Zuständigkeit des Arbeitsgerichts bei einer Lohnüberzahlung nach beendetem Arbeitsverhältnis

Nach dem Beschluss des Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Beschluss vom 10.6.2010 – Az. 20 C 511/10) ist das Arbeitsgericht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG auch dann zuständig, wenn eine Lohnüberzahlung erst nach einem beendeten Arbeitsverhältnis erfolgte und der Arbeitgeber diesen Lohn aus ungerechtfertigter Bereichung gemäß § 812 BGB geltend macht.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a), 3 ArbGG ist für den Rechtsstreit die Zustandigkeit des Arbeitsgerichts gegeben. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG sind die Arbeitsgerichte für alle individualrechtlichen Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhaltnis umfassend zuständig. […]

Nach dem Vortrag der Klägerin, die für den Streitgegenstand und damit die Rechtsnatur des Klageanspruchs bestimmend ist, wird eine Lohnüberzahlung für Mai 2009 klageweise geltend gemacht, also ein Anspruch aufgrund eines Arbeitsverhältnisses. Die Anspruchsnatur ändert sich nicht dadurch, daß zum Zeitpunkt der Zahlung das Arbeitsverhältnis nicht mehr bestand; ebensowenig wird die Rechtsnatur des Anspruchs durch die Anspruchsgrundlage ( 812 BGB) verändert, auf die der Kläger seinen Anspruch stützt (vgl. Germelmann u.a., ArbGG, 7. Aufl. § 2 Anm. 53, 55). Ein Klageanspruch wegen Lohnüberzahlung gehört daher vor die Arbeitsgerichte (Germelmann u.a., § 2 ArbGG, Anm. 60).“

AG Bautzen, Beschluss vom 10.6.2010 – 20 C 511/10

Unterlassungsanspruch bei beleidigenden anonymen Telefonanrufen

Durch das Amtsgericht Dresden (AG Dresden, Urteil vom 28.1.2010 – 116 C 2121/10) wurde entschieden, dass ein Anspruch auf Unterlassung von Beleidigungen durch anonyme Telefonanrufe auch dann besteht, wenn der Angerufene selbst den anonymen Anrufer im Verlaufe des Anrufes beleidigt und die Telefonanrufe bereits erhebliche Zeit zurückliegen.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Der Klägerin steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Anspruch aus § 1004 iVm. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, § 185 StGB zu.

Der Beklagte hat sich gegenüber der Klägerin beleidigend geäußert. Dies wird vom Beklagten auch nicht bestritten. Auf den genauen Wortlaut kommt es hierbei auch nicht an. Allerdings steht aufgrund der Angaben des Beklagten vor der Polizei am […] fest, dass er sich im Wesentlichen so geäußert hat, wie dies die Klägerin behauptet. Bei der Vernehmung am […] hat der Beklagte eingeräumt, die in der Strafanzeige aufgeführten Äußerungen getätigt zu haben. Die dort genannten Äußerungen entsprechen denen in der Klageschrift behaupteten.

Die Äußerungen des Beklagten erfüllen auch den Tatbestand einer Beleidigung im Sinne von § 185 StGB. Solche Äußerungen müsste die Klägerin auch dann nicht dulden, wenn sie ihrerseits auf die anonymen Anrufe mit Beleidigungen reagiert hätte.
Aufgrund der wiederholten Anrufe des Beklagten besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Diese hat der Beklagte nicht widerlegt. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Dies hat der Beklagte nicht getan. Allein der Zeitablauf ist nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

Der Klägerin steht aus § 823 Abs. 1 S. 2, 249 ff. BGB, § 185 StGB auch ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten zu. Auszugehen ist hier von einem Gegenstandswert in Höhe von 3.000,00 EUR. Dieser Betrag wird der Bedeutung des geltend gemachten Unterlassungsanspruches hinreichend gerecht, zumal die Anrufe bereits einen gewissen Zeitraum zurück liegen. Eine 1‚3 Geschäftsgebühr aus diesem Gegenstandswert beträgt 245,70 EUR. Zuzüglich 20,00 EUR Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie 19 % Umsatzsteuer ergibt sich der tenorierte Betrag in Höhe von 316,18 EUR. Aufgrund der endgültigen Verweigerung des Beklagten, diese Kosten zu übernehmen, schuldet der Beklagte gemäß § 250 BGB Ersatz in Geld, ohne dass es darauf ankäme, ob die Klägerin ihrerseits bereits Zahlungen an die Klägervertreter geleistet hat.

Der Zinsanspruch beruht auf § 291 BGB.

