat. Soweit die Klägerin dies vorgetragen hat, wird der Vortrag bereits durch die Zeugenaussage des Zeugen B[…] widerlegt. Der Zeuge hat angegeben, sich nur im Rückspiegel orientiert zu haben. Insoweit ist die Aussage des Zeugen K[…], der den Schulterblick gesehen haben will, unbeachtlich, zumal ein Schulterbiick vor einem Lenken nach rechts den Unfall hätte verhindern können, da der Zeuge B[…] dann den herannahenden Beklagten-LKW hätte sehen müssen.

c)

Im vorliegenden Fall treffen nach der Abwägung gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG die Beklagten aufgrund der erhöhten Betriebsgefahr sowie des Umstandes, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs das Klägerfahrzeug entgegen § 5 Abs. 1 StVO rechts überholen wollte, obwohl aufgrund des Fahrverhaltens des Fahrers des Klägerfahrzeugs ein Fall des § 5 Abs. 7 S, 1 StVO nicht vorgelegen hat, ein größerer Verantwortungsanteil an dem Unfall. Dabei berücksichtigt das Gericht, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs den Unfall ohne weiteres hätte vermelden können, wenn er abgewartet hätte, in welche Richtung das vor Ihm befindliche und damit gut sichtbare Klägerfahrzeug weiterfährt. Ein Fall des § 5 Abs. 7 S. 1 StVO liegt nicht vor. Danach ist, wer seine Absicht nach links abzubiegen, ankündigt und sich eingeordnet hat, rechts zu überholen. Nach den Feststellungen des Gerichts fehlt es bereits daran, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs angekündigt hat, dass er nach links abbiegen wollte. Ferner hat er sich nicht so weit nach links eingeordnet, dass es dem Beklagtenfahrzeug überhaupt möglich gewesen wäre, ohne Mitbenutzung des Gehstreifens an dem Klägerfahrzeug vorbeizufahren. Insofern galt die Regel des § 5 Abs. 1 StVO, wonach links zu überholen ist, wogegen der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs ebenso verstoßen hat, wie gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, wo nach ein Überholen bei unklarerVerkehrslage unzulässig ist. Im vorliegenden Fall war unklar, ob der nicht blinkende Fahrer des Klägerfahrzeugs überhaupt nach links abbiegen wollte.

Auf Seiten der Klägerin war das Fehlverhalten des Zeugen B[…], der gegen die Sorgfaltsanforderungen der §§ 9 Abs. 1, Abs. 5, 10 S. 2 StVO verstoßen hat, zu berücksichtigen. Insoweit trifft die Klägerin einen Mitverursachungs- und damit einen Haftungsbeitrag in Höhe von 30%, zumal auch der Zeuge B[…] den Unfall durch einen Schulterbiick sowie ein klares Fahrverhalten in Richtung der rechtsseitigen Grundstückseinfahrt hätte verhindern können, wobei sich das Herannahen des Beklagtenfahrzeugs nicht in seinem direkten Blickfeld zugetragen hat.

d)

Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs ist das Gericht von der von Klägerseite geltend gemachten Forderung von 5.348,77 Euro ausgegangen, die die Beklagten hinsichtlich der der Höhe nicht in Abrede gestellt haben. Soweit die Beklagten vorgetragen haben, die Abschleppkosten seien nicht zu ersetzen, da sie abgetreten worden seien, ist der Vortrag mangels hinreichender Substantiierung nicht zu berücksichtigen.

Nach der Haftungsquote von 70% stand der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagten in Höhe von 3.744,14 Euro zu. Diesen Anspruch hat die Beklagte zu 3. durch vorgerichtliche Zahlung in Höhe von 2.491,13 Euro teilweise erfüllt (§ 362 BGB). Der Klägerin steht gegen die Beklagten daher noch ein Anspruch in Höhe von 1.251,01 Euro zu.

Die Klägerin hat zudem gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 179,25 Euro. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gehören als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung ebenfalls zum ersatzfähigen Schaden.

Ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch insoweit besteht jedoch nur in der Höhe, in welcher der Schadensersatzanspruch gegeben ist. Insoweit kann der Kläger von den Beklagten Kostenerstattung lediglich nach Maßgabe der Haftungsquote ausgehend von einem Streitwert von 3.744,14 Euro verlangen. Eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 W RVG beträgt nach dem vorliegend anwendbaren W RVG in der Fassung gültig bis 31.07.2013 318,50 Euro, abzüglich einer 0,65 Gebühr verbleiben 159,25 Euro. Zuzüglich 20,00 Euro Pauschale belaufen sich die vorgerichtlich notwendigen Rechtsanwaltskosten auf 179,25 Euro.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Hauptforderung resultiert aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Erstmals mit Anwaltsschreiben vom 02.03.2011 wurde die Beklagte zu 3. bis zum 09.03.2011 zur Zahlung aufgefordert. Hinsichtlich der Nebenforderung ergibt sich der Zinsanspruch aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Die Klage wurde den Beklagten am 21.10.2011 zugstellt.

IV.

Die Kostenentscheidung ergeht aufgrund von §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Ausgehend von dem Klageantrag in der Hauptsache in Höhe von 2.855,64 Euro hat die Klägerin in einem Umfang von 44% (Verhältnis 1.251,01 Euro / 2.855,64 Euro) obsiegt. Die geltend gemachte Nebenforderung ist gemäß § 43 Abs. 1 GKG dem Hauptanspruch im Rahmen des Kostenstreitwerts nicht zu berücksichtigen und wirkt sich daher nicht auf die Kostengrundentscheidung aus. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht für den Kläger gemäß § 709 ZPO und für die Beklagten gemäß §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung basiert auf §§ 3 ZPO i. V. m. 48 Abs. 1 GKG.“

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.11.2014 – 31 C 2372/11 (83)