Unterlassungsansprüche eines Unternehmens bezüglich der Verbreitung falscher Tatsachen über Zeitungen und das Internet

Nach dem Urteil des Amtsgericht Görlitz (AG Görlitz, Urteil vom 12.11.2012 – 4 C 688/12) hat ein Unternehmen ein Anspruch auf Unterlassung der  Verbreitung falscher Tatsachen über Zeitungen und das Internet.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

T[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

[…] B[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Unterlassung

hat das Amtsgericht Görlitz durch

Richter am Amtsgericht […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2012 am 12.11.2012

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Dritten zu behaupten, dass die Klägerin Personen aus Kaltwasser den Verkauf von Kiesprodukten verweigere.

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 1500,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für vorgerichtliche Anwaltskosten 203,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2012 zu zahlen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages, hinsichtlich Ziffer 1. des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte hat der Sächsischen Zeitung einen Leserbrief geschickt der in deren Papier-Ausgabe vom 03.11.2011 sowie in der online – Ausgabe veröffentlicht wurde.

Der Leserbrief befasst sich mit der Installation einer Straßenbeleuchtung in Kaltwasser, für die die Mitarbeiter des damit von der Gemeinde beauftragten Elektrountemehmens Kies benötigten. Die Beklagte führte in dem von ihr für die Veröffentlichung durch die Zeitung bestimmten Brief u.a. aus:

„… Das kann wohl nicht das Problem sein, dachten sich die Mitarbeiter der Elektrofirma, denn ganz in der Nähe gibt es ja die T[…], deren Geschäft es neben dem Betreiben einer Deponie auch ist, Kies zu fördern und zu verkaufen. Auf die Frage der T[…], wofür der Kies gebraucht werde, gab die arglose Elektrofirma bereitwillig Auskunft zur Verwendung. Daraufhin wurde der Elektrofirma eine Abfuhr erteilt, denn „für die Bürger von Kaltwasser gäbe es keinen Kies“.

Die Klägerin stellt in Abrede, dass dieser Satz wörtlich oder sinngemäß gefallen sei.

Von dem im Leserbrief dargestellten Sachverhalt hat die Beklagte, die nicht selbst zugegen war, Kenntnis von der Ortschaftratsvorsitzenden […] W[…] erlangt, die ihrerseits hiervon auch nur von anderen gehört haben will. Die Beklagte selbst hat vor der Veröffentlichung nicht mit den Elektrikern oder der Klägerin bzw. deren Mitarbeitern gesprochen.

Die Elektriker haben in einem von der Beklagten gegen die Klägerin angestrengten polizeilichen Ermittlungsverfahren die zitierte Äußerung nicht bestätigt. Die Beklagte hatte die Klägerin angezeigt, nachdem diese sie mit anwaltlichem Schreiben vom 09.11.2011 – fruchtlos – aufgefordert hatte, eine strafbewerte Unterlas[]sungserklärung bezüglich der streitigen Äußerung abzugeben. Die Beklagte fühlte sich durch das Unterlassungsbegehren genötigt (§ 240 StGB).

Das Ermittlungsverfahren wurde nach § 170 II StPO eingestellt.

Die Klägerin mußte ihren Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit 203,75 € zahlen.

Die Klägerin bestreitet, dass ein Mitarbeiter ihres Unternehmens geäußert habe, für die Bürger von Kaltwasser gäbe es keinen Kies.

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber Dritten, insbesondere durch Veröffentlichung von Zeitungsartikeln die falsche Tatsache zu behaupten, dass die Klägerin Personen aus Kaltwasser den Verkauf von Kiesprodukten verweigere,
  2. der Beklagten anzudrohen, dass sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 1500,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festgesetzt wird,
  3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 203,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beharrt. Die von ihr zitierte Äußerung sei so gefallen. Sie ist der Auffassung, berechtigt gewesen zu sein den kolportierten Satz zu verbreiten.

Das Gericht hat Beweis durch Vernehmung der Zeugen […] R[…],[…] M[1…], […] M[2…], […] W[…],[…] M[3…] und […] S[…] erhoben. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.10.12 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

  • 823 II BGB i.V.m. § 187 StGB scheidet allerdings als Anspruchsgrundlage aus, weil auch die Klägerin nicht Tatsachen behauptet, aus denen sich ergibt, dass der Beklagten die Unwahrheit der streitigen Tatsachenbehauptung positiv bekannt gewesen sei (vgl. Fischer, StGB, § 187, Rn. 4). Unstreitig hat die Beklagte, die bei dem beschriebenen Vorgang nicht selbst zu gegen war, ihre – allerdings unzutreffenden – Informationen von Dritter Seite bekommen und – zur Überzeugung des Gerichts – deren Richtigkeit angenommen.
  • 823 II BGB i.V.m. § 186 StGB scheidet als Anspruchsgrundlage ebenfalls aus. Es mangelt an der Eignung der streitigen Äußerung, die Klägerin in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder verächtlich zu machen. Diese setzt voraus, daß die verbreitete Behauptung einen Sachverhalt zum Inhalt hat, der nach objektiver Beurteilung regelmäßig negativ bewertet und dem Betroffenen in Verbindung mit einem negativen Werturteil zugeschrieben wird (Fischer, StGB, § 186, Rn. 4). An der Eignung fehlt es vorliegend, weil es der Klägerin nach den gesellschaftlich allgemein akzeptierten und der geltenden Rechtsordnung entsprechenden Grundsätzen der Vertragsfreiheit freisteht, mit wem sie (Kauf-) Verträge abschließt. Eine besondere, allgemein als negativ zu bewertende Motivlage für die nach Darstellung der Beklagten fehlende Kontrahierungsbereitschaft intendiert die streitige Tatsachenbehauptung nicht.

