Bei Zustellung eines Urteils an die Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO, welches noch keine Entscheidungsgründe enthält, können die Entscheidungsgründe durch das Gericht nicht nachgeholt werden

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden (OLG Dresden, Beschluss vom 29.6.2016 – OLG 23 Ss 398/16 (B)) können bei einer Zustellung eines Urteils an die Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO, welches noch keine Entscheidungsgründe enthält, die Entscheidungsgründe durch das Gericht nicht nachgeholt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

BESCHLUSS

In der Bußgeldsache

gegen[…]

Verteidiger:
Rechtsanwalt Stephan M. Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der Bußgeldsenat – der Einzelrichter – des Oberlandesgerichts Dresden am 29.06.2016

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Zittau vom 23. Februar 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgerichts Zittau zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 23. Februar 2016 hat das Amtsgericht Zittau den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 160,00 € verurteilt sowie ein Fahrverbot gegen Ihn für die Dauer von einem Monat verhängt.

Hiergegen hat der Betroffene durch seinen Verteidiger form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit der Verfahrens- sowie der Sachrüge begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.

Das angefochtene Urteil war auf die Sachrüge aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Zittau zurückzuverweisen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat in ihrer Stellungnahme vom 22. Juni 2016 hierzu wie folgt ausgeführt:

„Das Amtsgericht Zittau hat den Betroffenen am 23. Februar 2016 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 45 km/h zu einer Geldbuße von 160,00 EUR verurteilt. Gleichzeitig verhängte das Amtsgericht gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat und ordnete an, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Ein tritt der Rechtskraft.

Mit Verfügung vom selben Tag übersandte der erkennende Richter die Akten an die Staatsanwaltschaft Görlitz zur Zustellung gemäß § 41 StPO. Aus dem zu diesem Zeitpunkt in den Akten befindlichen und vom Richter unterzeichneten Hauptverhandlungsprotokoll ergibt sich der vollständige Urteilstenor des am 23. Februar 2016 verkündeten Urteils.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Zittau legte der Verteidiger des Betroffenen mit Schreiben vom 24. Februar 2016, eingegangen beim Amtsgericht Zittau am selben Tag, Rechtsbeschwerde ein.

Am 17. März 2016 brachte das Amtsgericht ein mit Gründen versehenes Urteil zu den Akten und verfügte zugleich dessen Zustellung an den Betroffenen sowie dessen Verteidiger. […] Der Verteidiger des Betroffenen begründete die Rechtsbeschwerde […]. Der Betroffene rügt die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge – vorläufigen – Erfolg, weil das der Staatsanwaltschaft gemäß richterlicher Verfügung vom 23. Februar 2016 zugestellte Urteil entgegen § 71 OWiG i. V. m. § 267 StPO keine Gründe aufgewiesen hat und damit dem Rechtsbeschwerdegericht eine materiell-rechtliche Überprüfung auf etwaige Rechtsfehler von vornherein verwehrt ist. Eine Ergänzung durch die am 17. März 2016 zu den Akten gebrachten schriftlichen Urteilsgründe war vorliegend unzulässig. 

1.

Das Rechtsbeschwerdegericht hat auf die Sachrüge hin zu prüfen, ob nach der am 23. Februar 2016 erfolgten Zustellung eines Urteils ohne Gründe an die Staatsanwaltschaft die Fertigung der am 17. März 2016 und damit innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe zulässig war – ohne dass es einer entsprechenden Verfahrensrüge bedarf –, weil von der Klärung dieser Frage abhängt, welcher Urteilstext auf die Sachrüge hin vom Rechtsbeschwerdegericht auf materiell-rechtliche Fehler überprüft werden soll (OLG Bamberg, ZfS 2006, 592; OLG Köln, VRS 63, 460; OLG Brandenburg, NStZ-RR 2004, 121; OLG Dresden, Beschluss vom 4. Mai 2016 – 23 Ss 223/16 [B]). 

2.

Im Bußgeldverfahren ist, wie auch im Strafverfahren, unabhängig von der Einhaltung der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO die nachträgliche Ergänzung eines nicht mit Gründen versehenen, also abgekürzten Urteils bzw. die nachträgliche Fertigung schriftlicher Urteilsgründe grundsätzlich unzulässig, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist; dieser Grundsatz gilt nur dann nicht, wenn das Gesetz entsprechende Ausnahmen zulässt (vgl. BGHSt 43, 23; BayObLG ZfS 2004, 382; OLG Bamberg a.aO.; OLG Brandenburg, a.a.O.).

