Sachverständigenhonorare im Fokus: Warum Gerichte BVSK und HUK als Maßstab akzeptieren

Das Landgericht legt in seinem Hinweisbeschluss seiner Kammer eine klare und in der Rechtsprechung gut verankerte Linie zur Frage zugrunde, wie die Vergütung eines Kfz-Sachverständigen im Haftpflichtschadenfall zu schätzen ist. Die Kammer bestätigt ausdrücklich, dass sowohl die BVSK-Gesamtschau als auch das Honorartableau der HUK-Coburg als geeignete Orientierungsgrößen herangezogen werden dürfen. Diese Würdigung knüpft an eine gefestigte obergerichtliche Praxis an und fügt sich systematisch in die Grundsätze des § 287 ZPO ein. Entscheidend ist, dass das Gericht die Schadenshöhe nach freier Überzeugung schätzen darf, solange die Heranziehung solcher Tabellen sachlich gerechtfertigt ist. Genau darauf stellt der Hinweisbeschluss ab – und macht damit zugleich deutlich, weshalb die Gegenargumente der Versicherung nicht durchgreifen.
Die Kammer verweist auf die statistische Grundlage der herangezogenen Tabellen. Sowohl die BVSK-Erhebungen als auch das HUK-Honorartableau beruhen auf großen Datenmengen und spiegeln typische Marktpreise wider. Das Gericht verweist folgerichtig auf das „Gesetz der großen Zahl“, das typisierende Durchschnittswerte besonders belastbar macht. Diese Typisierung ist rechtlich zulässig und notwendig, weil der Schadensersatz nach § 249 BGB gerade nicht auf einer minutengenauen Abrechnung des Gutachteraufwands beruht, sondern auf dem objektiv erforderlichen Betrag. Die Rechtsprechung des OLG Dresden, des LG Hamburg und des Bundesgerichtshofs – insbesondere zur entsprechenden Anwendbarkeit des JVEG auf private Sachverständige – stützt diesen Ansatz. Eine konkret-individuelle Betrachtung des von einem bestimmten Sachverständigen aufgewendeten Zeitaufwands ist weder praktikabel noch rechtlich geboten.
Die Kammer untermauert dieses Verständnis mit einem weiteren zentralen Argument: Höhere Reparaturkosten korrelieren erfahrungsgemäß mit komplexeren und umfangreicheren Schadensbildern, was wiederum typischerweise einen höheren Begutachtungsaufwand auslöst. Dass Sachverständige diesen Mehraufwand über eine pauschalierte, nach Schadenshöhe abgestufte Honorierung abbilden, entspricht ökonomischer Realität und wird von der Rechtsprechung als zulässig anerkannt. Selbst wenn der konkrete zeitliche Arbeitsaufwand im Einzelfall davon abweicht, bleibt die Pauschalierung rechtens, solange das Gutachten verwertbar ist – ein Gedanke, den der BGH im Urteil VI ZR 50/15 ausdrücklich hervorgehoben hat.
Bemerkenswert ist zudem die klare Zurückweisung der Argumentation, Bildverarbeitung sei keine „Schreibarbeit“ und daher nicht über die pauschalen Nebenkosten abrechenbar. Die Kammer ordnet diese Tätigkeit überzeugend als elektronischen Schreibvorgang ein, der regelmäßig mit Formatierungen und Anpassungen verbunden ist. Der Versuch, eine künstliche Trennlinie zwischen Bildverarbeitung und Schreibleistung zu ziehen, wird damit als lebensfremd und rechtlich unbeachtlich qualifiziert.
Insgesamt bestätigt der Hinweisbeschluss die in der Rechtsprechung dominierende Linie: Versicherer können weder die Orientierung an der BVSK-Gesamtschau noch die ergänzende Heranziehung des HUK-Tableaus wirksam in Zweifel ziehen, solange das Gericht die Tabellen als sachgerechte Schätzgrundlage einordnet. Für die Praxis bedeutet dies Rechtssicherheit. Sachverständige dürfen weiterhin auf die etablierten Honorartabellen zurückgreifen, Geschädigte können sich auf die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten verlassen, und Gerichte haben eine tragfähige Grundlage für ihre Schätzung nach § 287 ZPO. Gerade in der täglichen Regulierungspraxis, in der Streit über Sachverständigenhonorare nach wie vor häufig ist, setzt die Entscheidung ein deutliches Signal für Kontinuität und Verlässlichkeit.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.1.2022 – 10 S 64/21; LG Görlitz, Hinweisbeschluss vom 17.11.2025 – 2 S 80/24; AG Weißwasser, Urteil vom 13.3.2025 – 3 C 175/24; AG Dresden, Urteil vom 16.1.2025 – 103 C 2114/24; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10.9.2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Auszug aus dem Hinweisbeschluss:

