Bei einem Verweis auf eine günstigere Referenzwerkstatt muss sich diese in der Nähe des tatsächlichen Standortes des Fahrzeugs befinden.

Durch das Amtsgericht Mitte (AG Mitte, Urteil vom 16.1.2020 – 21 C 3152/19) wurde entschieden, dass sich der Geschädigte vom Schädiger nur dann auf eine günstigere Referenzwerkstatt verweisen lassen muss, wenn sich diese in der Nähe des beschädigten Fahrzeugs und nicht in der Nähe des Unternehmenssitzes befindet.

Im Weiteren wurde durch das Amtsgericht entschieden, dass UPE-Aufschläge im Rahmen einer fiktiven Abrechnung grundsätzlich zu erstatten sind, soweit ein Sachverständiger in seinem Schadengutachten diese als ortsüblich aufführt und der Schädiger nicht auf eine zulässige Referenzwerkstatt verweisen kann, in der diese Aufschläge nicht gefordert werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Im Namen des Volkes
Urteil

ln dem Rechtsstreit
[…]
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

[…]
– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

hat das Amtsgericht Mitte durch die Richterin am Amtsgericht […] am 16.01.2020 aufgrund des Sachstands vom 03.01.2020 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.175,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.19 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 12 € freizustellen.

3. Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/8 und die Beklagte 7/8.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt restlichen Schadensersatz wegen der unfallbedingten Beschädigung ihres Fahrzeugs mit amtlichen Kennzeichen […]. Die Einstandspflicht der Beklagten für diesen Unfall vom 15.07.18 ist unstreitig.

Die Klägerin legt ein Schadensgutachten vom 01.08.18 […] vor, in dem die Reparaturkosten bei einem Abzug „NfA“ mit 4.896,39 € kalkuliert werden. Der Gutachter geht dabei von den Kosten in des Audi-Zentrums Reutlingen aus. Er berechnet die Reparaturkosten unter Zugrundelegung eines UPE von 10 % und sieht eine Beilackierung vor. Die Wertminderung gibt er mit 100,- € an.

Die Klägerin meldete den Schaden unter Fristsetzung zum 16.01.19 mit Schreiben vom 09.01.19 […]

Die Beklagte hat auf die Reparaturkosten 3.654,72 €, auf die Kostenpauschale 25,- €, auf die Gutachterkosten 631,90 € und auf die Anwaltskosten 413,90 € gezahlt. Sie legt dazu einen sog. Prüfbericht […] vor, in dem die Klägerin auf eine alternative Reparaturmöglichkeit in einer Werkstatt in 09419 Herold verweist, die geringere Stundenverrechnungssätze und keinen UPE-Aufschlag verlange.

Die Kosten einer Beilackierung und Kosten für Kleinteile, Entsorgung und Polierarbeiten hielt die Beklagte nicht für erstattungsfähig. Ebenso hat sie eine Wertminderung, den UPE-Zuschlag und die Kosten einer Beilackierung wurden nicht erstattet.

Wegen der näheren Einzelheiten des Schadensgutachtens und des Prüfberichts wird auf die eingereichte Kopien verwiesen.

Im Laufe des Prozesses wurde die Position Wertminderung unstreitig. Die Position Beilackierung wurde vergleichsweise mit 120,- € und die Positionen Kleinteile, Entsorgung und Polierarbeiten mit 41,- € unstreitig gesellt.

Die Klägerin behauptet, dass sie das Fahrzeug ihrem Mitarbeiter W[…] in 72813 St. Johann überlassen habe, wo sich das Fahrzeug auch befinde.

Die Klägerin beantragt.

die Beklagte zu verurteilen.

a. an die Klägerin 1.341,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.996,39 € für die Zeit vom 18.01.19 bis 31.01.19 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 1.341,67 € seit dem 01.02.19 zu zahlen.

b. die Klägerin gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 12 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält den Verweis auf die im Prüfbericht genannte Werkstatt für zulässig.

