Keine erstattungsfähigen Zwangvollstreckungskosten bei fehlendem Nachweis des Zugangs einer korrigierten Kostenrechnung

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„In der Zwangsvollstreckungssache

Landesjustizkasse Chemnitz,
[…]

– Gläubigerin –

gegen

[…]

Verfahrensbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne,
Wallstraße 15, 02625 Bautzen

– Schuldner-

wegen Erinnerung

hat das Amtsgericht Bautzen durch Richter am Amtsgericht […] am 28. März 2012 beschlossen:

1. Auf die Erinnerung des Schuldners vom […].2011 wird die Landesjustizkasse Chemnitz angewiesen, die Vollstreckungskosten in Höhe von 18,00 EUR […] gegen den Schuldner nicht zu vollstrecken.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe:

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen entstandener Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 18,00 EUR.

Nachdem der Schuldner einen Kostenvorschuss in Höhe von 1.244,00 EUR für eine Berufung im Zivilverfahren gegen die Firma […] beim Landgericht Zwickau ([…]) bei der Gerichtskasse einzahlen sollte, kam es im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem

Oberlandesgericht Dresden zu einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits. Deswegen ist die ursprüngliche Kostenrechnung für das Berufungsverfahren in Höhe von 1244,00 EUR geändert worden, und zwar dergestalt, dass der Schuldner 311,00 EUR für das Berufungsverfahren zu zahlen hatte. Diesen Betrag zahlte der Schuldner nicht, weshalb die Gläubigerin nach einer Mahnung vom […].2011 die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner einleitete. Sie erteilte unter dem […].2011 dem zuständigen Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag. Ferner richtete die Gläubigerin ein Aufrechnungsersuchen an das Finanzamt Bautzen. Am […].2011 erfolgte Zahlungseingang in Höhe von 311,00 EUR durch das Finanzamt Bautzen, weshalb die Gläubigerin den Vollstreckungsauftrag beim Gerichtsvollzieher zurücknahm, wofür der Gerichtsvollzieher durch Kostenrechnung vom […].2011 18,00 EUR berechnete.

Gegen diese Vollstreckungskosten, die die Gläubigerin vom Schuldner fordert, richtet sich dessen Erinnerung, mit der er vorträgt, dass ihm eine (korrigierte) Kostenrechnung über 311,00 EUR nicht zugegangen sei, nachdem er zuvor vom Landgericht Zwickau darüber benachrichtigt worden sei, dass er die Kostenrechnung über 1.244,00 EUR zunächst nicht zahlen müsse, sondern eine neue Kostenrechnung abwarten könne.