Für das Bußgeldverfahren regelt § 77 b OWiG, unter welchen Voraussetzungen eine schriftliche Begründung des Urteils nachträglich zu den Akten gebracht werden kann. 

3.

Im vorliegenden Fall hat auf Veranlassung des Tatrichters ein nicht mit Gründen versehenes, also abgekürztes Urteil den inneren Dienstbereich des Gerichts verlassen, ohne dass die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG gegeben waren.

a)

Mit der in der Verfügung vom 23. Februar 2016 getroffenen Anordnung der Übersendung der Akten mit Hauptverhandlungsprotokoll und unterzeichnetem Urteilsformular an die Staatsanwaltschaft zur Zustellung gemäß § 41 StPO hat sich der Tatrichter für die Hinausgabe eines Urteils In eben dieser, nicht mit Gründen versehenen Fassung entschieden (vgl. OLG Gelle, VRS 75, 461; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2007, 212; OLG Brandenburg, a.aO.; OLG Bamberg, a.a.O.). Damit hat ein schriftliches Urteil ohne Gründe den inneren Dienstbereich des Gerichts verlassen und ist mit der Zustellung an die Staatsanwaltschaft nach außen hin in Erscheinung getreten. Da der Tatrichter das Hauptverhandlungsprotokoll mit dem unterzeichneten Urteil der Staatsanwaltschaft in der Urschrift ausdrücklich unter Berufung auf § 41 StPO und somit für den Empfänger eindeutig erkennbar im Wege der förmlichen Bekanntmachung einer Entscheidung zugeleitet hat, muss er sich an dieser Erklärung festhalten lassen (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.; BGHSt 58, 243). 

b)

Die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG für ein Absehen von Urteilsgründen waren bereits deswegen nicht gegeben, weil nicht alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet hatten, die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde für den Betroffenen noch nicht abgelaufen und ein Verzicht des Betroffenen gemäß § 77b Abs. 1 Satz 3 OWiG auch nicht entbehrlich war. Eine entsprechende Anwendung des § 77b OWiG kommt nach Sinn, Zweck und Regelungsgehalt dieser Norm vorliegend nicht zur Anwendung (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 3 Ss OWi 1610/08, 3 Ss OWi 1610/2008-, juris).

4.

Da somit die am 17. März 2016 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe unbeachtlich sind, das – maßgebliche – der Staatsanwaltschaft am 23. Februar 2016 zugegangene Urteil aber keine Gründe enthält, somit dem Rechtsbeschwerdegericht keine Nachprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler ermöglicht, unterliegt es allein deswegen der Aufhebung.“ 

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung an.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Bei Mitteilung des toleranzbereinigten Messwertes ist es jedenfalls tunlich, auch die Höhe des konkret berücksichtigten Toleranzwertes mitzuteilen.

Ein standardisiertes Messverfahren liegt nicht mehr vor, wenn bei Aufbau oder Bedienung gegen die Bedienungsanleitung oder Vorschriften der Bauartzulassung durch die PTB verstoßen wird. Sollte daher das Verbindungskabel zwischen Rechner und Bedieneinheit die mit der Gerätezulassung vorgeschriebene Länge von maximal drei Metern überschritten haben, so läge ein standardisiertes Messverfahren nicht mehr vor. Dies allein führt jedoch grundsätzlich nicht zu einem Verwertungsverbot des Messergebnisses. Vielmehr ist das dem Verfahren zugrundeliegende Messergebnis gegebenenfalls unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen zu überprüfen. Im Übrigen hat das Amtsgericht zutreffend auf eine Stellungnahme der PTB vom 22. Mai 2015 zu möglichen Auswirkungen der Kabellänge Bezug genommen. Insoweit ist obergerichtlich geklärt, dass es vor diesem Hintergrund nicht rechtsfehlerhaft ist, wenn das Amtsgericht sich aufgrund der Stellungnahme der PTB vom 22. Mai 2015 die Überzeugung davon verschafft, dass bei der hier Im Raum stehenden geringfügigen Überschreitung der Kabellänge kein Einfluss auf das Messergebnis zu erwarten ist (vgl. insoweit OLG Celle, Beschluss vom 21. April 2016, 2 Ss OWi 82/16).“

OLG Dresden, Beschluss vom 29.6.2016 – OLG 23 Ss 398/16 (B)

Verteilung von Geldspielgeräten in Spielhallen im Rahmen des Nichtrauchendenschutzgesetzes

Durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 8.6.2016 – 2 L 25/13) wurde das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin (VG Schwerin, Urteil vom 22.8.2012 – 7 A 2057/11) bestätigt, wonach eine Behörde in Mecklenburg-Vorpommern nicht durch Bescheid festlegen darf, dass in einem für Raucher eingerichteten Nebenraum weniger Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit aufgestellt werden dürfen, als im Hauptraum.