Das Gericht hat Beweis darüber erhoben, wo sich das Fahrzeug der Klägerin üblicherweise befindet, durch eine schriftliche Zeugenaussage des […] W[…], auf die für das Beweisergebnis verwiesen wird.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum Teil begründet und im übrigen unbegründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schadensersatzes in Höhe von 1.187,58 € gegen die Beklagte, §§ 823, 249 BGB, 7, 17, 18 StVG, 115 VVG.

Dieser Betrag ergibt sich aus folgender Berechnung

a. Reparaturkosten It. Schadensgutachten 4.896,30 €

abzgl. Beilackierungskosten 120,- €

abzgl. Positionen Kleinteile etc. 41.- €

4.735,30 €

b. Wertminderung 100,00 €

c. Kostenpauschale 20,00 €

d. Akteneinsichtskosten 12,00 €

4.867,30 €

Darauf sind gezahlt 3.679,72 €

verbleibt ein Betrag von 1.187,58 €

(im Antrag zu 1) 1.175,58 € und im Antrag zu 2) 12,- )

zu a)

Bei der fiktiven Abrechnung ist dem von der Klägerin eingeholten Schadensgutachten auszugehen. Die Klägerin muss sich nicht auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweisen lassen, die die Beklagte in ihrem Prüfbericht angegeben hat. Dieser Verweis ist unzumutbar sind, denn der Geschädigte kann davon nicht ohne weiteres Gebrauch machen, da die Entfernung zur alternativen Werkstatt zu weit ist.

Die Beweisaufnahme hat hier ergeben, dass das beschädigte Fahrzeug dem Mitarbeiter der Klägerin, Herrn W[…], zur Verfügung gestellt ist, der in St. Johann (Baden Würtenberg) lebt und nur selten an dem Geschäftsitz der Klägerin in Leipzig bzw. ihrer Niederlassung in Chemnitz aufenthältig ist. Damit ist ein Verweis auf eine Werkstatt in 09419 Herold wegen der allzu großen Entfernung unzumutbar.

Über die genannten Abzüge haben sich die Parteien in diesem Rechtsstreit zur Vermeidung einer Beweisaufnahme geeinigt.

Die UPE-Zuschläge, die in dem Schadensgutachten in Höhe von 10 % berücksichtigt wurde, sind nicht abzusetzen, da diese bei einer Reparatur in der in dem Schadensgutachten genannten Werkstatt anfallen würden. Der BGH hat In der Entscheidung vom 25. September 2018 – VI ZR 65/18 – zu der streitigen Frage der Erstattungsfähigkeit von UPE-Zuschlägen Stellung genommen und ausgeführt, dass sich die Frage der “Ersatzfähigkeit der UPE-Aufschläge“ nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten richte; Danach darf der Geschädigte einer Abrechnung auf der Basis fiktiven Reparaturkosten grundsätzlich die üblichen Ersatzteilkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Unter den Voraussetzungen einer zulässigen zumutbaren Verweisung gem. § 254 Abs. 2 BGB ist jedoch auf der Grundlage der günstigeren Reparaturmöglichkeit abzurechnen, die sich auch daraus ergeben kann, dass die Referenzwerkstatt günstigere Ersatzteilpreise, beispielsweise ohne solche UPE-Aufschläge, anbietet.

Die Klägerin hat hier den Anfall eines UPE-Zuschlags in der von gewählten Werkstatt dargelegt, ohne dass die Beklagte hier eine zumutbare Referenzwerkstatt genannt hat, die solche UPE-Zuschläge nicht erhebt.

Zu b)

Dass hier eine Wertminderung von 100,- € eingetreten ist, ist im Laufe des Prozesses unstreitig geworden.

Zu c)

Das Gericht bemisst gern. § 287 ZPO die Kostenpauschale mit 20 €, denn dieser Betrag reicht in der Regel aus, um die einem Geschädigten bei der Unfallregulierung entstehenden Kosten für Porto, Telefon u.ä. auszugleichen. Höhere Kosten sind nicht ersichtlich und nicht von der klagenden Partei dargetan.