Der Rechtsbehelf der Erinnerung ist zulässig und hat in der Sache auch Erfolg. Den Ersatz der Gerichtsvollzieherkosten kann die Gläubigerin vom Schuldner nicht nach § 6 der Justizbeitreibungsordnung in Verbindung mit § 788 ZPO verlangen. Nach den genannten Bestimmungen hat der Schuldner auch die Kosten des Vollstreckungsverfahrens dem Gläubiger zu erstatten. Hierzu gehören auch Gerichtsvollzieherkosten, die die Gläubigerin hier geltend macht. Die Anwendung der Vorschriften zu Lasten des Schuldners hängt jedoch weiter davon ab, dass der Schuldner vor Beginn der Vollstreckung zur Leistung innerhalb von 2 Wochen schriftlich aufgefordert und nach vergeblichem Ablauf der Frist besonders gemahnt worden ist. Bei der Beitreibung der Gerichtskosten ist dem Schuldner vorher eine Gerichtskostenrechnung zu übermitteln. Erst dann darf gemahnt und die Vollstreckung begonnen werden. Die Übermittlung einer Gerichtskostenrechnung vor der Vollstreckung an den Schuldner konnte nach den Ermittlungen des Gerichts nicht nachgewiesen werden. Die Einwendungen des Schuldners gegen die Vollstreckung, nämlich seine Behauptung, dass er keine Kostenrechnung über 311,00 EUR erhalten habe, war Gegenstand einer Prüfung der Bezirksrevisorin beim Landgericht in Zwickau. Im Rahmen dieser Überprüfung hat die Kostenbeamtin beim Landgericht Zwickau eine dienstliche Stellungnahme abgegeben. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme hat es ein Telefonat zwischen einem Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten des Schuldners und ihr gegeben. In diesem Telefonat hat sie dem Mitarbeiter mitgeteilt, dass der für das Berufungsverfahren angeforderte Vorschuss von 1.244,00 EUR sich ermäßigen würde, weil es zu einem Vergleich gekommen sei. Es werde eine sogenannte „Teillöschung“ erfolgen. Diese Teillöschung habe sie dann am […].2010 vorgenommen. In einem Telefonat vom […].2010 mit einem Mitarbeiter des Schuldnervertreters habe sie in diesem auch mitgeteilt, dass diese Teillöschung erfolgt sei. Sie bezweifle indessen, dass sie dem Mitarbeiter des Schuldnervertreters auch gesagt habe, der Schuldner solle vorerst keine Zahlungen vornehmen. Genau könne sie sich an diese Vorgänge nicht mehr erinnern. Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Zwickau hat festgestellt, dass sich in der Prozessakte zwar ein Erledigungsvermerk der Kostenbeamtin über die Abfertigung der Teillöschung finde. In der Prozessakte befinde sich indessen nicht – wie sonst üblich – eine Durchschrift der entsprechenden Kostenrechnung über die Teillöschung. Dies wird von der Bezirksrevisorin ausdrücklich beanstandet (Verbleib ist aufzuklären!!!).Die Bezirksrevisorin stellte ferner fest, dass die von der Kostenbeamtin gefertigte Sollstellung der Teillöschung an das Oberlandesgericht weitergeleitet sei, ohne dass ein Grund hierfür ersichtlich sei. Unter diesen, teilweise ungeklärten Umständen der Teillöschung, erscheint es dem erkennenden Gericht plausibel und nachvollziehbar, dass jedenfalls die (konkrete) Möglichkeit besteht, dass die Teillöschung vom […].2010 dem Schuldner nicht übermittelt wurde. Ebenso erscheint es dem Gericht nachvollziehbar, dass einem Kanzleimitarbeiter des Schuldnervertreters vor der Teillöschung vom […].2010 in einem Telefonat entweder gesagt wurde, dass er von der Bezahlung der Kostenrechnung über die 1.244,00 EUR wegen der bevorstehenden Teillöschung zunächst Abstand nehmen sollte oder ihm gesagt wurde, dass eine Teillöschung erfolgen wird ohne Klarstellung, dass die Kostenrechnung vom […].2010 trotzdem zu zahlen ist und der Kanzleimitarbeiter aus dieser Mitteilung die nahe liegende Schlussfolgerung gezogen hat, dass die (ursprüngliche) Kostenrechnung vom 23.09.2010 nicht mehr bezahlt werden muss, sondern eine neue Kostenrechnung abgewartet werden soll. Dem Schuldner kann allenfalls vorgeworfen werden, dass er auf die von der Gläubigerin behauptete Mahnung vom […].2011 nicht reagiert hat. Die Mahnung ersetzt indessen, die dem Schuldner zugesagte korrigierte Kostenrechnung nicht.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.“

AG Bautzen, Beschluss vom 23.3.2012 – 3 M 3253/11

Unterlassungsanspruch bei Verteilung von Gutscheinen in Spielhallen und angrenzenden Restaurants; kein Unterlassungsanspruch wegen Verstoß gegen Impressumspflicht bei abgekürztem Vornamen des Geschäftsführers

Nach dem Urteil des Landgerichts Dresden (LG Dresden, Urteil vom 29.2.2012 – 5 O 1980/11) kann ein Mitbewerber die Unterlassung der Verteilung von geldwerten Gutscheinen eines anderen Spielhallenbetreibers in den eigenen Spielhallen und den dort angrenzenden Restaurants fordern.

Im weiteren handelt es sich grundsätzlich um einen Verstoß gegen die Impressumspflicht auf einer Internetseite, wenn ein als GmbH organisiertes Unternehmen den Vornamen des Geschäftsführers abgekürzt wiedergibt.  Allerdings unterfällt ein solcher Verstoß unter die Relevanzklausel  bzw. Bagatelklausel und kann nicht durch einen Mitbewerber abgemahnt werden.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

M[…] GmbH, […]
vertreten durch den Geschäftsführer […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

E[…] GmbH, […]
vertreten durch den Geschäftsführer […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte […]

wegen Unterlassung

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch 
Richterin am Landgericht Dr. K[…] als Einzelrichterin
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom […].2012
am 29.02.2012

für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Klägerin beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Spielhallen bzw. an Spielstätten Dritter im Sinne der Spielverordnung Zahlungen oder sonstigen finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren unter Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Betrag in Höhe von 5,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab dem […].2011 zuzahlen.

3. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin 325,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem […].2011 zuzahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 11.128,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte sind jeweils ein Unternehmen, dessen Unternehmensgegenstand das Aufstellen und das Betreiben von Spielgeräten im Sinne der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeiten (SpielV) ist. Sie unterhalten jeweils Spielhallen in B[…]. Mitarbeiter der Beklagten verteilten am […].2011 und am […].2011 für die Spielhalle der Beklagten Gutscheine im Wert von 10,00 Euro. Diese Gutscheine enthalten den Hinweis „Keine Auszahlung möglich. Der Betrag wird am Gerät ihrer Wahl aufgebucht.“

Wegen des weiteren Erscheinungsbildes des Gutscheins wird auf Blatt 5 der Akte Bezug genommen. Für die Einholung einer Gewerberegisterauskunft zur Ermittlung des Betreibers der beworbenen Spielhalle entstanden der Klägerin Kosten von 5,- EUR. Mit Schreiben vom […].2011 forderte die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung und zur Erstattung der Anwaltskosten auf der Grundlage eines Gegenstandwertes von 10.000 Euro und eines Gebührensatzes von 1,3 auf.

