Vermittler nicht kostenpflichtig für Genehmigungskosten

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes (VG des Saarlandes, Beschluss vom 23.4.2013 – 6 K 588/12) darf eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen eines ausländischen Speditionsunternehmens in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen. Diese Entscheidung beruht darauf, dass der Unternehmer lediglich als Vermittler agiert und nicht der eigentliche Nutznießer der genehmigten Maßnahmen ist. Die Kostenpflicht muss dem tatsächlichen Nutznießer, hier dem ausländischen Speditionsunternehmen, zugerechnet werden. Das Gericht betonte, dass der Vermittler keine direkte Verantwortung für die entstehenden Kosten trägt, da seine Rolle auf die Unterstützung bei der Antragstellung beschränkt ist.

Urteile, wonach eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen für ein ausländisches Speditionsunternehmen in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen kann:
VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 589/12; VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 588/12; VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„VERWALTUNGSGERICHT
DES SAARLANDES

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Verwaltungsrechtsstreit

der Firma T[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

das Landespolizeipräsidium, […]

– Beklagter –

wegen Kosten für Polizeibegleitung

hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis durch den Richter am Verwaltungsgericht […] als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 23. April 2013

für Recht erkannt:

Der Bescheid des Beklagten vom 10.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Der Streitwert wird auf 1.297,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich die Erhebung von Gebühren für die polizeiliche Begleitung eines Schwer- und Großraumtransports.

Die Klägerin unterstützt Speditionen bei der Antragstellung für die Durchführung von Schwer- und Großraumtransporten sowie von Transporten gefährlicher und gefährdeter Güter auf der Straße in Deutschland. Infolge dessen beantragte sie beim Ordnungsamt der Großen Kreisstadt Bautzen für das polnische Speditionsunternehmen „P[…]“ eine Genehmigung zur Durchführung von Großraum- und/oder Schwerverkehr/ über die Beförderung von Ladungen mit überhöhten Abmessungen und/oder Gewichten für den Zeitraum vom 01.08.2011 bis zum 30.09.2011 für die Fahrstrecke von Ludwigsdorf nach Creutzwald. Nach Erteilung der Genehmigung meldete die Firma „P[…]“ den Transport am 01.09.2011 bei dem Beklagten an und bat um Polizeibegleitung. Am 06.09.2011 begleitete die Polizei des Beklagten den Schwertransport der Firma „P[…]“ mit zwei Funkstreifenwagenbesatzungen ab 22.30 Uhr von der Bundesautobahn 6, Raststätte Waldmohr, zum französischen Grenzübergang Überherrn/Forbach.

Mit Gebührenbescheid vom 10.11.2011 forderte der Beklagte die Klägerin zur Zahlung der Kosten für die Begleitung des Transports in Höhe von 1.297,20 € auf. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.12.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, der Kostenbescheid sei rechtswidrig, da sie nicht Gebührenschuldnerin im Sinne von § 12 SaarlGebG sei. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 SaarlGebG sei Gebührenschuldner, wem die Amtshandlung zuzurechnen sei. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 SaarlGebG sei Gebührenschuldner, wer die Kosten durch eine gegenüber der Behörde abgegebene schriftliche Erklärung übernommen habe. Die Amtshandlung sei allein dem Spediteur „P[…]“ zuzurechnen, der faktisch der Antragsteller sei. Sie selbst unterstütze lediglich (zumeist ausländische) Spediteure bei der bekanntlich schwierigen und umfangreichen Antragstellung vor deutschen Behörden für die Genehmigung von Großraum- und Schwerlasttransporten. Hierbei übe sie dieselbe Tätigkeit aus, die üblicherweise ein Mitarbeiter eines Spediteurs ausführe. Bekanntlich würden die Gebührenbescheide auch nicht den Mitarbeitern der Spedition persönlich zugestellt.

Darüber hinaus habe sie eine schriftliche Erklärung des betroffenen Spediteurs mit der ausdrücklichen Übernahme der entstehenden Kosten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 3 SaarlGebG überreicht. Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit sei es nicht nachvollziehbar, dass eine Behörde eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union den Kontakt mit einem Unternehmen aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union scheue und versuche, etwaige Kosten gegenüber Dritten aus dem eigenen Staat durchzusetzen und damit die öffentlichen Aufgaben der Verwaltung auf Dritte abzuwälze[n]. Soweit eine Behörde Zweifel an der Insolvenz des Unternehmens aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union habe bzw. sich nicht in der Lage sehe, die Kostenforderung auf dem Rechtsweg gegen ein Unternehmen aus einem anderen Mitgliedsstaat durchzusetzen, könne eine Behörde als milderes Mittel im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine Vorauszahlung zur Deckung der in Betracht kommenden Kosten von dem Speditionsunternehmen verlangen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2012 wies das Ministerium für Inneres und Sport des Saarlandes den Widerspruch zurück. Zur Begründung ist in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, die Rechtmäßigkeit des Entsendens von Kräften der Verkehrspolizeiinspektion Saarbrücken-Dudweiler zur beantragten polizeilichen Begleitung des genehmigten Schwertransports sei unstreitig. Ebenfalls nicht zu beanstanden sei die Höhe der festgesetzten Gebühr. Diese betrage gemäß §§1,5 und 12 SaarlGebG i.V.m. § 2 Nr. 5 der SPolKostVO bei der Begleitung eines Schwertransports 4,70 € pro Kilometer einschließlich An- und Abfahrt der Polizeifahrzeuge.

Im vorliegenden Fall seien insgesamt 276 Anfahrts-, Abfahrts- und Begleitkilometer angefallen, so dass die Gebührenforderung in ihrer Höhe korrekt festgesetzt worden sei (276 x 4,70 € = 1.297,20 €). Der Widerspruch sei insbesondere damit [b]egründet worden, dass der Widerspruchsführer nicht Kostenschuldner sei. Unstreitig sei der von dem Widerspruchsführer beantragte Schwertransport von der polnischen Firma „P[…]“ durchgeführt worden, so dass diese Firma Gebührenschuldner im Sinne des § 12 SaarlGebG sei. Das Vorbringen des Widerspruchsführers, er sei nur Erfüllungsgehilfe gewesen und einzig die Firma „P[…]“ sei rechtmäßiger Adressat der Gebührenforderung, könne nicht überzeugen. Der Widerspruchsführer sei ebenfalls Gebührenschuldner, da er die polizeiliche Transportbegleitung individuell zurechenbar als sogenannter Zweckveranlasser mit verursacht habe, indem er die erforderliche Genehmigung bei der Kreisstadt Bautzen eingeholt und damit eine gebührenrechtlich relevante Sonderrechtsbeziehung zu den in der Sache involvierten Behörden mit ihren Amtshandlungen geknüpft habe.

