Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21) hat der Schädiger die Kosten infolge der tatsächlichen Reparaturdauer unabhängig von der vorangegangenen Schätzung des Schadengutachters zu erstatten. Bei der Anmietung eines Mietwagens sind keine ersparten Eigenaufwendungen in Abzug zu bringen, wenn ein klassenniedrigeres Fahrzeug angemietet wurde. Die Angemessenheit der Mietwagenkosten orientiert sich an den Mietwagenkosten entsprechend des „Marktspiegels Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 30%.
Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19
Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19
Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17
Aus den Entscheidungsgründen:
„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
[…]
– Klägerin –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]
gegen
[…]versicherung[…]
vertreten durch d. Vorstand
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
[…]
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Bautzen durch
Richter […]
im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 08.06.2021 eingereicht werden konnten, am 18.06.2021
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a) an die Klägerin 177,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 10.10.2020 zu zahlen.
b) die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von restlichen Reparaturkostenforderungen in Höhe von 203,43 EUR […] freizustellen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird bis zum 03.02.2021 auf 2.024,56 EUR und ab dem 04.02.2021 auf 648,22 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restlichen Nutzungsausfall sowie Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall am 20.08.2020 in […] Wilthen. Die Klägerin war Eigentümer des beim Verkehrsunfall beschädigten Pkw Typ Mitsubishi ASX. Unfallbeteiligt war zudem ein bei der Beklagten haftpflichtversicherter Pkw Skoda Fabia.
Eine vollständige Haftung der Beklagten aus dem Verkehrsunfallereignis dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Das verunfallte Fahrzeug der Klägerin war in die Mietwagenklasse 7 gemäß Schwacke einzuordnen. Die Klägerin hat bei der Autohaus Kiethe OHG für den Zeitraum vom 20.08.2020 bis 21.08.2020 sowie vom 28.08.2020 bis zum 07.09.2020 einen Mietwagen der Klasse 5 als Ersatzfahrzeug angemietet.
Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten letztlich folgende Schadenspositionen geltend:
Fahrzeugschaden 10.400,78 EUR
Unkostenpauschale 25,00 EUR
Sachverständigengutachten 1.021,03 EUR
Nutzungsausfallentschädigung 354,00 EUR
Mietwagenkosten 939,18 EUR
Summe 12.739,99 EUR
Die Beklagte regulierte die Positionen Unkostenpauschale und Sachverständigengutachten zunächst voll. Auf den Fahrzeugschaden zahlte sie 9.024,43 EUR, auf die Nutzungsentschädigung 177,00 EUR und 467,97 EUR auf die Mietwagenkosten.
Unter anderem [mit] anwaltlichen Schreiben vom 24.09.2020 forderte die Klägerin die Erstattung der vorgenannten Schadenspositionen bis spätestens zum 01.10.2020.
Die Klägerin behauptet, dass ihr Fahrzeug vom 26.08.2020 bis zum 07.09.2020 repariert worden sei, wie im […] vorgelegten Reparaturablaufplan ersichtlich. Die geltend gemachten Mietwagenkosten seien zudem in voller Höhe erforderlich und angemessen.
Die Klägerin hat zunächst beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
a) an die Klägerin 177,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 10.10.2020 zu zahlen.
b) die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von restlichen Reparaturkostenforderungen in Höhe von 1.376,35 EUR […] freizustellen.
c) die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von restlichen Reparaturkostenforderungen in Höhe von 471,21 EUR […] freizustellen.
Mit Schriftsatz vom 04.02.2021 hat die Klägerin aufgrund einer Teilzahlung der Beklagten auf die Reparaturkosten in Höhe von 1.376,35 EUR für den Fall der Rechtshängigkeit in Höhe dieses Betrages für erledigt erklärt und für den Fall der bloßen Anhängigkeit die Teilklagerücknahme in entsprechender Höhe erklärt.
Die Beklagte beantragt:
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die Richtigkeit des vorgelegten Reparaturablaufplanes mit Nichtwissen. Auch ist sie der Auffassung, dass auch bei der Anmietung eines klassentieferen Fahrzeuges ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen vorzunehmen sei.
