Unterlassungsanspruch bei beleidigenden anonymen Telefonanrufen

Durch das Amtsgericht Dresden (AG Dresden, Urteil vom 28.1.2010 – 116 C 2121/10) wurde entschieden, dass ein Anspruch auf Unterlassung von Beleidigungen durch anonyme Telefonanrufe auch dann besteht, wenn der Angerufene selbst den anonymen Anrufer im Verlaufe des Anrufes beleidigt und die Telefonanrufe bereits erhebliche Zeit zurückliegen.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Der Klägerin steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Anspruch aus § 1004 iVm. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, § 185 StGB zu.

Der Beklagte hat sich gegenüber der Klägerin beleidigend geäußert. Dies wird vom Beklagten auch nicht bestritten. Auf den genauen Wortlaut kommt es hierbei auch nicht an. Allerdings steht aufgrund der Angaben des Beklagten vor der Polizei am […] fest, dass er sich im Wesentlichen so geäußert hat, wie dies die Klägerin behauptet. Bei der Vernehmung am […] hat der Beklagte eingeräumt, die in der Strafanzeige aufgeführten Äußerungen getätigt zu haben. Die dort genannten Äußerungen entsprechen denen in der Klageschrift behaupteten.

Die Äußerungen des Beklagten erfüllen auch den Tatbestand einer Beleidigung im Sinne von § 185 StGB. Solche Äußerungen müsste die Klägerin auch dann nicht dulden, wenn sie ihrerseits auf die anonymen Anrufe mit Beleidigungen reagiert hätte.
Aufgrund der wiederholten Anrufe des Beklagten besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Diese hat der Beklagte nicht widerlegt. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Dies hat der Beklagte nicht getan. Allein der Zeitablauf ist nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

Der Klägerin steht aus § 823 Abs. 1 S. 2, 249 ff. BGB, § 185 StGB auch ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten zu. Auszugehen ist hier von einem Gegenstandswert in Höhe von 3.000,00 EUR. Dieser Betrag wird der Bedeutung des geltend gemachten Unterlassungsanspruches hinreichend gerecht, zumal die Anrufe bereits einen gewissen Zeitraum zurück liegen. Eine 1‚3 Geschäftsgebühr aus diesem Gegenstandswert beträgt 245,70 EUR. Zuzüglich 20,00 EUR Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie 19 % Umsatzsteuer ergibt sich der tenorierte Betrag in Höhe von 316,18 EUR. Aufgrund der endgültigen Verweigerung des Beklagten, diese Kosten zu übernehmen, schuldet der Beklagte gemäß § 250 BGB Ersatz in Geld, ohne dass es darauf ankäme, ob die Klägerin ihrerseits bereits Zahlungen an die Klägervertreter geleistet hat.

Der Zinsanspruch beruht auf § 291 BGB.

Einen Anspruch auf Erstattung der im Zusammenhang mit dem Strafverfahren entstandenen Kosten sind nicht erstattungsfähig. Diese Kosten fallen nicht unter den Schutz der privatrechtlichen Haftungsnormen (vgl. Palandt, BGB, 67. Auflage, Vorbemerkung vor § 249 Rn. 91 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.“

AG Dresden, Urteil vom 28.1.2010 – 116 C 2121/10

Nachträgliche Beschränkung der Berufung auf einen Kläger und Anforderungen an die freie Beweiswürdigung

Durch das Landgericht Bautzen (LG Bautzen, Urteil vom 22.1.2010 – 1 S 21/09), wurde entschieden, dass die Einlegung einer Berufung auch erst durch die Berufungsbegründung von anfänglich zwei auf später einen Kläger beschränkt werden kann.

Im Weiteren entschied das Gericht, dass im Sinne der freien Beweiswürdigung für eine richterliche Überzeugung erforderlich ist, dass insbesondere bei mehreren in Frage kommenden Ursachen hinsichtlich der entscheidungserheblichen Haftungsursache die Wahrscheinlichkeit unter Anwendung praktischer Vernunft hinsichtlich der möglichen anderen Ursachen “Schweigen gebietet“.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Die zulässige Berufung wurde nur durch den Kläger zu 2) eingelegt. Aus der Berufungsbegründung ergibt sich, dass die Anfechtung auf das klageabweisende Urteil gegen den Klager zu 2) beschränkt sein soll. Diese Beschränkung konnte zulässig noch in der Berufungsbegründung erfolgen (vgl. § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Zulässig ist auch die in der Berufungsbegründung vorgenommene Klageerweiterung durch den Kläger zu 2), der nunmehr alle Schadenspositionen aus eigenem Recht verfolgt (erstinstanzlich hatte noch der Kläger zu 1) Ansprüche, die der Sache nach nur dem Kläger zu 2) zustehen konnten, geltendgemacht). Zulassig ist die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz gemäß § 533 ZPO, da Grundlage der Ansprüche unverandert der Unfall vom 27.1 .2008 und seine Folgen für den Klager zu 1) ist (vgl. § 533 ZPO).