Es geht vorliegend vielmehr um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der durch §§ 823 I, 1004 BGB geschützt ist.

Nach den genannten Vorschriften werden Beeinträchtigungen abgewehrt, die sich gegen die ungestörte rechtmäßige Betätigung und Entfaltung eines funktionierenden Betriebes im Wirtschaftsleben auf Grundlage der schon getroffenen Betriebsveranstaltungen richten (Palandt/Sprau, BGB, § 823, Rn. 127). Diese lösen Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche aus.

Eine solche unmittelbar betriebsbezogene Beeinträchtigung liegt insbesondere in der Veröffentlichung von Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, einen bestimmten Kreis potentieller Kunden davon abzuhalten, mit dem Betriebsinhaber Geschäfte anzubahnen. Dies wird insbesondere bei Kunden der Fall sein, die einer Mitteilung Glauben schenken, nach der ein Unternehmen habe verlauten lassen, mit ihnen bestimmte Geschäfte nicht abzuschließen. Gerade um eine derartige, mit Bezug auf eine dem Geschäftssitz naheliegende, potentielle Kunden beherbergende Ortschaft aufgestellte Behauptung geht es hier.

Nur soweit die Beklagte beweist, dass ihre Tatsachenbehauptung zutrifft, ist diese nicht widerrechtlich – Art 5 11 GG. Anderenfalls hat sie sie zu unterlassen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, vor § 823, Rn. 18 ff). Die Beklagte konnte indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht den Nachweis erbringen, dass die von ihr kolportierte Äußerung tatsächlich gefallen ist. Die Beweisaufnahme hat vielmehr den Gegenbeweis erbracht.

Die an den Verhandlungen wegen Kieses mit der Mitarbeiterin […] R[…] der Klägerin unmittelbar beteiligten Zeugen […] M[1…] und […] M[2…] haben in Abrede gestellt, dass diestreitige Äußerung seitens der Zeugin R[…] gefallen sei, die einzig als Urheberin in Betracht kommt. Nach übereinstimmender Angabe der Zeugen war es so, dass die Zeugin R[…] Kies erst nach Rücksprache mit der Geschäftsleitung herausgeben wollte und sie dies auch so geäußert hat. Die Notwendigkeit der Rücksprache ergab sich nach der Erinnerung der Zeugin daraus, dass die Zeugen M[…] und M[…] sich nicht darüber erklären konnten, wem die Ware in Rechnung gestellt werden sollte, nach der Erinnerung der beiden anderen Zeugen deshalb, weil sie diese umsonst erhalten wollten.

Das Anlass der Verzögerung die Verwendung des Materials für Zwecke der Gemeinde Kaltwasser gewesen sei, hat keiner der Zeugen angegeben. Dass eine mit der Warenausgabe eines Unternehmens betraute Mitarbeiterin nicht nach eigenem Gusto Produkte kostenlos oder bei Unklarheiten über die Person des Käufers herausgeben kann, dürfte auf der Hand liegen.

Sie verstößt gegen arbeitsrechtliche Pflichten und riskiert Schadenersatzforderungen ihres Arbeitgebers, strafrechtliche und arbeitsrechtliche Sanktionen.

Das Gericht gelangt auch aufgrund der Angaben des Zeugen S[…] nicht zu einer anderen Überzeugung. Dieser hat zunächst angegeben, der Zeuge M[1…] habe ihm gegenüber geäußert, bei der Klägerin sei ihm gesagt worden, die Bürger von Kaltwasser würden von der TKK keinen Sand bekommen. Im Verlauf der Vernehmung hat er dies dann dahingehend präzisiert, nach Angabe des Elektrikers habe die Dame an der Waage der Klägerin gesagt, für Kaltwasser gebe es keinen Sand, jedenfalls nicht am 17.10.. Dies wiederum läßt sich gut in Übereinstimmung mit den Angaben der zuvor gehörten 3 Zeugen bringen, nach der am Tag des Geschehens die Ausgabe von Kies lediglich daran scheiterte, daß die Zeugin R[…] nicht die erforderliche Rücksprache mit der Geschäftsleitung halten konnte.

Die Zeugin W[…] wurde von dem Zeugen S[…] von der Kiesangelegenheit informiert.

Dieser habe ihr, so die Zeugin, erzählt, der Elektriker habe ihm erzählt, die Mitarbeiterin der Klägerin habe sinngemäß geäußert, daß Kies nicht für Kaltwasser abgegeben werde. Sie habe sich daraufhin mit dem Zeugen M[2…] in Verbindung gesetzt. Dieser habe ihr sinngemäß gesagt, dass ihm bedeutet worden sei: „Für die nicht.“. Der Zeuge M[1…] habe ihr bestätigt, dass er bei der TKK keinen Kies bekommen habe und sinngemäß gesagt, dass dies sich gegen die Gemeinde Kaltwasser richte. Die Zeugin M[3…] hat angegeben, ein solches Gespräch aus einem Kraftfahrzeug heraus quer über die Straße hinweg verfolgt zu haben.

Über die näheren Umstände, insbesondere ob der Abgabe des Kieses wohlmöglich andere Hinderungsgründe, namentlich die Frage der Bezahlung, entgegen standen oder ob die Ablehnung endgültig war, hat sich die Zeugin W[…] bei den Elektrikern dabei nicht erkundigt.