1. Instanz: VG Schwerin, Urteil vom 22.8.2012 – 7 A 2057/11

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Verwaltungsstreitverfahren

T[…] GmbH,

[…]

Proz.-Bev.:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen

– Klägerin und Berufungsbeklagte –

gegen

Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock,

[…]

– Beklagter und Berufungskläger –

wegen

Gewerberecht

hier: Nichtraucherschutzauflage

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der mündlichen Verhandlung vom

8. Juni 2016

[…]

für Recht erkannt:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. August 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vom Gericht festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer gewerberechtlichen Auflage.

Die Klägerin betreibt auf der Grundlage entsprechender Erlaubnisse in Rostock insgesamt vier Spielhallen. In diesen Spielhallen sind jeweils Raucherräume eingerichtet, die flächenmäßig deutlich kleiner sind als der den Nichtrauchern vorbehaltene Spielhallenbereich. Die Raucherräume sind durch Wände abgetrennt vom jeweiligen Nichtraucherbereich und können nur erreicht werden, wenn der jeweilige Nichtraucherbereich durchschritten wird. In dem Raucherräumen befinden sich jeweils sechs Geldspielgeräte und keine weiteren Spielgeräte. In den Nichtraucherbereichen befinden sich jeweils sechs Geldspielgeräte und weitere Spielgeräte wie Billard- und Snookertische.

Nach Anhörung der Klägerin erließ der Beklagte für die einzelnen Spielhallen am 24.06.2011 gleichlautende Auflagenbescheide, die gestützt auf § 33i GewO folgendes bestimmten:

„Wenn ein Nebenraum als Raucherbereich eingerichtet wird, ist sicherzustellen, dass die Spielhalle durch den Hauptraum ihr Gepräge erhält. Der Raucherraum ist so zu errichten, dass er gegenüber dem Hauptraum (Nichtraucherbereich) eine untergeordnete Größe und eine untergeordnete Funktion aufweist. Es ist zu gewährleisten, dass im Raucherbereich nach Art und Anzahl weniger Spielgeräte aufgestellt sind als im Hauptraum der Spielhalle.“

Die dagegen eingelegten Widersprüche blieben ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22.08.2012 auf die Klage der Klägerin die jeweiligen Bescheide insoweit aufgehoben, als im Nebenraum der Spielhalle mit dem Raucherbereich weniger Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten als im Hauptraum der Spielhalle mit dem Nichtraucherbereich aufgestellt werden dürfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Bescheide erfüllten zwar den Tatbestand des § 33i Abs. 1 Satz 2 GewO, genügten aber den Anforderungen der nach der Norm geforderten Ermessensentscheidung nicht. Der Beklagte habe die von der Klägerin gewünschte Aufteilung der Geldspielgeräte im Verhältnis 6/6 auf Nichtraucher- und Raucherbereich nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht hinreichend in die Ermessenprüfung eingestellt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 04.12.2013 die Berufung des Beklagten zugelassen.

Der Beklagte hat die Berufung mit folgenden Überlegungen begründet: Der Begriff „Nebenraum“ i.S.d. § 2 Abs. 1 NichtRSchutzG M-V sei der Tatbestandsseite der Norm zuzuordnen und nicht der Ermessensseite. Dies verkenne das Verwaltungsgericht. Als Nebenraum sei ein Raum dann anzusehen, wenn er nicht nur flächenmäßig kleiner sei als der Hauptraum, sondern auch eine nachrangige Funktion habe. Die untergeordnete Funktion könne nicht nach dem Verhältnis von Rauchern zu Nichtrauchern bestimmt werden. Das Nichtraucherschutzgesetz M-V beruhe auf dem Gedanken, dass das Rauchen absolut verboten sei und es nur ausnahmsweise in gesonderten, unbedeutenden Räumen erlaubt sei. Für die Abgrenzung sei der Umsatz von ausschlaggebender Bedeutung. Würden im Raucherraum so viele Geldspielgeräte wie im Hauptraum aufgestellt, würde der Umsatz in beiden Räumen nahezu gleich sein, weil die Geldspielgeräte den Hauptumsatz generierten. Das widerspreche der Funktion eines Nebenraumes. Auch die tatsächlichen Annahmen des Verwaltungsgerichts zur Funktionsweise von Geldspielgeräten seien unzutreffend.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22.08.2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Zweck des Nichtraucherschutzgesetzes sei nicht der Versuch, den Rauchern das Rauchen abzugewöhnen, sondern der Schutz des Nichtrauchers. Dieser sei unter Berücksichtigung des durch das Nichtraucherschutzgesetz M-V erfolgten Eingriffs in die Grundrechte der Art. 12 und 14 GG des Spielhallenbetreibers dadurch gewährleistet, dass die Nichtraucher die Möglichkeit hätten, das Angebot der Spielhalle zu nutzen, ohne dabei mit dem Raucherbereich in Berührung zu kommen. Der Schutzzweck des Nichtraucherschutzgesetzes M-V verlange nicht, dass im Nichtraucherbereich mehr Geldspielgeräte stehen als im Raucherbereich, weil diese Geldspielgeräte im Nichtraucherbereich regelmäßig auch dann nicht ausgelastet seien, wenn dort gleich viele wie im Raucherbereich aufgestellt seien. Dies liege daran, dass die überwiegende Zahl der Besucher der Spielhallen Raucher und die Geldspielgeräte die Hauptattraktion der Spielhallen seien.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend die angegriffenen Auflagenbescheide insoweit aufgehoben, als sie anordnen, dass im Raucherbereich weniger Geldspielgeräte aufgestellt werden als im Hauptraum der Spielhalle.

