Wirtschaftlichkeitsgebot bei Schadensersatz: BGH urteilt zur Eigenreparatur in Werkstätten

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. Mai 2023 (Az. VI ZR 274/22) befasst sich mit der Frage, ob ein Geschädigter, der einen Reparaturbetrieb führt, im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Fremdreparatur einschließlich des Gewinnanteils hat.

Grundsätzlich hat ein Geschädigter gemäß § 249 Abs. 1 BGB Anspruch darauf, den Zustand wiederhergestellt zu bekommen, der vor dem schädigenden Ereignis bestand. Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann er anstelle der Wiederherstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dies gilt auch für die Reparaturkosten, selbst wenn der Geschädigte das Fahrzeug selbst repariert oder nicht repariert. Der BGH hat entschieden, dass in solchen Fällen der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt hat, selbst wenn er die Reparatur günstiger in Eigenregie durchführen könnte.

In diesem Fall hatte die Klägerin jedoch keinen Erfolg mit ihrer Revision, da sie nicht nachweisen konnte, dass ihr Reparaturbetrieb ausgelastet war und sie deshalb die Reparatur nicht selbst durchführen konnte. Der BGH betonte, dass der Geschädigte seine betriebliche Auslastung konkret darlegen muss, um den Anspruch auf die höheren Kosten einer Fremdreparatur zu rechtfertigen. Andernfalls könnte der Geschädigte nicht mehr verlangen, als was wirtschaftlich vernünftig wäre, um zu verhindern, dass er am Schadensfall „verdient“.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der BGH die Prinzipien der subjektbezogenen Schadensbetrachtung und der Schadensminderungspflicht bestätigt hat. Dies bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensabrechnung sowohl die Besonderheiten seiner individuellen Situation als auch wirtschaftliche Vernunft berücksichtigen muss. Der Schädiger trägt die Beweislast dafür, dass eine günstigere Reparaturmöglichkeit in der eigenen Werkstatt des Geschädigten besteht, während der Geschädigte seine betriebliche Auslastungssituation darlegen muss.

Zum Werkstattrisiko des Schädigers nach einem Verkehrsunfall

Durch das Amtsgericht Leipzig (AG Leipzig, Urteil vom 30.6.2023 – 117 C 1924/23) wurde entschieden, dass die Beklagte die gesamten Reparaturkosten zu erstatten hat. Die Begründung dafür basiert auf mehreren rechtlichen Grundsätzen und Bestimmungen des deutschen Rechts.

Die Haftung der Beklagten für den durch den Unfall entstandenen Schaden zwischen den Parteien war im vorliegenden Fall unstrittig. Dies bedeutet, dass die Beklagte grundsätzlich verpflichtet ist, den durch den Unfall verursachten Schaden zu ersetzen.

Die entscheidende Frage in diesem Fall war jedoch, in welchem Umfang die Beklagte für die Reparaturkosten aufkommen muss. Hierbei spielt § 249 Abs. 2 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine zentrale Rolle. Nach dieser Vorschrift kann der Geschädigte, wenn eine Sache beschädigt wurde, statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte.

In diesem Zusammenhang hat das Gericht festgestellt, dass die Klägerin die Reparaturkosten für erforderlich halten durfte, da sie keine besseren Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten hatte. Insbesondere hat das Gericht berücksichtigt, dass der Geschädigte bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, sobald er den Reparaturauftrag erteilt hat und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Das sogenannte Werkstattrisiko geht daher zu Lasten des Schädigers.

Darüber hinaus hat das Gericht festgestellt, dass der von der Beklagten vorgelegte Prüfbericht die Erforderlichkeit der geltend gemachten Reparaturkosten aus der Sicht der Klägerin nicht in Zweifel ziehen konnte. Der Bericht ließ nicht einmal die Qualifikation seines Erstellers erkennen und konnte daher nach Auffassung des Gerichts keine Relevanz für die Regulierung haben.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…] Versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig […]

im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO am 30.06.2023

für Recht erkannt:

1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 856,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 1.096,90 € seit dem 22.7.2022 bis zum 3.2.2023, sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 856,90 € zu zahlen.

2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.096,90 € bis zum 3.2.2023 und auf 856,90 € ab dem 4.2.2023 festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche anlässlich eines Verkehrsunfalls geltend.

Am 28.6.2022 ereignete sich auf der L321 in Meine ein Verkehrsunfall. An diesem waren das Fahrzeug der Klägerin […] und das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Fahrzeug […] beteiligt. Die volle Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach für den entstandenen Schaden ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Klägerin hat den oben genannten Pkw bei der Reparaturwerkstatt […] reparieren lassen, diese hat dafür eine Rechnung über 19.103,40 € netto erstellt. Die Beklagte hat vorgerichtlich in Bezug auf die geltend gemachten Reparaturkosten einen Betrag i.H.v. insgesamt 18.006,50 € netto bezahlt. Grundlage war der von der Beklagten eingeholte Prüfbericht […] vom 30.08.2022, welcher eine Neuberechnung vorgenommen hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 16.08.2022 […] und den Prüfbericht vom 30.08.2022 […] Bezug genommen. Nach Klageeinreichung am 17.1.2023 und vor Zustellung der Klage zahlte die Beklagte auf die Reparaturkosten am 3.2.2023 einen weiteren Betrag i.H.v. 240,00 €.

Die Klägerin behauptet, ihr sei durch den Unfall ein Reparaturschaden in Höhe von insgesamt 19.103,40 € netto entstanden. Dieser Betrag sei für eine sach- und fachgerechte Instandsetzung des klägerischen Fahrzeugs erforderlich gewesen.

Die Klägerseite beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 856,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 1.096,90 € seit dem 22.7.2022 bis zum 3.2.2023, sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 856,90 € zu zahlen.

Die Beklagtenseite beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, Reparaturkosten seien allenfalls i.H.v. 17.766,50 € netto erforderlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO erklärt.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1.)
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Form von Reparaturkosten aus dem Verkehrsunfall vom 28.6.2022 i.H.v. 856,90 € netto gemäß §§7Abs. 1,17Abs. 1 StVG.823Abs. 1 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 VVG.

a)
Die Haftung der Beklagten nach einer Haftungsquote von 100 % für die der Klägerin bei dem Unfall vom 28.6.2022 entstandenen Schäden dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

b)
Der Höhe nach hat die Beklagte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB dem Kläger auch die weiteren Reparaturkosten i.H.v. 856,90 € netto zu erstatten.

Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadenersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte. Der Geschädigte ist nach diesem in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Verursacht also von mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, so ist der Geschädigte grundsätzlich auf diese beschränkt; denn nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Herstellung erforderlich (statt vieler: BGH, Urteil vom 29.10.2019 – VI ZR 45/19, Rn. 9, zitiert nach juris).

Allerdings sind unter dem Blickpunkt, dass der Schädiger grundsätzlich für alle durch das Schadensereignis verursachten Kosten einzustehen hat, an die Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt nämlich darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt (BGH, Urteil vom 08.11.1994 – VI ZR 3/94, Rn. 9, zitiert nach juris). Es ist insbesondere Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Diese „subjektbezogene Schadensbetrachtung“ kann sich sowohl zugunsten des Geschädigten als auch zugunsten des Schädigers auswirken (BGH, Urteil vom29.10.2019 – VI ZR 45/19, Rn. 10, zitiert nach juris).

Gerade im Fall der Reparatur von Kraftfahrzeugen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt hat und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1974, VI ZR 42/73, Rn. 10, zitiert nach juris). Das Werkstattrisiko geht insofern zu Lasten des Schädigers (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1991, VI ZR 314/90, Rn. 15; LG Köln, Urteil vom 07.05.2014, 9 S 314/13, Rn. 10, jeweils zitiert nach juris).

Dem Geschädigten sind in diesem Rahmen auch Mehrkosten zu ersetzen sind, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2015, 14 U 63/15, Rn. 12, zitiert nach juris; OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, BeckRS 1995, 01930; LG Köln, Urteil vom 07.05.2014, 9 S 314/13, Rn. 11, zitiert nach juris). Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Würde nämlich der Schädiger die Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB selbst vornehmen, so träfe ihn gleichfalls das Werkstattrisiko. Allein die Ausübung der Ersetzungsbefugnis durch den Geschädigten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann daher nicht zu einer anderen Risikoverteilung führen (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1974, Vl ZR 42/73, Rn. 10; LG Köln, Urteil vom Seite 507.05.2014, 9 S 314/13, Rn. 12, jeweils zitiert nach juris).

Die Zuweisung des Prognoserisikos bewirkt, dass die für die Schadensschätzung maßgeblichen Feststellungen auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Einschätzung der Wiederherstellungskosten erfolgt, der konkrete Schadensersatz sich aber nach den tatsächlichen Kosten richtet (vgl. OLG Zweibrücken, Beschiuss vom 26.06.2018, 5 U 85/17, Rn. 16, zitiert nach juris). Ersatzfähig sind danach auch die Kosten, die ex ante als erforderlich erschienen, ex post jedoch erfolglos oder in Wirklichkeit nicht erforderlich waren (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.06.2018, 5 U 85/17, Rn. 16).