Die Entscheidung erfolgt mit Zustimmung beider Parteien im schriftlichen Verfahren.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze Protokolle und andere Unterlagen in der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
I.
Die Erklärung der Klägerin im Schriftsatz vom 04.02.2021 war zunächst als Teilklagerücknahme auszulegen. Es handelt sich um eine zulässige innerprozessuale Bedingung der ansonsten bedingungsfeindlichen Klagerücknahme. Im Übrigen wurde die Klage der Beklagten erst am 11.02.2021 zugestellt, so dass die Zahlung zwischen An- und Rechtshängigkeit erfolgte.
II.
Der Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 203,43 EUR sowie einer weiteren Nutzungsaufallentschädigung in begehrter Höhe gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1,249, 286, 288 BGB i.V.m. § 115 VVG. Dem liegt eine zwischen den Parteien unstreitige Haftungsquote von 100% zum Nachteil der Beklagten zu Grunde. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
1.
Die Klägerin hat zunächst unstreitig dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten. Streitig ist jedoch die Dauer sowie die Höhe des nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzenden, erforderlichen Herstellungsaufwandes.
a)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer gemäß § 249 Abs, 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf, wobei er nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten ist, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen.
Der Maßstab für die wirtschaftliche Erforderlichkeit des gewählten Mietwagens bildet der am Markt übliche Normaltarif. Dieser Normaltarif kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage des Mittelwertes der sog. Schwacke-Liste (Schwacke-Liste Automietpreisspiegel der Schwacke GmbH) oder der Fraunhofer-Liste („Marktspiegel Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO) bedienen, aber auch das arithmetische Mittel aus beiden Tabellen („Fracke“) wählen, ohne die jeweilige Wahl gesondert begründen zu müssen. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, aber auch nur dann, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. Vl ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; vgl. auch OLG Schleswig, Urt. v. 28.11.2019, Az. 7 U 39/19, zitiert nach juris Rn. 27 f.).
Solche, eine Abweichung beziehungsweise Anpassung rechtfertigende Umstände können dabei insbesondere eine besondere Eil- oder Notlage, das Nichtvorhandensein einer Kreditkarte des Geschädigten, das Unterlassen der Anmietung mit Hilfe des Internets und der Umstand sein, dass der Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts eine Vorlaufzeit von einer Woche berücksichtigt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.03.2019, Az. 1 U 74/18, zitiert nach juris Rn. 28; demgegenüber weist das Fraunhofer Institut auf S. 3 des Mietpreisspiegels 2017 allerdings darauf hin, dass die Preisabhängigkeit vom Anmietzeitpunkt nur sehr gering sei). In diesem Fall kommt eine angemessene Erhöhung der ermittelten Beträge in Betracht (BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; Palandt, BGB, § 249 Rn. 33; OLG Düsseldorf, Urt. V. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14, zitiert nach juris Rn. 38).
b)
Das Amtsgericht Bautzen legt – im Einklang mit der 2. (Berufungs)Kammer des Landgerichts Görlitz (vgl. Leitentscheidung mit Urteil vom 27.03.2020, Az. 2 S 38/19) – jedenfalls für den hiesigen, regionalen Markt, nunmehr ausschließlich den Marktpreisspiegel des Fraunhofer Instituts als vorzugswürdige Schätzgrundlage zu Grunde.
aa)
Hintergrund dieser Einschätzung ist insbesondere der Umstand, dass die Preise der Fraunhofer Liste aufgrund einer anonymisierten Anfrage und nicht – wie bei der Schwacke-Liste – auf Grund offener Nachfrage ermittelt werden. Die Erhebungsmethode des Fraunhofer Instituts kommt daher bereits im Ansatz der Erhebungsmethode von Marktpreisen durch einen normalen Marktteilnehmer am Nächsten.
bb)
Im Rahmen der Schätzung ist zudem gerade auch zu berücksichtigen, dass den Geschädigten aus §§ 249, 254 BGB eine Schadensminderungspflicht trifft.
Der Geschädigte ist nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit (§ 249 Abs. 2 BGB) hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH, NJW 2013, 1870; LG Braunschweig, Urt. v. 30.12.2015 – 7 S 328/14).
