Durch das Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden, Beschluss vom 4.8.2009 – 14 W 0455/09) wurde zur Darlegungs- und Beweislast im Rahmen einer Kostengrundentscheidung nach der Beendigung eines Prozesses durch einen Vergleich entschieden. In diesem Beschluss wurde klargestellt, dass die Partei, die bei einer Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen wäre, die Verfahrenskosten zu tragen hat. Im vorliegenden Fall entschied das Gericht, dass die Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu übernehmen hat. Dies basierte auf einer summarischen Würdigung des bisherigen Prozessstoffs, welche ergab, dass die Klägerin in der Hauptsache wahrscheinlich nicht erfolgreich gewesen wäre. Das Gericht betonte die Bedeutung einer solchen summarischen Würdigung für die gerechte Verteilung der Kostenlast im Falle eines gerichtlichen Vergleichs.
Auszug aus den Entscheidungsgründen:
„1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 3) und 4) wird der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 03.04.2009 – Az. 5 0 190/08 – abgeändert:
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) und der Beklagten zu 4) zu tragen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
[…]
Gründe:
Die nach §§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg. Im Verhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 3) und 4) hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Landgericht hat nach dem zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens auf die Hauptsache beschränkten gerichtlichen Vergleich vom 24.02.2009, mit welchem die Kostenfrage zur streitigen Entscheidung gestellt wurde, mit Beschluss vom 03.04.2009 eine Kostenaufhebung vorgenommen. Zu Recht hat es sich dabei nicht am Inhalt des Hauptsachevergleichs orientiert. Maßgeblich ist nach § 91a ZPO vielmehr der bisherige Sach- und Streitstand. Die Last der Verfahrenskosten hat deshalb diejenige Partei zu treffen, die bei summarischer Würdigung des bisherigen Prozessstoffs voraussichtlich unterlegen wäre (vgl. BGH JZ 65, 258).
Bei streitiger Fortführung des Verfahrens wäre die Klägerin voraussichtlich mit ihrem Unterlassungsbegehren gegenüber den Beklagten zu 3) und 4) nicht durchgedrungen, so dass sie hierfür nach § 91 ZPO die Kosten zu tragen gehabt hätte.
Einen Verstoß der Beklagten zu 1) und 2) und/oder des Herrn […] gegen § 17 UWG unterstellt, könnte sich eine Haftung der Beklagten zu 3) und 4) aus einer Geheimnishehlerei nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V.m. §§ 3,4 Nr. 11 UWG allenfalls bei Kenntnis vom unbefugten Verhalten der vorbezeichneten Personen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2002 – I ZR 119/00, GRUR 2003, 453 – Verwertung von Kundenlisten). Dass die Beklagten zu 3) und 4) in Kenntnis eines solchen Verhaltens ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis unbefugt verwertet oder mitgeteilt hätten, ist von der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht unter Beweisantritt dargetan und auch ansonsten nicht ersichtlich.
1. Die Beklagten zu 3) und 4) haften nicht für einen hier zu unterstellenden Verstoß der Beklagten zu 1) und 2) und/oder des Herrn […] kraft Zurechnung. Das gilt sogar für die sehr weitgehende, verschuldensunabhängige Haftung des Unternehmensinhabers für Beauftragte nach § 8 Abs. 2 UWG. Danach werden dem Inhaber des Betriebs Zuwiderhandlungen seiner Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation seines Betriebs die Verantwortung für das Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen soll. Kommen ihm die Wettbewerbshandlungen seiner Beauftragten zugute, so soll er sich nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können (vgl. BGH, GRUR 1990, 1039, 1040 – Anzeigenauftragt). Hier liegt der den Beklagten zu 1) und 2) und Herrn […] angelastete Verstoß jedoch in dem Geheimnisschutz begründet. Bei Herrn […] rührt der zu unterstellende Verstoß zudem aus seiner früheren Tätigkeit für die Klägerin her. Das hat mit der arbeitsteiligen Organisation der Beklagten zu 4), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 3) ist, nichts zu tun, so dass der Zweck der Haftungszurechnung nach § 8 Abs. 2 UWG nicht eingreift (BGH, GRUR 2003, 453 – Verwertung von Kundenlisten).
2. Auch eine eigenständige Haftung der Beklagten zu 3) und 4) scheidet aus.
a) Die Voraussetzungen von § 17 Abs. 2 UWG sind nicht erfüllt. Zwar hat die Beklagte zu 4), vertreten durch den Beklagten zu 3), die Beklagte zu 2), vertreten durch den Beklagten zu 1), mit der Erstellung eines Konzepts für die Errichtung eines Entsorgungs- und Verwertungszentrums […] beauftragt. Das mag den hier zu unterstellenden Wettbewerbsverstoß der Beklagten zu 1) und 2) und/oder des Herrn […] gefördert haben. Eine Haftung der Beklagten zu 3) und 4) aus § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG könnte sich aber allenfalls bei Kenntnis eines solchen Wettbewerbsverstoßes ergeben (BGH, aaO – Verwertung von Kundenlisten).