Wegen des weiteren Inhalte[]s dieses Schreibens wird auf die Anlage K2 verwiesen. Die Beklagte antwort[]e[te] auf dieses Schreiben nicht. Gegen die Beklagte wurde in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren durch das Ord[n]ungsamt B[…] ein Bußgeld verhängt, das von dem Geschäftsführer der Beklagten ohne weiteres gezahlt wurde. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz der Kosten für das Abmahnschreiben erklärt die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einem eigenen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten für ein Abmahnschreiben von 749,- EUR für eine Ab[m]ah[n]ung der Beklagten vom […].2011 wegen eines Impressumspflichtverstoßes der Klägerin. Auf der Internetseite der Klägerin wurde im Impressum der Geschäftsführer der Klägerin bezeichnet als „Vertretungsberechtigter: Herr A […] (Geschäftsführer)“.

Die Klägerin behauptet die Gutscheine seien an den beiden Tagen in den Räumen ihrer Spielhalle unter der Anschrift […] in B[…] an dort anwesende Spieler verteilt worden.

Sie ist der Auffassung, der nunmehr geforderte Gebührensatz von 1,5 sei angemessen, da zur Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit des Handelns der Beklagten Fachkenntnisse im Wettbewerbsrecht erforderlich seien. Bei der Impressumspflichtverletzung handle es sich um eine Bagatelle, die einen Unterlassungsanspruch nicht begründe.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Spielhallen bzw. an Spielstätten Dritter im Sinne der Spielverordnung Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren,
2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in den Spielhallen bzw. an den Spielstätten der Klägerin Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren,
3. der Beklagten anzudrohen, dass in jedem Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,- Euro oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihre Organe festgesetzt wird,
4. die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
5. die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 374, 50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
 

Die Klageschrift wurde der Beklagten am […].2011 zugestellt. Die Beklagte hat zunächst Klageabweisung beantragt und [später] die Unterlassungserklärung vorsorglich abgegeben. Die Klägerin erklärt daraufhin den Rechtsstreit für erledigt hinsichtlich der Klageanträge Ziffer 1 bis 3.

Die Beklagte schließt sich der Erledigung[s]erklärung an, soweit die Klägerin beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sonstige finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhalle zu gewähren. Im Übrigen widerspricht die Beklagte der Erledigungserklärung und beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die streitgegenständlichen Gutscheine seien von ihrem Geschäftsführer nicht bewusst mit diesem Inhalt in den Verkehr gegeben worden. Es hätten als Getränke- und Buffetgutscheine formulierte [C]as[]inogutscheine gedruckt und verteilt werden sollen. Der Mitarbeiter der Beklagten, dem die Bestellung und das Verteilen der Gutscheine übertragen worden sei, habe die Erstellung der Gutscheine nicht ordnungsgemäß überwacht. Dies sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Die Gutscheine seien in diversen Lokalen ausgelegt worden, so unter anderem in einer Baguetteria, in deren hinteren Zimmern sich die Spielhalle der Klägerin befindet. Ein Anlass für eine Abmahnung habe nicht bestanden, nachdem der Geschäftsführer der Beklagten sich in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren für das Versehen entschuldigt hatte und das Ordnungsgeld gezahlt wurde. Im Übrigen sei das Abmahnungsschreiben nicht hinreichend konkret, da es die beanstandete Handlung nach dem Ort der Begehung nicht ausreichend detailliert bezeichne. Sowohl der Gebührensatz von 1,5 als auch der Gegenstandswert von 10.000,- Euro seien überhöht. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Klägerin eine Gebühr in Rechnung gestellt worden sei. Ausweislich der Formulierung in dem Abmahnschreiben sei dem Klägervertreter bereits ein unbedingter Klageauftrag erteilt worden, sodass eine Geschäftsgebühr nicht entstanden sei. Die Beklagte ist der Auffassung, jedenfalls sei ein Zahlungsanspruch durch die Aufrechnung erloschen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs, der Gegenstand der einseitigen Erledigungserklärung der Klägerin ist, als auch hinsichtlich des Zahlungsanspruchs begründet.