Zu d)

Die Kosten, die für die Erstellung von Aktenauszügen aus Ermittlungsakten anfallen, sind der Klägerin zu ersetzen. Grundsätzlich sind diese Kosten einer Akteneinsicht zur außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung oder Abwehr von Schadensersatzansprüchen erforderlich, es sei denn diente lediglich als Entscheidungshilfe für die Einlassung auf einen Rechtsstreit. Es wird regelmäßig von der Erforderlichkeit auszugehen sein, solange keine vollständige Haftungszusage der Schädigerseite vorliegt.

Auch wenn hier die Einstandspflicht der Beklagten letztlich unstreitig gewesen ist, bedurfte es zu einer sorgfältigen Schadensregulierung die Beiziehung der Unfallakten zur Kenntnis von den darin enthaltenen Tatsachen, die einem Unfallgeschädigten nicht vollständig bekannt sein können.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zinsen in gesetzlicher Höhe, jedoch nicht – wie beantragt – ab dem 18.01.19, denn sie hat den Schaden – soweit vorgetragen bzw. ersichtlich – erstmals mit dem Schreiben vom 09.01.19 angezeigt. Jedem Kfz-Haftpflichtversicherer, von dem nach einem Verkehrsunfall Zahlung verlangt wird, ist eine angemessene Prüfungsfrist zuzubilligen, vor deren Ablauf keine Zinsen verlangt werden können. Auch bei zügiger Schadensbearbeitung ist dem Versicherer eine Prüfungszeit von etwa 4 bis 6 Wochen einzuräumen. Eine Fristsetzung von 2 Wochen ab Unfall immer zu kurz. Verzugszinsen können daher erst ab dem 11.02.19 verlangt werden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708, 711 ZPO.“

AG Mitte, Urteil vom 16.1.2020 – 21 C 3152/19

Zu den Nachweisvoraussetzungen eines Gewinnausfalls eines selbstständigen Einzelunternehmers aufgrund einer Verletzung durch einen Verkehrsunfall

Durch das Landgericht Görlitz (LG Görlitz, Urteil vom 9.1.2020 – 2 S 91/19) wurde zur Darlegungs- und Beweislast für einen Schadenersatzanspruch eines durch einen Verkehrsunfall gesundheitlich Geschädigten selbstständigen Einzelunternehmers entschieden.

Aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

ln dem Rechtsstreit
[…]

– Kläger und Berufungskläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

[…] Versicherung AG, […]

– Beklagte und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz – hier: Berufung

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch

Richter am Landgericht […] als Einzelrichter

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 9. Dezember 2019 eingereicht werden konnten

für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Kamenz vom 29. Mai 2019 (Az. 2 C 153/18) aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.055,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13. Februar 2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.055,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Verdienstausfall für fünf Arbeitstage in Höhe von 1.055,- Euro, den er als Folge eines Verkehrsunfalls vom 26. September 2017 in Radeberg erlitten haben will. Der als selbständige Einzelunternehmer und bis dato ohne Mitarbeiter tätige Kläger war unfallbedingt wegen einer Thoraxprellung bis zum 2. Oktober 2017 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers und dem Grunde nach unstreitig zu 100 % einstandspflichtig für aus dem Unfallereignis erlittene Schäden des Klägers als Geschädigtem.

Durch das dem Kläger am 7. Juni 2019 zugestellte Urteil – auf die dortigen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO) – hat das Amtsgericht Kamenz die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte das Amtsgericht im Wesentlichen aus, dass die vom Kläger dargebrachten Anhaltspunkte nicht ausreichten, um einen beim Kläger eingetretenen Verdienstausfallschaden schätzen oder durch einen Sachverständigen feststellen lassen zu können.

Hiergegen richtet sich die am 25. Juni 2019 eingelegte und mit am 28. Juni 2019 eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung des Klägers.

Ergänzend zu den bereits in erster Instanz vorgelegten Unterlagen bringt der Kläger Ermittlung des Verdienstausfalls Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2016 und 2017 und betriebswirtschaftliche Auswertungen für den Zeitraum Januar 2017 bis September 2019 bei. Daraus ergeben sich für den Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb jeweils vor Steuern in Höhe von 56.503,- Euro für das Jahr 2016 und in Höhe von 79.671.- Euro für das Jahr 2017.