Im Fall der Anmietung eines Unfallersatzwagens liegt es jedoch gerade nahe, dass der Geschädigte und der Vermieter eines Kraftfahrzeuges bei Abschluss des Mietvertrages um die grundsätzliche Einstandspflicht des Unfallgegners und seiner Haftpflichtversicherung als solvente Schuldnerin wissen. Dieser Umstand ist als solcher ist bereits geeignet, den Mieter – anders als den durchschnittlichen Selbstzahler – unkritisch einen ihm im Entwurf vom Vermieter vorgelegten Vertrag, der eine deutlich überdurchschnittliche oder sogar klar überhöhte Miete vorsieht, zu unterzeichnen. Insoweit ist dem Gericht auch kein Fall bekannt, in denen ein Autovermieter einen Mieter verklagt, der meint, einen Anspruch gegen eine Haftpflichtversicherung zu haben (LG Görlitz aaO).
Den Anforderungen an die Schadensminderungspflicht wird die Erhebung des Fraunhofer Instituts aufgrund der anonymen anstatt offenen Erhebung eher gerecht.
cc)
Soweit demgegenüber einige Gerichte die Bemessung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebung favorisieren (sog. „Fracke-Lösung“, vgl. etwa OLG Dresden, Urt. v. 28.03.2019, Az. 7 U 1319/18; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.03.2019, Az. 1 U 74/18; LG Würzburg, Urt. 21.08.2019, Az. 42 S 905/19), handelt es sich hierbei letztlich um eine Kompromisslösung. Eine solche kann jedoch nach Auffassung des erkennenden Gerichts letztlich nicht Grundlage einer hoheitlichen Entscheidung sein, weil, wenn sich das erkennende Gericht mangels Überzeugung von der Richtigkeit einer der beiden Tabellen, für keine von beiden entscheiden kann, es dogmatisch ebenfalls nicht vertretbar erscheint, von beiden für sich genommen nicht überzeugend erscheinend Erhebungen schlicht den Mittelwert zu bilden (LG Görlitz aaO; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14 im Hinblick auf die mangelnde Praktikabilität dieses Ansatzes).
dd)
Falls erforderlich können im Übrigen nach dem Vorgesagten besondere Umstände des Einzelfall jedenfalls im Zuge einer angemessenen Erhöhung der in der Fraunhofer Erhebung ermittelten Werten vorgenommen werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14; Palandt, BGB, § 249 Rn. 33).
c)
Zu den nach der Fraunhofer Liste ermittelten Werten ist jedoch in Einklang mit der neuesten Rechtsprechung des Landgerichts Görlitz (aaO), welcher sich das erkennende Gericht anschließt, ein Aufschlag von 30% zwecks Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung sowie zur Berücksichtigung der mit einer Unfallsituation als solcher verbundenen Besonderheiten vorzunehmen.
Daneben erfolgt die pauschale Erhöhung auch vor dem Hintergrund der Berechtigung des Geschädigten, eine zusätzliche Reduktion seiner Selbstbeteiligung für die Voll- und Teilkaskoversicherung zu vereinbaren.
Die Fraunhofer – Listenpreise enthalten nämlich nur eine Haftungsreduzierung im Bereich von 750,00 EUR bis 950,00 EUR. Die Kosten für die Kaskoversicherung sind indes bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs grundsätzlich erstattungsfähig, denn es besteht ein schutzwürdiges Interesse des Geschädigten für die Kosten einer eventuellen Beschädigung nicht in voller Höhe selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind, als das eigene in Reparatur befindliche Fahrzeug. Da es sich mit dem gemieteten Fahrzeug um ein unbekanntes Fahrzeug handelt, besteht ein höheres Unfallrisiko, außerdem sind auch Bagatellschäden mir gegebenenfalls hohem Kostenaufwand zu reparieren, da es sich nicht um das eigene Fahrzeug handelt und deshalb nicht auf eine Reparatur verzichtet werden kann (vgl. auch LG Braunschweig, Urt. v. 30.12.2015 – 7 S 328/14 m.w.N.).