Dies gilt nur dann nicht, wenn den Geschädigten ein Auswahlverschulden bezüglich des von ihm beauftragten Sachverständigen oder der beauftragten Werkstatt trifft (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1991, VI ZR 314/90, Rn. 15; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2015,14 U 63/15, Rn. 11; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.06.2018, 5 U 85/17, Rn. 16, jeweils zitiert nach juris). Der Unfallgeschädigte darf darauf vertrauen, dass die Werkstatt nicht betrügerisch Werkleistungen in Rechnung stellt, die gar nicht erbracht wurden oder Reparaturen vornimmt, die nicht erforderlich waren (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2015, 14 U 63/15, Rn. 11, zitiert nach juris).

c)
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind vorliegend auch die weiteren Reparaturkosten in Höhe von 856,90 € netto als erforderlich i.S.v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen, auch wenn die Reparaturkosten – wie von der Beklagten behauptet – zur Behebung des Unfallschadens nicht notwendig gewesen sein sollten. Mangels besserer Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten hat die Klägerin die Reparaturkosten für erforderlich halten dürfen.

(1)
Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin bezüglich der mit den Reparaturarbeiten beauftragten Reparaturwerkstatt ein Auswahlverschulden trifft. Einen Vortrag hierzu hat die Beklagte nicht gehalten.

(2)
Auch vermag der von der Beklagten vorgelegte Prüfbericht die Erforderlichkeit der geltend gemachten Reparaturkosten aus der Sicht der Klägerin nicht in Zweifel zu ziehen. Der von der Beklagten vorgelegte Bericht […] lässt nicht einmal die Qualifikation seines Erstellers erkennen, sodass er nach Auffassung des Gerichts keine Relevanz für die Regulierung hat. Weshalb der namenlose Verfasser in der Lage sein soll, die Kosten für durchgeführte Reparaturarbeiten anzuzweifeln, ohne das Auto gesehen zu haben, wird mit keinem Wort erläutert.

2.)
Die Klägerin hat gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 BGB gegen die Beklagte ferner einen Anspruch auf Ersatz von Zinsen in gesetzlicher Höhe.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.“

AG Leipzig, Urteil vom 30.6.2023 – 117 C 1924/23

Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten für einen Reparaturablaufplan, Mietwagen und der Nutzungsausfallentschädigung bei Abwarten bis zur Reparaturkostenübernahmeerklärung

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21) orientieren sich die erstattungsfähigen, angemessenen Mietwagenkosten am „Marktspiegel Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO mit einem Aufschlag von 30%. Zudem ist ein Geschädigter nicht zur Vorfinanzierung der Reparaturkosten verpflichtet und darf auf eine Reparaturkostenübernahmeerklärung der Haftpflichtversicherung des Schädigers warten. Im Weiteren gehören die Kosten für die Erstellung eines Reparaturablaufplans zu erstattungsfähigen Rechtsverfolgungskosten.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7-9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]Versicherung[…]

vertreten durch d. Vorstand

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 10.09.2021 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von offenen Forderungen aus der
a) Mietwagenkostenrechnung […] in Höhe von 492,78 EUR freizustellen.
b) Kostenrechnung […] für die Erstellung des Reparaturablaufplans in Höhe von 29,75 EUR freizustellen.
c) Standkostenrechnung […] in Höhe von 214,20 EUR freizustellen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 20% und die Beklagte 80% zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf bis zu 1.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall am 16.04.2020 gegen 15:15 Uhr auf dem Supermarkt-Parkplatz, Gesundbrunnenring/Muskauer Straße in Bautzen.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Halterin des Pkws vom Typ Mitsubishi Outlander mit
dem amtlichen Kennzeichen […]. Das Fahrzeug ist der Mietwagengruppe I (Mittelklasse) gemäß ACRISS-Klassifikation einzuordnen. Der unfallgegnerische Pkw vom Typ VW mit
dem amtlichen Kennzeichen […] war am Unfalltag bei der Beklagten haftpflichtversichert. Die vollständige Einstandspflicht der Beklagten aus dem Verkehrsunfallereignis ist zwischen den Parteien unstreitig.

Das klägerische Fahrzeug wurde am 16.04.2020 zur Autohaus […] GmbH verbracht und dort am 21.04.2020 durch einen Sachverständigen besichtigt. Der klägerische Pkw war infolge des Verkehrsunfalles nicht mehr fahrtüchtig.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 20.04.2020, 22.04.2020, 28.05.2021 und 10.06.2021 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre Schadensersatzansprüche geltend. Bereits mit Schreiben vom 20.04.2020 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe eine Reparaturkostenübernahmeerklärung gegenüber der Autohaus […] GmbH auf und wies zugleich darauf hin, dass keine Verpflichtung zu einer Vorfinanzierung aus eigenen Mitteln oder eine Kreditaufnahme zur Schadensbehebung bestehe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das sich im Anlagenkonvolut […] befindliche Schreiben vom 20.04.2020 Bezug genommen.

Die Klägerin mietete für den Zeitraum vom 16.04.2020 bis 08.05.2020 einen Pkw Mitsubishi Colt für 22 Tage bei der Autohaus […] GmbH an. Diese stellte der Klägerin hierfür mit Rechnung […] einen Betrag in Höhe von 1.309 EUR brutto in Rechnung. Die Beklagte zahlte hierauf einen Betrag in Höhe von 350,40 EUR und lehnte mit Schreiben vom 29.05.2020 eine Regulierung von Mietwagenkosten für mehr als 10 Tage Ausfallzeit mit der Begründung ab, dass allein diese Dauer als angemessen anzusehen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage […] Bezug genommen. Das Ersatzfahrzeug ist der Mietwagengruppe E (Kleinwagen) gemäß ACRISS-Klassifikation zuzuordnen.

Die Beklagte erklärte am 04.05.2020 die Übernahme der Reparaturkosten gegenüber der Autohaus […] GmbH. Diese begann daraufhin am 04.05.2020 mit der Bearbeitung des Reparaturauftrages. Die Reparaturarbeiten wurden am 08.05.2020 abgeschlossen.
Weiterhin wurden der Klägerin von dem Autohaus mit Rechnung vom 28.05.2020 Standkosten für den Zeitraum vom 16.04.2020 bis zum Beginn der Reparaturarbeiten am 04.05.2020 insgesamt Standkosten in Höhe von 214,20 EUR brutto in Rechnung gestellt.

Die Klägerin ließ sich von der Autohaus […] GmbH einen Reparaturablaufplan im Zuge der Abwicklung des Schadensfalles erstellen. Hierfür stellte ihr die Werkstatt mit Rechnung vom 09.06.2020 einen Betrag in Höhe von 29,75 EUR brutto in Rechnung.

Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von offenen Forderungen aus der
a) Mietwagenkostenrechnung […] in Höhe von 651,74 EUR freizustellen.
b) Kostenrechnung […] für die Erstellung des Reparaturablaufplans in Höhe von 29,75 EUR freizustellen.
c) Standkostenrechnung […] in Höhe von 214,20 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin im Hinblick auf die Mietwagenkosten ihre Schadensminderungspflicht verletzt habe, weil sie den Reparaturauftrag erst am 04.05.2020 erteilt habe. Ein Hinweis darauf, dass die Klägerin zur Vorfinanzierung der Reparaturkosten nicht in der Lage gewesen sei, habe sich erst im Schreiben vom 30.04.2020 gefunden. Dem Versicherer stehe insofern jedoch eine Prüffrist von 4 bis 6 Wochen zu. Auch sei davon auszugehen, dass die Klägerin eine Fahrzeugvollversicherung unterhalten habe, die sie hätte in Anspruch nehmen müssen. Ferner seien die Mietwagenkosten nach der Fraunhofer-Liste ohne 30%-Aufschlag zu schätzen. Wegen der klassengleichen Anmietung sei ein Abzug von 100% wegen ersparter Eigenaufwendungen vorzunehmen. Ein Reparaturablaufplan sei von der Beklagten nicht angefordert und daher für die Schadensregulierung nicht erforderlich gewesen. Standkosten seien im Übrigen nicht geschuldet, da die Klägerin die Reparatur umgehend hätte beauftragen müssen und solche nicht ortsüblich seien.

Das Gericht entscheidet mit Zustimmung beider Parteien im schriftlichen Verfahren, wobei Schriftsätze mit Eingang bis zum 10.09.2021 Berücksichtigung fanden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen in der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend auch begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Freistellung von weiteren Mietwagenkosten in Höhe von 492,78 EUR sowie von den Kosten für die Erstellung des Reparaturablaufplanes sowie von Standkosten in geltend gemachter Höhe gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249, 257 BGB i.V.m. § 115 VVG. Dem liegt eine zwischen den Parteien unstreitige Haftungsquote von 100% zum Nachteil der Beklagten zu Grunde. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.

1.
Die Klägerin hat unstreitig dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten. Streitig ist jedoch die Dauer sowie die Höhe des nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzenden, erforderlichen Herstellungsaufwandes. Nach vorgenommener Schätzung (§ 287 ZPO) ergibt sich ein noch zu zahlender Freistellungsbetrag in Höhe von 492,78 EUR.

a)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte vom
Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer gemäß § 249 Abs, 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf, wobei er nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten ist, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen.