Insoweit ist beachtlich, dass nach insoweit nicht anzuzweifelnder Angabe der Zeuginnen W[…] und M[3…] zwischen der Klägerin und einer Bürgerinitiative in Kaltwasser ein Streit schwelt, der sich auf die Absicht der Klägerin, ihren Betrieb zu erweitern, bezieht. In dieser Initiative sind u.a. die Zeugen S[…], W[…] und M[3…] sowie die Beklagte aktiv. Es liegt deshalb nahe, anzunehmen, dass sich für die Zeugin W[…] subjektiv ohne weiteres Nachfragen die Überzeugung bildete, die von ihr als endgültig fehlinterpretierte Ablehnung der Abgabe von Kies stehe im Zusammenhang mit den bestehenden Meinungsverschiedenheiten und dem daraus resultierenden unguten Verhältnis. Tatsächlich war dies allerdings, wie sich aus den Angaben der Zeugen M[1…], R[…] und M[2…] zweifelsfrei ergibt, nicht der Fall.

Die Beklagte hätte sich problemlos durch eigene Rückfrage bei den Zeugen R[…], M[1…] und M[2…] über den tatsächlichen Verlauf der versuchten Kiesbesorgung erkundigen und so die Verbreitung der unzutreffenden Behauptung vermeiden können.

Wie bereits dargelegt, liegt in der dennoch erfolgten Kolportage ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin. Es besteht auch die Gefahr, dass die Beklagte ihre unzutreffende Behauptung wiederholt. Sie hat die begehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben und beharrt auch im Verlauf des Rechtsstreits auf der Richtigkeit. Sie war deshalb strafbewehrt zur Unterlassung zu verurteilen.

Der Beklagten waren für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das erlassene Verbot die in § 890 I ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel, begrenzt durch den Klageantrag, anzudrohen.

Die Beklagte hat als Schadenersatz (§ 823 BGB) auch die Abmahnkosten zu tragen. […]

Für die Kostenentscheidung war § 91 ZPO maßgeblich.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.“

AG Görlitz, Urteil vom 12.11.2012 – 4 C 688/12

Zur Beweislast für das Vorliegen von Mängeln bei Gefahrenübergang bei Lieferung und Einbau von Fenstern

Durch das Amtsgericht Esslingen (AG Esslingen, Urteil vom 11.10.2012 – 5 C 691/12) wurde zur Beweislast für das Vorliegen von Mängeln bei Gefahrenübergang bei Lieferung und Einbau von Fenstern entschieden:

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

1) […]

– Beklagte –

2) […]

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:

[…]

hat das Amtsgericht Esslingen

durch die Richterin am Amtsgericht […]

am 11.10.2012 auf die mündliche Verhandlung vom 23.08.2012

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 1.003,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 07.09.2011 zu bezahlen. Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar:

Die Beklagtenseite kann die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Streitwert: 1.003,72 €

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die restliche Bezahlung ihrer Rechnung vom 08.12.2010 (Bl. 25) über 3.011,16 €, von der noch 1.003,72 € offen stehen.

Der Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagten, die von der Firma B[…] als Bauträger ein fertiges Einfamilienhaus erworben hatten, beauftragten die Klägerin, die dort die Fensterarbeiten im Auftrag der Firma B[…] ausgeführt hat, mit einem Sonderwunsch, nämlich einer Sonderausführung der Fenster mit Einbruchshemmung und Sonderverglasung P 4 A (Angebot der Klägerin vom 03.09.2010, Bl. 24; Auftragsbestätigung vom 05.09.2010, Bl. 23). Auf Grund ihrer darüber erstellten Rechnung vom 08.12.2010 (Bl. 25) begehrt die Klägerin nunmehr von den Beklagten die restliche Bezahlung dieses Sonderwunsches und stellt

den in der Entscheidung zuerkannten Antrag mit der Maßgabe, dass Zinsen seit 17.12.2010 begehrt werden.

Die Beklagten beantragen

Klagabweisung.

Sie tragen vor, dass eines der feststehenden Fensterelemente in ihrem Wohnzimmer an der Außenseite der Verglasung Kratzer aufweise und daher mangelhaft sei (Lichtbilder, Bl. 64, Skizze Bl. 63, Grundriss Bl. 49). Diese Kratzer seien ihnen bei der gemeinsamen Besichtigung und Übergabe des Hauses am 09.06.2011 (Abnahme/Übernahmeprotokoll, Bl. 53) nicht aufgefallen.

Auch bei ihrem Einzug Ende Juni 2011 – die Fenster seien bereits geputzt gewesen – hätten sie diese nicht bemerkt. Sie hätten die Kratzer erst zwei bis drei Wochen nach ihrem Umzug entdeckt und sofort die Firma B[…] verständigt, die sich diesbezüglich mit der Klägerseite in Verbindung gesetzt habe (Mail vom 22.08.2011, Bl. 68). Die Beklagten selbst hätten dann mit einer weiteren Mail vom 28.11.2011 (Bl. 35) die Beseitigung der Kratzer in der Festverglasung begehrt. Sie sind der Ansicht, dass es sich dabei um einen typischen Transportschaden handele und sie den streitgegenständlichen Restbetrag der Rechnung vom 08.12.2010 erst nach dessen Beseitigung bezahlen müssten.

Die Klägerin tritt dem entgegen. Sie verweist darauf, dass die Kratzer ausweislich des Abnahme- und Übergabeprotokolls vom 09.06.2011 nicht vorhanden gewesen seien. Falls es sich um einen Werklieferungsvertrag handeln sollte, bei dem Kaufrecht zur Anwendung käme, sei auch die Vorschrift des § 476 BGB im Hinblick auf die Art des Mangels nicht anwendbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat bis auf einen Teil des Zinsanspruchs in der Sache Erfolg.