Die betriebswirtschaftliche Auswertung aus 2017 weist für das Jahr 2016 ein vorläufiges Ergebnis von 59.833,39 Euro aus. Dabei werden einem operativem Rohertrag von 93.994,44 Euro abziehbare betriebliche Kosten in Höhe von 27.254,84 Euro und weitere betriebliche Aufwendungen in Höhe von 7.146,21 Euro gegenübergestellt. Darin enthalten sind Kosten für die Unterhaltung eines betrieblichen KfZ in Höhe von 7.126,50 Euro und für die Nutzung von Fremdfahrzeugen solche in Höhe von 124,92 Euro. Die BWA von 2018 weist für das Jahr 2017 ein vorläufiges Ergebnis von 73.441,90 Euro aus. Dieses setzt sich neben nicht operativen Erträgen aus Entschädigungsleistungen in Höhe von 19.194,42 Euro aus einem operativen Rohertrag in Höhe von 108.532,58 Euro und davon abzuziehenden betrieblichen Kosten in Höhe von 35.733.29 Euro sowie weiteren betrieblichen Aufwendungen in Höhe 18.791,81 Euro zusammen. Hieraus lassen sich wiederum als variable Kosten solche für die Unterhaltung eines betrieblichen KfZ in Höhe von 8.136,56 Euro und für Fremdfahrzeuge in Höhe von 1.292,66 Euro extrahieren. Für den Zeitraum Januar bis Dezember 2018 sagt die BWA von Dezember 2018 ein vorläufiges Ergebnis von 62.421,09 Euro voraus. Dieses ergibt sich aus einem operativen Rohertrag in Höhe von 163.412,23 Euro und davon abzuziehenden betrieblichen Kosten in Höhe von 99.026,23 Euro und weiteren betrieblichen Aufwendungen in Höhe 7.428,39 Euro. Die deutliche Veränderung gegenüber dem Vorjahr ergibt sich daraus, dass der Kläger im Jahre 2018 – anders als zum Zeitpunkt des Unfalls – einen Angestellten beschäftigte, was zu mehr Umsatz und Ertrag einerseits und zu deutlichen höheren Kosten, vor allem Personalkosten, andererseits führte.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Kamenz vom 29. Mai 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.055,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Wortlauts der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

1.

Der Anspruch des Klägers ergibt sich dem Grunde nach aus § 823 BGB in Verbindung mit § 115 VVG. Eine Rechtsgutsverletzung im Sinne des § 823 BGB ist auf Seiten des Fahrers des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs unproblematisch gegeben, und zwar in Form der Verletzung des Klägers an seiner Gesundheit. Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist hingegen nicht Anspruchsvoraussetzung. Die vom Amtsgericht Kamenz im angegriffenen Urteil angesprochene Entscheidung des BGH (richtigerweise handelt es sich um VI ZR 36/08), in der ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zur Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs erklärt wird, betrifft eine völlig andere Fallkonstellation und ist auf die hiesige nicht übertragbar. Dort nämlich waren das geschädigte Unternehmen und der körperlich Verletzte nicht – wie im hier vorliegenden Fall – personengleich. ln der zitierten Entscheidung begehrte ein Unternehmen aus eigenem Recht Schadenersatz für die an einen verletzten Mitarbeiter geleistete Entgeltfortzahlung. Da nicht das Unternehmen selbst – sondern der nicht als Kläger oder Zedent auftretende Mitarbeiter – an der Gesundheit verletzt worden war, forderte der BGH, dass das klagende Unternehmen die Verletzung eines eigenen geschützten Rechtsguts darlegt, wobei nur der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht kam. Im hiesigen Fall jedoch wurde der Kläger selbst unstreitig an seiner Gesundheit verletzt. Die Geltendmachung der Verletzung eines weiteren geschützten Rechtsguts ist daher nicht erforderlich.

2.

Der Anspruch des Klägers besteht zumindest in Höhe von 1.055,- Euro.

Wie bereits das Amtsgericht zu Recht ausführt, ist bei der Ermittlung des konkreten Gewinnausfalls von einem hypothetischen Geschehensablauf auszugehen, wie er sich ohne Schadensereignis dargestellt hätte. An die Darlegungslast dieses hypothetischen Geschehens dürfen dabei keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.