Zwar sei die Gefahr zum Zeitpunkt des Überschreitens der Gefahrengrenze für die öffentliche Sicherheit durch die Schwertransportfahrzeuge der Firma „P[…]“ ausgegangen. Der zu einer effizienten Gefahrenabwehr erforderliche Polizeieinsatz sei aber kausal darauf zurückzuführen gewesen, dass der Widerspruchsführer in der Sache die Transportbegleitungen durch Polizeifahrzeuge (individuell) zurechenbar verursacht gehabt habe, weil er die hierzu erforderliche Transportgenehmigung bei der Stadt Bautzen beantragt und eingeholt habe. Die polizeilich zur Gefahrenabwehr erforderlichen Transportbegleitungen seien demnach vom Widerspruchsführer veranlasst worden. Daran ändere auch nichts, dass die Firma „P[…]“ in dem Genehmigungsbescheid im Anschriftenfeld („zur Verfügung von und als Rechnungsempfänger für die Polizei“) aufgeführt sei und die Firma mit Schreiben vom 25.08.2011 eine Kostenübernahme für die polizeiliche Begleitung des Schwertransportes zugesichert habe. Dies betreffe lediglich das Innenverhältnis der Vertragsparteien. Im Außenverhältnis gelte allein die Kostenpflicht aus § 12 SaarlGebG, welches durch die Aufnahme der Firma „P[…]“ als Rechnungsadressat in in der Genehmigung oder schriftliche Kostenübernahmeerklärung nicht ausgehebelt werden könne. Bei der pflichtgemäßen Auswahl des Kostenschuldners sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich die Firma „P[…]“ in Polen befinde und öffentlich-rechtliche Forderungen wie im vorliegenden Fall in Ermangelung entsprechender zwischenstaatlicher Abkommen in Polen nicht vollstreckt werden könnten.

Die Polizei befände sich – richtete sie ihre Forderung an die Firma „P[…]“ in Polen – in einer für sie rechtlich ungünstigeren und im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand möglicherweise schwierigeren Position. Somit sei es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie im Rahmen des ihr zustehenden Ermessensspielraums die Kosten für die durchgeführte Polizeimaßnahme dem Widerspruchsführer als verhaltensverantwortlichem Störer in der Rechtsfigur des Zweckveranlassers dem Grunde und der Höhe nach aufbürde.

Hiergegen richtet sich die am 25.06.2012 bei Gericht eingegangene Klage. Die Klägerin wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Sie macht ergänzend dazu geltend, aufgrund der für ausländische Unternehmen schwierigen Antragsverfahren in Deutschland bedienten sich ausländische Speditionen oftmals der Hilfe von sachkundigen Personen, die das Unternehmen bei der Antragstellung unterstützten. Nach der Erteilung einer entsprechenden Genehmigung durch die jeweils zuständige Behörde ende ihre Unterstützung für das jeweilige Speditionsunternehmen. Für die eigentliche Durchführung des Transports sei der jeweilige verantwortliche, im Antrag aufgeführte Disponent des Speditionsunternehmens verantwortlich. Im vorliegenden Fall sei durch das Speditionsunternehmen „P[…]“ die für die Durchführung des Schwer- und Großraumtransportes erforderliche Begleitung durch die Polizei beantragt worden. Sie selbst habe weder vom tatsächlichen Zeitpunkt noch von der Art und Weise der konkreten Durchführung des Schwer- und Großraumtransports Kenntnis gehabt. Das Speditionsunternehmen „P[…]“ habe per Fax eine Kenntnisnahme der Genehmigung sowie eine alleinige Verantwortung zur Durchführung des Transports und der hieraus resultieren den Kosten bestätigt. Des Weiteren verweist die Klägerin auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29.01.2013-3 K 1513/12 -. Dort sei ein entsprechender Gebührenbescheid für rechtswidrig erklärt worden.

Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid des Beklagten vom 10.11.2011 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012 aufzuheben.
  2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, in der Sache könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt auch Zweckveranlasser (= Handlungsstörer gemäß § 4 SPolG) war, da die Eigenschaft als Gebührenschuldner allein auf § 12 Abs. 1 Nr. 1 SaarlGebG beruhe. Die Klägerin sei Antragstellerin der Transportgenehmigung gewesen und habe damit die Sonderrechtsbeziehung zu den in der Sache involvierten Behörden (wissentlich oder unwissentlich auch zur Vollzugspolizei des Saarlandes) geknüpft und mithin die Amtshandlungen einschließlich der polizeilichen Begleitung des Schwertransports zurechenbar und gebührenrechtlich relevant ausgelöst. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG seien Amtshandlungen insbesondere demjenigen individuell zuzurechnen, der die Amtshandlung beantragt habe. Diese direkte Verknüpfung von Antragstellung und Kostenpflicht sei im Gebührengesetz Baden-Württemberg nicht enthalten. Der Auffassung des VG Freiburg, die polnische Spedition sei von Anfang an in einer den Zurechnungszusammenhang zwischen Kostenschuld und Antragstellung des deutschen Antragstellers unterbrechenden Weise Herrin des Verfahrens, könne nicht gefolgt werden. Der Anfang definiere sich bei genehmigungspflichtigen Großraum- und Schwertransporten immer durch die Antragstellung bei der jeweiligen Straßenverkehrsbehörde.

Ohne Antragstellung und nachfolgende Genehmigung könne der Transport durch die Spedition nicht durchgeführt werden. Durch Einholung der Genehmigung, die den eigentlichen Transport sowohl hinsichtlich des Durchführungszeitpunktes, der Fahrtstrecke, der Abmessungen als auch der erforderlichen Polizeimaßnahmen genau bezeichne, würden eben diese Polizeimaßnahmen beim Transport ausgelöst.

Insofern bestehe nicht nur zur polnischen Spedition, sondern auch zum deutschen Antragsteller eine besondere Beziehung der Behörde, die die Amtshandlung (auch) dem Antragsteller individuell zuzurechnen gestatte. Der Gesetzgeber habe einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen will. Der saarländische Gesetzgeber habe in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG ausdrücklich die Beantragung der gebührenpflichtigen Amtshandlung als individuelles Zurechnungskriterium formuliert. Dies allein rechtfertige vorliegend die Gebührenerhebung. Darüber hinaus sei die gebührenpflichtige Amtshandlung zugunsten des deutschen Antragstellers nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG erfolgt. Der Auffassung des VG Freiburg, dem deutschen Antragsteller sei ein wirtschaftlicher Vorteil nicht spezifisch und individualisierbar zuzurechnen, könne nicht gefolgt werden. Unternehmenszweck des Antragstellers sei die gewinnorientierte Einholung von Genehmigungen für ausländische Spediteure im Bereich Großraum- und Schwertransporte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genüge es für die gebührenrechtliche Heranziehung des Einzelnen, das er durch die öffentliche Leistung einen besonderen tatsächlichen Vorteil erhält. Würden ausländische Spediteure die spezifischen Kenntnisse des inländischen Antragstellers nicht nutzen, ginge dessen Existenzgrundlage verloren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der Entscheidung.

Entscheidungsgründe

[…]