Die Beklagten sind verpflichtet, den Restbetrag aus der Rechnung vom 08.12.2010 in Höhe von 1.003,72 € zu bezahlen. Ein Zurückbehaltungsrecht aus einem Anspruch gegen die Klägerin auf Mängelbeseitigung steht ihnen nicht zu.

Zwar betrifft der streitgegenständliche Kratzer die von den Beklagten selbst bei der Klägerin in Auftrag gegebene Sonderverglasung, so dass den Beklagten insoweit eigene Gewährleistungsrechte zustehen. Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die streitgegenständlichen Kratzer im Hinblick auf die nach der mündlichen Verhandlung vorgelegte Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bauwesen (Bl. 74 f) als Mangel zu beurteilen oder zulässig sind. Selbst wenn es sich um einen Mangel handeln würde, müsste die Klägerin dafür nicht einstehen.

Beurteilt man den streitgegenständlichen Sonderwunsch-Vertrag als Werklieferungsvertrag, auf den gemäß §§ 651, 433 f BGB Kaufrecht anzuwenden wäre, käme es darauf an, ob der streitgegenständliche Mangel im maßgeblichen Übergabezeitpunkt vorgelegen hat. Es ist fraglich, wann dieser anzunehmen ist. In Betracht käme insoweit entweder der Lieferungs-/Einbauzeitpunkt, der vor dem 08.12.2010 gelegen haben dürfte, oder spätestens die Abnahme/Übergabe am 09.06.2011. Beurteilt man den Sonderwunsch-Vertrag als Werkvertrag, käme es auf die Abnahme vom 09.06.2011 an.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Kratzer zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhanden gewesen sind. Das Abnahme/Übergabeprotokoll vom 09.06.2011 (Bl. 53 f) das 14 Seiten umfasst, belegt, dass insbesondere auch die Fenster einer genauen Sichtprüfung unterzogen worden sind, bei der die streitgegenständlichen Kratzer, die sich auf den Lichtbildern deutlich zeigen, sowohl von den Beklagten als auch der Vertreterin der Firma B[…] nicht wahrgenommen worden sind, obwohl ansonsten etliche, auch sehr geringfügige Beschädigungen dokumentiert wurden.

Die Beklagten haben die Kratzer erst einige Wochen nach ihrem Einzug, also Ende Juni/Anfang Juli 2011 bemerkt. Des Weiteren handelt es sich um eine mechanisch verursachte Beschädigung, für deren Verursachung verschiedenartige Geschehensabläufe in Betracht kommen. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass die Kratzer erst nach Abnahme/Übergabe entstanden sind.

Die Beweislast dafür, dass der streitgegenständliche Mangel im maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen ist, tragen die Beklagten. Der Kratzer wurde erstmals erst nach Abnahme, nämlich durch die Mail der Firma B[…] vom 22.08.2011 (Bl. 68), und die Mail der Beklagtenseite vom 28.11.2011 (Bl. 35) gerügt. Die vorangegangenen Mails der Beklagten vom 27.02.2011 (Bl. 36) und 25.12.2010 (Bl. 48) betrafen nach Angaben der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung die Vermutung, dass „falsche“ Scheiben, also nicht das bestellte Sonderglas eingebaut worden seien, worauf das Klopfgeräusch hingedeutet habe.

Auch bei Anwendung von Kaufrecht bleibt die Beweislast auf der Beklagtenseite. § 476 BGB kommt auf Grund der Art des streitgegenständlichen Mangels nicht zur Anwendung. Dieser kann nämlich jederzeit durch Dritteinwirkung zustande gekommen sein.

Die Beklagten sind insoweit beweisfällig geblieben. Eine Beweisaufnahme war nicht durchzuführen. Zwar haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, es handele sich um einen typischen Transportschaden und dies unter Sachverständigenbeweis gestellt. Dieser Beweisantritt ist zum Beweis der entscheidungserheblichen Tatsache jedoch nicht geeignet. Es mag nicht auszuschließen sein, dass ein derartiger Schaden auch durch den Transport der Fensterelemente entstanden sein kann. Ebenso sind jedoch auf Grund des Erscheinungsbildes des Schadens und im Hinblick darauf, dass dort mehrere Häuser zugleich samt Aussenanlagen neu errichtet worden sind, etliche andere Geschehensabläufe denkbar, die zu dessen Entstehung geführt haben könnten. Ausreichend sichere Feststellungen dazu, ob das Fensterelement im maßgeblichen Zeitpunkt bereits diese Beschädigung aufgewiesen hat oder nicht, würden sich damit nicht treffen lassen.

Die Beklagten haben daher die restliche Rechnung zu bezahlen.

Der Anspruch auf Bezahlung von Verzugszinsen beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB.Verzugseintritt ist allerdings erst ab Zugang der Mahnung vom 05.09.2011 (Bl. 26) anzunehmen. Die Vorschrift des §286 Abs. 3 BGB ist im Hinblick auf die Beklagten als Verbraucher nicht anwendbar. Weitere Mahnungen sind nicht vorgetragen. Im Gegenteil hatten die Parteien ausweislich der Mahnung vom 05.09.2011 weitere Zahlungen wohl zunächst von der Übersendung der Prüfberichte abhängig gemacht. Verzugseintritt ist damit erst ab 07.09.2011 anzunehmen.

Es war daher wie geschehen zu entscheiden.