1. Zu dem Unterlassungsanspruch ist durch die Abgabe der Unterlassung[s]erklärung der Beklagten vom […].2011 […] die Hauptsache erledigt. Das erledigende Ereignis ist nach Zustellung der Klageschrift an die beklagte Partei am […].2011 eingetreten. Die Klage war zu diesem Zeitpunkt zulässig und begründet. Der Klägerin stand gem. § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Ziffer 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG ein Verletzungsunterlassungsanspruch aufgrund einer in der Vergangenheit begangenen Verletzungshandlung zu mit dem Inhalt, es zu unter lassen, in Spielhallen bzw. an Spielstätten Dritter im Sinne der Spielverordnung Zahlungen oder sonstigen finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren.

a) Das Verhalten des Mitarbeiters der Beklagten stellt einen Verstoß gegen § 9 Abs. 2 SpielV dar, indem in Form von Spielgutscheinen finanzielle Vergünstigungen an Spieler gewährt werden. Die SpielV enthält Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob das Herstellen und Verteilen der Gutscheine in der dargelegten Form auf einer konkreten Anweisung des Geschäftsführers der Beklagten an ihre Mitarbeiter beruht. Der Unterlassungsanspruch setzt lediglich ein rechtswidriges, nicht notwendigerweise ein schuldhaftes wettbewerbswidriges Verhalten voraus. Die Beklagte ist zudem nach §8 Abs. 2 UWG für das wettbewerbswidrige Handeln ihrer Mitarbeiter und Beauftragten unabhängig von der Verletzung einer Überwachungspflicht verantwortlich und kann insoweit auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Ebenfalls nicht abschließend zu klären ist, ob die Gutscheine in den Räumen einer von der Klägerin betriebenen Spielhalle oder in der angrenzenden räumlich getrennten Baguetteria verteilt wurden. Auch im letztgenannten Fall wurde die finanzielle Vergünstigung in Form des Gutscheins an Spieler im Sinne des § 9 Abs. 2 SpielV gewährt. Spieler ist jede Person, die sich in Spielabsicht in einer mit Spielgeräten im Sinne des § 33 c Gewerbeordnung ausgestatten Räumlichkeit oder in der unmittelbaren Nähe solcher Räume aufhält. Damit sind auch solche Personen erfasst, die sich in einer angrenzenden Gaststätte befinden (vgl. VG Hannover Urteil vom 17.06.2009 AZ 11 A 4402/07). Durch das Auslegen der Gutscheine in der an eine der Spielstätten der Klägerin unmittelbar räumlich angrenzenden Baguetteria wurden die Gutscheine auch solchen Personen angeboten, die sich zuvor in der Spielstätte der Klägerin befunden, dort gespielt und das Spiel nur unterbrochen haben. Nach dem Vortrag der Beklagten befindet sich die von der Klägerin betriebene Spielhalle im hinteren Zimmer der Baguetteria.

Unerheblich ist, ob dies für denjenigen, der die Baguetteria betritt, ohne weiteres erkennbar ist, da es auf ein Verschulden nicht ankommt. Im Übrigen stellt auch das in dem Gutschein versprochene Einlösen des Gutscheines in der Spielhalle der Beklagten an Spieler eine Zuwiderhandlung nach § 9 Abs. 2 SpielV dar.

b) Die Klägerin hat sich vor der Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung zu Recht auf eine Wiederholungsgefahr berufen. Bei einem bereits erfolgten wettbewerbswidrigen Handeln wird die Wiederholungsgefahr indiziert. Durch die nach dem Beklagtenvorbringen von ihr gegenüber ihrem unmittelbar handelnden Mitarbeiter ausgesprochene Abmahnung wurde die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Auch ein[] Eingeständnis der Rechtswidrigkeit des Handelns durch die Zahlung des von der Ordnungsbehörde verhängten Bußgeldes führt nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Das Bußgeldverfahren betrifft den konkreten einmaligen Verstoß. Mit der Unterlassungserklärung sollen hingegen künftige auch im Kern gleichartige Verletzungshandlungen abgewendet werden. Verweigert der auf Unterlassung in Anspruch genommene Wettbewerber die Abgabe der Unterlassungserklärung, so besteht die Wiederholungsgefahr in der Regel fort. Die Zusage des Wettbewerbers, von einer Wiederholung künftig Abstand zu nehmen, genügt ebenso wenig wie eine Einstellung der beanstandeten Werbung.

Im Fall des Handelns des Mitarbeiters wäre im Übrigen für den Unternehmer eine Wiederholungsgefahr allenfalls durch eine entsprechende Erklärung des Mitarbeiters, der die wettbewerbsrechtlich beanstandete Handlung ausgeführt hat, ausgeschlossen.

c) Der mit der Klage formulierte Verletzungsunterlassungsanspruch ist nicht zu weit gefasst.

Der Unterlassungsanspruch aus § 3 Abs. 1 UWG erfasst nicht nur die konkrete bereits begangene Verletzungshandlung, sondern erstreckt sich auch auf im Kern gleichartige Verletzungshandlungen, wie die Gewährung sonstiger finanzieller Vergünstigungen an Spieler. Damit kann die Klägerin das Unterlassen von Zahlungen an Spieler verlangen, auch wenn die Auszahlung des Gutscheinbetrages in dem beanstandeten Gutschein ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Der Unterlassungsanspruch beschränkt sich zudem nicht auf Handlungen in dem Bereich der Spielhalle der Kläger[i]n, sondern erfasst auch solche Handlungen in anderen Spielhallen.

