Rechte und Pflichten des Vermieters bei der beschränkten Herausgabe einer Wohnung nach § 885a ZPO

Die beschränkte Herausgabe der Wohnung gemäß § 885a der Zivilprozessordnung (ZPO), oft auch als „Berliner Modell“ bezeichnet, stellt eine spezielle Form der Zwangsräumung dar. Diese Methode ermöglicht eine vereinfachte und kostengünstigere Rückgabe der Wohnung an den Vermieter, da sie nicht die vollständige Räumung aller Gegenstände des Mieters umfasst. Stattdessen verschafft der Gerichtsvollzieher dem Vermieter lediglich den Besitz der Wohnung, indem er zum Beispiel die Schlüssel übergibt oder das Schloss austauscht. Dies bedeutet, dass das gesamte Mobiliar und der Hausrat des Mieters vorerst in der Wohnung verbleiben.

Nach der Übergabe der Wohnung hat der Vermieter die Aufgabe, die zurückgelassenen Gegenstände gemäß den rechtlichen Vorgaben zu behandeln. Zunächst muss der Vermieter eine klare Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Gegenständen vornehmen, um seine Rechte korrekt auszuüben und rechtliche Risiken zu minimieren.

Gegenstände ohne Interesse für den Mieter: Gegenstände, die eindeutig als Müll oder wertloses Gerümpel zu identifizieren sind und an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, können sofort entsorgt werden. Diese Gegenstände haben keinen wirtschaftlichen Wert, und ihre Lagerung würde dem Vermieter unverhältnismäßige Kosten und Mühen bereiten.

Pfändbare und unpfändbare Gegenstände: Der Vermieter ist verpflichtet, die zurückgelassenen Gegenstände in pfändbare und unpfändbare Sachen zu unterscheiden. Pfändbare Sachen sind solche, die nicht von der Pfändung ausgeschlossen sind und einen wirtschaftlichen Wert besitzen. Diese dürfen nach Ablauf einer Aufbewahrungsfrist von in der Regel einem Monat nach den gesetzlichen Regelungen hierzu verwertet werden, etwa durch Versteigerung oder Verkauf. Der Erlös aus der Verwertung ist dabei zu hinterlegen, damit der Mieter diesen später beanspruchen kann.

Unpfändbare Gegenstände, die entweder gesetzlich geschützt sind oder deren Verwertungskosten den Wert übersteigen, müssen auf Verlangen an den Mieter oder die rechtmäßigen Eigentümer herausgegeben werden. Falls die Eigentumsverhältnisse unklar sind, beispielsweise wenn Gegenstände möglicherweise unter Eigentumsvorbehalt stehen oder Dritten gehören, ist der Vermieter verpflichtet, diese Gegenstände gesondert zu lagern und den Sachverhalt zu klären. In solchen Fällen sind gegebenenfalls die entsprechenden Dritten, wie frühere Eigentümer oder Vertragspartner des Mieters, zu kontaktieren.

Vermieterpfandrecht und Kosten: Der Vermieter kann an den zurückgelassenen, pfändbaren Sachen ein Vermieterpfandrecht geltend machen, insbesondere zur Sicherung von Mietforderungen. Die Lagerung und Verwaltung dieser Sachen kann jedoch Kosten verursachen, die zunächst der Vermieter tragen muss. Diese Kosten können theoretisch später vom Mieter eingefordert werden, was jedoch in der Praxis oft schwierig ist, insbesondere wenn der Mieter zahlungsunfähig ist.

Keine Fristsetzung zur Schadensbeseitigung durch den Vermieter bei Substanzschäden an der Mietsache erforderlich

Nach dem Beschluss des Landgerichts Görlitz mit Außenkammern Bautzen vom 28. Februar 2024 (Az. 5 S 10/23), mit dem die Berufung der Mieterin gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 02.02.2023 (Az. 21 C 160/22) zurückgewiesen wurde, besteht bei Substanzschäden an einer Mietsache, die durch Verletzung der Obhutspflicht des Mieters entstanden sind, kein Erfordernis einer vorherigen Fristsetzung durch den Vermieter (so auch BGH, Urteil vom 27.06.2018 – XII ZR 79/17).