Einen Anspruch auf Erstattung der im Zusammenhang mit dem Strafverfahren entstandenen Kosten sind nicht erstattungsfähig. Diese Kosten fallen nicht unter den Schutz der privatrechtlichen Haftungsnormen (vgl. Palandt, BGB, 67. Auflage, Vorbemerkung vor § 249 Rn. 91 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.“

AG Dresden, Urteil vom 28.1.2010 – 116 C 2121/10

Nachträgliche Beschränkung der Berufung auf einen Kläger und Anforderungen an die freie Beweiswürdigung

Durch das Landgericht Bautzen (LG Bautzen, Urteil vom 22.1.2010 – 1 S 21/09), wurde entschieden, dass die Einlegung einer Berufung auch erst durch die Berufungsbegründung von anfänglich zwei auf später einen Kläger beschränkt werden kann.

Im Weiteren entschied das Gericht, dass im Sinne der freien Beweiswürdigung für eine richterliche Überzeugung erforderlich ist, dass insbesondere bei mehreren in Frage kommenden Ursachen hinsichtlich der entscheidungserheblichen Haftungsursache die Wahrscheinlichkeit unter Anwendung praktischer Vernunft hinsichtlich der möglichen anderen Ursachen “Schweigen gebietet“.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Die zulässige Berufung wurde nur durch den Kläger zu 2) eingelegt. Aus der Berufungsbegründung ergibt sich, dass die Anfechtung auf das klageabweisende Urteil gegen den Klager zu 2) beschränkt sein soll. Diese Beschränkung konnte zulässig noch in der Berufungsbegründung erfolgen (vgl. § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Zulässig ist auch die in der Berufungsbegründung vorgenommene Klageerweiterung durch den Kläger zu 2), der nunmehr alle Schadenspositionen aus eigenem Recht verfolgt (erstinstanzlich hatte noch der Kläger zu 1) Ansprüche, die der Sache nach nur dem Kläger zu 2) zustehen konnten, geltendgemacht). Zulassig ist die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz gemäß § 533 ZPO, da Grundlage der Ansprüche unverandert der Unfall vom 27.1 .2008 und seine Folgen für den Klager zu 1) ist (vgl. § 533 ZPO).

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Kammer konnte im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht die volle Überzeugung davon gewinnen, dass der Beklagte mit seinem PKW den Unfall verursacht hat. Zwar spricht dafür viel: Ein Fahrzeug, das nach Farbe und Typ dem wenige Zeit später vom Zeugen […] eingeholten PKW des Beklagten entspricht, wurde von den Zeugen als unfallverursachendes Fahrzeug gesehen. Die Beschreibung als “silberfarben“, die die Zeugen vor dem Amtsgericht, wie auch vor der Kammer abgaben, stimmt mit der tatsachlichen Lackierung des Fahrzeuges des Beklagten zwar nicht “haargenau“ überein, enstpricht ihr aber in etwa. Es ist naheliegend, dass Zeugen eines Unfalles insoweit nur eine ungefähre Beschreibung geben können, weil in einer derartigen Situation “Zwischentöne“ nicht genau erfasst werden. Auch der Zeitrahmen, innerhalb dessen der Beklagte durch den Zeugen […] eingeholt wurde, legt es nahe, dass kein weiteres Fahrzeug, auf das die Beschreibung der Zeugen passt, in der Zwischenzeit die Unfallkreuzung passierte. Denn der Beklagte wurde 4 km hinter der Unfallstelle in Richtung Löbau fahrend von dem Zeugen […] eingeholt. Bei einer unterstellten Geschwindigkeit des Beklagten von 80 km/h benötigte der Beklagte hierzu lediglich 3 Minuten – gerechnet von der Unfailstelle aus. Während dieser Zeit spielte sich das von den Zeugen geschilderte Geschehen an der Unfallstelle einschließlich der sich daran anschließenden „Verfolgungsfahrt“ des Zeugen […] ab; die zeitlichen Zusammenhänge “passen“ also zu der Annahme, der Beklagte sei der Unfallverursacher.

