Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden (OLG Dresden, Urteil vom – 9 U 1469/11) kann ein Eigentümer eines Grundstücks vom Eigentümer des benachbarten Grundstüks gemäß §§ 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 124 EGBGB, §§2, 4 SächsNachbarRG i.V.m. § 242 BGB die Herabsetzung einer Grenzmauer auf das Ausmaß einer ortsüblichen Einfriedung verlangen.
Auszug aus den Entscheidungsgründen:
„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
[…]
– Kläger und Berufungskläger –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen
gegen
[…]
– Beklagter und Berufungsbeklagter –
wegen Störungsbeseitigung
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2012 […] für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Bautzen vom 26.08.2011, Az.: 2 O 0398/10, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, die auf seinem Grundstück entlang der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken […] verlaufende Mauer, die aus sechs Teilelementen, abgestuft angeordnet, besteht, unter Aufrechterhaltung der Stützfunktion in der Höhe wie folgt zu reduzieren:
Im oberen sich an den Zaun des Beklagten anschließenden Element gar nicht, im unteren am Ende stehenden Element im Umfang einer Ziegelreihe, bei den verbleibenden vier Teilelementen um Umfang von je zwei Ziegelreihen.
[…]
Gründe :
I.
Von der Darstellung des Sachverhalts wird abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil zweifelsfrei nicht zulässig ist, §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 2 6 Nr. 8 EGZPO.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist in dem ausgeurteilten Umfang begründet.
Er kann von dem Beklagten zu 1) als Eigentümer des benachbarten Grundstücks gemäß §§ 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 124 EGBGB, §§2, 4 SächsNachbarRG i.V.m. § 242 BGB die Herabsetzung der in Rede stehenden Mauer auf das Ausmaß einer ortsüblichen Einfriedung verlangen (1.).
[…]
1. Der klägerische Anspruch beruht auf §§ 1004 Abs. 1 i.V.m. § 4 SächsNachbarRG.
a) Nach § 4 SächsNachbarRG darf jeder Nachbar sein Grund stück einfrieden. Ortsübliche Einfriedungen dürfen auch auf der Grenze errichtet werden. Wird dabei unmittelbar hinter einer ortsüblichen Einfriedung aus Maschendraht im Abstand von ca. 20 cm eine nicht ortsübliche Mauer errichtet, die den Gesamteindruck der Anlage wesentlich prägt und eine optische Einheit bildet, so kann der Nachbar eine auch in ihrer optisch – ästhetischen Beschaffenheit festgelegte Einfriedung, die dem Ortsüblichen entspricht, verlangen.
Zwar lehnt die Rechtsprechung einen Abwehranspruch nach den die Einfriedung von Grundstücken regelnden Vorschriften des Nachbarrechtsgesetzes mit der Begründung ab, das sich aus § 903 BGB ergebende Recht des Eigentümers auf seinem Grundstück, d. h. nicht auf der Grundstücksgrenze selbst, eine Einfriedung nach eigenem Ermessen zu errichten, bleibe unangetastet. Beseitigungsansprüche nach § 1004 BGB i.V.m. § 906 BGB bestehen regelmäßig nicht allein wegen optisch wahrnehmbarer und ästethisch störender Vorgänge oder Zustände auf einem Grundstück (vgl. z. B. grundlegend BGH Entscheidung vom 09.02.1979, Az.: V ZR 108/77 veröffentlicht in NJW 79, 1408 bis 1409; BGH Urteil vom 11.10.1996, Az.: V ZR 3/96).
Allerdings gibt § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. Nachbarrechtsvorschriften, hier § 4 SächsNachbarRG, dann einen Beseitigungsanspruch, wenn die Einfriedung zwar bestimmungsgemäß auf der Grenze in ortsüblicher Beschaffenheit angebracht, dicht daneben aber eine nicht ortsübliche Mauer errichtet ist. Eine solche Baumaßnahme kann, so der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 09.02.1979, NJW 79, 1408 bis 1409 auf die vorhandene Einfriedung unmittelbar so einwirken, dass diese im ortsüblich gestalteten Erscheingungsbild völlig verändert wird und damit im Wesen nach nicht mehr dem entspricht, was der Grundstückstücksnachbar als Einfriedung zu dulden hat.