„In dem Rechtsstreit

[…] Kfz-Sachverständigenbüros […]

– Kläger und Berufungsbeklagter –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…] Versicherungs-[…]

– Beklagte und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

erlässt die 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz […]

am 17.11.2025

nachfolgenden Beschluss:

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
Bautzen vom 3. Juli 2024 – 23 C 134/24 – durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen
(§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

I.

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 ZPO). Die amtsgerichtliche Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung,
noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Ent-
scheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. […]

2. […] Zu Recht ist die Beklagte zum Schadensersatz in vollem Umfang verurteilt worden. Das Amtsgericht hat ausweislich der Entscheidungsgründe die Schadenshöhe in freier Überzeugung durch Schätzung ermittelt und dabei – wie der Kläger – die BVSK-Gesamtschau und das Honorartableau der HUK als Orientierung herangezogen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Orientierung an solchen Pauschalwerten durchaus anerkannt (Oberlandesgericht [OLG] Dresden, Urteil vom 19.02.2014 – 7 U 111/12 – juris RdNr. 13; Landgericht [LG] Hamburg, Urteil vom 09.04.2015 – 323 S 45/14 – juris RdNr. 26; zur entsprechenden Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes [JVEG] Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15 – juris RdNr. 18). Eine Pauschalierung in Form der Typisierung ist auch dann zulässig, wenn bei der Berechnung von Arbeitsaufwänden nicht konkrete Zeitaufwände berücksichtigt werden, sondern an andere, abweichende Umstände angeknüpft wird, selbst wenn dies zu nicht leistungsäquivalenten Ergebnissen führt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.08.2011 – 1 BvL 10/11 – RdNrn. 20ff, juris).

Die beiden zur Orientierung herangezogenen Werttabellen stehen dazu nicht in Widerspruch und konnten vom Amtsgericht zur Schätzung herangezogen werden. Denn es entspricht der Lebenserfahrung, dass höhere Schadenssummen/Reparaturkosten typisierend bei größeren und damit typisierend großflächigeren Schäden entstehen (beispielsweise Stoßstangenkratzer vs. Hecktotalschaden); mit komplexeren und großflächigeren Schadensbildern steigt aber auch der Aufwand der Begutachtung. Dies gilt umso mehr, als dass die beiden Werttabellen auf großen Datenmengen beruhen und deshalb nach dem Gesetz der Großen Zahl besonders aussagekräftig sind. Dass es dabei nicht auf die durch Ausbildung und Zertifikate, ja vielleicht sogar durch die Mitgliedschaft in einem Berufsverband nachgewiesene konkrete Sachkunde des Gutachters ankommt (solange das Gutachten nicht völlig unverwertbar ist – was hier nicht im Raume steht) wird letztendlich auch durch das bereits zitierte Urteil des BGH vom 26.04.2026 – VI ZR 50/15 – mit dem Hinweis auf die entsprechende Anwendung des JVEG gestützt.

3. Soweit gerügt wird, dass die Verarbeitung von Lichtbildern keine Schreibarbeiten seien und diese bereits gesondert abgerechnet seien, geht auch dies ins Leere. Denn das Einfügen von Lichtbildern ist typischerweise mit deren Formatierung und Anpassung und damit mit einen (elektronischen) Schreibvorgang verbunden; sie ist auch nicht mit der Herstellung der Bilder, die gesondert in Rechnung gestellt werden können, zu verwechseln.

II.

Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO); die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).

Die Kammer regt vor dem Hintergrund des Vorstehenden die Rücknahme der Berufung an.“

LG Görlitz, Hinweisbeschluss vom 17.11.2025 – 2 S 80/24

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