Insoweit gilt als entgangen derjenige Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Dabei ist nicht nur die Entwicklung des Umsatzes und des Rohgewinnes von Bedeutung, sondern auch der Verlauf der fixen, d. h. fortlaufenden, sowie der variablen, also bei Umsatzausfall nicht anfallenden, Kosten zu berücksichtigen. Als Schätzungsgrundlage ist dabei von den Gewinnentwicklungen und Betriebsergebnissen aus der Zeit vor und nach dem Arbeitsausfall auszugehen und aus diesen Daten ein hypothetischer Geschehensablauf ohne Schadenereignis zu konstruieren. Die dafür notwendigen Anknüpfungstatsachen hat der geschädigte Kläger vorzubringen und gegebenenfalls zu beweisen.

Die vom Kläger vorgetragenen Umständen, die mit zahlreichen Unterlagen belegt wurden, genügen der Kammer insoweit für eine Schätzung. Die Kammer sieht dabei die Zahlen des Zeitraums Januar 2016 bis Dezember 2017 als geeignete Schätzungsgrundlage an. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger den betrieblichen Ertrag in diesem Zeitraum allein erwirtschaftet hat, was den Verhältnissen zum Schadenszeitraum entspricht. Der Ertrag im Jahre 2018 hingegen wurden durch den Kläger und einen weiteren Angestellten erwirtschaftet; der Zeitraum ab Januar 2018 ist daher als Schätzungsgrundlage nicht geeignet.

Relevante Größe für die Bemessung des erlittenen Schadens ist der durch das operative Geschäft erzielte Rohertrag abzüglich mutmaßlich ersparter Aufwendungen. Außerordentliche Erträge hingegen, die nicht dem operativen Geschäft entstammen, sind nicht einzubeziehen.

Als ersparte Aufwendungen in diesem Sinne können nur variable Kosten und Aufwendungen angesehen werden, also solche, die bei ausbleibenden Umsatz ebenfalls ausbleiben. Hingegen sind sogenannte Fixkosten nicht abzugsfähig, da diese auch ohne Arbeitstätigkeit des Klägers weiterlaufen. Ebenfalls nicht abzuziehen sind auf den Ertrag bzw. den Gewinn zu zahlende Steuern und Abgaben, da diese erst auf den zugesprochenen Schadensbetrag zu zahlen sind.

Nach den vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen hat der Kläger in dem der Schätzung zugrunde zu legenden Zeitraum von Januar 2016 bis Dezember 2017 einen operativen Rohertrag von insgesamt etwa 200.000 Euro erwirtschaftet. Das entspricht einem Durchschnitt von mehr als 8.000,- Euro monatlich oder etwa 350,- Euro pro Arbeitstag. Davon abziehbare variable Kosten und Aufwendungen finden sich beim Kläger im betrachteten Zweijahreszeitraum etwa in Höhe von insgesamt 17.000,- Euro, was wiederum einem monatlichen Durchschnitt von etwa 700,- Euro oder etwa 30,- Euro pro Arbeitstag entspricht.

Daraus ergibt sich, dass der Kläger über einen Betrachtungszeitraum von zwei Jahren, also mehr als 400 Arbeitstagen, arbeitstäglich im Durchschnitt etwa einen Betrag in Höhe von 320,- Euro erwirtschaftet hat.

Nachdem der Kläger einen Arbeitsausfall von 5 Tagen nachgewiesen hat, schätzt die Kammer den für diesen Zeitraum erlittenen Schaden auf jedenfalls nicht unter 1.055 Euro, sodass dem Kläger der geforderte Gesamtbetrag in Höhe 1.055,- Euro zuzusprechen war.

Zinsen auf den ausgeurteilten Betrag sind geschuldet seit dem 13. Februar 2018, da zu diesem Zeitpunkt durch Mahnschreiben des Klägers vom 5. Februar 2018 Verzug eingetreten ist.

Die Kostenentscheidung zulasten der unterlegenen Beklagten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708 Nr. 11,713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.“

LG Görlitz, Urteil vom 9.1.2020 – 2 S 91/19