Gleichwohl kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein weiteres, dem Fahrzeug des Beklagten nach Typ und Farbe ähnliches Fahrzeug kurze Zeit nach dem Auffahren des Beklagten auf die B 6 dieselbe Stelle passierte und den Unfall verursachte. Dies ist zwar wenig wahrscheinlich, gleichwohl aber nach dem Beweisergebnis nicht ausgeschlossen. Es kommt im Alltag vor – ohne außergewöhnlich zu sein – dass zwei “gängige“ Fahrzeuge gleichen Typs (der A 6 ist nicht selten) und mit gleicher “gängiger“ Farbe – wie hier – kurz hintereinander dieselbe Stelle passieren. Derartiges erlebt man selber als Autofahrer nicht selten. Auf einer wenig befahrenen Nebenstraße ist das sicher weniger wahrschein als in einer Großstadt. Völlig unwahrscheinlich ist dies aber nicht. Der zeitliche Rahmen ist vorliegend aufgrund der bewiesenen Umstände eng, aber nicht so eng bemessen, dass es in zeitlicher Hinsicht ausgeschlossen erscheint, ein zeitlich dem Beklagten nachfolgendes weiteres Fahrezug als unfallverursachend ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Dabei verkennt die Kammer nicht: Wäre dem Beklagten ein seinem Fahrzeug ähnliches Fahrzeug nachgefolgt, dann wäre dieses, dann unfallverursachende, aber auch das vorausfahrende Fahrzeug des Beklagten, von den Zeugen gesehen worden. Ein unmittelbar vor dem unfallverursachenden Fahrzeug fahrendes bauart- und farbgleiches Fahrzeug hätten die Zeugen sicher wahrgenommen. Es kann aber vorliegend zeitlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein nicht unmittelbar dem Beklagten nachfolgendes, aber ein in kurzem Zeitabstand hinter dem Beklagten fahrendes Fahrezug den Unfall verursacht hat. Denn es fehlen ausreichende Anhaltspunkte, um den Zeitrahmen mit der erforderlichen Sicherheit so eng einzugrenzen, dass diese Möglichkeit ausgeschlossen ist. Dazu müsste nachgewiesen sein, mit welcher Geschwindigkeit der Zeuge […] seine Verfolgung durchführte und es müssten gesicherte zeitliche Angaben dazu bestehen, wie lange die Zeit vom Unfall bis zur Aufnahme der Verfolgung dauerte. Nur dann könnten sichere Aussagen dazu getroffen werden, ob die Unfallverursachung durch ein nachfolgendes Fahrzeug zeitlich ausgeschlossen oder völlig unwahrscheinlich ist. Ebenso kann es nicht ausgeschlossen werden, dass der Fahrer des unfallverursachenden Fahrzeuges die Möglichkeit hatte – noch bevor der Zeuge […] die Verfolgung aufnahm, oder zumindest bevor er das verfolgte Fahrzeug sehen konnte – in eine Nebenstraße abzubiegen. Die verbleibenden Zweifel an der Unfallverursachung durch den Beklagten, deren Bestehen man auch bei voller Würdigung des Beweisergebnisses unter Anwendung praktischer Vernunft nicht “Schweigen gebieten“ kann, gehen zu Lasten des Klägers, weil dieser die Voraussetzungen seines Anspruches beweisen muss.

[…]

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).“

LG Bautzen, Urteil vom 22.1.2010 – 1 S 21/09

Darlegungs- und Beweislast für eine Kostengrundentscheidung nach einem gerichtlichen Vergleich

Durch das Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden, Beschluss vom 4.8.2009 – 14 W 0455/09) wurde zur Darlegungs- und Beweislast im Rahmen einer Kostengrundentscheidung nach der Beendigung eines Prozesses durch einen Vergleich entschieden. In diesem Beschluss wurde klargestellt, dass die Partei, die bei einer Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen wäre, die Verfahrenskosten zu tragen hat. Im vorliegenden Fall entschied das Gericht, dass die Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu übernehmen hat. Dies basierte auf einer summarischen Würdigung des bisherigen Prozessstoffs, welche ergab, dass die Klägerin in der Hauptsache wahrscheinlich nicht erfolgreich gewesen wäre. Das Gericht betonte die Bedeutung einer solchen summarischen Würdigung für die gerechte Verteilung der Kostenlast im Falle eines gerichtlichen Vergleichs.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„1. Auf die  sofortige Beschwerde  der Beklagten  zu 3)  und 4)  wird der  Beschluss des  Landgerichts  Leipzig  vom 03.04.2009 – Az. 5 0 190/08 – abgeändert:

Die Klägerin  hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3)  und der Beklagten zu 4)  zu tragen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

[…]

Gründe:

Die  nach §§  91a Abs.   2, 567  Abs. 1 Nr. 1  ZPO  zulässige sofortige Beschwerde  hat Erfolg. Im Verhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 3)  und 4)  hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Landgericht  hat nach  dem zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens auf  die Hauptsache beschränkten gerichtlichen Vergleich vom 24.02.2009, mit welchem die Kostenfrage zur streitigen  Entscheidung gestellt  wurde, mit  Beschluss vom  03.04.2009 eine  Kostenaufhebung vorgenommen. Zu Recht hat es  sich dabei  nicht am Inhalt des Hauptsachevergleichs orientiert. Maßgeblich ist nach § 91a ZPO vielmehr der bisherige Sach- und Streitstand. Die Last der Verfahrenskosten hat deshalb diejenige Partei  zu treffen, die bei summarischer Würdigung des bisherigen Prozessstoffs voraussichtlich unterlegen wäre (vgl. BGH JZ 65, 258).