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 10.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Klägerin ist zu Unrecht von dem Beklagten als Gebührenschuldnerin für die Begleitung eines Schwer- und Großraumtransports durch die Polizei herangezogen worden. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 SaarlGebG ist Kostenschuldnerin oder Kostenschuldner, wem die Amtshandlung oder die Benutzung der im öffentlichen Interesse unterhaltenen Einrichtung des Landes zuzurechnen ist. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG sind individuell zurechenbar insbesondere Amtshandlungen, die beantragt, sonst willentlich in Anspruch genommen oder zugunsten der Leistungsempfängerin oder des Leistungsempfängers erbracht werden. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Entgegen der Ansicht des Beklagten hat die Klägerin die hier in Rede stehende Amtshandlung, die polizeiliche Begleitung des Groß- und Schwerraumtransports der polnischen Firma „P[…]“ am 06.09.2011 ab 22.30 Uhr, nicht beantragt. Die Klägerin hat zwar bei der Stadt Bautzen den Antrag auf Erteilung der für die Durchführung des Großraum- und Schwertransports in der Zeit vom 01.08.2011 bis einschließlich 30.09.2011 gemäß § 29 Abs. 3 StVO erforderlichen Erlaubnis bzw. der Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StVO gestellt. Die Anmeldung dieses Großraum- und Schwertransports und damit zugleich der Antrag auf Polizeibegleitung durch die saarländische Polizei ist jedoch erst später, nämlich am 01.09.2011 durch die polnische Firma „P[…]“, erfolgt. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang unwidersprochen vorgetragen, dass ihre Verpflichtungen gegenüber der polnischen Spedition mit der Beantragung und Erteilung der Erlaubnis bzw. Ausnahmegenehmigung durch die Stadt Bautzen erfüllt gewesen sind. Die Notwendigkeit der Polizeibegleitung ergibt sich zwar aus den mit der eingeholten Genehmigung verbundenen Auflagen. Gleichwohl hat die Klägerin selbst keinen Antrag auf Polizeibegleitung gestellt. Sie wusste nach ihrem unwiderlegbaren und in sich schlüssigen Vorbringen überhaupt nicht, wann der Großraum- und Schwertransport durchgeführt wurde. Vorliegend ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Genehmigungsbehörde (dem Ordnungsamt der Stadt Bautzen) und dem für die Erhebung der Gebühren für die Polizeibegleitung im Saarland zuständigen Beklagten um zwei verschiedene Behörden in zwei unterschiedlichen Bundesländern handelt, die organisatorisch nicht miteinander verflochten sind. Voraussetzung für die Begründung von Gebührenpflichten ist, dass zwischen der Verwaltungsleistung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, diesem die Amtshandlung individuell zuzurechnen [Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.08.1999 – 8 C 12/98 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2009 -1 S 1678/07 -, jeweils bei juris]. Eine solche Beziehung der Klägerin zu dem Beklagten bestand vor deren gebührenrechtlicher Inanspruchnahme gerade nicht. Hinsichtlich der Amtshandlung, die den Gebührentatbestand ausgelöst hat, ist nur von Seiten der Firma „P[…]“, die mit der Bitte um Polizeibegleitung an den Beklagten herangetreten ist, ein Antrag gestellt worden. Die Klägerin hatte hingegen mit der Beantragung der Polizeibegleitung nichts zu tun.

Dass die Klägerin durch den Antrag auf Erteilung der für die Durchführung des Groß- und Schwertransports erforderlichen Erlaubnis- bzw. Ausnahmegenehmigung erst die Voraussetzungen für die spätere Durchführung des Transports und damit auch die polizeiliche Begleitung geschaffen hat, reicht für eine individuelle Zurechnung nicht aus [Vgl. VG Freiburg, Urteil vom 29.01.2013 – 3 K1513/12 -]. Insbesondere genügt die bloße Ursächlichkeit der Einholung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung – ohne Bewilligung kein von der Polizei begleiteter Groß- und Schwertransport und folglich auch keine Verwaltungsgebühren – für eine Zurechnung nicht. Zwar dürfte im Hinblick auf den für den Groß- und Schwertransport vorgegebenen Fahrweg von Anfang an festgestanden haben, dass eine polizeiliche Begleitung erforderlich sein würde. Andererseits lag nach Einholung der erforderlichen Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung die Entscheidung, ob der Groß- und Schwertransport in dem von der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung erfassten Zeitraum vom 01.08.2011 bis 30.09.2011 überhaupt durchgeführt wird und wann dieser im Einzelnen erfolgt, allein bei der polnischen Firma „P[…]“. Diese hat durch die spätere Anmeldung des Transports am 01.09.2011 die für die Erfüllung des Gebührentatbestandes relevante Amtshandlung (die Polizeibegleitung) eigenständig herbeigeführt und damit die Entstehung der Gebühren zurechenbar veranlasst. In Anbetracht des danach maßgeblichen, zeitlich deutlich später als die Beantragung der Genehmigung liegenden und aufgrund eigener Entscheidungsgewalt erfolgten Verursachungsbeitrags der polnischen Firma kann eine gebührenrechtliche individuelle Zurechnung der Polizeibegleitung gegenüber der Klägerin nicht angenommen werden.

Des Weiteren ist nicht davon auszugehen, dass die von dem angefochtenen Gebührenbescheid erfassten Leistungen von der Klägerin willentlich in Anspruch genommen oder diese zu ihren Gunsten erbracht wurden (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG). Eine Inanspruchnahme der in der Polizeibegleitung liegenden Leistung durch die Klägerin liegt ersichtlich nicht vor. Die Leistung wurde auch nicht zu ihren Gunsten erbracht. Die Gebühr setzt eine ihr gegenüberstehende Leistung voraus und soll ein finanzieller Ausgleich für diese sein [Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.10.1994-1 BvL 19/90-, bei juris]. Die Leistung muss dem Gebührenpflichtigen mit anderen Worten einen größeren Nutzen als der Allgemeinheit bringen [Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2009 – 2 S 2036/07 -, bei juris]. Auch wirtschaftliche Vorteile können dazu führen, die öffentliche Leistung als im Interesse des Gebührenschuldners erbracht anzusehen. Lediglich mittelbare Vorteile reichen allerdings insoweit nicht aus. Im vorliegenden Fall lag die polizeiliche Begleitung zwar insoweit im Interesse der Klägerin, als sie entsprechende Erlaubnisse und Genehmigungen gewerbsmäßig für Speditionsunternehmen einholt und sie bei Ermöglichung des Transports durch die Polizeibegleitung und Sicherung der Existenz des Speditionsunternehmens auch in Zukunft damit rechnen kann, erneut Aufträge zur Einholung von straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnissen bzw. Ausnahmegenehmigungen zu erhalten. Dies hängt allerdings unter anderem davon ab, ob das betreffende Speditionsunternehmen sich entschließt, die Klägerin erneut zu beauftragen, oder ob dieses die erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen künftig durch eigene Mitarbeiter einholt. Der mit der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung verbundene wirtschaftliche Vorteil kommt der Klägerin danach keineswegs zwangsläufig und unmittelbar zu Gute, sondern hängt von weiteren, durchaus ungewissen Faktoren ab. Ein solcher lediglich mittelbarer, von Entscheidungen anderer abhängiger Vorteil reicht für eine gebührenrechtlich relevante Zurechnung der Polizeibegleitung in dem Sinne, dass diese als zu Gunsten der Klägerin erbracht anzusehen wäre, nicht aus [Vgl. ebenso VG Freiburg, Urteil vom 29.01.2013 – 3 K1513/12 -].

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da es der Klägerin im Hinblick auf die rechtliche Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Verfahren selbst zu führen.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 52 Abs. 1 und 3, 63 Abs. 2 GKG.“

VG des Saarlandes, Beschluss vom 23.4.2013 – 6 K 588/12

Kostenerhebung für Genehmigungen: Gebühren nicht vom Antragsteller, sondern vom Nutznießer zu tragen

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes (VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 589/12) darf eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen eines ausländischen Speditionsunternehmens in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen. Diese Entscheidung basiert auf der Tatsache, dass die Behörde die Kosten nicht demjenigen auferlegen kann, der lediglich die Anträge einreicht und nicht der tatsächliche Nutznießer der genehmigten Leistungen ist. Das Gericht stellte fest, dass die Kostenpflicht auf dem tatsächlichen Nutznießer, in diesem Fall dem ausländischen Speditionsunternehmen, liegen muss. Der Unternehmer, der die Anträge stellt, tritt lediglich als Vermittler auf und übernimmt nicht die direkte Verantwortung für die Kosten der genehmigten Maßnahmen. Diese Rechtsprechung unterstreicht die Notwendigkeit der klaren Zurechnung der Kostenpflicht zu demjenigen, der die tatsächliche Leistung empfängt und nicht zu intermediären Akteuren im Verwaltungsprozess.