Auch die Beschwerdegegnerin geht von dem Erfordernis einer solchen Kenntnis aus, wenn sie in ihrer Abmahnung vom […] die eingeforderte Unterlassungserklärung davon abhängig macht, dass die Beklagten zu 3) und 4) „von dem Geheimnisverrat bzw. der Mitwirkung des Herrn […] gewusst und/oder ihn dazu veranlasst haben“.
Für eine solche Kenntnis ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. Ihrer Darlegungs- und Beweislast kann sie sich nicht dadurch entledigen, dass sie – wie in der Abmahnung und im Prozess bis zum Beschwerdeverfahren – einen Anschein für einen vorsätzlichen Wettbewerbsverstoß annimmt, den die Beklagtenseite zu zerstreuen habe. Die Voraussetzungen für einen Beweis des ersten Anscheins (vgl. nur Zöller, ZPO, 27. Aufl., vor § 284 Rn. 29) sind weder dargetan noch ersichtlich. Die schlichte Beauftragung zur Erstellung eines Konzepts lässt jedenfalls nicht auf einen Geheimnisverrat schließen.
Ob die Beklagten zu 3) und 4) erst mit Klagezustellung Kenntnis von den Anlagen K […] erhielten, kann hier dahinstehen. Auch für den Fall, dass die Unterlagen – wie die Beschwerdegegnerin vorträgt – bei der Hausdurchsuchung am […] aufgefunden wurden, ergibt sich nichts anderes. Ein Wettbewerbsverstoß durch die Beklagten zu 1) und 2) und/oder Herrn […] oder die Mitarbeiter des Unternehmens […] ist daraus nicht ohne weiteres ersichtlich. Vor allem aber wäre eine solche Kenntnis erst nach dem unterstellten
Wettbewerbsverstoß erlangt worden. Dass die Beklagten zu 3) und 4) nach der behaupteten Kenntniserlangung einen eigenen Wettbewerbsverstoß begangen haben oder sich an einem fremden Wettbewerbsverstoß beteiligt haben, ist weder unter Beweisantritt dargetan noch ansonsten ersichtlich.
b) Auch eine Haftung der Beklagten zu 3) und 4) als wettbewerbsrechtliche Störer ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die täterschaftliche Verletzung von Verkehrspflichten abzustellen ist (BGH, Urteil vom 12.07.2007 – I ZR 18/04, Jugendgefährdende Medien bei eBay, BGHZ 173, 188), ergibt sich hier eine Haftung weder aus der Verletzung von Verkehrspflichten noch als Störer. Beides würde voraussetzen, dass der Wettbewerbsverstoß für den mittelbaren Störer erkennbar ist. Als die Beklagten zu 3) und 4) jedoch allenfalls Kenntnis von den Unterlagen K […] erhielten, war ein hier zu unterstellender Geheimnisverrat längst begangen und nicht ohne weiteres erkennbar. Auch wenn er aber für sie zu ermitteln gewesen wäre, hätten sie selbst in der Folge keinen Wettbewerbsverstoß begangen, sich nicht an einem fremden Wettbewerbsverstoß beteiligt und es nicht unterlassen, pflichtwidrig einen solchen zu unterbinden.
3. Mangels Beteiligung an einem erkennbaren Wettbewerbsverstoß entfällt auch die Vermutung der Wiederholungsgefahr. Für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch aufgrund einer Erstbegehungsgefahr ist hier kein Raum. Im Unterschied zur Wiederholungsgefahr, für deren Vorliegen aufgrund eines wettbewerbswidrigen Eingriffs eine Vermutung streitet, kann Erstbegehungsgefahr nicht vermutet werden. Sie lässt sich hier auch nicht aus den Äußerungen der Beklagten zu 3) und 4) im Rechtsstreit
ableiten. Die Behauptung, rechtmäßig gehandelt zu haben, erfolgt im Interesse des Obsiegens im Prozess; einer solchen Berühmung kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, das angegriffene Verhalten demnächst fortsetzen zu wollen. Deshalb war hier eine Klarstellung, die Berühmung allein um der Rechtsverteidigungswillen vorzunehmen, nicht erforderlich (vgl. BGH GRUR 2001, 1174, 1175 – Berühmungsaufgabe). Schließlich würde mit einem vorbeugenden Unterlassungsanspruch die Unterlassungsklage auf einen neuen Klagegrund und damit einen neuen Streitgegenstand gestützt werden, dem das Gericht nicht wegen einer aus dem Prozessverhalten der Beklagtenseite abgeleiteten Erstbegehungsgefahr nach kommen kann (vgl. BGH GRUR 2006, 429, 431 – Schlank-Kapseln; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 9 Rn. 5).“
OLG Dresden, Beschluss vom 4.8.2009 – 14 W 0455/09