Eine Werbemaßnahme, wie sie nach dem Beklagtenvorbringen ausgeführt wurde, ist allen Mitbewerbern untersagt. Durch ein wettbewerbswidriges Handeln in den Spielhallen anderer Wettbewerber würde sich die Beklagte auch gegenüber der Klägerin einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen. Damit wäre die Klägerin auch durch eine solche Maßnahme als Wettbewerber beeinträchtigt.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Auskunft aus dem Gewerberegister in Höhe von 5,00 Euro. Es handelt sich hierbei um erforderliche Aufwendungen für eine berechtigte Abmahnung.

a) Aus den dargelegten Gründen bestand vor der Abgabe der Unterlassung[s]erklärung ein Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Die Abmahnung war berechtigt im Sinne des § 12 Abs. 2 UWG, denn sie war aus der Sicht des Abmahnenden erforderlich, um die Beklagte zu einem wettbewerbskonformen Verhalten in der Zukunft zu veranlassen.
Die Abmahnung, mit der die Klägerin die Unterlassung begehrt, „Verbrauchern Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen zu gewähren“ war zwar möglicherweise inhaltlich zu weit gefasst. Die vorformulierte Unterlassungsverpflichtungserklärung beschränkt sich hingegen auf ein Handeln gegenüber Spielern. Im übrigen hat eine zu weit gefasst Unterlassungsaufforderung auf einen Anspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG keinen Einfluss.

Die Abmahnung ist ausreichend konkret. Nach dem Sinn und Zweck des Abmahnschreibens ist erforderlich und ausreichend eine so detaillierte Beschreibung des beanstandeten Verhaltens, dass dem Abgemahnten deutlich wird, welche Handlung der Mitbewerber zum Anlass für die Abmahnung genommen hat, so dass der Empfänger der Abmahnung prüfen kann, ob die se Handlung in seinem Unternehmen ausgeführt wurde und ob sie Wettbewerbs rechtlich zu beanstanden ist. Diesen Anforderungen genügt das Abmahnschreiben der Klägerin vom […].2011 […] durch die Darstellung der Handlung „am […].2011 wurden durch zwei Erfüllungsgehilfen ihres Unternehmens in der Spielhalle unserer Mandantschaft an die dort angetroffenen Spieler Gutscheine der nachfolgenden Art verteilt: … (Es folgt eine Kopie des Gutscheins.)… Auch am […].2011 wurden erneut durch einen Erfüllungsgehilfen ihres Unternehmens in der Spielhalle unserer Mandantschaft entsprechende Gutscheine an die dort angetroffenen Spieler verteilt“. Zwar wird die genaue Anschrift der Spielstätte der Klägerin, in der nach ihrer Darstellung in dem Abmahnschreiben Gutscheine in der abgedruckten Form ausgeteilt wurden, nicht mitgeteilt. Dies war jedoch nicht erforderlich, um der Beklagten eine Überprüfung der Beanstandung in dem dargelegten Sinne zu ermöglichen. Zwar war es der Beklagten aufgrund dieser Angaben ohne weitere Prüfung, an welchen Orten die Klägerin Spielhallen unterhält, nicht möglich, jeden ihrer Mitarbeiter danach zu befragen, ob er an diesem Ort Gutscheine verteilt hat. Es war ihr aber möglich, ihren Mitarbeitern die Frage zu stellen, ob diese in den Spielhallen von Wettbewerbern solche Gutscheine verteilt haben. Ein solches Handeln stellt eine so nachhaltige Werbemaßnahme dar, dass auch unter Berücksichtigung der Vielzahl der von den Mitarbeitern der Beklagten verteilten Gutscheine ohne weiteres davon auszugehen wäre, dass die Mitarbeiter der Beklagten in der Lage gewesen wären, auf diese Frage eine konkrete Antwort zu geben. Für die Beurteilung, ob das Mahnschreiben hinreichend konkret ist, kommt es nicht darauf an, ob die von der Klägerin behauptete Verletzungshandlung in der bezeichneten Form erfolgt ist.

b) Bei den Kosten für die Einholung der Gewerbeauskunft handelt es sich um erforderliche Aufwendungen im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Akteneinsicht in die Bußgeldakte des Ordnungsamtes Bautzen voraussichtlich ebenfalls die Information erbracht hätte, die sie durch die Anfrage zum Gewerberegister erlangt hat. Es ist jedoch nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass im Hinblick auf das laufende Bußgeldverfahren eine Akteneinsicht zeitnah hätte realisiert werden können. Die geltend gemachten Kosten der Registerauskunft von 5,00 Euro sind auch nicht so hoch, dass der Klägerin ein Zuwarten unter Hinnahme der Gefahr des Rechtsverlustes zumutbar gewesen wäre. Im Übrigen wären durch eine Aktensicht möglicherweise ebenfalls Kosten entstanden, die von der Klägerin der Behörde zu erstatten gewesen wären.