Der Maßstab für die wirtschaftliche Erforderlichkeit des gewählten Mietwagens bildet der am Markt übliche Normaltarif. Dieser Normaltarif kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage des Mittelwertes der sog. Schwacke-Liste (Schwacke-Liste Automietpreisspiegel der Schwacke GmbH) oder der Fraunhofer-Liste („Marktspiegel Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO) bedienen, aber auch das arithmetische Mittel aus beiden Tabellen („Fracke“) wählen, ohne die jeweilige Wahl gesondert begründen zu müssen. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, aber auch nur dann, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. Vl ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; vgl. auch OLG Schleswig, Urt. v. 28.11.2019, Az. 7 U 39/19, zitiert nach juris Rn. 27 f.).

Solche, eine Abweichung beziehungsweise Anpassung rechtfertigende Umstände können dabei insbesondere eine besondere Eil- oder Notlage, das Nichtvorhandensein einer Kreditkarte des Geschädigten, das Unterlassen der Anmietung mit Hilfe des Internets und der Umstand sein, dass der Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts eine Vorlaufzeit von einer Woche berücksichtigt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.03.2019, Az. 1 U 74/18, zitiert nach juris Rn. 28; demgegenüber weist das Fraunhofer Institut auf S. 3 des Mietpreisspiegels 2017 allerdings darauf hin, dass die Preisabhängigkeit vom Anmietzeitpunkt nur sehr gering sei). In diesem Fall kommt eine angemessene Erhöhung der ermittelten Beträge In Betracht (BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; Palandt, BGB, § 249 Rn. 33; OLG Düsseldorf, Urt. V. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14, zitiert nach juris Rn. 38).

b)
Das Amtsgericht Bautzen legt – im Einklang mit der 2. (Berufungs)Kammer des Landgerichts Görlitz (vgl. Leitentscheidung mit Urteil vom 27.03.2020, Az. 2 S 38/19) – jedenfalls für den hiesigen, regionalen Markt, nunmehr ausschließlich den Marktpreisspiegel des Fraunhofer Instituts als vorzugswürdige Schätzgrundlage zu Grunde.

aa)
Hintergrund dieser Einschätzung ist insbesondere der Umstand, dass die Preise der Fraunhofer Liste aufgrund einer anonymisierten Anfrage und nicht – wie bei der Schwacke-Liste – auf Grund offener Nachfrage ermittelt werden. Die Erhebungsmethode des Fraunhofer Instituts kommt daher bereits im Ansatz der Erhebungsmethode von Marktpreisen durch einen normalen Marktteilnehmer am Nächsten.

bb)
Im Rahmen der Schätzung ist zudem gerade auch zu berücksichtigen, dass den Geschädigten aus §§ 249, 254 BGB eine Schadensminderungspflicht trifft.

Der Geschädigte ist nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit (§ 249 Abs. 2 BGB) hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH, NJW 2013, 1870; LG Braunschweig. Urt. V. 30.12.2015 – 7 S 328/14).

Im Fall der Anmietung eines Unfallersatzwagens liegt es jedoch gerade nahe, dass der Geschädigte und der Vermieter eines Kraftfahrzeuges bei Abschluss des Mietvertrages um die grundsätzliche Einstandspflicht des Unfallgegners und seiner Haftpflichtversicherung als solvente Schuldnerin wissen. Dieser Umstand ist als solcher ist bereits geeignet, den Mieter – anders als den durchschnittlichen Selbstzahler – unkritisch einen ihm im Entwurf vom Vermieter vorgelegten Vertrag, der eine deutlich überdurchschnittliche oder sogar klar überhöhte Miete vorsieht, zu unterzeichnen. Insoweit ist dem Gericht auch kein Fall bekannt, in denen ein Autovermieter einen Mieter verklagt, der meint, einen Anspruch gegen eine Haftpflichtversicherung zu haben (LG Görlitz aaO).

Den Anforderungen an die Schadensminderungspflicht wird die Erhebung des Fraunhofer Instituts aufgrund der anonymen anstatt offenen Erhebung eher gerecht.

cc)
Soweit demgegenüber einige Gerichte die Bemessung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebung favorisieren (sog. „Fracke-Lösung“, vgl. etwa OLG Dresden, Urt. 28.03.2019, Az. 7 U 1319/18; OLG Düsseldorf. Urt. v. 05.03.2019, Az. 1 ü 74/18; LG Würzburg, Urt. 21.08.2019, Az. 42 S 905/19), handelt es sich hierbei letztlich um eine Kompromisslösung. Eine solche kann jedoch nach Auffassung des erkennenden Gerichts letztlich nicht Grundlage einer hoheitlichen Entscheidung sein, weil, wenn sich das erkennende Gericht mangels Überzeugung von der Richtigkeit einer der beiden Tabellen, für keine von beiden entscheiden kann, es dogmatisch ebenfalls nicht vertretbar erscheint, von beiden für sich genommen nicht überzeugend erscheinend Erhebungen schlicht den Mittelwert zu bilden (LG Görlitz aaO; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14 im Hinblick auf die mangelnde Praktikabilität dieses Ansatzes).

dd)
Falls erforderlich können im Übrigen nach dem Vorgesagten besondere Umstände des Einzelfall jedenfalls im Zuge einer angemessenen Erhöhung der in der Fraunhofer Erhebung ermittelten Werten vorgenommen werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14; Palandt, BGB, § 249 Rn. 33).

c)
Zu den nach der Fraunhofer Liste ermittelten Werten ist jedoch in Einklang mit der neuesten Rechtsprechung des Landgerichts Görlitz (aaO), welcher sich das erkennende Gericht anschließt, ein Aufschlag von 30% zwecks Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung sowie zur Berücksichtigung der mit einer Unfallsituation als solcher verbundenen Besonderheiten vorzunehmen.

Daneben erfolgt die pauschale Erhöhung auch vor dem Hintergrund der Berechtigung des Geschädigten, eine zusätzliche Reduktion seiner Selbstbeteiligung für die Voll- und Teilkaskoversicherung zu vereinbaren.

Die Fraunhofer – Listenpreise enthalten nämlich nur eine Haftungsreduzierung im Bereich von 750,00 EUR bis 950,00 EUR. Die Kosten für die Kaskoversicherung sind indes bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs grundsätzlich erstattungsfähig, denn es besteht ein schutzwürdiges Interesse des Geschädigten für die Kosten einer eventuellen Beschädigung nicht in voller Höhe selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind, als das eigene in Reparatur befindliche Fahrzeug. Da es sich mit dem gemieteten Fahrzeug um ein unbekanntes Fahrzeug handelt, besteht ein höheres Unfallrisiko, außerdem sind auch Bagatellschäden mir gegebenenfalls hohem Kostenaufwand zu reparieren, da es sich nicht um das eigene Fahrzeug handelt und deshalb nicht auf eine Reparatur verzichtet werden kann (vgl. auch LG Braunschweig, Urt. v. 30.12.2015-7 S 328/14 m.w.N.).

Vor dem Hintergrund der abstrakten Schätzung der erforderlichen Kosten gilt die hierdurch berechtigte, bereits in der Pauschale von 30% berücksichtigte Erhöhung der Listenpreise dabei unabhängig davon, wie hoch sich die Eigenbeteiligung im konkreten Fall bemisst (LG Görlitz aaO).

Darüber hinaus sind für das Gericht im vorliegenden Fall keine erheblichen, weiteren Umstände ersichtlich, die eine weitere Erhöhung der Pauschale rechtfertigen würden.

d)
Die so zu ermittelnden Mietwagenkosten sind entgegen der Auffassung der Beklagte nicht in jedem Fall um ersparte Eigenaufwendungen zu reduzieren. Ein solches Vorgehen berücksichtigt einerseits nicht den auf Seiten des Geschädigten entgangenen Gebrauchsvorteil und würde andererseits den Schädiger durch einen übermäßigen Vorteilsausgleich unbillig entlasten.

aa)
Die Klägerin hat vorliegend ein sogar um mehrere Klassen niedrigeres Fahrzeug angemietet. Sie wäre aber berechtigt gewesen, einen ihrem beschädigten Wagen typenmäßig gleichen oder entsprechenden Wagen anzumieten (BGH VersR 1970, 547 = NJW 70, 1120). Zwar hat die Klägerin tatsächlich durch den Nichtgebrauch ihres Wagens während der Mietzeit leistungsbezogene Betriebskosten wie Motorölverbrauch, Reifenverschleiß, anteilige Reparaturkosten und anteilige Inspektionsaufwendungen sowie eine durch den Verschleiß bedingte Wertminderung eingespart. Diese Ersparnisse werden jedoch in vollem Umfang durch die entgangenen Gebrauchsvorteile eines größeren Wagens wieder ausgeglichen.