Kosten: § 91 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.“

AG Esslingen, Urteil vom 11.10.2012 – 5 C 691/12

Verteilung von Geldspielgeräten in Spielhallen im Rahmen des Nichtrauchendenschutzgesetzes

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin (VG Schwerin, Urteil vom 22.8.2012 – 7 A 2057/11) darf eine Behörde in Mecklenburg-Vorpommern nicht durch Bescheid festlegen, dass in einem für Raucher eingerichteten Nebenraum weniger Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit aufgestellt werden dürfen, als im Hauptraum.

Berufung: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 8.6.2016 – 2 L 25/13

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Verwaltungsstreitverfahren

T[…] GmbH, […]

– Klägerin –

Proz.-Bev.:

Rechtsanwälte Frings & Höhne,

Wallstr. 15, 02625 Bautzen

gegen

Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock,

[…]

– Beklagter –

wegen

Nichtraucherschutzauflagen zu Spielhallengenehmigungen

hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Schwerin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom

22. August 2012

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht […],

den Richter am Verwaltungsgericht […],

den Richter am Verwaltungsgericht […]

sowie die ehrenamtliche Richterin […]

und die ehrenamtliche Richterin […]

für Recht erkannt:

Der Bescheid des Beklagten vom 24.06.2011 für die Betriebsstätte T[…] (Halle 1) […] in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2011 wird insoweit aufgehoben, als im Nebenraum der Spielhalle mit dem Raucherbereich weniger Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten als im Hauptraum der Spielhalle mit dem Nichtraucherbereich aufgestellt werden dürfen.

Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2011 für die Betriebsstätte T[…] (Halle 2) […] in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2011 wird insoweit aufgehoben, als im Nebenraum der Spielhalle mit dem Raucherbereich weniger Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten als im Hauptraum der Spielhalle mit dem Nichtraucherbereich aufgestellt werden dürfen.

Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2011 für die Betriebsstätte G[…] (Halle 1) […] in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2011 wird insoweit aufgehoben, als im Nebenraum der Spielhalle mit dem Raucherbereich weniger Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten als im Hauptraum der Spielhalle mit dem Nichtraucherbereich aufgestellt werden dürfen.

Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2011 für die Betriebsstätte G[…] (Halle 2) […] in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2011 wird insoweit aufgehoben, als im Nebenraum der Spielhalle mit dem Raucherbereich weniger Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten als im Hauptraum der Spielhalle mit dem Nichtraucherbereich aufgestellt werden dürfen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit ergangener Auflagenbescheide für die Spielhallen in der T[…] (2 Hallen) sowie G[…] (ebenfalls 2 Hallen) jeweils in Rostock.

Die Klägerin betreibt unter den vorgenannten Adressen Spielhallenbetriebe mit entsprechenden Erlaubnissen nach § 33i Gewerbeordnung (GewO). Nach Inkrafttreten des 1. Gesetzes zur Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes Mecklenburg-Vorpommern vom 17. Dezember 2009, mit dem ausdrücklich auch in Spielhallen das Rauchen grundsätzlich verboten wurde, erfolgten durch den Beklagten zunächst Belehrungen wegen des weiteren Rauchens in den Spielhallen. Nach Durchführung mehrerer Vorortkontrollen am 22. […], 9. […] und 22. […] wurden in den Spielhallen baulich abgetrennte Nebenräume hergerichtet, die flächenmäßig kleiner sind als der jeweilige Hauptraum. Von dem Beklagten wurde kritisiert, dass sich sowohl in den Haupträumen als auch in den Nebenräumen jeweils 6 Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten befanden.

Nach Anhörung der Klägerin erließ der Beklagte für die einzelnen Betriebsstätten die streitgegenständlichen Bescheide jeweils vom 24. Juni 2011. Dabei handelt es sich um eine nachträgliche Auflage im Sinne des § 33i GewO mit folgendem Inhalt:

„Wenn ein Nebenraum als Raucherbereich eingerichtet wird, ist sicher zu stellen, dass die Spielhalle durch den Hauptraum ihr Gepräge erhält. Der Raucherraum ist so zu errichten, dass er gegenüber dem Hauptraum (Nichtraucherbereich) eine untergeordnete Größe und eine untergeordnete Funktion aufweist. Es ist zu gewährleisten, dass im Raucherbereich nach Art und Anzahl weniger Spielgeräte aufgestellt sind als im Hauptraum der Spielhalle.“

Außerdem wurde die sofortige Vollziehung insoweit angeordnet und ein Zwangsgeld von 1.000,- € angedroht für den Fall, dass die jeweils nachträglich ergangene Auflage innerhalb von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides nicht umgesetzt wurde.

Zur Begründung verwies der Beklagte in den Bescheiden darauf, die Einrichtung eines Raucherbereichs sei so zu gestalten, dass Gäste und Arbeitnehmer der Spielhalle adäquat vor Gesundheitsschäden geschützt seien. Gemäß § 2 Abs. 1 Nichtraucherschutzgesetz M-V müsse es sich bei dem Bereich für die Raucher um einen Nebenraum handeln. Nach Sinn und Zweck jenes Gesetzes liege ein Nebenraum nur vor, wenn er sowohl von der Grundfläche als auch von der Funktion nachrangig sei. Der Nachrang dieses Nebenraumes werde in einer Spielhalle im Hinblick auf seine Funktion nicht nur quantitativ nach der Anzahl, sondern auch qualitativ nach der Beschaffenheit der jeweils zur Verfügung stehenden Spielmöglichkeiten bestimmt. Der Nichtraucherschutz gebiete eine Verteilung des Spielangebots, die auch Nichtrauchern die ausreichende Möglichkeit eröffnet, vorhandene Spielgeräte nach Art und überwiegender Anzahl zu nutzen, ohne sich den Gefahren des Passivrauchens auszusetzen. Diese nachträgliche Auflage sei auch verhältnismäßig.