Die Auflagenbescheide des Beklagten sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als sie die Klägerin verpflichten, im Raucherbereich zahlenmäßig weniger Geldspielgeräte aufzustellen als im Nichtraucherbereich.

Ermächtigungsgrundlage für die angegriffenen Auflagenbescheide ist § 33i Abs. .1 Satz 2 GewO. Danach kann eine Erlaubnis nach § 33i Abs. 1 Satz 1 GewO nachträglich mit einer Auflage verbunden werden, soweit dies zum Schutz der Gäste vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist. Die Klägerin betreibt die Spielhallen auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 33i Abs. 1 Satz 1 GewO. Hier dient die Auflage der Durchsetzung des § 2 Abs. 1 Nichtraucherschutzgesetzes M-V (NichtRSchutzG M-V). Dies erfordert, dass sich die Auflage innerhalb des gesetzlichen Rahmens dieser Vorschrift hält. Dies ist aus folgendem Grund nicht geschehen:

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NichtRSchutzG M-V dürfen in Spielhallen Raucherbereiche eingerichtet werden. Diese sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NichtRSchutzG M-V als vollständig abgetrennte Nebenräume einzurichten, die die Belange des Nichtraucherschutzes nicht beeinträchtigen. Bei den von der Klägerin in den von den Auflagenbescheiden betroffenen Spielhallen eingerichteten Nebenräumen handelt es sich nach den Erkenntnissen des Beklagten um im Verhältnis zu den Nichtraucherbereichen flächenmäßig deutlich kleinere und von den Nichtraucherbereichen vollständig durch Wände abgetrennte Räume, die durch eine Tür betreten werden können, ohne dass die Nichtraucher gezwungen sind, diese Räume zu betreten, um in den Nichtraucherbereich zu gelangen. Insoweit erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 NichtRSchutzG M-V. Der Begriff des Nebenraumes verlangt aber nicht nur, dass der flächenmäßig in Anspruch genommene Raum deutlich kleiner ist als der Nichtraucherbereich, sondern auch, dass funktionelle Nachrangigkeit gegenüber dem Nichtraucherbereich besteht. Das folgt aus der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 NichtRSchutzG M-V, wonach der Nebenraum die Belange des Nichtraucherschutzes nicht beeinträchtigen darf. Eine solche Beeinträchtigung ist dann gegeben, wenn der Raucherbereich funktionell nicht nachrangig gegenüber dem Nichtraucherbereich ist, insbesondere dann, wenn in ihm die Hauptattraktivität der jeweiligen Spielhalle aufgestellt ist und zur Verfügung steht. Maßgebend ist, dass der Nichtraucherschutz in der jeweiligen Spielhalle auch dann vollständig erreicht werden kann, wenn in ihr ein Raucherbereich eingerichtet ist. Der Senat folgt insoweit der Rechtsauffassung des Beklagten nicht, dass sich aus dem funktionellen Verständnis des Begriffes Nebenraum ergebe, dass in diesem in jedem Fall weniger Geldspielgeräte aufgestellt sein müssen als im Nichtraucherbereich. Maßgebend ist nach Überzeugung des Senats im Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 2 NichtRSchutzG M-V, dass der Neben raum, in dem geraucht werden darf, die Belange des Nichtraucherschutzes nicht beeinträchtigt.