Der Geschädigte ist gemäß § 249 BGB wirtschaftlich zu stellen, wie er ohne die Beschädigung seines Fahrzeugs gestanden hätte. Wenn er danach nicht ausnahmsweise gemäß § 254 Abs. 2 BGB, wie hier nicht, verpflichtet ist, zum Zweck der Schadensminderung einen leistungsschwächeren Kraftwagen zu mieten, so stellt das Anmieten eines kleineren und billigeren Fahrzeugs regelmäßig eine wirtschaftlich messbare Einbuße dar. Denn der Geschädigte verzichtet – ohne dazu verpflichtet zu sein – bei Anmietung eines kleineren Fahrzeugs nicht nur auf Repräsentationsgründe und Bequemlichkeit, sondern vor allem auf Leistungsstärke des Fahrzeugs (und damit auf ein schnelleres Reisen), auf Fahrkomfort und Sicherheit, also auf Vorteile, die – wie auch die Verkaufspreise von Neuwagen zeigen – einen wirtschaftlichen Wert darstellen (OLG Frankfurt/M. VersR 1984, 667 = NJW 84, 1902 (1903) LG Bonn VersR 1972, 382 (383) LG Mannheim VersR 1976, 1187).

bb)
Darüber hinaus widerspricht die gegenteilige Auffassung aber auch den allgemeinen Grundsätzen der Vorteilsausgleichung im Schadensrecht. Die Anrechnung des Vorteils muss dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf den Schädiger nicht unbillig entlasten (BGHZ 8, 325 (328 f.) = VersR 53, 148; 30, 29 (31) = VersR 59. 399; 91, 206 (210) Palandt/Heinrichs, BGB, vor § 249 Anm. 7 A b). Im Rahmen der hierbei gebotenen wertenden Betrachtung (Palandt/Heinrichs, aaO, Anm. 7 A d), die die Vor- und Nachteile des Schadensereignisses gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbindet, lässt es sich nicht rechtfertigen, wenn dem Schädiger Maßnahmen des Geschädigten, zu denen dieser im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB schon nicht verpflichtet ist, nunmehr zugute kommen sollen.

e)
Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten für 22 Tagen. Die Klägerin war insbesondere nicht zur Vorfinanzierung der Reparaturkosten verpflichtet. Deshalb ist ihr auch nicht anzulasten, wenn aufgrund einer erst am 04.05.2020 erfolgten Reparaturübernahmeerklärung der Beklagten die Reparatur erst an diesem Tag begonnen werden konnte. Auch sonst ist ihr kein Verstoß gegen ihre aus § 254 Abs. 2 BGB folgende Schadensminderungspflicht anzulasten.

aa)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Geschädigte nicht verpflichtet, den Schaden selbst in irgendeiner Form vorzufinanzieren. Der Geschädigte hat grundsätzlich Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen. Zugleich hat der Schädiger grundsätzlich auch die Nachteile zu ersetzen, die daraus herrühren, dass der Schaden mangels sofortiger Ersatzleistung nicht gleich beseitigt worden ist und sich dadurch vergrößert hat (vgl. etwa BGHZ 61, 346, 348; BGH, Urteil vom 26.5.1988 – III ZR 42/87).

bb)
Allerdings ist der Geschädigte aus § 254 Abs. 2 BGB dazu verpflichtet, sofern er den Schaden nicht (zunächst) auf eigene Kosten beseitigen will, den Schaden so gering wie möglich zu halten und dementsprechend den Schädiger umgehend hierüber zu informieren. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin jedoch hinreichend nachgekommen. Bereits mit anwaltlichen Schreiben vom 20.04.2020 wurde die Beklagte nämlich zur unverzüglichen Abgabe einer Reparaturkostenübernahmeerklärung aufgefordert und auf eine mangelnde Verpflichtung zur Vorfinanzierung hingewiesen. Es oblag daher allein der Beklagten durch eine möglichst umgehende Abgabe der Reparaturkostenübernahmeerklärung bzw. umfassende Vorschusszahlung den Schaden möglichst gering zu halten.

Dem steht insbesondere auch nicht entgegen, dass dem Haftpflichtversicherer nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen bzw. der gesetzlichen Regelung des § 3a PflVersG eine Prüfungszeit zuzubilligen ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Schadensersatzanspruch bereits am Tag des Verkehrsunfalles sofort fällig ist (BGH, Beschluss vom 18.11.2008 – VI ZB 22/08). Die Beachtung der Regulierungsfrist ist vielmehr Zulässigkeitsvoraussetzung der auf Regulierung gerichteten Klage.

Andernfalls würde eine Haftpflichtversicherung nämlich gegenüber dem Schädiger hinsichtlich des Eintritts des Verzugs entgegen der gesetzlichen Regelung bessergestellt werden bzw. würde für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung ein gesonderter Zeitpunkt für den Eintritt des Verzugs mit dem hieraus resultierenden Verzugsfolgen bestehen. Dies widerspricht jedoch dem Zweck einer Haftpflichtversicherung, die für die durch den Schädiger entstandenen Schäden einzustehen hat. Dem hingegen tritt die Fälligkeit in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung ein, wenn wegen einer Verletzung einer Person oder wegen einer Beschädigung einer Sache nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Ersatz zu leisten ist (BGH, Beschluss vom 18.11.2008 – VI ZB 22/08 = NJW 2009. 910). § 3a Abs. 1 Nr. 2 PflVersG regelt insoweit ausdrücklich, dass weitergehende Ansprüche des Geschädigten unberührt bleiben. In der Begründung zum Gesetzesentwurfs (BR-Drucks. 110/02, S. 22 und 30) wird zudem erwähnt, dass die Verzugsfolge des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB auch schon vor Ablauf der Dreimonatsfrist eintreten kann. Hieraus folgt: Ist die Voraussetzung der Fälligkeit des Schadenersatzanspruchs gegeben und liegt eine Mahnung vor, sind die gesetzlichen Verzugszinsen bereits vor Ablauf der dreimonatigen Bearbeitungsfrist und aufgrund der BGB-Verzugsregelung zu zahlen (OLG Rostock, Beschluss vom 9.1.2001 – 1 W 338/98).

Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klägerin auch nicht verpflichtet, eine etwaige Vollkaskoversicherung für ihr Fahrzeug in Anspruch zu nehmen (OLG Dresden, Urteil vom 4.5.2012 – 1 U 1797/11). Ohnehin erfolgte die entsprechende Behauptung ersichtlich als Vermutung uns Blaue und ist daher bereits unbeachtlich.

f)
Bei der Bestimmung der angemessenen Mietwagenkosten ist auf die Mietwagenklasse des angemieteten und nicht des verunfallten Fahrzeuges abzustellen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Schadensabrechnung gerade konkret und nicht abstrakt erfolgt. Maßgeblich ist daher, ob die für die konkret angemietete Ersatzsache geltend gemachten Kosten erforderlich und angemessen waren.

9)
Der Klägerin hat nach dem Vorgesagten daher im Ergebnis jedenfalls Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten wie folgt (Erhebung 2019, Fahrzeugklasse E, PLZ-Gebiet 02, 22 Tage):

3 mal Pauschale 7 Tage (je 192,13 EUR): 576,39 EUR
1 mal Pauschale 1 Tag: 72,21 EUR
Zwischensumme: 648,60 EUR
Pauschale Erhöhung 30%: 194.58 EUR
Gesamtbetrag (brutto): 843,18 EUR

Da die Beklagte auf die so ermittelten Schadensposition bereits 350,40 EUR gezahlt hat, ergibt sich für die Klägerin ein weiterer Freistellungsanspruch in Höhe von (lediglich) 492,78 EUR.

2.
Die Klägerin kann ferner die Freistellung von den angefallenen Standkosten in geltend gemacher Höhe verlangen. Sie war aus den bereits ausgeführten Gründen nicht zu einer sofortigen Beauftragung der Reparatur verpflichtet. Im Übrigen war der Reparaturbetrieb jedenfalls für den Zeitraum, in dem die Reparatur tatsächlich nicht durchgeführt wurde, zur Geltendmachung von Standkosten berechtigt. Dass derartige Kosten allgemein üblich und ortsüblich sind, ist dem Gericht aus einer Vielzahl gleichgelagerter Verfahren bekannt.

Die Kosten sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO), insbesondere berechnen auch Abschleppunternehmen ausweislich der Preis- und Strukturumfrage 2020 des VBA (Verband der Bergungs- und Abschleppunternehmen e.V.) durchschnittlich Standgebühren in Höhe von 12,00 EUR netto kalendertäglich für unter freiem Himmel abgestellte Fahrzeug, für Hallenabstellflächen sogar 15,50 EUR netto. Die hier geltend gemachten Kosten von 10,00 EUR netto kalendertäglich bewegen sich damit im Rahmen üblicher Standgebühren.

3.
Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die Erstellung des Reparaturablaufplanes. Die geltend gemachten Kosten waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB und sind daher zu erstatten.

a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es anerkannt, dass bei gesetzlichen wie bei vertraglichen Schuldverhältnissen zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen eines Geschädigten unter bestimmten Voraussetzungen auch durch das Schadensereignis erforderlich gewordene Rechtsverfolgungskosten gehören können. Dies gilt namentlich für solche Aufwendungen, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – X ZR 35/15-, Rn. 21, juris m.w.N.). So liegt der Fall hier.

b)
Die Einholung des Reparaturablaufplanes erfolgte vorliegend in unmittelbarer Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 29.05.2020, in welchem die Erstattung der Mietwagenkosten für einen Zeitraum von mehr als zehn Tagen pauschal abgelehnt wurde. Mangels näherer Begründung durfte die Klägerin dabei davon ausgehen, dass die Einholung des Reparaturablaufplanes gerade für den Nachweis erforderlich sein wird, dass die gutachterlich kalkulierte Reparaturdauer tatsächlich nicht überschritten worden, sondern die Verzögerung allein auf die späte Erklärung der Reparaturkostenübernahme zurückzuführen war.