Mit Widersprüchen jeweils vom 30. Juni 2011 wandte sich die Klägerin gegen die nachträglichen Auflagenbescheide. Zur Begründung trug sie vor, dass nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck dieser Regelung aus dem Nichtraucherschutzgesetz eine Differenzierung des Nebenraumes nach der Grundfläche und auch nach der Funktion gegenüber den übrigen Räumen vorgenommen werde. Die vorliegenden Bescheide stellten jedoch überzogene Anforderungen, die nicht mehr dem Zweck des Nichtraucherschutzgesetzes dienten. Vorliegend würde schon in allen vier Spielhallen der Nebenraum eine deutlich geringere Fläche aufweisen, so dass hier eine Nachrangigkeit bestehen würde. Hinsichtlich der nachrangigen Funktion könne jedoch nicht eine konkrete Verteilung der Geldspielgeräte festgelegt werden. Die Spielhallen würden weit mehr Geräte mit Unterhaltungsmöglichkeiten aufweisen als die bloßen Geldspielautomaten. Hierzu gehörten Billardtische, Dartspielgeräte usw., die sich allesamt im Nichtraucherbereich befinden würden. Unter Beachtung aller Spiel- und Unterhaltungsgeräte sowie der weiteren Unterhaltungsmöglichkeiten liege der Schwerpunkt der Spielhalle offenkundig im Nichtraucherbereich. Durch eine differenzierte und isolierte Festlegung im Hinblick auf die Verteilung von Geldspielgeräten würden Nichtraucher nicht besser geschützt. Schlussendlich komme es im Sinne des Nichtraucherschutzgesetzes auch nicht darauf an, wie viele Geldspielgeräte den Besuchern zur Verfügung stünden, solange es im Verhältnis stets ausreichend Geräte seien bzw. für Nich[t]raucher jederzeit ein Geldspielgerät zugänglich sei. Denn so sei der Schutzzweck des Nichtraucherschutzgesetzes gewährleistet, wonach die Nichtraucher vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen seien. Es obliege angesichts des überwiegenden Anteils potenzieller rauchender Kunden allein dem Spielhallenbetreiber, entsprechend mehr Geräte im Raucherbereich aufzustellen. Es wäre unverhältnismäßig und unzumutbar für den Betreiber einer Spielhalle, entgegen offensichtlicher Tatsachen eine Vielzahl ungenutzter Geräte in dem Nichtraucherbereich aufzustellen, zumal die maximale Anzahl der erlaubten Geldspielgeräte stark beschränkt sei. Auf der Grundlage des Nichtraucherschutzgesetzes sei allenfalls die Einrichtung einer Spielhalle derart gefordert, dass ein Nichtraucher zur Vermeidung der Gefahr des Passivrauchens einen zumindest gleichwertigen Zugang zu allen Spielgeräten und Unterhaltungsmöglichkeiten in einer Spielhalle habe und hierdurch nicht gegenüber Rauchern benachteiligt werde. Durch die angeordnete Verteilung von Geldspielgeräten habe der Beklagte, ohne sich an tatsächlichen Umständen zu orientieren, den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Denn eine derartige Ungleichbehandlung hätte es erfordert, Unterschiede herauszuarbeiten zwischen zwei unterschiedlich behandelten Personengruppen als Normadressaten. Denn eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sei gegeben, wenn der Gesetzgeber bei Regelungen, die Personengruppen betreffen würden, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zur anderen Gruppe anders behandele, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen würden, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Dies sei Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 3262/07) vom 30. Juli 2008.

Mit jeweiligem Widerspruchsbescheid vom 29. November 2011 wies der Beklagte die erhobenen Widersprüche zurück. Die von der Klägerin beabsichtigte Aufstellung unter anderem von sechs Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit in dem jeweiligen kleinen Raucherbereich entspreche nicht dem Nichtraucherschutzgesetz des Landes. Auch unter Beachtung der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg -1 S 8.09 – vom 05. Juli 2009 bestimme sich der Nachrang eines Nebenraums in einer Spielhalle nicht nur nach der Größe, sondern auch der Funktion, hier nicht nur quantitativ nach der Anzahl, sondern auch qualitativ nach der Beschaffenheit der jeweils zur Verfügung stehenden Spielmöglichkeiten. Das Regel-Ausnahme-Prinzip zwischen Nichtraucher- und Raucherbereich müsse sich in der Gestaltung und Funktion des Raucherbereiches widerspiegeln. Der Schwerpunkt des Spielhallenbetriebes müsse deshalb im Hauptraum, dem Nichtraucherbereich, liegen. Daher seien im Nebenraum, also dem Raucherbereich, nach Art und Anzahl weniger Spielgeräte aufzustellen als im Hauptraum der Spielhalle. Dies werde nicht dadurch ausgeglichen, dass neben Geldspielgeräten auch Unterhaltungs- und Sportgeräte im Nichtraucherbereich der Spielhalle aufgestellt seien und somit der Schwerpunkt des Spielhallenbetriebs insoweit gerade in diesem Bereich liege. Vielmehr sei es Tatsache, dass insbesondere eine Unterbreitung von Angeboten in Form von Geldspielgeräten einer Spielhalle im Wesentlichen ihr Gepräge verleihe. Die besondere Bewertung von Geldspielgeräten werde zudem daran deutlich, dass die Aufstellung von Geldspielgeräten den Anforderungen der Spielverordnung genügen müsse. Zudem ergebe sich eine entsprechende Verteilung der Geldspielgeräte neben dem Nichtraucherschutzgesetz des Landes auch aus der ständigen Rechtsprechung zum § 33i GewO. Danach sei die an der Fläche gemessene Anzahl der Geldspielgeräte, je 12 m² ein Geldspielgerät, sowie deren Höchstzahl geregelt. Dies sei auch für den Nebenraum zu beachten.