Urteile, wonach eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen für ein ausländisches Speditionsunternehmen in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen kann:
VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 589/12; VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 588/12; VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„VERWALTUNGSGERICHT
DES SAARLANDES

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Verwaltungsrechtsstreit

der Firma T[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

das Landespolizeipräsidium, […]

– Beklagter –

wegen Kosten für Polizeibegleitung

hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis durch den Richter am Verwaltungsgericht […] als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 23. April 2013

für Recht erkannt:

Der Bescheid des Beklagten vom 05.01.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2012 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Der Streitwert wird auf 366,60 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich die Erhebung von Gebühren für die polizeiliche Begleitung eines Schwer- und Großraumtransports.

Die Klägerin unterstützt Speditionen bei der Antragstellung für die Durchführung von Schwer- und Großraumtransporten sowie von Transporten gefährlicher und gefährdeter Güter auf der Straße in Deutschland. Infolge dessen beantragte sie beim Ordnungsamt der Großen Kreisstadt Bautzen für das polnische Speditionsunternehmen „W[…]“ eine Genehmigung zur Durchführung von Großraum- und/oder Schwerverkehr/ über die Beförderung von Ladungen mit überhöhten Abmessungen und/oder Gewichten für den Zeitraum vom 06.12.2011 bis zum 05.01.2012 für die Fahrstrecke von Pomellen nach Mannheim bzw. für die Fahrstrecke von Pomellen nach Creutzwald. Nach Erteilung der Genehmigungen wurden die Transporte am 14.12.2011 und am 21.12.2011 durchgeführt und von jeweils zwei Funkstreifenwagenbesatzungen ab 22.30 Uhr von der Autobahnabfahrt Saarlouis/Mitte bis zum französischen Grenzübergang Überherrn/Forbach begleitet.

Mit Gebührenbescheid vom 05.01.2012 forderte der Beklagte die Klägerin zur Zahlung der Kosten für die Begleitung der Transporte in Höhe von 366,60 € auf. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.01.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, der Kostenbescheid sei rechtswidrig, da sie nicht Gebührenschuldnerin im Sinne von § 12 SaarlGebG sei. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 SaarlGebG sei Gebührenschuldner, wem die Amtshandlung zuzurechnen sei. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 SaarlGebG sei Gebührenschuldner, wer die Kosten durch eine gegenüber der Behörde abgegebene schriftliche Erklärung übernommen habe. Die Amtshandlung sei allein dem Spediteur „W[…]“ zuzurechnen, der faktisch der Antragsteller sei. Sie selbst unterstütze lediglich (zumeist ausländische) Spediteure bei der bekanntlich schwierigen und umfangreichen Antragstellung vor deutschen Behörden für die Genehmigung von Großraum- und Schwerlasttransporten. Hierbei übe sie dieselbe Tätigkeit aus, die üblicherweise ein Mitarbeiter eines Spediteurs ausführe. Bekanntlich würden die Gebührenbescheide auch nicht den Mitarbeitern der Spedition persönlich zugestellt. Darüber hinaus habe sie eine schriftliche Erklärung des betroffenen Spediteurs mit der ausdrücklichen Übernahme der entstehenden Kosten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 3 SaarlGebG überreicht. Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit sei es nicht nachvollziehbar, dass eine Behörde eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union den Kontakt mit einem Unternehmen aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union scheue und versuche, etwaige Kosten gegen über Dritten aus dem eigenen Staat durchzusetzen und damit die öffentlichen Aufgaben der Verwaltung auf Dritte abzuwälze. Soweit eine Behörde Zweifel an der Insolvenz des Unternehmens aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union habe bzw. sich nicht in der Lage sehe, die Kostenforderung auf dem Rechtsweg gegen ein Unternehmen aus einem anderen Mitgliedsstaat durchzusetzen, könne eine Behörde als milderes Mittel im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine Vorauszahlung zur Deckung der in Betracht kommenden Kosten von dem Speditionsunternehmen verlangen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2012 wies das Ministerium für Inneres und Sport des Saarlandes den Widerspruch zurück. Zur Begründung ist in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, die Rechtmäßigkeit des Entsendens von Kräften der ehemaligen Polizeibezirksinspektion Saarlouis zur beantragten polizeilichen Begleitung der genehmigten Schwertransporte am 14. und 21.12.2011 sei unstreitig und werde auch nicht beanstandet. Ebenfalls nicht zu beanstanden sei die Höhe der festgesetzten Gebühr. Diese betrage gemäß §§1,5 und 12 SaarlGebG i.V.m. § 2 Nr. 5 der SPolKostVO bei der Begleitung eines Schwertransports 4,70 € pro Kilometer einschließlich An- und Abfahrt der Polizeifahrzeuge. Im vorliegenden Fall seien insgesamt 78 (52 + 26) Anfahrts-, Abfahrts- und Begleitkilometer angefallen, so dass die Gebührenforderung in ihrer Höhe korrekt festgesetzt worden sei (78 x 4,70 € = 366,60 €). Der Widerspruch sei insbesondere damit gegründet worden, dass der Widerspruchsführer nicht Kostenschuldner sei. Unstreitig sei der von dem Widerspruchsführer beantragte Schwertransport von der polnischen Firma „W[…]“ durchgeführt worden, so dass diese Firma Gebührenschuldner im Sinne des § 12 SaarlGebG sei. Das Vorbringen des Widerspruchsführers, ersei nur Erfüllungsgehilfe gewesen und einzig die Firma „W[…]“ sei rechtmäßiger Adressat der Gebührenforderung, könne nicht überzeugen. Der Widerspruchsführer sei ebenfalls Gebührenschuldner, da er die polizeiliche Transportbegleitung individuell zurechenbar als sogenannter Zweckveranlasser mit verursacht habe, indem er die erforderliche Genehmigung bei der Kreisstadt Bautzen eingeholt und damit eine gebührenrechtlich relevante Sonderrechtsbeziehung zu den in der Sache involvierten Behörden mit ihren Amtshandlungen geknüpft habe.

Zwar sei die Gefahr zum Zeitpunkt des Überschreitens der Gefahrengrenze für die öffentliche Sicherheit durch die Schwertransportfahrzeuge der Firma „W[…]“ ausgegangen. Die zu einer effizienten Gefahrenabwehr erforderlichen Polizeieinsätze seien aber kausal darauf zurückzuführen gewesen, dass der Widerspruchsführer in der Sache die Transportbegleitungen durch Polizeifahrzeuge (individuell) zurechenbar verursacht gehabt habe, weil er die hierzu jeweils erforderliche Transportgenehmigung bei der Stadt Bautzen beantragt und eingeholt habe. Die polizeilich zur Gefahrenabwehr erforderlichen Transportbegleitungen seien dem nach vom Widerspruchsführer veranlasst worden. Daran ändere auch nichts, dass die Firma „W[…]“ in dem Genehmigungsbescheid im Anschriftenfeld („zur Verfügung von und als Rechnungsempfänger für die Polizei“) aufgeführt sei.