Darauf, ob die Beklagte den Reparaturablaufplan tatsächlich angefordert hatte, kam es hingegen nicht an. Die Klägerin durfte vielmehr die Einholung bereits in Erwartung des nunmehr durchgeführten Prozesses beauftragen.

c)
Unerheblich ist es schließlich, ob die Klägerin die Erstellung kostenpflichtig beauftragt hatte. Der Nachweis der Beauftragung ergibt sich jedenfalls aus dem Umstand, dass ein entsprechender Plan erstellt und der Klägerin in Rechnung gestellt worden ist. Insofern ist nach § 612 Abs. 2 BGB jedenfalls die übliche Vergütung geschuldet. Insbesondere handelt es sich nicht um eine bloße kostenlos zu erbringende Nebenleistung zur Reparatur. Ein Geschädigter hat insofern bereits kein eigenes Interesse an einem detaillierten Plan, wann im Einzelnen welche Arbeite- und Organisationsschritte vorgenommen worden waren (AG Leverkusen, Urteil vom 29.06.17, Az. 20 O 52/17).

Der in Rechnung gestellte Betrag ist insofern auch nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO; vgl. etwa auch AG Siegburg, Urteil vom 06.03.2019, Az. 108 C 136/18: 41,65 EUR; AG Leverkusen, Urteil vom 29.06.17, Az. 20 0 52/17: 59,90 EUR; AG Bonn, Urteil vom 20.02.2020, Az. 114 O 477/19: 89,25 EUR).

1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

2.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 600,00 EUR nicht; eine Zulassung der Berufung ist nicht veranlasst (§ 511 Abs. 2 und 4 ZPO).

3.
Der Streitwert war entsprechend der mit dem Antrag Zif. 1 begehrten Hauptklageforderung
festzusetzen.“

AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21

Haftung des Schädigers für lange Reparaturdauer, zur Angemessenheit der Mietwagenkosten und kein Abzug von ersparten Eigenaufwendungen bei Anmietung eines klassenniedrigeren Fahrzeugs

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21) hat der Schädiger die Kosten infolge der tatsächlichen Reparaturdauer unabhängig von der vorangegangenen Schätzung des Schadengutachters zu erstatten. Bei der Anmietung eines Mietwagens sind keine ersparten Eigenaufwendungen in Abzug zu bringen, wenn ein klassenniedrigeres Fahrzeug angemietet wurde. Die Angemessenheit der Mietwagenkosten orientiert sich an den Mietwagenkosten entsprechend des „Marktspiegels Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 30%.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

[…]versicherung[…]

vertreten durch d. Vorstand

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 08.06.2021 eingereicht werden konnten, am 18.06.2021

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt,
a) an die Klägerin 177,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 10.10.2020 zu zahlen.
b) die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von restlichen Reparaturkostenforderungen in Höhe von 203,43 EUR […] freizustellen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:
Der Streitwert wird bis zum 03.02.2021 auf 2.024,56 EUR und ab dem 04.02.2021 auf 648,22 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restlichen Nutzungsausfall sowie Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall am 20.08.2020 in […] Wilthen. Die Klägerin war Eigentümer des beim Verkehrsunfall beschädigten Pkw Typ Mitsubishi ASX. Unfallbeteiligt war zudem ein bei der Beklagten haftpflichtversicherter Pkw Skoda Fabia.

Eine vollständige Haftung der Beklagten aus dem Verkehrsunfallereignis dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.

Das verunfallte Fahrzeug der Klägerin war in die Mietwagenklasse 7 gemäß Schwacke einzuordnen. Die Klägerin hat bei der Autohaus Kiethe OHG für den Zeitraum vom 20.08.2020 bis 21.08.2020 sowie vom 28.08.2020 bis zum 07.09.2020 einen Mietwagen der Klasse 5 als Ersatzfahrzeug angemietet.

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten letztlich folgende Schadenspositionen geltend:

Fahrzeugschaden 10.400,78 EUR
Unkostenpauschale 25,00 EUR
Sachverständigengutachten 1.021,03 EUR
Nutzungsausfallentschädigung 354,00 EUR
Mietwagenkosten 939,18 EUR
Summe 12.739,99 EUR

Die Beklagte regulierte die Positionen Unkostenpauschale und Sachverständigengutachten zunächst voll. Auf den Fahrzeugschaden zahlte sie 9.024,43 EUR, auf die Nutzungsentschädigung 177,00 EUR und 467,97 EUR auf die Mietwagenkosten.

Unter anderem [mit] anwaltlichen Schreiben vom 24.09.2020 forderte die Klägerin die Erstattung der vorgenannten Schadenspositionen bis spätestens zum 01.10.2020.

Die Klägerin behauptet, dass ihr Fahrzeug vom 26.08.2020 bis zum 07.09.2020 repariert worden sei, wie im […] vorgelegten Reparaturablaufplan ersichtlich. Die geltend gemachten Mietwagenkosten seien zudem in voller Höhe erforderlich und angemessen.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,
a) an die Klägerin 177,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 10.10.2020 zu zahlen.
b) die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von restlichen Reparaturkostenforderungen in Höhe von 1.376,35 EUR […] freizustellen.
c) die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von restlichen Reparaturkostenforderungen in Höhe von 471,21 EUR […] freizustellen.

Mit Schriftsatz vom 04.02.2021 hat die Klägerin aufgrund einer Teilzahlung der Beklagten auf die Reparaturkosten in Höhe von 1.376,35 EUR für den Fall der Rechtshängigkeit in Höhe dieses Betrages für erledigt erklärt und für den Fall der bloßen Anhängigkeit die Teilklagerücknahme in entsprechender Höhe erklärt.

Die Beklagte beantragt:
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Richtigkeit des vorgelegten Reparaturablaufplanes mit Nichtwissen. Auch ist sie der Auffassung, dass auch bei der Anmietung eines klassentieferen Fahrzeuges ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen vorzunehmen sei.

Die Entscheidung erfolgt mit Zustimmung beider Parteien im schriftlichen Verfahren.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze Protokolle und andere Unterlagen in der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

I.

Die Erklärung der Klägerin im Schriftsatz vom 04.02.2021 war zunächst als Teilklagerücknahme auszulegen. Es handelt sich um eine zulässige innerprozessuale Bedingung der ansonsten bedingungsfeindlichen Klagerücknahme. Im Übrigen wurde die Klage der Beklagten erst am 11.02.2021 zugestellt, so dass die Zahlung zwischen An- und Rechtshängigkeit erfolgte.

II.

Der Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 203,43 EUR sowie einer weiteren Nutzungsaufallentschädigung in begehrter Höhe gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1,249, 286, 288 BGB i.V.m. § 115 VVG. Dem liegt eine zwischen den Parteien unstreitige Haftungsquote von 100% zum Nachteil der Beklagten zu Grunde. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.

1.
Die Klägerin hat zunächst unstreitig dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten. Streitig ist jedoch die Dauer sowie die Höhe des nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzenden, erforderlichen Herstellungsaufwandes.

a)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer gemäß § 249 Abs, 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf, wobei er nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten ist, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen.

Der Maßstab für die wirtschaftliche Erforderlichkeit des gewählten Mietwagens bildet der am Markt übliche Normaltarif. Dieser Normaltarif kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage des Mittelwertes der sog. Schwacke-Liste (Schwacke-Liste Automietpreisspiegel der Schwacke GmbH) oder der Fraunhofer-Liste („Marktspiegel Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO) bedienen, aber auch das arithmetische Mittel aus beiden Tabellen („Fracke“) wählen, ohne die jeweilige Wahl gesondert begründen zu müssen. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, aber auch nur dann, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. Vl ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; vgl. auch OLG Schleswig, Urt. v. 28.11.2019, Az. 7 U 39/19, zitiert nach juris Rn. 27 f.).