So liegt der Fall zur Überzeugung des Senats angesichts des Gesamtgepräges vom Maschendrahtzäun und Mauer hier.
Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu § 32 Nachbarschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen, in dem eine Einfriedungspflicht vorgesehen ist, verhält. Indes teil[t] der Senat eine Auffassung in der Kommentarliteratur (Thomas/Schüter, Sächsisches Nachbarrecht, 2. Aufl., 2007 Seite 61), wo nach die letztlich auf das Verbot von Rechtsmissbrauch zurückgehenden Grundsätze des Bundesgerichthofs auch für die Nachbarrechtsgesetze Geltung beanspruchen können, die – wie das sächsische – keine Einfriedungspflicht vorsehen.
b) Eine Duldungspflicht des Klägers besteht danach nur, soweit sich die Mauer an ortsüblichen Einfriedungen orientiert. Da das Landgericht ausweislich des Protokolls bei dem Ortstermin vom […].2011 die Ortsüblichkeit einer durchgehend voll vermauerten Einfriedung i.H.v. fast 2 m in der Umgebung nicht festgestellt hat, kann der Kläger die Herabsetzung der Höhe auf ein Maß verlangen, das sich an der unstreitig ortsüblichen Einfriedung, dem Maschendrahtzäun, ausrichtet. Dies wird, wie aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich und mit den Parteien eingehend erörtert, durch die tenorierte teilweise Entfernung der Mauersegmente auch unter Beachtung des Niveauunterschiedes der beiden Grundstücke, des zur […]straße hin abfallenden Geländeverlaufes sowie unter Berücksichtigung der dies aufnehmenden gestuften Mauerausführung erreicht .
Zurückzuweisen war die Berufung insoweit, als sie auf die Beseitigung der Mauer in der Höhe, in der sie über die Bodenaufschüttung hinausragt, abzielt. Mauerhöhen von – insoweit unstreitigen – 80 cm bis 1 m über Bodenniveau finden sich auch in der Umgebung.
Der Beklagte kann von dem Kläger die Duldung der bestehenden Maueranlage auch nicht unter dem Gesichtspunkt verlangen, sie sei in vollem Umfang zur Abstützung des angrenzenden Swimmingpools bzw. der zum Klagegrundstück errichteten Aufschüttung erforderlich. Es spricht schon nichts dafür, dass dies zutrifft. Immerhin ragt die Mauer auch nach einer Kürzung auf Seiten des Grundstücks des Beklagten noch deutlich aus dem Boden. Wäre dies doch anders, wäre der Beklagte gehalten, für eine anderweitige Abstü[t]zung Sorge zu tragen und sei es auch die Errichtung einer vollständig neuen Mauer unter Beachtung der Höhenvorgaben dieses Urteils.“
OLG Dresden, Urteil vom – 9 U 1469/11
siehe auch: BGH, Urteil vom 22.5.1992 – V ZR 93/91: Beeinträchtigung des Lichteinfalls; Grundstückseigentümer; Beseitigung einer Einfriedung; Nachbargrundstück; Störung des Erscheinungsbildes; Ortsüblichkeit der Grundstückseinfriedung; Vergleichsgebiet; Letzte mündliche Verhandlung; Einfriedungspflicht; Einverständnis des Nachbarn
siehe auch: BGH, Urteil vom 9.2.1979 – V ZR 108/77: Anspruch auf Einfriedigung an der gemeinsamen Grenze gegen den Eigentümer des Nachbargundstücks; Ablehnung einer andersartigen, nicht in das ortsübliche Erscheinungsbild passenden Einfriedung; Allgemeine Gestaltung baulicher Anlagen