3. Auch die Anwaltskosten für die Erstellung des Abmahnschreibens kann die Klägerin aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG beanspruchen.

Als Abmahnkosten können solche Kosten geltend gemacht werden, die dem Abmahnenden tatsächlich entstanden sind. Eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG ist hier entstanden.

Ausweislich der Formulierung in dem Abmahnschreiben des Klägervertreters vom […].2011 […] „Für den Fall eines fruchtlosen Fristablaufs wurden wir bereits jetzt mit der gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche unserer Mandantschaft gegen ihr Unternehmen beauftragt.“ lag ein bedingter Klageauftrag vor. Bei einem bedingten Klageauftrag fällt die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG an. Scheitern die Versuche zur gütlichen Streitbeilegung, so entsteht im gerichtlichen Verfahren daneben die Verfahrensgebühr nach Ziffer 3100 VV RVG (Gerold/Schmidt, RVG 19. Auflage, W2300 Randnummer 6). Die Behauptung der Beklagten, es habe von vornherein ein unbedingter Klageauftrag vorgelegen, steht dem entgegen und stellt daher kein ausreichend konkretes Bestreiten dar.

Unerheblich ist, ob die Klägerin von ihrem Prozessbevollmächtigten bereits eine Rechnung erhalten und hierauf Zahlungen geleistet hat. Bestreitet der Gegner den Anspruch grundsätzlich, so kann der Gläubiger unmittelbar auf Zahlung und nicht nur auf Freistellung klagen. Dies gilt insbesondere, wenn der Gläubiger, wie hier, in dem Klageverfahren durch denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wird.

Der zugrundegelegte Gegenstandswert von 10.000 Euro ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich um eine Wettbewerbshandlung, die sich auf das Unternehmen der Klägerin nicht unwesentlich auswirkt. Unerheblich ist das Zugeständnis des Geschäftsführer[s] der Beklagten, dass das beanstandete Handeln wettbewerbswidrig war. Zum einen war dies zum Zeitpunkt der Abmahnung mit Schreiben vom […].2011 der Klägerin nicht erkennbar. Darüber hinaus wurde die Erklärung nicht ausreichend verlässlich abgegeben. Auf die vorangegangenen Ausführungen wird Bezug genommen.

Der erstmals mit der Klage beanspruchte Gebührensatz von 1,5 ist überhöht. Nach Ziffer 2300 VV RVG kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Hier liegt ein Mandat vor, das eine geringere Schwierigkeit aufweist, da es keine besonderen Kenntnisse im Wettbewerbsrecht erfordert. Auf der Grundlage des Vortrages der Klägerin stellt sich der Sachverhalt so dar, dass selbst dem wettbewerbsrechtlichen Laien zumindest erhebliche Bedenken hinsichtlich der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit des beanstandeten Handelns aufkommen. Die Klägerin trägt vor, die Gutscheine, die den Empfänger zum Besuch der Spielhalle der Beklagten veranlassen sollen, seien in den Spielstätten der Klägerin an dort anwesende Spieler verteilt worden. Dass eine solch nachhaltige Werbemaßnahme Wettbewerbs rechtlich unzulässig ist, bedarf keiner eingehenden Kenntnisse der wettbewerbsrechtlichen Recht[]sprechung.
Auf der Grundlage des Gebührensatzes von 1,3 errechnet sich eine Gebühr von 651,80 Euro netto (486 Euro x 1,3 + 20 Euro). [H]iervon beansprucht die Klägerin unter Bezugnahme auf die Anrechnungsbestimmung aus Vorbemerkung 3 Abs. 3 W RVG und § 15a RVG die Hälfte.