Solche, eine Abweichung beziehungsweise Anpassung rechtfertigende Umstände können dabei insbesondere eine besondere Eil- oder Notlage, das Nichtvorhandensein einer Kreditkarte des Geschädigten, das Unterlassen der Anmietung mit Hilfe des Internets und der Umstand sein, dass der Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts eine Vorlaufzeit von einer Woche berücksichtigt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.03.2019, Az. 1 U 74/18, zitiert nach juris Rn. 28; demgegenüber weist das Fraunhofer Institut auf S. 3 des Mietpreisspiegels 2017 allerdings darauf hin, dass die Preisabhängigkeit vom Anmietzeitpunkt nur sehr gering sei). In diesem Fall kommt eine angemessene Erhöhung der ermittelten Beträge in Betracht (BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; Palandt, BGB, § 249 Rn. 33; OLG Düsseldorf, Urt. V. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14, zitiert nach juris Rn. 38).

b)
Das Amtsgericht Bautzen legt – im Einklang mit der 2. (Berufungs)Kammer des Landgerichts Görlitz (vgl. Leitentscheidung mit Urteil vom 27.03.2020, Az. 2 S 38/19) – jedenfalls für den hiesigen, regionalen Markt, nunmehr ausschließlich den Marktpreisspiegel des Fraunhofer Instituts als vorzugswürdige Schätzgrundlage zu Grunde.

aa)

Hintergrund dieser Einschätzung ist insbesondere der Umstand, dass die Preise der Fraunhofer Liste aufgrund einer anonymisierten Anfrage und nicht – wie bei der Schwacke-Liste – auf Grund offener Nachfrage ermittelt werden. Die Erhebungsmethode des Fraunhofer Instituts kommt daher bereits im Ansatz der Erhebungsmethode von Marktpreisen durch einen normalen Marktteilnehmer am Nächsten.

bb)
Im Rahmen der Schätzung ist zudem gerade auch zu berücksichtigen, dass den Geschädigten aus §§ 249, 254 BGB eine Schadensminderungspflicht trifft.
Der Geschädigte ist nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit (§ 249 Abs. 2 BGB) hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH, NJW 2013, 1870; LG Braunschweig, Urt. v. 30.12.2015 – 7 S 328/14).

Im Fall der Anmietung eines Unfallersatzwagens liegt es jedoch gerade nahe, dass der Geschädigte und der Vermieter eines Kraftfahrzeuges bei Abschluss des Mietvertrages um die grundsätzliche Einstandspflicht des Unfallgegners und seiner Haftpflichtversicherung als solvente Schuldnerin wissen. Dieser Umstand ist als solcher ist bereits geeignet, den Mieter – anders als den durchschnittlichen Selbstzahler – unkritisch einen ihm im Entwurf vom Vermieter vorgelegten Vertrag, der eine deutlich überdurchschnittliche oder sogar klar überhöhte Miete vorsieht, zu unterzeichnen. Insoweit ist dem Gericht auch kein Fall bekannt, in denen ein Autovermieter einen Mieter verklagt, der meint, einen Anspruch gegen eine Haftpflichtversicherung zu haben (LG Görlitz aaO).

Den Anforderungen an die Schadensminderungspflicht wird die Erhebung des Fraunhofer Instituts aufgrund der anonymen anstatt offenen Erhebung eher gerecht.

cc)
Soweit demgegenüber einige Gerichte die Bemessung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebung favorisieren (sog. „Fracke-Lösung“, vgl. etwa OLG Dresden, Urt. v. 28.03.2019, Az. 7 U 1319/18; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.03.2019, Az. 1 U 74/18; LG Würzburg, Urt. 21.08.2019, Az. 42 S 905/19), handelt es sich hierbei letztlich um eine Kompromisslösung. Eine solche kann jedoch nach Auffassung des erkennenden Gerichts letztlich nicht Grundlage einer hoheitlichen Entscheidung sein, weil, wenn sich das erkennende Gericht mangels Überzeugung von der Richtigkeit einer der beiden Tabellen, für keine von beiden entscheiden kann, es dogmatisch ebenfalls nicht vertretbar erscheint, von beiden für sich genommen nicht überzeugend erscheinend Erhebungen schlicht den Mittelwert zu bilden (LG Görlitz aaO; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14 im Hinblick auf die mangelnde Praktikabilität dieses Ansatzes).

dd)
Falls erforderlich können im Übrigen nach dem Vorgesagten besondere Umstände des Einzelfall jedenfalls im Zuge einer angemessenen Erhöhung der in der Fraunhofer Erhebung ermittelten Werten vorgenommen werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14; Palandt, BGB, § 249 Rn. 33).

c)
Zu den nach der Fraunhofer Liste ermittelten Werten ist jedoch in Einklang mit der neuesten Rechtsprechung des Landgerichts Görlitz (aaO), welcher sich das erkennende Gericht anschließt, ein Aufschlag von 30% zwecks Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung sowie zur Berücksichtigung der mit einer Unfallsituation als solcher verbundenen Besonderheiten vorzunehmen.

Daneben erfolgt die pauschale Erhöhung auch vor dem Hintergrund der Berechtigung des Geschädigten, eine zusätzliche Reduktion seiner Selbstbeteiligung für die Voll- und Teilkaskoversicherung zu vereinbaren.

Die Fraunhofer – Listenpreise enthalten nämlich nur eine Haftungsreduzierung im Bereich von 750,00 EUR bis 950,00 EUR. Die Kosten für die Kaskoversicherung sind indes bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs grundsätzlich erstattungsfähig, denn es besteht ein schutzwürdiges Interesse des Geschädigten für die Kosten einer eventuellen Beschädigung nicht in voller Höhe selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind, als das eigene in Reparatur befindliche Fahrzeug. Da es sich mit dem gemieteten Fahrzeug um ein unbekanntes Fahrzeug handelt, besteht ein höheres Unfallrisiko, außerdem sind auch Bagatellschäden mir gegebenenfalls hohem Kostenaufwand zu reparieren, da es sich nicht um das eigene Fahrzeug handelt und deshalb nicht auf eine Reparatur verzichtet werden kann (vgl. auch LG Braunschweig, Urt. v. 30.12.2015 – 7 S 328/14 m.w.N.).

Vor dem Hintergrund der abstrakten Schätzung der erforderlichen Kosten gilt die hierdurch berechtigte, bereits in der Pauschale von 30% berücksichtigte Erhöhung der Listenpreise dabei unabhängig davon, wie hoch sich die Eigenbeteiligung im konkreten Fall bemisst (LG Görlitz aaO).

Darüber hinaus sind für das Gericht im vorliegenden Fall keine erheblichen, weiteren Umstände ersichtlich, die eine weitere Erhöhung der Pauschale rechtfertigen würden.

d)
Die so zu ermittelnden Mietwagenkosten sind entgegen der Auffassung der Beklagte nicht in jedem Fall um ersparte Eigenaufwendungen zu reduzieren. Ein solches Vorgehen berücksichtigt einerseits nicht den auf Seiten des Geschädigten entgangenen Gebrauchsvorteil und würde andererseits den Schädiger durch einen übermäßigen Vorteilsausgleich unbillig entlasten.

aa)
Die Klägerin hat vorliegend ein sogar um zwei Klassen niedrigeres Fahrzeug angemietet. Sie wäre aber berechtigt gewesen, einen ihrem beschädigten Wagen typenmäßig gleichen oder entsprechenden Wagen anzumieten (BGH VersR 1970, 547 = NJW 70, 1120). Zwar hat die Klägerin tatsächlich durch den Nichtgebrauch ihres Wagens während der Mietzeit leistungsbezogene Betriebskosten wie Motorölverbrauch, Reifenverschleiß, anteilige Reparaturkosten und anteilige Inspektionsaufwendungen sowie eine durch den Verschleiß bedingte Wertminderung eingespart. Diese Ersparnisse werden jedoch in vollem Umfang durch die entgangenen Gebrauchsvorteile eines größeren Wagens wieder ausgeglichen.
Der Geschädigte ist gemäß § 249 BGB wirtschaftlich wirtschaftlich zu stellen, wie er ohne die Beschädigung seines Fahrzeugs gestanden hätte. Wenn er danach nicht ausnahmsweise gemäß § 254 Abs. 2 BGB, wie hier nicht, verpflichtet ist, zum Zweck der Schadensminderung einen leistungsschwächeren Kraftwagen zu mieten, so stellt das Anmieten eines kleineren und billigeren Fahrzeugs regelmäßig eine wirtschaftlich messbare Einbuße dar. Denn der Geschädigte verzichtet – ohne dazu verpflichtet zu sein – bei Anmietung eines kleineren Fahrzeugs nicht nur auf Repräsentationsgründe und Bequemlichkeit, sondern vor allem auf Leistungsstarke des Fahrzeugs (und damit auf ein schnelleres Reisen), auf Fahrkomfort und Sicherheit, also auf Vorteile, die – wie auch die Verkaufspreise von Neuwagen zeigen – einen wirtschaftlichen Wert darstellen (OLG Frankfurt/M. VersR 1984, 667 = NJW 84, 1902 (1903) LG Bonn VersR 1972, 382 (383) LG Mannheim VersR 1976, 1187).

bb)
Darüber hinaus widerspricht die gegenteilige Auffassung aber auch den allgemeinen Grundsätzen der Vorteilsausgleichung im Schadensrecht. Die Anrechnung des Vorteils muss dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf den Schädiger nicht unbillig entlasten (BGHZ 8, 325 (328 f.) = VersR 53, 148; 30, 29 (31) = VersR 59, 399; 91, 206 (210) Palandt/Heinrichs, BGB, vor § 249 Anm. 7 A b). Im Rahmen der hierbei gebotenen wertenden Betrachtung (Palandt/Heinrichs, aaO, Anm. 7 A d), die die Vor- und Nachteile des Schadensereignisses gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbindet, lässt es sich nicht rechtfertigen, wenn dem Schädiger Maßnahmen des Geschädigten, zu denen dieser im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB schon nicht verpflichtet ist, nunmehr zugute kommen sollen.

e)
Die Klägerin kann im Umfang der zeitlichen Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für zwei sowie 10 Tage Ersatz von Mietwagenkosten verlangen. Zwar hat die Beklagte die tatsächliche Reparaturdauer zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten; aufgrund des […] vorgelegten Reparaturablaufplanes ist das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Reparatur tatsächlich vom 26.08.2020 bis zum 07.09.2020 angedauert hatte.