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Kammer konnte im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht die volle Überzeugung davon gewinnen, dass der Beklagte mit seinem PKW den Unfall verursacht hat. Zwar spricht dafür viel: Ein Fahrzeug, das nach Farbe und Typ dem wenige Zeit später vom Zeugen […] eingeholten PKW des Beklagten entspricht, wurde von den Zeugen als unfallverursachendes Fahrzeug gesehen. Die Beschreibung als “silberfarben“, die die Zeugen vor dem Amtsgericht, wie auch vor der Kammer abgaben, stimmt mit der tatsachlichen Lackierung des Fahrzeuges des Beklagten zwar nicht “haargenau“ überein, enstpricht ihr aber in etwa. Es ist naheliegend, dass Zeugen eines Unfalles insoweit nur eine ungefähre Beschreibung geben können, weil in einer derartigen Situation “Zwischentöne“ nicht genau erfasst werden. Auch der Zeitrahmen, innerhalb dessen der Beklagte durch den Zeugen […] eingeholt wurde, legt es nahe, dass kein weiteres Fahrzeug, auf das die Beschreibung der Zeugen passt, in der Zwischenzeit die Unfallkreuzung passierte. Denn der Beklagte wurde 4 km hinter der Unfallstelle in Richtung Löbau fahrend von dem Zeugen […] eingeholt. Bei einer unterstellten Geschwindigkeit des Beklagten von 80 km/h benötigte der Beklagte hierzu lediglich 3 Minuten – gerechnet von der Unfailstelle aus. Während dieser Zeit spielte sich das von den Zeugen geschilderte Geschehen an der Unfallstelle einschließlich der sich daran anschließenden „Verfolgungsfahrt“ des Zeugen […] ab; die zeitlichen Zusammenhänge “passen“ also zu der Annahme, der Beklagte sei der Unfallverursacher.

Gleichwohl kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein weiteres, dem Fahrzeug des Beklagten nach Typ und Farbe ähnliches Fahrzeug kurze Zeit nach dem Auffahren des Beklagten auf die B 6 dieselbe Stelle passierte und den Unfall verursachte. Dies ist zwar wenig wahrscheinlich, gleichwohl aber nach dem Beweisergebnis nicht ausgeschlossen. Es kommt im Alltag vor – ohne außergewöhnlich zu sein – dass zwei “gängige“ Fahrzeuge gleichen Typs (der A 6 ist nicht selten) und mit gleicher “gängiger“ Farbe – wie hier – kurz hintereinander dieselbe Stelle passieren. Derartiges erlebt man selber als Autofahrer nicht selten. Auf einer wenig befahrenen Nebenstraße ist das sicher weniger wahrschein als in einer Großstadt. Völlig unwahrscheinlich ist dies aber nicht. Der zeitliche Rahmen ist vorliegend aufgrund der bewiesenen Umstände eng, aber nicht so eng bemessen, dass es in zeitlicher Hinsicht ausgeschlossen erscheint, ein zeitlich dem Beklagten nachfolgendes weiteres Fahrezug als unfallverursachend ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Dabei verkennt die Kammer nicht: Wäre dem Beklagten ein seinem Fahrzeug ähnliches Fahrzeug nachgefolgt, dann wäre dieses, dann unfallverursachende, aber auch das vorausfahrende Fahrzeug des Beklagten, von den Zeugen gesehen worden. Ein unmittelbar vor dem unfallverursachenden Fahrzeug fahrendes bauart- und farbgleiches Fahrzeug hätten die Zeugen sicher wahrgenommen. Es kann aber vorliegend zeitlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein nicht unmittelbar dem Beklagten nachfolgendes, aber ein in kurzem Zeitabstand hinter dem Beklagten fahrendes Fahrezug den Unfall verursacht hat. Denn es fehlen ausreichende Anhaltspunkte, um den Zeitrahmen mit der erforderlichen Sicherheit so eng einzugrenzen, dass diese Möglichkeit ausgeschlossen ist. Dazu müsste nachgewiesen sein, mit welcher Geschwindigkeit der Zeuge […] seine Verfolgung durchführte und es müssten gesicherte zeitliche Angaben dazu bestehen, wie lange die Zeit vom Unfall bis zur Aufnahme der Verfolgung dauerte. Nur dann könnten sichere Aussagen dazu getroffen werden, ob die Unfallverursachung durch ein nachfolgendes Fahrzeug zeitlich ausgeschlossen oder völlig unwahrscheinlich ist. Ebenso kann es nicht ausgeschlossen werden, dass der Fahrer des unfallverursachenden Fahrzeuges die Möglichkeit hatte – noch bevor der Zeuge […] die Verfolgung aufnahm, oder zumindest bevor er das verfolgte Fahrzeug sehen konnte – in eine Nebenstraße abzubiegen. Die verbleibenden Zweifel an der Unfallverursachung durch den Beklagten, deren Bestehen man auch bei voller Würdigung des Beweisergebnisses unter Anwendung praktischer Vernunft nicht “Schweigen gebieten“ kann, gehen zu Lasten des Klägers, weil dieser die Voraussetzungen seines Anspruches beweisen muss.

[…]

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).“

LG Bautzen, Urteil vom 22.1.2010 – 1 S 21/09