Der Nichtraucherschutz soll diejenigen Gäste vor den Gefahren des Passivrauchens schützen, die nicht selbst rauchen. Ihnen muss die Möglichkeit geboten werden, ihrem Interesse an Spielen, wie sie in einer Spielhalle konkret angeboten werden, nachzugehen ohne dabei passiv mitrauchen zu müssen. Dafür ist erforderlich, dass im Nichtraucherbereich alle von der Spielhalle angebotenen Arten von Spielgeräten in so großer Zahl angeboten werden, dass die nicht rauchenden Spieler, die den Gefahren des Passivrauchens nicht ausgesetzt werden dürfen, die Möglichkeit haben, diese Spielgeräte in angemessener Zeit und in angemessenen Umfang zu nutzen. Insbesondere müssen die nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten vorrangig von den Besuchern der Spielhalle genutzten Geldspielautomaten in ausreichender Zahl den nicht rauchenden Gästen zur Verfügung stehen, so dass diese für diesen Personenkreis auch attraktiv genug sind, um sie aufzusuchen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Zahl der Geldspielgeräte im Raucherbereich die der Geldspielgeräte im Nichtraucherbereich nicht übersteigt. Unter diesen Umständen haben die nicht rauchenden Besucher einer Spielhalle regelmäßig ausreichend Möglichkeit, ihr Interesse an der Nutzung der Geldspielgeräte zu befriedigen, ohne dass sie veranlasst sein könnten, sich durch einen Aufenthalt im Raucherbereich den Gefahren des Passivrauchens auszusetzen. Unter Berücksichtigung der im Übrigen gelten den Anforderungen an die räumliche Größe des Raucherbereiches im Verhältnis zum Nichtraucherbereich und insbesondere den Vorgaben für das Aufstellen von Geldspielautomaten aus der Spielverordnung vom 27.01.2006 und dem Gebot, eine ausbeuterische Ausnutzung des Spieltriebes der Besucher der Spielhalle zu vermeiden (vgl. BVerwG Beschl. V. 25.11.1993- 1 B 192/93, GewArch 1994, 20) ergeben sich ausreichend Einschränkungen für das Aufstellen von Geldspielautomaten im Raucherbereich, so dass grundsätzlich eine Beeinträchtigung der Belange des Nichtraucherschutzes dann zu verneinen sein dürfte, wenn alle diese vorstehend dargestellten Anforderungen eingehalten werden. Die zuständige Behörde hat im Einzelfall die Möglichkeit nachzuweisen, dass durch die konkrete Gestaltung der Einrichtung oder der Abläufe in der Spielhalle eine Beeinträchtigung des Nichtraucherschutzes vorliegt, obwohl die Zahl der Geldspielgeräte im Raucherbereich die Zahl der Geldspielgeräte im Nichtraucherbereich nicht übersteigt.

Der Beklagte hat solche konkreten Anhaltspunkte nicht zur Begründung seiner Auflagenbescheide herangezogen, sondern sich mit der allgemein gehaltenen Behauptung begnügt, dass das Aufstellen von sechs Geldspielgeräten in einem Raum mit 37 m² Grundfläche führe zu einer ausbeuterischen Ausnutzung eines durch die Gewinnerwartung geschaffenen Anreizes, sich mit unkontrollierter Risikobereitschaft großen Verlustgefahren auszusetzen und deshalb sei im Interesse des Nichtraucherschutzes generell erforderlich, dass die Zahl der Geldspielgeräte im Raucherbereich niedriger sein müsse als im Nichtraucherbereich. Unabhängig von der Frage, ob die Annahme des Beklagten zur ausbeuterischen Ausnutzung des Spieltriebes zutrifft – die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stützt sich darauf, dass dies nur im Einzelfall beurteilt werden könne und deswegen einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich sei hat dies mit dem Nichtraucherschutz nichts zu tun, sondern ist eine andere Problemstellung, der zwar mit einer Auflage nach § 33i Abs. 1 Satz 2 GewO begegnet werden kann, die aber einzelfallbezogen begründet werden muss. Soweit der Beklagte meint, dass die Konzentration von Geldspielgeräten in einem Raum mit ca. 37 m² Fläche zu einer Verlagerung der Hauptattraktivität der Spielhalle in diesen Raum führe, bleibt er dafür eine konkrete Begründung schuldig, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Hälfte der vorhandenen Geldspielgeräte im Nichtraucherbereich aufgestellt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.“

OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 8.6.2016 – 2 L 25/13

Siehe auch: 1. Instanz: VG Schwerin, Urteil vom 22.8.2012 – 7  A  2057/11