Dies betreffe lediglich das Innenverhältnis der Vertragsparteien. Im Außenverhältnis gelte allein die Kostenpflicht aus § 12 SaarlGebG, welches durch die Aufnahme der Firma „W[…]“ als Rechnungsadressatin in der Genehmigung oder schriftliche Kostenübernahmeerklärung nicht ausgehebelt werden könne. Bei der pflichtgemäßen Auswahl des Kostenschuldners sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich die Firma „W[…]“ in Polen befinde und öffentlich-rechtliche Forderungen wie im vorliegenden Fall in Ermangelung entsprechender zwischen staatlicher Abkommen in Polen nicht vollstreckt werden könnten. Die Polizei befände sich – richtete sie ihre Forderung an die Firma „W[…]“ in Polen – in einer für sie rechtlich ungünstigeren und im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand möglicherweise schwierigeren Position. Somit sei es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie im Rahmen des ihr zustehenden Ermessensspielraums die Kosten für die durchgeführte Polizeimaßnahme dem Widerspruchsführer als verhaltensverantwortlichem Störer in der Rechtsfigur des Zweckveranlassers dem Grunde und der Höhe nach aufbürde.

Hiergegen richtet sich die am 25.06.2012 bei Gericht eingegangene Klage. Die Klägerin wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Sie macht ergänzend dazu geltend, aufgrund der für ausländische Unternehmen schwierigen Antragsverfahren in Deutschland bedienten sich ausländische Speditionen oftmals der Hilfe von sachkundigen Personen, die das Unternehmen bei der Antragstellung unterstützten. Nach der Erteilung einer entsprechenden Genehmigung durch die jeweils zuständige Behörde ende ihre Unterstützung für das jeweilige Speditionsunternehmen. Für die eigentliche Durchführung des Transports sei der jeweilige verantwortliche, im Antrag aufgeführte Disponent des Speditionsunternehmens verantwortlich. Die für die Durchführung der Schwer- und Großraumtransporte erforderliche Begleitung durch die Polizei sei durch das Speditionsunternehmen „W[…]“ selbst beantragt worden. Sie habe weder vom tatsächlichen Zeitpunkt noch von der Art und Weise der konkreten Durchführung der Schwer- und Großraumtransporte Kenntnis gehabt. Des Weiteren verweist die Klägerin auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29.01.2013 – 3 K 1513/12 -. Dort sei ein entsprechender Gebührenbescheid für rechtswidrig erklärt worden.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid des Beklagten vom 05.01.2012 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2012 aufzuheben.

2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, in der Sache könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt auch Zweckveranlasser (= Handlungsstörer gemäß § 4 SPolG) war, da die Eigenschaft als Gebührenschuldner allein auf § 12 Abs. 1 Nr. 1 SaarlGebG beruhe. Die Klägerin sei Antragstellerin der Transportgenehmigungen gewesen und habe damit die Sonderrechtsbeziehung zu den in der Sache involvierten Behörden (wissentlich oder unwissentlich auch zur Vollzugspolizei des Saarlandes) geknüpft und mithin die Amtshandlungen einschließlich der polizeilichen Begleitung des Schwertransports zurechenbar und gebührenrechtlich relevant ausgelöst. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG seien Amtshandlungen insbesondere demjenigen individuell zuzurechnen, der die Amtshandlung beantragt habe. Diese direkte Verknüpfung von Antragstellung und Kostenpflicht sei im Gebührengesetz Baden-Württemberg nicht enthalten. Der Auffassung des VG Freiburg, die polnische Spedition sei von Anfang an in einer den Zurechnungszusammenhang zwischen Kostenschuld und Antragstellung des deutschen Antragstellers unterbrechenden Weise Herrin des Verfahrens, könne nicht gefolgt werden. Der Anfang definiere sich bei genehmigungspflichtigen Großraum- und Schwertransporten immer durch die Antragstellung bei der jeweiligen Straßenverkehrsbehörde.

Ohne Antragstellung und nachfolgende Genehmigung könne der Transport durch die Spedition nicht durchgeführt werden. Durch Einholung der Genehmigung, die den eigentlichen Transport sowohl hinsichtlich des Durchführungszeitpunktes, der Fahrtstrecke, der Abmessungen als auch der erforderlichen Polizeimaßnahmen genau bezeichne, würden eben diese Polizeimaßnahmen beim Transport ausgelöst.

Insofern bestehe nicht nur zur polnischen Spedition, sondern auch zum deutschen Antragsteller eine besondere Beziehung der Behörde, die die Amtshandlung (auch) dem Antragsteller individuell zuzurechnen gestatte. Der Gesetzgeber habe einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen will. Der saarländische Gesetzgeber habe in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG ausdrücklich die Beantragung der gebührenpflichtigen Amtshandlung als individuelles Zurechnungskriterium formuliert. Dies allein rechtfertige vorliegend die Gebührenerhebung. Darüber hinaus sei die gebührenpflichtige Amtshandlung zugunsten des deutschen Antragstellers nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG erfolgt. Der Auffassung des VG Freiburg, dem deutschen Antragsteller sei ein wirtschaftlicher Vorteil nicht spezifisch und individualisierbar zuzurechnen, könne nicht gefolgt werden. Unternehmenszweck des Antragstellers sei die gewinnorientierte Einholung von Genehmigungen für ausländische Spediteure im Bereich Großraum- und Schwertransporte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genüge es für die gebührenrechtliche Heranziehung des Einzelnen, das er durch die öffentliche Leistung einen besonderen tatsächlichen Vorteil erhält. Würden ausländische Spediteure die spezifischen Kenntnisse des inländischen Antragstellers nicht nutzen, ginge dessen Existenzgrundlage verloren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der Entscheidung.

Entscheidungsgründe

[..]

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 05.01.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Klägerin ist zu Unrecht von dem Beklagten als Gebührenschuldnerin für die Begleitung zweier Schwer- und Großraumtransporte durch die Polizei herangezogen worden. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 SaarlGebG ist Kostenschuldnerin oder Kostenschuldner, wem die Amtshandlung oder die Benutzung der im öffentlichen Interesse unterhaltenen Einrichtung des Landes zuzurechnen ist. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG sind individuell zurechenbar insbesondere Amtshandlungen, die beantragt, sonst willentlich in Anspruch genommen oder zugunsten der Leistungsempfängerin oder des Leistungsempfängers erbracht werden. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Entgegen der Ansicht des Beklagten hat die Klägerin die hier in Rede stehenden Amtshandlungen, die polizeiliche Begleitung der Groß- und Schwerraumtransporte der polnischen Firma „W[…]“ am 14.12.2011 und am 21.12.2011, nicht beantragt. Die Klägerin hat zwar bei der Stadt Bautzen den Antrag auf Erteilung der für die Durchführung der Großraum- und Schwertransporte in der Zeit vom 06.12.2011 bis 05.01.2012 gemäß § 29 Abs. 3 StVO erforderlichen Erlaubnis bzw. der Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StVO gestellt. Der Antrag auf Polizeibegleitung durch die saarländische Polizei ist jedoch durch die polnische Firma „W[…]“ erfolgt. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang unwidersprochen vorgetragen, dass ihre Verpflichtungen gegenüber der polnischen Spedition mit der Beantragung und Erteilung der Erlaubnis- bzw. Ausnahmegenehmigung durch die Stadt Bautzen erfüllt gewesen sind. Die Notwendigkeit der Polizeibegleitung ergibt sich zwar aus den mit der eingeholten Genehmigung verbundenen Auflagen. Gleichwohl hat die Klägerin selbst keinen Antrag auf Polizeibegleitung gestellt. Sie wusste nach ihrem unwiderlegbaren und in sich schlüssigen Vorbringen überhaupt nicht, wann die Großraum- und Schwertransporte durchgeführt wurden. Vorliegend ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Genehmigungsbehörde (dem Ordnungsamt der Stadt Bautzen) und dem für die Erhebung der Gebühren für die Polizeibegleitung im Saarland zuständigen Beklagten um zwei verschiedene Behörden in zwei unterschiedlichen Bundesländern handelt, die organisatorisch nicht miteinander verflochten sind. Voraussetzung für die Begründung von Gebührenpflichten ist, dass zwischen der Verwaltungsleistung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, diesem die Amtshandlung individuell zuzurechnen [Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.08.1999 – 8 C 12/98 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom

26.01.2009 – 1 S 1678/07-, jeweils bei juris]. Eine solche Beziehung der Klägerin zu dem Beklagten bestand vor deren gebührenrechtlicher Inanspruchnahme gerade nicht. Hinsichtlich der Amtshandlung, die den Gebührentatbestand ausgelöst hat, ist nur von Seiten der Firma „W[…]“, die mit der Bitte um Polizeibegleitung an den Beklagten herangetreten ist, ein Antrag gestellt worden. Die Klägerin hatte hingegen mit der Beantragung der Polizeibegleitung nichts zu tun.

Dass die Klägerin durch den Antrag auf Erteilung der für die Durchführung des Groß- und Schwertransports erforderlichen Erlaubnis- bzw. Ausnahmegenehmigung erst die Voraussetzungen für die spätere Durchführung des Transports und damit auch die polizeiliche Begleitung geschaffen hat, reicht für eine individuelle Zurechnung nicht aus [Vgl. VG Freiburg, Urteil vom 29.01.2013 – 3 K1513/12 -]. Insbesondere genügt die bloße Ursächlichkeit der Einholung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung – ohne Bewilligung kein von der Polizei begleiteter Groß- und Schwertransport und folglich auch keine Verwaltungsgebühren – für eine Zurechnung nicht. Zwar dürfte im Hinblick auf den für den Groß- und Schwertransport vorgegebenen Fahrweg von Anfang an festgestanden haben, dass eine polizeiliche Begleitung erforderlich sein würde. Andererseits lag nach Einholung der erforderlichen Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung die Entscheidung, ob die Groß- und Schwertransporte in dem von der Erlaubnis bzw. Ausnahmegenehmigung erfassten Zeitraum vom 06.12.2011 bis 05.01.2012 überhaupt durchgeführt werden und wann dies im Einzelnen erfolgt, allein bei der polnischen Firma „W[…]“. Diese hat die für die Erfüllung des Gebührentatbestandes relevante Amtshandlung (die Polizeibegleitung) eigenständig herbeigeführt und damit die Entstehung der Gebühren zurechenbar veranlasst. In Anbetracht des maßgeblichen und aufgrund eigener Entscheidungsgewalt erfolgten Verursachungsbeitrags der polnischen Firma kann eine gebührenrechtliche individuelle Zurechnung der Polizeibegleitung gegenüber der Klägerin nicht angenommen werden.

Des Weiteren ist nicht davon auszugehen, dass die von dem angefochtenen Gebührenbescheid erfassten Leistungen von der Klägerin willentlich in Anspruch genommen oder diese zu ihren Gunsten erbracht wurden (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SaarlGebG). Eine Inanspruchnahme der in der Polizeibegleitung liegenden Leistung durch die Klägerin liegt ersichtlich nicht vor. Die Leistung wurde auch nicht zu ihren Gunsten erbracht. Die Gebühr setzt eine ihr gegenüberstehende Leistung voraus und soll ein finanzieller Ausgleich für diese sein [Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.10.1994 -1 BvL 19/90 -, bei juris]. Die Leistung muss dem Gebührenpflichtigen mit anderen Worten einen größeren Nutzen als der Allgemeinheit bringen  [Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2009 – 2 S 2036/07 -, bei juris]. Auch wirtschaftliche Vorteile können dazu führen, die öffentliche Leistung als im Interesse des Gebührenschuldners erbracht anzusehen. Lediglich mittelbare Vorteile reichen allerdings insoweit nicht aus. Im vorliegenden Fall lag die polizeiliche Begleitung zwar insoweit im Interesse der Klägerin, als sie entsprechende Erlaubnisse und Genehmigungen gewerbsmäßig für Speditionsunternehmen einholt und sie bei Ermöglichung des Transports durch die Polizeibegleitung und Sicherung der Existenz des Speditionsunternehmens auch in Zukunft damit rechnen kann, erneut Aufträge zur Einholung von straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnissen bzw. Ausnahmegenehmigungen zu erhalten. Dies hängt allerdings unter anderem davon ab, ob das betreffende Speditionsunternehmen sich entschließt, die Klägerin erneut zu beauftragen, oder ob dieses die erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen künftig durch eigene Mitarbeiter einholt. Der mit der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung verbundene wirtschaftliche Vorteil kommt der Klägerin danach keineswegs zwangsläufig und unmittelbar zu Gute, sondern hängt von weiteren, durchaus ungewissen Faktoren ab. Ein solcher lediglich mittelbarer, von Entscheidungen anderer abhängiger Vorteil reicht für eine gebührenrechtlich relevante Zurechnung der Polizeibegleitung in dem Sinne, dass diese als zu Gunsten der Klägerin erbracht anzusehen wäre, nicht aus [Vgl. ebenso VG Freiburg, Urteil vom 29.01.2013 – 3 K1513/12 -].

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11,711 ZPO.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da es der Klägerin im Hinblick auf die rechtliche Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Verfahren selbst zu führen.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 52 Abs. 1 und 3, 63 Abs. 2 GKG.“

VG des Saarlandes, Beschluss vom 23.4.2013 – 6 K 589/12

Gerüstbauverträge: Vertragliche Pflichten bei unvorhergesehener Standzeitverlängerung

Durch den Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 11.4.2013 – VII ZR 201/12) wurde zur vertraglichen Auslegung eines Bauvertrages bei einer Überschreitung der geplanten Bauzeit entsprechend den nachfolgenden Leitlinien des BGH entschieden:

BGB §§ 133, 157
a) Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, schuldet ein Gerüstbauer die Vorhaltung des Gerüstes so lange, wie es für die Ausführung der Bauarbeiten am Bauwerk benötigt wird.

VOB/B (2006) § 2 Nr. 3
b) Haben die Parteien eines Gerüstbau- und -Vorhaltevertrages Einheitspreise nach Gerüstmaß und Zeit vereinbart, kann die in den Vertrag von den Parteien einbezogene VOB/B und damit die Vergütungsregelung in § 2 Nr. 3 bei Überschreitung des vertraglichen Zeitmaßes anwendbar sein.

Das Urteil betrifft einen Rechtsstreit zwischen einer Klägerin, die Gerüstarbeiten durchführte, und einer beklagten Gemeinde, welche die Klägerin für den Umbau einer Schule beauftragt hatte. Die Klägerin verlangte eine Restvergütung für das Aufstellen und Vorhalten eines Baugerüsts, während die Beklagte mit einem Schadensersatzanspruch aufrechnete, da die Klägerin das Gerüst abgebaut hatte, obwohl es noch für die Bauarbeiten benötigt wurde.

Die Klägerin hatte das Gerüst bis Juli 2010 aufgestellt und vorgehalten, baute es jedoch ab, obwohl die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen waren. Ein Angebot der Klägerin zur Verlängerung der Gerüststandzeit wurde von der Beklagten nicht angenommen. Die Klägerin legte eine Schlussrechnung vor, die einen noch offenen Restbetrag von 2.161,52 Euro auswies. Die Beklagte rechnete jedoch mit einem Schadensersatzanspruch von 3.228,34 Euro aufgrund des vertragswidrigen Gerüstabbaus auf.