Vor dem Hintergrund der abstrakten Schätzung der erforderlichen Kosten gilt die hierdurch berechtigte, bereits in der Pauschale von 30% berücksichtigte Erhöhung der Listenpreise dabei unabhängig davon, wie hoch sich die Eigenbeteiligung im konkreten Fall bemisst (LG Görlitz aaO).
Darüber hinaus sind für das Gericht im vorliegenden Fall keine erheblichen, weiteren Umstände ersichtlich, die eine weitere Erhöhung der Pauschale rechtfertigen würden.
d)
Die so zu ermittelnden Mietwagenkosten sind entgegen der Auffassung der Beklagte nicht in jedem Fall um ersparte Eigenaufwendungen zu reduzieren. Ein solches Vorgehen berücksichtigt einerseits nicht den auf Seiten des Geschädigten entgangenen Gebrauchsvorteil und würde andererseits den Schädiger durch einen übermäßigen Vorteilsausgleich unbillig entlasten.
aa)
Die Klägerin hat vorliegend ein sogar um zwei Klassen niedrigeres Fahrzeug angemietet. Sie wäre aber berechtigt gewesen, einen ihrem beschädigten Wagen typenmäßig gleichen oder entsprechenden Wagen anzumieten (BGH VersR 1970, 547 = NJW 70, 1120). Zwar hat die Klägerin tatsächlich durch den Nichtgebrauch ihres Wagens während der Mietzeit leistungsbezogene Betriebskosten wie Motorölverbrauch, Reifenverschleiß, anteilige Reparaturkosten und anteilige Inspektionsaufwendungen sowie eine durch den Verschleiß bedingte Wertminderung eingespart. Diese Ersparnisse werden jedoch in vollem Umfang durch die entgangenen Gebrauchsvorteile eines größeren Wagens wieder ausgeglichen.
Der Geschädigte ist gemäß § 249 BGB wirtschaftlich wirtschaftlich zu stellen, wie er ohne die Beschädigung seines Fahrzeugs gestanden hätte. Wenn er danach nicht ausnahmsweise gemäß § 254 Abs. 2 BGB, wie hier nicht, verpflichtet ist, zum Zweck der Schadensminderung einen leistungsschwächeren Kraftwagen zu mieten, so stellt das Anmieten eines kleineren und billigeren Fahrzeugs regelmäßig eine wirtschaftlich messbare Einbuße dar. Denn der Geschädigte verzichtet – ohne dazu verpflichtet zu sein – bei Anmietung eines kleineren Fahrzeugs nicht nur auf Repräsentationsgründe und Bequemlichkeit, sondern vor allem auf Leistungsstarke des Fahrzeugs (und damit auf ein schnelleres Reisen), auf Fahrkomfort und Sicherheit, also auf Vorteile, die – wie auch die Verkaufspreise von Neuwagen zeigen – einen wirtschaftlichen Wert darstellen (OLG Frankfurt/M. VersR 1984, 667 = NJW 84, 1902 (1903) LG Bonn VersR 1972, 382 (383) LG Mannheim VersR 1976, 1187).
bb)
Darüber hinaus widerspricht die gegenteilige Auffassung aber auch den allgemeinen Grundsätzen der Vorteilsausgleichung im Schadensrecht. Die Anrechnung des Vorteils muss dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf den Schädiger nicht unbillig entlasten (BGHZ 8, 325 (328 f.) = VersR 53, 148; 30, 29 (31) = VersR 59, 399; 91, 206 (210) Palandt/Heinrichs, BGB, vor § 249 Anm. 7 A b). Im Rahmen der hierbei gebotenen wertenden Betrachtung (Palandt/Heinrichs, aaO, Anm. 7 A d), die die Vor- und Nachteile des Schadensereignisses gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbindet, lässt es sich nicht rechtfertigen, wenn dem Schädiger Maßnahmen des Geschädigten, zu denen dieser im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB schon nicht verpflichtet ist, nunmehr zugute kommen sollen.
e)
Die Klägerin kann im Umfang der zeitlichen Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für zwei sowie 10 Tage Ersatz von Mietwagenkosten verlangen. Zwar hat die Beklagte die tatsächliche Reparaturdauer zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten; aufgrund des […] vorgelegten Reparaturablaufplanes ist das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Reparatur tatsächlich vom 26.08.2020 bis zum 07.09.2020 angedauert hatte.