4. Der Zahlungsanspruch ist nicht durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung untergegangen.

Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten wegen des Impressumspflichtverstoßes aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Zwar stellt das beanstandete Verhalten einen Impressumspflichtverstoß nach § 5 TMG dar, indem der Vorname des Geschäftsführers der Klägerin lediglich mit dem Anfangsbuchstaben und einem Punkt zur Kennzeichnung der Abkürzung angegeben ist. Dieser Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit, begründet jedoch nicht ohne weiteres einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Nach der Relevanzklausel (Bagatelklausel) in § 3 Abs. 1 UWG bewirken nur solche unlauteren geschäftlichen Handlungen einen Unterlassungsanspruch, die geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Eine spürbare Beeinträchtigung liegt nicht bereits in dem Verstoß gegen § 5 TMG. Zwar mag die Verletzung von Vorschriften, die dem Schutz von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern dienen, ein Indiz für die Relevanz des Wettbewerbsverstoßes darstellen. Es ist jedoch nicht so, dass in jedem Fall ein Verstoß gegen solche Norm einen Unterlassungsanspruch begründet. Der Sinn und Zweck des § 5 TMG besteht darin, dem Verbraucher die Geltendmachung von Rechten zu ermöglichen. Der hier vorliegende Impressumspflichtverstoß beeinträchtigt diese Position des Verbrauchers nicht. Das Gericht folgt nicht der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichtes Düsseldorf in der Entscheidung vom 04.11.2008 (AZ 20 O 125/08). In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG erforderliche Angabe des Vornamens des Geschäftsführers sei insbesondere für etwaige Rechtstreitigkeiten von erheblicher Bedeutung. Diese Auffassung teilt das Gericht nicht. Anbieter der Leistung ist nicht der Geschäftsführer, sondern die juristische Person. Im Falle einer Klage gegen den Diensteanbieter bedarf es in der Klageschrift der Angabe von Vor- und Zunamen des Geschäftsführers der beklagten Partei nicht. § 253 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO verlangt die Bezeichnung der Partei in der Klageschrift. Die Bezeichnung muss so konkret sein, dass keine Zweifel an der Person bestehen. Bei prozessunfähigen Personen muss der gesetzliche Vertreter nur insoweit angegeben werden, als dies für die Zustellung erforderlich ist, sodass eine namentliche Bezeichnung des Vertreters nicht unbedingt notwendig ist (Zöller/Greger, ZPO, 29. Auflage, § 253 Randnummer 8). Daher kann bei einer unterlassenen Angabe des vollständigen Namens des Geschäfts[]führers des Dienstanbieters nicht von einer im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG relevanten Verletzungshandlung ausgegangen werden (LG Berlin Urteil vom 11.05.2010, AZ 15 O 104/10; KG Berlin Beschluss vom 11.04.2008, AZ5 W 51/08; kritisch zum Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf Schöttler Juris PR-ITR 1/2009 Anmerkung 5).“

LG Dresden, Urteil vom 29.2.2012 – 5 O 1980/11

Ansprüche eines Nachbarn hinsichtlich der Art und Weise bzw. des Aussehens der Grenzbebauung

Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden (OLG Dresden, Urteil vom – 9 U 1469/11) kann ein Eigentümer  eines Grundstücks  vom Eigentümer des benachbarten Grundstüks gemäß  §§ 1004 Abs. 1 BGB  i.V.m. Art. 124 EGBGB, §§2,  4 SächsNachbarRG i.V.m. § 242 BGB die Herabsetzung einer Grenzmauer auf das Ausmaß einer ortsüblichen Einfriedung verlangen.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger und Berufungskläger –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen

gegen

[…]

– Beklagter und Berufungsbeklagter –

wegen Störungsbeseitigung

hat der  9.  Zivilsenat  des Oberlandesgerichts  Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2012 […] für  Recht  erkannt:

1. Auf die  Berufung  des  Klägers  wird  das  Urteil  des Landgerichts  Bautzen vom 26.08.2011, Az.: 2 O 0398/10, unter  Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1)  wird verurteilt, die auf seinem Grundstück entlang  der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken […] verlaufende Mauer,  die  aus  sechs  Teilelementen,   abgestuft angeordnet,  besteht, unter  Aufrechterhaltung der Stützfunktion in der Höhe wie folgt zu reduzieren:

Im oberen sich an den Zaun des Beklagten anschließenden  Element gar  nicht,   im  unteren  am  Ende stehenden Element im Umfang einer Ziegelreihe, bei den verbleibenden vier Teilelementen um Umfang von je zwei Ziegelreihen.

[…]

Gründe :

I.

Von der  Darstellung des  Sachverhalts  wird  abgesehen,  da ein Rechtsmittel  gegen das angefochtene Urteil zweifelsfrei nicht  zulässig ist,  §§ 540 Abs.  2, 313 a Abs.  1 Satz 1 ZPO, §  2 6 Nr.  8  EGZPO.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist in dem ausgeurteilten Umfang begründet.

Er kann   von  dem   Beklagten  zu 1)   als  Eigentümer  des benachbarten  Grundstücks  gemäß  §§ 1004 Abs. 1 BGB  i.V.m. Art. 124 EGBGB, §§2,  4 SächsNachbarRG i.V.m. § 242 BGB die Herabsetzung der  in Rede stehenden Mauer auf das Ausmaß einer ortsüblichen Einfriedung verlangen (1.).

[…]

1.    Der  klägerische  Anspruch  beruht  auf  §§ 1004 Abs. 1 i.V.m. § 4 SächsNachbarRG.

a)    Nach § 4 SächsNachbarRG  darf jeder Nachbar sein Grund stück einfrieden. Ortsübliche Einfriedungen dürfen auch auf der Grenze errichtet werden. Wird dabei unmittelbar hinter  einer ortsüblichen Einfriedung aus Maschendraht im  Abstand von  ca.  20 cm eine nicht ortsübliche Mauer errichtet, die den Gesamteindruck der Anlage wesentlich prägt und  eine optische  Einheit bildet,   so kann  der Nachbar  eine auch  in ihrer optisch – ästhetischen Beschaffenheit festgelegte Einfriedung, die dem Ortsüblichen entspricht, verlangen.