Bei  streitiger Fortführung des Verfahrens wäre die Klägerin voraussichtlich  mit ihrem  Unterlassungsbegehren  gegenüber den Beklagten zu 3) und 4) nicht durchgedrungen, so dass sie hierfür nach § 91 ZPO die Kosten zu tragen gehabt hätte.

Einen  Verstoß der Beklagten zu 1)  und 2)  und/oder des Herrn […] gegen  § 17 UWG unterstellt, könnte sich eine  Haftung der Beklagten zu 3) und 4) aus einer Geheimnishehlerei  nach § 17  Abs. 2 Nr.  2  UWG i.V.m. §§ 3,4 Nr. 11 UWG  allenfalls bei  Kenntnis vom unbefugten Verhalten der vorbezeichneten  Personen ergeben  (vgl. BGH, Urteil vom  19.12.2002  –  I ZR 119/00,   GRUR  2003,   453  – Verwertung  von Kundenlisten).  Dass die Beklagten zu 3)  und 4) in Kenntnis eines solchen Verhaltens ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis unbefugt verwertet oder mitgeteilt hätten, ist  von der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht unter Beweisantritt dargetan und auch ansonsten nicht ersichtlich.

1. Die Beklagten zu 3) und 4) haften nicht für  einen hier zu unterstellenden Verstoß  der Beklagten zu 1) und 2) und/oder des Herrn […] kraft Zurechnung. Das  gilt sogar  für die  sehr weitgehende, verschuldensunabhängige Haftung des Unternehmensinhabers für Beauftragte nach § 8 Abs. 2 UWG. Danach werden dem Inhaber des Betriebs Zuwiderhandlungen seiner Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation seines Betriebs die Verantwortung  für das Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen  soll. Kommen  ihm die Wettbewerbshandlungen seiner Beauftragten zugute,  so soll  er sich nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können (vgl. BGH, GRUR  1990,  1039,   1040 – Anzeigenauftragt). Hier liegt der den Beklagten  zu 1)   und 2) und Herrn […] angelastete Verstoß  jedoch in dem Geheimnisschutz begründet. Bei Herrn […] rührt  der zu unterstellende Verstoß zudem aus seiner früheren Tätigkeit für die  Klägerin her. Das hat mit der arbeitsteiligen Organisation der Beklagten zu 4), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 3) ist, nichts zu tun, so dass der Zweck der Haftungszurechnung nach § 8 Abs. 2 UWG nicht eingreift  (BGH, GRUR  2003, 453  – Verwertung von Kundenlisten).

2. Auch eine eigenständige Haftung der Beklagten zu 3)  und 4) scheidet aus.

a) Die Voraussetzungen von  § 17 Abs. 2  UWG  sind  nicht erfüllt.  Zwar hat  die Beklagte zu 4), vertreten durch den Beklagten  zu 3),  die Beklagte  zu  2),  vertreten durch  den Beklagten  zu 1),  mit der  Erstellung eines Konzepts für  die  Errichtung  eines  Entsorgungs- und Verwertungszentrums […] beauftragt. Das mag den hier zu  unterstellenden Wettbewerbsverstoß der Beklagten zu  1)  und 2)  und/oder des Herrn […] gefördert haben. Eine Haftung der Beklagten zu 3) und 4) aus § 17  Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V.m. §§ 3,  4 Nr. 11 UWG könnte sich aber allenfalls bei Kenntnis eines solchen Wettbewerbsverstoßes  ergeben (BGH, aaO – Verwertung von Kundenlisten).

Auch  die Beschwerdegegnerin geht von  dem Erfordernis einer solchen Kenntnis aus, wenn sie in ihrer Abmahnung vom  […] die eingeforderte Unterlassungserklärung davon abhängig macht, dass die Beklagten zu  3)  und 4)  „von dem Geheimnisverrat bzw. der Mitwirkung des Herrn […] gewusst  und/oder ihn dazu veranlasst haben“.