Dass die tatsächliche Reparaturdauer die im Sachverständigengutachten prognostizierte deutlich übersteigt, ist hingegen unerheblich. Die Klägerin hatte hierauf keinen erkennbaren Einfluss. Vielmehr muss die Beklagte im Rahmen des sog. Werkstattrisikos ggf. auch die Kosten einer unwirtschaftlichen Reparatur voll tragen. Es ist insoweit auch nicht Sache der Klägerin die tatsächliche Reparaturdauer näher zu begründen. Unabhängig davon, wurde die Klägerin aber auch erst mit E-Mail vom 07.09.2020 […] über den endgültigen Reparaturabschluss in Kenntnis gesetzt, so dass für sie ohnehin kein Anlass für eine frühere Abholung bestanden hätte.

Soweit zwischen dem Schadenstag und dem Reparaturbeginn 6 Tage liegen, ist dies schließlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn einerseits war zunächst eine sachverständige Begutachtung erforderlich, welche unverzüglich am 20.08.2020 noch am Schadenstag erfolgt war, und andererseits war der Klägerin ab Vorlage des Gutachtens am 24.08.2020 noch eine gewisse Bedenk- und Überlegungsfrist zuzugestehen, insbesondere ob eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung vorgenommen werden sollte.

f)
Der Klägerin hat nach dem Vorgesagten daher im Ergebnis jedenfalls Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten wie folgt (Erhebung 2020, Fahrzeugklasse 5, PLZ-Gebiet 02, 2 und 10 Tage):

1. Anmietung
2 mal Pauschale 1 Tag 158,22 EUR
(79,11 EUR je Tag)

2. Anmietung
1 mal Pauschale 7 Tage 228,01 EUR
1 mal Pauschale 3 Tage 130,23 EUR

Zwischensumme 516,46 EUR
Pauschale Erhöhung 30% 154,94 EUR
Gesamtbetrag (brutto) 671.40 EUR

e)
Nach Abzug der bereits erfolgten Zahlung in Höhe von 467,97 EUR verbleibt damit ein Restbetrag in Höhe von 203,43 EUR. Ein weitergehender Anspruch besteht hingegen nicht.

2.
Die Klägerin kann darüber hinaus auch eine Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum vom 22.08.2020 bis zum 27.08.2020 und damit für insgesamt 6 Tage verlangen. Bei einer angemessenen Entschädigung von 59,00 EUR je Tag gemäß des eingeholten Sachverständigengutachtens ergibt sich hieraus ein Anspruch in Höhe von 354,00 EUR. Hierauf hat die Beklagte bereits 177,00 EUR gezahlt, so dass ein weiterer Anspruch in Höhe von 177.00 EUR, wie geltend gemacht, besteht.

3.
Der Anspruch auf die Zinsen folgt aus §§ 286 Abs. 1,288 BGB aufgrund des Schreibens vom 24.09.2020 mit Fristsetzung zum 01.10.2020, spätestens ab dem 10.10.2020.

III.

1.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1,269 Abs. 3 Satz 3 ZPO. Im Umfang der Teilklagerücknahme waren der Beklagten nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO – aus Billigkeitsgründen – ebenfalls die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Insbesondere hatte sie auch die zunächst geltend gemachten Reparaturkosten in voller Höhe zu tragen. Einwände wurden insofern von ihr auch nicht geltend gemacht und auch sonst sind keine Gründe ersichtlich, warum die Reparaturkosten nicht in voller Höhe zu erstatten gewesen wäre. Insbesondere war auch die 130%-Grenze gewahrt und das Fahrzeug wurde unstreitig tatsächlich repariert.

2.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11,711, 713 ZPO.

3.
Der Streitwert war entsprechend der mit dem Antrag Zif. 1 jeweils verfolgten Hauptklageforderung unter Berücksichtigung der Teilklagerücknahme festzusetzen.“

AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21

Erstattungsfähigkeit von Reparaturkosten im Rahmen der 130%-Grenze bei Verwendung von Gebrauchtteilen

Durch das Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 7.2.2019 – 20 C 545/18) wurde entschieden, dass ein Geschädigter im Rahmen der Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall im Rahmen der 130%-Grenze unter Verwendung von Gebrauchtteilen nach einer durchgeführten Reparatur die Erstattung der hierfür tatsächlich angefallen Reparaturkosten fordern kann. Zudem kann ein Geschädigter die Erstattung der Mietwagenkosten für einen längeren Zeitraum bis zur erfolgten Reparatur des Fahrzeugs nach einer Zahlung der Reparaturkosten durch den Schädiger verlangen, wenn der Geschädigte aufgrund seiner wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse nicht selbst für diese Kosten aufkommen kann und kein Darlehen erhält.

Im Übrigen sind die Streitwerte für die Festsetzung des Streitwerts für die anwaltlichen Gebühren nach einer Erledigung und anschließenden Klageerweiterung zu addieren.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

A[…] Versicherung AG, […]
v.d.d. Vorstand

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte […]

wegen Schadensersatz aufgrund Verkehrsunfall

hat das Amtsgericht Bautzen durch Richterin […]
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 09.01.2019 am 07.02.2019

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.263,87 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 10.10.2018 zu bezahlen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.244,83 EUR festgesetzt.
Der Streitwert für die anwaltliche Terminsgebühr beträgt 2.263,87 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, für welchen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners der Klägerin unstreitig zu 100 % einzustehen hat. Die Klägerin begehrte ursprünglich mit ihrer Klage 2.100,00 €, welche sich aus dem Wiederbeschaffungswert ihres Kfz abzüglich des gutachtlich festgestellten Restwertes zusammensetzte. Darüber hinaus begehrte sie Gutachterkosten in Höhe von 536,15 €, Abschleppkosten in Höhe von 319,81 € sowie eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 €. Die Klage ging am 17.08.2018 beim Gericht ein. Die Beklagte zahlte vor Zustellung der Klage an die Klägerin, so dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klage bis auf die auch geltend gemachten Zinsen zurücknahm. Die Klägerin ließ anschließend das Fahrzeug unter Verwendung von Gebrauchtteilen reparieren und wendete einen Betrag in Höhe von 2.972,87 € hierfür auf. Darüber hinaus mietete sie für den Zeitraum des Nutzungsausfalls ihres Kfz einen Ersatzwagen an, wofür ihr Kosten in Höhe von 1.666,00 € in Rechnung gestellt wurden. Die Klägerin erweiterte daraufhin die rechtshängige Klage. Nach einem weiteren Zahlungseingang seitens der Beklagten erklärten die Parteien den Rechtsstreit in Höhe der geltend gemachten Zinsen übereinstimmend für erledigt.

Die Klägerin begehrt weiteren Schadensersatz in Höhe von 2.263,87 €. Sie habe das Fahrzeug ordnungsgemäß mit Gebrauchtteilen reparieren lassen, wofür sie über den von der Beklagten bereits erstatteten Betrag weitere 597,87 € aufgewendet habe. Sie sei wirtschaftlich und finanziell auch nicht in der Lage gewesen, die Reparaturkosten vorzustrecken und habe entsprechende Hinweise an die Beklagte erteilt. Darüber hinaus sei sie zwingend auf ein Fahrzeug angewiesen gewesen, so dass sie für die Dauer der Reparatur einen Ersatzwagen anmieten haben müssen. Hierfür seien ihr 1.666,00 € in Rechnung gestellt worden.

Sie beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.263,87 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie ist der Auffassung, der Klägerin stünde kein weiterer Schadensersatz über den bereits erstatteten Betrag zu. Die Reparaturkosten würden den Wiederbeschaffungsaufwand überschreiten, welcher durch die Beklagte ausgeglichen worden sei. Sie bestreite, dass die erfolgte Reparatur sach- und fachgerecht durchgeführt wurde. Darüber hinaus stünden der Klägerin Mietwagenkosten nur für einen vom Gutachten ausgewiesenen Zeitraum der Wiederbeschaffung zu, und das Gutachten ginge lediglich von 14 Tage aus. Von Beginn an sei die Wirtschaftlichkeit der Reparatur zweifelhaft gewesen, so dass sich die Klägerin für den Nutzungsausfall an die im Gutachten ausgewiesene Wiederbeschaffungsdauer halten müsse.

Hinsichtlich des weiteren Vorbingens der Parteien wird auf den Inhalt der gegenseitig gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Das Amtsgericht ist trotz der Festsetzung des Gebührenstreitwerts oberhalb von 5.000,00 € sachlich für den Rechtsstreit zuständig. Die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts richtet sich nach § 5 Halbsatz 1 ZPO. Nach dieser Vorschrift werden mehrere in der Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Ansprüche nebeneinander, also gleichzeitig verfolgt werden (vgl. Zöller, Herget, ZPO 32. Auflage, § 5 Seite 3Rdnr. 3 m. w. N.). Im vorliegenden Fall wurden die Ansprüche jedoch nacheinander geltend gemacht, denn die ursprüngliche, auf eine Hauptforderung von 2.980,00 € nebst Zinsen bezifferte Klage war bis auf die nur wenige Euro betragenden Zinsen bereits zurückgenommen, als die Klägerin die nun zunächst auf diese Zinsen beschränkte Klage um 2.263,87 € nebst Zinsen hieraus erweitert hat.