Die nachträgliche Auflage, so die Widerspruchsbescheide weiter, sei auch jeweils verhältnismäßig. Nach diesem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfe eine Maßnahme der Behörde nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis stehe. Hier sei die streitgegenständliche Auflage geeignet, die Gesundheitsgefahren durch das Passivrauchen zu verringern. Auch seien mildere Mittel nicht ersichtlich. Weiterhin sei die nachträgliche Auflage auch erforderlich.

Mit Teilanfechtungsklage vom 29. Dezember 2011 wendet sich die Klägerin gegen die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten jeweils in der Gestalt der ergangenen Widerspruchsbescheide. Sie vertieft die bisherige Begründung aus dem Verwaltungsverfahren und verweist etwa unter Berücksichtigung der Entscheidung des Sächsischen VGH, Beschluss vom 20. November 2008 – Vf. 63-IV-08 (HS) – auf den Schutzzweck des Nichtraucherschutzgesetzes hin. Diesem sei jedoch auch dann Genüge getan, wenn die Nachrangigkeit des Nebenraums sich an Hand der Grundfläche und nicht zwingend auch der Anzahl der Geldspielgeräte ergebe. Angesichts der deutlich geringeren Flächen der Nebenräume sei vorliegend deshalb von einer „ausreichenden Nachrangigkeit“ auszugehen. Für Nichtraucher würden jederzeit hinreichend Unterhaltungsmöglichkeiten auch in Form von Geldspielgeräten zugänglich sein. Jede andere Sichtweise würde gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Denn eine Festlegung der Verteilung der Spielgeräte sei vorliegend ohne zwingende Gründe erfolgt und damit willkürlich.

Die Klägerin beantragt,

  1. Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2011 für die Betriebsstätte T[…] (Halle 1) […] in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2011 wird insoweit aufgehoben, als im Nebenraum der Spielhalle mit dem Raucherbereich weniger Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten als im Hauptraum der Spielhalle mit dem Nichtraucherbereich aufgestellt werden dürfen.
  2. Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2011 für die Betriebsstätte T[…] (Halle 2) […] in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2011 wird insoweit aufgehoben, als im Nebenraum der Spielhalle mit dem Raucherbereich weniger Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten als im Hauptraum der Spielhalle mit dem Nichtraucherbereich aufgestellt werden dürfen.
  3. Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2011 für die Betriebsstätte G[…] (Halle 1) […] in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2011 wird insoweit aufgehoben, als im Nebenraum der Spielhalle mit dem Raucherbereich weniger Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten als im Hauptraum der Spielhalle mit dem Nichtraucherbereich aufgestellt werden dürfen.
  4. Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2011 für die Betriebsstätte G[…] (Halle 2) […] in der Form des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2011 wird insoweit aufgehoben, als im Nebenraum der Spielhalle mit dem Raucherbereich weniger Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten als im Hauptraum der Spielhalle mit dem Nichtraucherbereich aufgestellt werden dürfen.

Außerdem stellt die Klägerin den Antrag, die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wendet sich gegen die Klage unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 05. Juni 2009 – OVG 1 S 8.09 -, juris). Auch unter Beachtung dieser Rechtsprechung sei von einem Nebenraum nur dann auszugehen, wenn dieser nicht nur in der Größe als nachrangig zu qualifizieren sei, sondern auch nach seiner Funktion. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, wenn die Klägerin im Nebenraum mehr Geldspielmöglichkeiten vorsehe als im Hauptraum. Dies führe zu einer qualitativen Aufwertung des Raucherraumes mit der Folge, dass dieser bezogen auf die Geldspielgewinnspiele unabhängig von seiner Größe zum Hauptraum würde, in welchem nach der gesetzlichen Regelung ein Rauchen aber unzulässig sei. Die vom Gesetzgeber im Rahmen des Nichtraucherschutzes zugrunde gelegten Gefahren des passiven Rauchens für Nichtraucher bestünden dann aber fort, wenn in dem kleineren Raum ein Gutteil der Hauptnutzung, nämlich die Nutzung der Geldspielgeräte, stattfinde und Gäste in dem größeren Raum wie im kleineren Raum bestehenden Angebote nicht oder nur eingeschränkt gemacht würden, diese dann zur Nutzung des Angebots an unterschiedlichen Geldspielgeräten also dann den Raucherraum betreten müssten. Diese Norminterpretation werde auch durch Hinweise des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Mecklenburg-Vorpommern in dem dortigen Internetauftritt gestützt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Die von der Klägerin vertretene Auffassung, es sei ausreichend, dass der Nichtraucher jederzeit Zugang zu „einem“ Geldspielgerät im Nichtraucherbereich habe, gehe fehl, da es nicht darauf ankomme, wie viele der Gäste rauchen. Denn bei einer überwiegenden Unterbringung der Spielgeräte im Raucherraum werde das grundsätzlich geltende Rauchverbot faktisch leerlaufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten überlassenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Insbesondere fehlt der Klägerin nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Sie leistet dem streitgegenständlichen Auflagenbescheid zwar auch derzeit Folge, dies jedoch nur aufgrund der sofortigen Vollziehbarkeit und etwaiger negativer Folgen bei Nichtbeachtung der Auflage.