Zwar  lehnt  die  Rechtsprechung  einen  Abwehranspruch nach  den die  Einfriedung von  Grundstücken  regelnden Vorschriften des  Nachbarrechtsgesetzes mit der Begründung ab,  das sich  aus § 903 BGB  ergebende Recht  des Eigentümers  auf seinem Grundstück, d. h. nicht auf der Grundstücksgrenze selbst, eine Einfriedung nach eigenem Ermessen  zu errichten,  bleibe unangetastet.  Beseitigungsansprüche  nach § 1004 BGB i.V.m. § 906 BGB bestehen regelmäßig nicht allein wegen optisch wahrnehmbarer und ästethisch  störender Vorgänge  oder  Zustände  auf einem  Grundstück (vgl. z.  B. grundlegend BGH Entscheidung vom 09.02.1979, Az.: V ZR 108/77 veröffentlicht in NJW 79,   1408 bis 1409; BGH Urteil vom 11.10.1996, Az.: V ZR 3/96).

Allerdings      gibt       § 1004 Abs.  1 BGB       i.V.m. Nachbarrechtsvorschriften,   hier   § 4 SächsNachbarRG, dann einen  Beseitigungsanspruch, wenn  die Einfriedung zwar bestimmungsgemäß  auf der  Grenze in  ortsüblicher Beschaffenheit  angebracht,  dicht  daneben  aber  eine nicht  ortsübliche Mauer  errichtet  ist.   Eine  solche Baumaßnahme kann,  so der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 09.02.1979, NJW 79, 1408 bis 1409 auf die vorhandene  Einfriedung unmittelbar  so einwirken, dass diese  im ortsüblich gestalteten Erscheingungsbild völlig  verändert wird  und damit im Wesen nach nicht mehr dem  entspricht, was  der  Grundstückstücksnachbar  als Einfriedung zu dulden hat.
So liegt der Fall zur Überzeugung des Senats angesichts des Gesamtgepräges vom Maschendrahtzäun und Mauer hier.

Dabei  wird nicht  verkannt, dass sich die Entscheidung des   Bundesgerichtshofs  zu  § 32 Nachbarschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen,  in dem  eine  Einfriedungspflicht vorgesehen ist,   verhält. Indes  teil[t] der  Senat  eine Auffassung in  der Kommentarliteratur  (Thomas/Schüter, Sächsisches Nachbarrecht, 2. Aufl., 2007 Seite 61), wo nach  die letztlich auf das Verbot von Rechtsmissbrauch zurückgehenden    Grundsätze   des    Bundesgerichthofs auch   für  die   Nachbarrechtsgesetze  Geltung   beanspruchen  können,   die  – wie  das  sächsische –  keine Einfriedungspflicht vorsehen.

b)   Eine  Duldungspflicht des  Klägers besteht  danach nur, soweit sich  die Mauer  an  ortsüblichen  Einfriedungen orientiert.   Da  das   Landgericht   ausweislich   des Protokolls   bei  dem  Ortstermin  vom  […].2011  die Ortsüblichkeit einer  durchgehend voll vermauerten Einfriedung i.H.v.  fast 2 m in der Umgebung nicht festgestellt  hat, kann  der Kläger die Herabsetzung der Höhe auf ein Maß verlangen, das sich an der unstreitig ortsüblichen Einfriedung,  dem  Maschendrahtzäun,  ausrichtet.  Dies wird,  wie aus  den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich  und mit  den Parteien  eingehend erörtert, durch die tenorierte teilweise Entfernung der Mauersegmente  auch unter Beachtung des Niveauunterschiedes der beiden Grundstücke, des zur […]straße hin abfallenden  Geländeverlaufes sowie  unter  Berücksichtigung der dies  aufnehmenden  gestuften  Mauerausführung  erreicht .

Zurückzuweisen war  die Berufung  insoweit, als sie auf die Beseitigung  der Mauer in der Höhe, in der sie über die  Bodenaufschüttung hinausragt,  abzielt. Mauerhöhen von – insoweit unstreitigen – 80 cm bis 1 m über Bodenniveau finden sich auch in der Umgebung.

Der Beklagte kann von dem Kläger die Duldung der bestehenden Maueranlage  auch nicht  unter dem Gesichtspunkt verlangen,   sie sei in vollem Umfang zur Abstützung des angrenzenden Swimmingpools bzw. der zum Klagegrundstück errichteten Aufschüttung erforderlich. Es spricht schon nichts dafür,   dass dies  zutrifft. Immerhin  ragt  die Mauer auch  nach einer  Kürzung auf  Seiten des  Grundstücks  des Beklagten noch deutlich aus dem Boden. Wäre dies doch  anders, wäre der Beklagte gehalten, für eine anderweitige  Abstü[t]zung Sorge zu tragen und sei es auch die Errichtung  einer vollständig neuen Mauer unter Beachtung der Höhenvorgaben dieses Urteils.“

OLG Dresden, Urteil vom – 9 U 1469/11