Die Klage der Klägerin wurde in den Vorinstanzen abgewiesen, und die Revision der Klägerin wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) zurückgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin durch die Aufrechnung der Beklagten erloschen war. Die Klägerin hatte das Gerüst vertragswidrig abgebaut und der Beklagten dadurch einen Schaden zugefügt, der ihren Vergütungsanspruch überstieg.

Die Entscheidung des BGH basierte auf der Auslegung des Vertrages zwischen der Klägerin und der beklagten Gemeinde. Der Vertrag sah vor, dass die Klägerin das Gerüst für die Dauer der Bauarbeiten aufstellen und vorhalten sollte. Die Gerichtsentscheidung stellte klar, dass der Zweck des Vertrages darin bestand, die Bauarbeiten an dem Schulgebäude zu ermöglichen, und dieser Zweck konnte nur erfüllt werden, wenn das Gerüst bis zum Ende der Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird, vorgehalten wird.

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin nach dem Inhalt des Vertrages das Gerüst so lange vorhalten musste, wie es die Bauarbeiten am Schulgebäude erforderten. Die Klägerin war daher nicht berechtigt, das Gerüst vorzeitig abzubauen, da es zu diesem Zeitpunkt nach den Feststellungen des Gerichts für die Bauarbeiten noch erforderlich war.

Die Vereinbarung, dass die Einzelfristen des Bauzeitenplans bindende Vertragsfristen sein sollten, hatte nach Ansicht des Gerichts nicht den Sinn, den Zeitraum zu begrenzen, für den das Gerüst vorgehalten werden muss. Daher konnte die Klägerin das Gerüst nicht abbauen, selbst wenn die im Vertrag festgelegte Zeit überschritten wurde, solange das Gerüst für die Bauarbeiten noch benötigt wurde.

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin durch den Abbau des Gerüsts die Erfüllung des Vertrages endgültig verweigert hatte, was zu einem Schadensersatzanspruch der beklagten Gemeinde führte. Daher wurde die Klage der Klägerin abgewiesen.

Vorinstanzen:

Aus den Entscheidungsgründen:

„BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

VII ZR 201/12

in dem Rechtsstreit

[…]

Klägerin und Revisionsklägerin,

[…]

gegen

Gemeinde C[…]

Beklagte und Revisionsbeklagte,

[…]
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11.4.2013 […]

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bautzen vom 6. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der beklagten Gemeinde Restvergütung für das Aufstellen und Vorhalten eines Baugerüstes. Die Beklagte rechnet mit einem die Werklohnforderung übersteigenden Schadensersatzanspruch auf, weil die Klägerin das Gerüst abgebaut hat, obwohl es für die Bauarbeiten noch benötigt wurde.

Die Beklagte beauftragte am 4. September 2009 die Klägerin mit Gerüstarbeiten und der Vorhaltung des Gerüstes für den Umbau einer Schule. Dem Auftrag lag das Angebot der Klägerin zugrunde, in dem die Gebrauchsüberlassung des Gerüstes über die Grundeinsatzzeit hinaus mit Einheitspreisen für die ausgeschriebenen Gerüstteile pro Woche angeboten worden war. Der Vertrag 1 sieht die Geltung der VOB/B vor. Weiter enthält er unter der Rubrik „Fertigstellung der auszuführenden Leistung“ folgende Regelung:

„Schulaltbau/Verbinderbau Beginn: 16.09.09 Ende: 06/2010 Schulergänzungsbau Beginn: 04/2010 Ende: 07/2010 sowie Einzelfristen entsprechend dem beiliegenden Bauablaufplan.“

Im Bauablaufplan ist der Abbau der Gerüste am Schulergänzungsbau für die Zeit vom 16. bis 19. Juli 2010 vorgesehen. In den Besonderen Vertragsbedingungen, die Bestandteil des Auftrags geworden sind, sind die Einzelfristen des Bauablaufplans als Vertragsfristen vereinbart.

Die Klägerin hat die Gerüste aufgestellt und bis Juli 2010 vorgehalten. Mit Schreiben vom 12. Juli 2010 kündigte sie den Abbau der Gerüste in der Zeit vom 16. bis 19. Juli 2010 an und bat um schriftliche Freimeldung oder gegebenenfalls um Bestätigung des diesem Schreiben beigefügten Nachtrags gleichen Datums, der Zulagen zu den verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses vorsah, bis spätestens 14. Juli 2010.

Die Beklagte nahm das Nachtragsangebot nicht an. Daraufhin baute die Klägerin bis zum 19. Juli 2010 sämtliche Gerüste ab und legte Schlussrechnung über 11.150,19 € mit einem noch offenen Restbetrag von 2.161,52 €. Das ist die Klageforderung. Die Beklagte hat mit angeblichen Schadensersatzansprüchen wegen des nach ihrer Auffassung vertragswidrigen Gerüstabbaus in Höhe von 3.228,34 € aufgerechnet.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Restforderung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Restvergütung wegen der erfolgreichen Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen aus dem vorzeitigen Abbau der Gerüste zum 19. Juli 2010 nicht zu.

Der Klägerin habe zwar ein fälliger Anspruch auf Zahlung von restlicher Vergütung in Höhe von 2.161,52 € zugestanden. Dieser sei jedoch durch Aufrechnung der Beklagten mit dem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung in Höhe von 2.240,64 € erloschen. Die Klägerin habe die von ihr geschuldete Leistung nicht vollständig erbracht, der Gerüstabbau am 19. Juli 2010 stelle eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung dar, so dass es einer Fristsetzung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht bedurft habe (§§ 280, 281 BGB).

Die Klägerin habe sich vertraglich dazu verpflichtet, für das beabsichtigte Bauvorhaben des Schulumbaus die erforderlichen Gerüstbauarbeiten vorzunehmen, wozu auch gehöre, die erforderlichen Gerüste während der gesamten Bauarbeiten zur Verfügung zu stellen. Dies ergebe die Auslegung des Vertrages unter Berücksichtigung seiner Eigenart als Werkvertrag sowie des für beide Seiten erkennbaren Zwecks der vertraglichen Leistung. Die Gerüstvorhaltung sei nicht lediglich bis zum 19. Juli 2010 vereinbart gewesen. Das Gerüst habe den Zweck erfüllen sollen, diejenigen Baumaßnahmen im Rahmen des Schulumbaus zu ermöglichen, für welche ein Gerüst benötigt wurde. Mit der 7 Vereinbarung der Fristen des Bauzeitenplans als Vertragsfristen wolle der Bauherr lediglich Verzugsvoraussetzungen schaffen, nicht aber zum Ausdruck bringen, dass eine bestimmte Leistung, wenn das Baugeschehen sich anders entwickele und die Leistung „außerhalb“ des dafür vorgesehenen Zeitraums im Bauzeitenplan erbracht werden müsse, nicht mehr erbracht werden müsste. Auch die Gestaltung des Vertrages als Einheitspreisvertrag spreche für diese Auslegung. Die Verlängerung der Gerüststandzeiten über die im Vertrag vorläufig angesetzten Gerüststandzeiten hinaus sei ein Fall des § 2 Nr. 3 VOB/B. Die Klägerin selbst habe im April 2010 zwei Nachträge über § 2 Nr. 3 VOB/B abgerechnet. Die Klägerin sei daher ohne weiteres – auch ohne das Erfordernis einer Anordnung nach § 1 Nr. 4 VOB/B – zur weiteren Vorhaltung der Gerüste verpflichtet gewesen.