Für eine  solche Kenntnis  ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig.  Ihrer Darlegungs-  und Beweislast kann sie  sich nicht dadurch entledigen, dass sie – wie in  der Abmahnung  und im  Prozess bis  zum Beschwerdeverfahren –  einen  Anschein  für  einen  vorsätzlichen Wettbewerbsverstoß annimmt,  den die  Beklagtenseite zu zerstreuen habe.  Die Voraussetzungen für einen Beweis des  ersten Anscheins (vgl. nur Zöller, ZPO, 27. Aufl., vor § 284 Rn. 29) sind weder dargetan noch ersichtlich. Die schlichte  Beauftragung zur  Erstellung eines  Konzepts  lässt jedenfalls nicht auf einen Geheimnisverrat schließen.

Ob die  Beklagten zu 3)  und 4) erst mit Klagezustellung Kenntnis von  den Anlagen  K […] erhielten, kann hier dahinstehen. Auch  für den  Fall, dass die Unterlagen – wie  die Beschwerdegegnerin  vorträgt – bei der Hausdurchsuchung am […] aufgefunden wurden, ergibt sich  nichts anderes. Ein Wettbewerbsverstoß durch die Beklagten zu  1)  und 2)  und/oder Herrn […] oder die  Mitarbeiter des  Unternehmens […] ist daraus nicht ohne weiteres ersichtlich. Vor allem aber wäre eine  solche Kenntnis  erst nach dem unterstellten
Wettbewerbsverstoß erlangt  worden. Dass  die Beklagten zu 3) und 4) nach der behaupteten Kenntniserlangung einen eigenen Wettbewerbsverstoß begangen haben oder sich an einem  fremden Wettbewerbsverstoß  beteiligt  haben, ist weder  unter Beweisantritt  dargetan noch ansonsten ersichtlich.

b) Auch eine Haftung  der Beklagten  zu  3) und 4)  als wettbewerbsrechtliche Störer ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs  auf die täterschaftliche Verletzung von Verkehrspflichten  abzustellen ist (BGH, Urteil vom 12.07.2007  – I ZR 18/04,  Jugendgefährdende Medien bei eBay,  BGHZ 173,  188), ergibt  sich hier  eine Haftung weder aus  der Verletzung  von  Verkehrspflichten  noch als Störer. Beides würde voraussetzen, dass der Wettbewerbsverstoß  für den mittelbaren Störer erkennbar ist. Als die Beklagten zu 3) und 4) jedoch allenfalls Kenntnis von  den Unterlagen K […] erhielten, war ein hier zu unterstellender Geheimnisverrat längst begangen und nicht  ohne weiteres  erkennbar. Auch  wenn er aber für  sie zu  ermitteln gewesen  wäre, hätten sie selbst in der  Folge keinen  Wettbewerbsverstoß begangen, sich nicht an einem fremden Wettbewerbsverstoß beteiligt und es nicht  unterlassen, pflichtwidrig  einen solchen  zu unterbinden.

3. Mangels  Beteiligung an  einem erkennbaren Wettbewerbsverstoß  entfällt auch die Vermutung der Wiederholungsgefahr. Für  einen  vorbeugenden  Unterlassungsanspruch aufgrund  einer Erstbegehungsgefahr ist hier kein Raum. Im  Unterschied   zur  Wiederholungsgefahr, für deren Vorliegen aufgrund  eines wettbewerbswidrigen Eingriffs eine Vermutung streitet, kann Erstbegehungsgefahr nicht vermutet werden. Sie lässt sich hier auch nicht aus den Äußerungen  der Beklagten  zu 3)  und 4)  im Rechtsstreit
ableiten. Die Behauptung, rechtmäßig gehandelt  zu haben, erfolgt  im Interesse  des Obsiegens im Prozess; einer solchen  Berühmung kann nicht ohne weiteres unterstellt werden,  das angegriffene Verhalten demnächst fortsetzen zu wollen. Deshalb  war hier eine Klarstellung, die  Berühmung allein  um der  Rechtsverteidigungswillen vorzunehmen, nicht erforderlich (vgl. BGH GRUR 2001,  1174,  1175  –  Berühmungsaufgabe).  Schließlich würde mit  einem vorbeugenden Unterlassungsanspruch die Unterlassungsklage auf einen neuen Klagegrund und damit einen  neuen Streitgegenstand  gestützt werden, dem das Gericht nicht  wegen einer aus dem Prozessverhalten der Beklagtenseite abgeleiteten  Erstbegehungsgefahr  nach kommen kann  (vgl. BGH  GRUR 2006,   429, 431 – Schlank-Kapseln; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap.  9 Rn. 5).“

OLG Dresden, Beschluss vom 4.8.2009 – 14 W 0455/09