Dass die tatsächliche Reparaturdauer die im Sachverständigengutachten prognostizierte deutlich übersteigt, ist hingegen unerheblich. Die Klägerin hatte hierauf keinen erkennbaren Einfluss. Vielmehr muss die Beklagte im Rahmen des sog. Werkstattrisikos ggf. auch die Kosten einer unwirtschaftlichen Reparatur voll tragen. Es ist insoweit auch nicht Sache der Klägerin die tatsächliche Reparaturdauer näher zu begründen. Unabhängig davon, wurde die Klägerin aber auch erst mit E-Mail vom 07.09.2020 […] über den endgültigen Reparaturabschluss in Kenntnis gesetzt, so dass für sie ohnehin kein Anlass für eine frühere Abholung bestanden hätte.
Soweit zwischen dem Schadenstag und dem Reparaturbeginn 6 Tage liegen, ist dies schließlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn einerseits war zunächst eine sachverständige Begutachtung erforderlich, welche unverzüglich am 20.08.2020 noch am Schadenstag erfolgt war, und andererseits war der Klägerin ab Vorlage des Gutachtens am 24.08.2020 noch eine gewisse Bedenk- und Überlegungsfrist zuzugestehen, insbesondere ob eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung vorgenommen werden sollte.
f)
Der Klägerin hat nach dem Vorgesagten daher im Ergebnis jedenfalls Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten wie folgt (Erhebung 2020, Fahrzeugklasse 5, PLZ-Gebiet 02, 2 und 10 Tage):
1. Anmietung
2 mal Pauschale 1 Tag 158,22 EUR
(79,11 EUR je Tag)
2. Anmietung
1 mal Pauschale 7 Tage 228,01 EUR
1 mal Pauschale 3 Tage 130,23 EUR
Zwischensumme 516,46 EUR
Pauschale Erhöhung 30% 154,94 EUR
Gesamtbetrag (brutto) 671.40 EUR
e)
Nach Abzug der bereits erfolgten Zahlung in Höhe von 467,97 EUR verbleibt damit ein Restbetrag in Höhe von 203,43 EUR. Ein weitergehender Anspruch besteht hingegen nicht.
2.
Die Klägerin kann darüber hinaus auch eine Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum vom 22.08.2020 bis zum 27.08.2020 und damit für insgesamt 6 Tage verlangen. Bei einer angemessenen Entschädigung von 59,00 EUR je Tag gemäß des eingeholten Sachverständigengutachtens ergibt sich hieraus ein Anspruch in Höhe von 354,00 EUR. Hierauf hat die Beklagte bereits 177,00 EUR gezahlt, so dass ein weiterer Anspruch in Höhe von 177.00 EUR, wie geltend gemacht, besteht.
3.
Der Anspruch auf die Zinsen folgt aus §§ 286 Abs. 1,288 BGB aufgrund des Schreibens vom 24.09.2020 mit Fristsetzung zum 01.10.2020, spätestens ab dem 10.10.2020.
III.
1.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1,269 Abs. 3 Satz 3 ZPO. Im Umfang der Teilklagerücknahme waren der Beklagten nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO – aus Billigkeitsgründen – ebenfalls die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Insbesondere hatte sie auch die zunächst geltend gemachten Reparaturkosten in voller Höhe zu tragen. Einwände wurden insofern von ihr auch nicht geltend gemacht und auch sonst sind keine Gründe ersichtlich, warum die Reparaturkosten nicht in voller Höhe zu erstatten gewesen wäre. Insbesondere war auch die 130%-Grenze gewahrt und das Fahrzeug wurde unstreitig tatsächlich repariert.
2.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11,711, 713 ZPO.
3.
Der Streitwert war entsprechend der mit dem Antrag Zif. 1 jeweils verfolgten Hauptklageforderung unter Berücksichtigung der Teilklagerücknahme festzusetzen.“
AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21