Die Beklagte habe durch die Pflichtverletzung der Klägerin einen Schaden in Höhe von zumindest 2.240,64 € erlitten.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Der der Klägerin zustehende Vergütungsanspruch ist durch die Aufrechnung der Beklagten erloschen. Die Klägerin hat das Gerüst vertragswidrig abgebaut und der Beklagten dadurch einen Schaden zugefügt, der ihren Vergütungsanspruch übersteigt.

1. Ob die Klägerin berechtigt war, das Gerüst bis zum 19. Juli 2010 abzubauen, hängt davon ab, wie die vertragliche Vereinbarung, das Gerüst aufzubauen und für das Bauvorhaben vorzuhalten, unter Berücksichtigung der als Vertragsfristen im Bauzeitenplan vorgesehenen Einzelfristen auszulegen ist. 11 Die Auslegung der insoweit getroffenen Vereinbarungen obliegt dem Tatrichter. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 67/11, BGHZ 192, 172 Rn. 12; Urteil vom 22. Juli 2010 – VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 Rn. 13 m.w.N.).

2. Das Berufungsgericht hat den Vertrag dahin ausgelegt, dass die Klägerin die Vorhaltung des Gerüstes so lange schuldete, wie es für die Ausführung der Arbeiten am Schulgebäude benötigt wurde und die Parteien dafür eine Vergütung vereinbart haben, die nach Zeiteinheiten bemessen war. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

a) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Gerüstbau- und -vorhaltevertrag dem Zweck diente, die Bauarbeiten an dem Schulgebäude zu ermöglichen und dieser Zweck nur erfüllt werden konnte, wenn das Gerüst bis zum Ende der Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird, vorgehalten wird. Es hat daraus zutreffend den Schluss gezogen, dass das Gerüst nach dem Inhalt des Vertrages so lange vorgehalten werden musste, wie es die Bauarbeiten am Schulgebäude (hier: Schulergänzungsbau) erforderten. Diese Auslegung lässt Verstöße gegen anerkannte Auslegungsregeln nicht erkennen. Sie ist auch interessengerecht, denn die Beklagte hatte ein auch für die Klägerin erkennbar nachhaltiges Interesse daran, dass diese vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung nicht berechtigt ist, das Gerüst schon zu einem Zeitpunkt abzubauen, in dem es noch benötigt wird, oder das weitere Vorhalten des Gerüstes von einer neuen Vereinbarung über die Vergütung abhängig zu machen.

b) Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, dass der Vertrag die Fertigstellung der Leistung bis zum Juli 2010 und der Bauzeitenplan den Abbau des Gerüstes bis zum 19. Juli 2010 vorsahen und die Einzelfristen des Bauzeitenplans als Vertragsfristen vereinbart worden waren. Seine Auslegung, daraus folge nicht, dass das Gerüst ungeachtet des Baufortschritts abgebaut werden könne, ist nicht zu beanstanden. Sie allein trägt dem Zweck des Vertrages Rechnung. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, hat die Vereinbarung, die Einzelfristen des Bauzeitenplans sollten bindende Vertragsfristen sein, nicht den Sinn, den Zeitraum zu begrenzen, für den das Gerüst vorgehalten werden muss. Die zur Fertigstellung der Leistung getroffenen Vereinbarungen lassen sich deshalb nicht dahin auslegen, dass der Auftragnehmer auch dann berechtigt ist, das Gerüst bis zum 19. Juli 2010 abzubauen, wenn es für die Baumaßnahmen noch benötigt wird.

c) Die Erwägung des Berufungsgerichts, mit der Erhebung der Einzelfristen des Bauzeitenplans zu Vertragsfristen habe die Beklagte bezweckt, die Voraussetzungen für einen Verzugsanspruch zu schaffen, ist nicht zu beanstanden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Auftraggeber in ihren Vertragsbedingungen Fristen des Bauzeitenplans zu Vertragsfristen erheben, um unabhängig von einer Mahnung Verzugsansprüche geltend machen zu können. Darüber hinaus hat die Vereinbarung der Fertigstellungs- und Abbaufristen noch eine andere Bedeutung. Die Parteien haben für die Vorhaltung des Gerüstes über die Grundstandzeit hinaus nach Wochen bemessene Einheitspreise und zudem die Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B vereinbart. Nach der gleichfalls nicht zu beanstandenden Auslegung des Berufungsgerichts ist die Klägerin aufgrund dieser Vereinbarung berechtigt, bei einer Überschreitung des vertraglichen Zeitansatzes von über zehn Prozent eine Anpassung der Vergütung unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu verlangen. Der vertragliche Zeitansatz ergibt sich aus den Daten des Bauzeitenplans für den Abbau des Gerüstes. Die 17 Klägerin hat das nicht anders gesehen und für den Altbau eine verlängerte Standzeit entsprechend abgerechnet sowie zudem einen Mehrvergütungsanspruch auf dieser Grundlage für den Ergänzungsbau geltend gemacht. Die Rüge der Revision, § 2 Nr. 3 VOB/B sei nur bei Mengenveränderungen anwendbar, berücksichtigt nicht, dass die von den Parteien getroffene Einheitspreisvereinbarung im Vordersatz auch eine Zeiteinheit beinhaltet.

3. Haben die Parteien vereinbart, dass das Gerüst so lange vorzuhalten ist, wie es benötigt wird, war die Klägerin nicht berechtigt, es am 19. Juli 2010 abzubauen. Denn zu diesem Zeitpunkt war das Gerüst nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für die Bauarbeiten noch erforderlich. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Sachvortrag der Klägerin übergangen, das Gerüst sei nicht mehr benötigt worden, geht fehl. Das Amtsgericht hat über diese Behauptung Beweis erhoben und die Beweise zu Lasten der Klägerin gewürdigt. Das Landgericht hat auf die Bindung an die insoweit getroffenen Feststellungen, § 529 ZPO, hingewiesen. Im Übrigen wäre das Angebot der Klägerin, das Gerüst zu anderen Bedingungen weiter zur Verfügung zu stellen, sinnlos gewesen, wenn es nicht mehr benötigt worden wäre.

4. Unerheblich ist nach allem, ob der von den Parteien geschlossene Vertrag über den Aufbau des Gerüstes und dessen Vorhaltung als Werkvertrag, Mietvertrag oder als Vertrag einzuordnen ist, der sowohl werkvertragliche als auch mietvertragliche Elemente aufweist. Denn die Frage, wie lange die Vorhaltung des Gerüstes geschuldet ist und welche Vergütung bzw. Miete für den Fall zu zahlen ist, dass eine vertraglich vorgesehene Zeit überschritten wird, ist unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Vertrages zu beantworten. Auch der Mietvertrag lässt eine Vereinbarung zu, nach der die Überlassung solange geschuldet wird, wie sie benötigt wird, und der Mieter eine Anpassung der Miete unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten verlangen kann, wenn der vertragliche Zeitansatz für die Überlassung um zehn Prozent überschritten wird. 19 5. Die Erwägung des Berufungsgerichts, mit dem Abbau des Gerüstes habe die Klägerin die Erfüllung des Vertrages endgültig verweigert, lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

6. Die von der Revision zur Höhe des bei der Beklagten entstandenen Schadens erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.“

BGH, Urteil vom 11.4.2013 – VII ZR 201/12