II.

Die Klage ist auch begründet, denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz aus den §§ 7, 1 StVG, 823 Abs. 1, 249 BGB in Verbindung mit § 115 Abs. 1 VVG zu. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien nicht streitig.

1. Die Klägerin kann die weiter angefallenen Reparaturkosten in Höhe von 597,87 € von der Beklagten erstattet verlangen. Dabei ist unschädlich, dass die aufgewendeten Reparaturkosten über dem mit dem Gutachten festgestellten Wiederbeschaffungsaufwand des Fahrzeugs liegen. Mit den schadensrechtlichen Grundsätzen ist es vereinbar, dass einem Geschädigten, der sich zu einer Reparatur entschließt und diese nachweislich auch durchführt, Kosten der Instandsetzung zuerkannt werden, die den Wiederbeschaffungswert bis zu 30 % übersteigen (BGH vom 15.02.2005, Aktenzeichen VI ZR 70/04). Dies ist hier der Fall. Der mit dem Gutachten festgelegte Wiederbeschaffungswert beträgt 2.300,00 €. Damit liegt die 130 % Grenze für eine Reparatur bei 2.990,00 €, welcher durch die tatsächlichen Reparaturkosten entsprechend der klägerisch vorgelegten Rechnung vom 24.08.2018 in Höhe von 2.972,87 € brutto übersteigt Dabei ist im vorliegenden Fall auch unerheblich, dass die Reparaturkosten nur durch die Verwendung von Gebrauchtteilen unterhalb der 130 % Grenze bleiben. Grundsätzlich können bei einer Reparatur Gebrauchtteile Verwendung finden, wenn eine sach- und fachgerechte Reparatur entsprechend dem im Gutachten durchgeführten Reparaturmaßnahmen vorgenommen wird. Dem steht auch die Entscheidung des BGH vom 14.12.2010, Aktenzeichen VI ZR 231/09 nicht entgegen. Im dort entschiedenen Fall begehrte der Kläger über tatsächlich angefallene Reparaturkosten hinaus eine fiktive Erstattung von Reparaturkosten bis zur 130 % Grenze, weil es ihm gelungen war, die Reparaturkosten unterhalb dem vom Sachverständigen geschätzten Aufwand zu halten. Die Kosten lagen dort aber auch unterhalb des Wiederbeschaffungswertes. so dass der Kläger letztlich fiktiv oberhalb des Wiederbeschaffungswertes abrechnete. Dem hat der BGH eine Absage erteilt. Im hier zugrundeliegenden Sachverhalt werden aber Reparaturkosten oberhalb des Wiederbeschaffungswertes verlangt, weiche tatsächlich auch angefallen sind. Der BGH hat diesbezüglich in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungswert liegen, bis zur sogenannten 130 % Grenze verlangt werden können, wenn sie tatsächlich angefallen sind und die Reparatur fachgerecht und zumindest wertmäßig in einem Umfang durchgeführt wird, den der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat. Die Beklagte hat lediglich einfach bestritten, dass die Reparatur vollständig und fachgerecht durchgeführt wurde. Dies ist nicht ausreichend. Die Klägerseite hatte die Reparaturrechnung vorgelegt, so dass es Angelegenheit der Beklagten gewesen wäre, konkret zu bestreiten, welche durchgeführten Arbeiten nicht denen des Sachverständigengutachtens entsprechen. Hierzu hat sie trotz erteilten Hinweises des Gerichts nicht weiter vorgetragen.

2. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf die angefallenen Kosten für die Inanspruchnahme eines Ersatzwagens. Nach ständiger Rechtsprechung gehören Mietwagenkosten zum ersatzfähigen Schaden im Sinne des § 249 BGB. Die Angemessenheit der Kosten der Höhe nach ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Klägerin kann Erstattung der Mietwagenkosten auch für den gesamten Zeitraum verlangen. Die Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin, dass sie mehrfach darauf hingewiesen habe, zur Vorfinanzierung einer Wiederbeschaffung oder Reparatur wirtschaftlich nicht in der Lage zu sein, nicht entgegengetreten. Eine erste Zahlung der Beklagten erfolgte trotz unstreitiger Haftung zu 100 % erst nach Ablauf der Mietzeit für den Ersatzwagen. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin zur Reparatur berechtigt war. Darüber hinaus erfolgte kein Vortrag der Beklagten dahingehend, dass die Dauer der Reparatur der Klägerin anzulasten wäre. Im Ergebnis ist daher nicht ersichtlich, wie die Klägerin auf die Dauer der Reparatur hätte weiter Einfluss nehmen können, um ihrer Schadensminderungspflicht hier gerecht zu werden. Die Beklagte hat daher die vollständigen Kosten für die Inanspruchnahme eines Ersatzwagens zu tragen.

III.

Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ergibt sich aus den §§ 288, 291 BGB.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 91a, 269 Abs. 3 ZPO. Hinsichtlich des erledigenden Teils liegt die Kostentragungspflicht bei der Beklagten, da die Klage bei Erhebung zulässig und begründet war. Letztlich hat die Beklagte den geltend gemachten Zinsanspruch auch ausgeglichen. Für den zurückgenommenen Teil der Klage richtet sich die Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO und die Kosten sind ebenfalls der Beklagten aufzuerlegen. Sie hat durch Nichtzahlung des geschuldeten Schadensersatzes Anlass zur Klageerhebung gegeben. Die Zahlung erfolgte nach Anhängigkeit, aber vor Rechtshängigkeit der Klage, so dass die Klägerin gezwungen war, die Klage zurückzunehmen. Gemäß § 269 Abs. 3 ZPO können die Kosten in einem solchen Fall der Beklagten auferlegt werden.

V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

VI.

Der Gebührenstreitwert war nach den §§ 39, 63 Abs. 1 GKG auf 5.244,38 € festzusetzen.

Streitwerte bei teilweiser Klagerücknahme und anschließender Erweiterung sind zu addieren (AG Siegburg, Beschluss vom 29.03.2010, Aktenzeichen 118 C 192/09). Hiervon ausgenommen ist aber die anwaltliche Terminsgebühr, da über den zurückgenommenen Klagegegenstand nicht verhandelt wurde. Der Streitwert für die anwaltliche Terminsgebühr war daher gesondert auf 2.263,87 € festzusetzen. Die erfolgte Erledigungserklärung ist für den Streitwert unbeachtlich (vgl. BGH NJW-RR 95, Seite 1089).“

AG Bautzen, Urteil vom 7.2.2019 – 20 C 545/18

Verurteilung eines Bestellers in einem Vergütungsprozess zur Zahlung der Vergütung Zug-um-Zug gegen Beseitigung bestehender Mängel und die daraus folgende Kostenentscheidung

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 10.8.2011 – 20 C 321/10) führt ein wirksames Zurückbehaltungsrecht eines Bestellers aufgrund einer mangelhaft durchgeführten Reparatur in einem Prozess auf Zahlung der Vergütung nicht zur Klageabweisung, sondern zur Verurteilung des Bestellers zur Zahlung der Vergütung Zug-um-Zug gegen Beseitigung der bestehenden Mängel.  Soweit der Besteller als Beklagter anstelle der vorgenannten Zug-um-Zug Verurteilung eine Klageabweisung beantragt, trägt er anteilig die Kosten des Verfahrens.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Zahlung einer Vergütung für eine Fahrzeugreparatur. Der Beklagte beauftragte den Kläger, verschiedene Reparaturen an seinem Pkw […] vorzunehmen. Nachdem der Kläger die Reparaturen vorgenommen hat, berechnete er dem Beklagten hierfür einen Betrag von 814,34 €. Einen Betrag i.H.v. 100,00 € zahlte der Beklagte; den Rest zahlte er nicht.

[…]

Dem Beklagten steht jedoch teilweise ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 III BGB zur Seite, weil der Kläger die Reparatur nicht mangelfrei ausgeführt hat. Das Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängel nach § 641 III BGB führt allerdings – im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Beklagten – nicht zur Klageabweisung. Vielmehr führt es im Vergütungsprozess zur Verurteilung zur Zahlung Zug-um-Zug gegen Behebung der bestimmt zu bezeichnenden Mängel (Palandt-Sprau, § 641 Anm. 17 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies hat zwar den Nachteil, dass die Prüfung der Frage, ob die Mängel ordnungsgemäß beseitigt wurden, in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert wird, was unpraktikabel ist. Dieser Nachteil ist allerdings hinzunehmen, weil nach dem Gesetz der Vergütungsanspruch auch bei einem mangelhaften Werk fällig werden kann und damit die Vorleistungspflicht des Unternehmers zur Herstellung des Werks endet.

[…]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte insoweit unterlegen ist, als er Klageabweisung (statt Verurteilung Zug-um-Zug gegen Mängelbeseitigung) beantragt hat und nicht alle von ihm behaupteten Mängel beweisen konnte.“

AG Bautzen, Urteil vom 10.8.2011 – 20 C 321/10