Aus den Entscheidungsgründen:

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]

– Beklagte, Widerklägerin und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

erlässt die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz […]

am 28.02.2024

nachfolgende Entscheidung:

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 02.02.2023, Az. 21 C 160/22 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
  3. Das in Ziff. 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Bautzen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
  4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.473,08 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 02.02.2023, Az. 21 C 160/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Die Berufung ist offensichtlich unbegründet. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Die Kammer hat die Parteien mit einstimmigen Beschluss vom 20.12.2023 insoweit bereits auf folgendes hingewiesen:

Die zulässig eingelegte und begründete Berufung verspricht nach übereinstimmender Auffassung der Kammer keine Aussicht auf Erfolg. Das Urteil ist frei von Rechtsfehlern. Der Sachvortrag der Berufung bietet keinen Ansatz für eine hiervon abweichende rechtliche Beurteilung.

Aus Sicht der Kammer hat das Amtsgericht im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei entschieden.

In dem auch vom Amtsgericht zitierten Urteil des BGH Az. XII ZR 79/17 vom 27.6.2018 hat der Bundesgerichtshof die Frage nach einer Fristsetzung auch bei Substanzschäden entschieden. Hier heißt es, dass Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung von Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, auch nach Beendigung des Mietverhältnisses nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung oder durch Geldzahlung vom Mieter zu ersetzen sind, ohne dass es einer vorherigen Fristsetzung des Vermieters bedarf. Für die Abgrenzung zwischen dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 281 Abs. 1 Satz 1, 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB kommt es nur darauf an, ob die Verletzung einer zur Anwendbarkeit der §§ 281 Abs. 1, 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB führenden Leistungspflicht oder die Verletzung einer in § 241 Abs. 2 BGB geregelten vertraglichen Nebenpflicht, bei
der sich die Anspruchsvoraussetzungen allein nach § 280 Abs. 1 BGB bestimmen, in Rede steht. Unerheblich ist dabei hingegen, ob der Schadensersatz vor oder nach Rückgabe der Mietsache geltend gemacht wird (BGH Urteil vom 28. Februar 2018 – VIII ZR 157/17 – NZM 2018, 320 Rn. 19). Im Falle eines Mietverhältnisses entstehen solche Schäden zwar an dem Mietgegenstand, sie beruhen aber auf einer Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs und sind damit außerhalb des mietrechtlichen Leistungsprogramms verursacht worden. Bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassene Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch nach Maßgabe von § 538 BGB entsprechenden Zustand zu halten, insbesondere die Räume aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen kann, handelt es sich um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB, deren Verletzung allein nach den in § 280 Abs. 1 BGB geregelten Voraussetzungen eine Schadensersatzpflicht begründet. Daher hat der Vermieter in solchen Fällen ein Wahlrecht zwischen der in § 280 Abs. 1 vorgesehenen Naturalrestitution und dem in Abs. 2 Satz 1 geregelten Zahlungsanspruch auf den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag.

Dies vorangestellt kommt es also darauf an, ob die hier behaupteten Schäden eine Substanzverletzung darstellen, welche über den ordnungsgemäßen Gebrauch hinausgehen. Dies bejaht die Kammer. Insbesondere die sehr anschaulich dargestellten Tapetenablösungen können einen vertragsgemäßen Gebrauch nicht mehr darstellen und es scheint auch lebensfremd, dass es sich hier um Materialermüdung handelt. Gleiches gilt im Ergebnis auch für die eindrucksvollen Kratzer auf dem Fußbodenbelag. Die Beklagte überspannt nach Auffassung der Kammer die Anforderung an die Feststellung des Schadens. Es muss nicht festgestellt werden, dass es sich um von der Katze verursachte Schäden handelt auch wenn dies mehr als wahrscheinlich ist. Fakt ist, dass die Tapete an einigen Stellen wie abgerissen aussieht, so dass die Mauer darunter zum Vorschein kommt. Dies stellt keinen vertragsgemäßen Gebrauch mehr dar.

Die erfolgte Schätzung des Schadens ist aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden.

Die Parteien haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, eine solche jedoch nicht abgegeben.

Aus den oben aufgeführten Gründen war die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gegründet auf § 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß §§ 47 GKG, 3 ZPO festgesetzt.“

LG Görlitz Außenkammern Bautzen, Beschluss vom 28. Februar 2024 – 5 S 10/23