Die Klage ist auch begründet. Der streitgegenständliche Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO); er unterliegt deshalb im beantragten Umfang der Aufhebung.

Dabei geht das Gericht unter Berücksichtigung auch der weiteren Begründung aus dem in der Sache ergangenen Widerspruchsbescheid noch von einer hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit der Auflage i. S. d. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz Mecklenburg-Vorpommern aus. Im Ergebnis waren sich auch die Beteiligten über das Verständnis der Auflage einig, dass in dem in den Spielhallen für Raucher im Vergleich zum Hauptraum eingerichteten kleineren Nebenraum Spielgeräte aller Gerätearten bzw. -typen jeweils nur in geringerer Anzahl aufgestellt werden dürfen.

Es handelt sich bei dem streitgegenständlichen Bescheid um eine nachträgliche Auflage zur Aufstellung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit nach § 33i Abs. 1 Satz 2 Gewerbeordnung. Nach dieser Vorschrift kann die Erlaubnis für den gewerbsmäßigen Betrieb einer Spielhalle u. a. mit einer auch nachträglich zulässigen Auflage verbunden werden, soweit dies zum Schutz der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist.

Der Tatbestand der Vorschrift ist erfüllt, da die nachträgliche Auflage erlassen wurde, um die Gäste vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen. Dabei kann, wie es auch der Beklagte vorgenommen hatte, auf das Nichtraucherschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern (NichtRSchutzG M-V) abgestellt werden, da dies Gesetz derartige Gefährdungen in Spielhallen betrifft; es fehlt aber an einer rechtmäßigen Ermessensentscheidung.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 8 NichtRSchutzG M-V ist das Rauchen u. a. in jedermann zugänglichen Spielhallen untersagt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NichtRSchutzG M-V können u. a. In Spielhallen – als einem der in Nr. 8 genannten Bereiche – Raucherbereiche eingerichtet werden. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NichtRSchutzG M-V sind diese als vollständig abgetrennte Nebenräume einzurichten, die die Belange des Nichtraucherschutzes nicht beeinträchtigen; nach Satz 3 haben zu den als Raucherbereich gekennzeichneten Räumen Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr keinen Zutritt (so auch schon nach § 6 Abs. 1 Jugendschutzgesetz).

Das Gericht stimmt mit dem Beklagten überein, dass es sich bei den jeweils vollständig abgetrennten Räumen im Vergleich zu dem weiteren Spielbereich um kleinere Nebenräume handelt, was sich neben der geringeren Grundfläche an Hand deren Funktion ergibt. Unter Berücksichtigung dieser Vorschrift kann man einen Raum als Nebenraum nicht nur nach der geringeren Größe einordnen, sondern muss auch auf dessen Funktion im Hinblick auf die Nutzung und die dort aufgestellten Spielgeräte abstellen. Entscheidend ist die Definition des unbestimmten Rechtsbegriffs „Nebenraum“ in § 2 Abs. 1 NichtRSchutzG M-V (dort „Nebenräume“). Der Wortlaut der Norm ist als Auslegungskriterium wenig aussagekräftig, da eine Definition des Raucherbereichs als vollständig abgetrennter Nebenraum erfolgt, nicht aber die des Nebenraums selbst. Nach diesem Wortlaut erfolgt eine Differenzierung zwischen Nebenräumen und zumindest einem weiteren Raum, in dem das Rauchen untersagt ist; dieser wird im Nichtraucherschutzgesetz allerdings nicht als Hauptraum bezeichnet wird. Es wird sich damit, da bei einem Durchgangsraum nicht mehr von einer vollständigen Abtrennung ausgegangen werden kann, um den Raum mit dem Eingangsbereich als Nichtraucherbereich handeln, von dem – abgetrennt – der Nebenraum zugänglich ist.

Soweit man auf den allgemeinen Wortsinn abstellt, ist auch dies für sich nicht eindeutig. Der Duden (hier: www.duden.de) definiert den Nebenraum zunächst als einen einem anderen Raum benachbarten Raum und ansonsten als einen (zu einer Wohnung o. ä. gehörenden) kleinen, nicht als eigentlicher Wohnraum vorgesehenen Raum (z. B. Bad, Abstellkammer). Diesem zweiten Definitionsansatz folgt erkennbar auch § 3 Abs. 2 Satz 3 Spielverordnung, der als Nebenräume „Abstellräume, Flure, Toiletten, Vorräume und Treppen“ definiert, während die anderen nicht näher benannten weiteren Räume für die Berechnung der Grundfläche heranzuziehen sind. Dies aber sind unter Beachtung der Definition des Nichtraucherschutzgesetzes neben Räumen des Nichtraucherbereichs auch der Nebenraum mit jeweils dort aufgestellten Spielgeräten.

Auch der Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus der Gesetzesbegründung zu dem Nichtraucherschutzgesetz ergibt, ist auf eine genauere Definition des Nebenraums im Vergleich zum Nichtraucherbereich nicht ausgerichtet. Die Landtagsdrucksache 5/466 vom 25. April 2007 zu dem Entwurf eines Nichtraucherschutzgesetzes M-V setzt sich – mangels damaliger Regelung nachvollziehbar – mit dieser Frage nicht auseinander. Die Landtagsdrucksache 5/2777 vom 9. September 2009 zu dem Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes M-V erläutert auf Seite 10, 2. Absatz, Folgendes:

„In Nummer 2 Buchstabe a wird nunmehr klargestellt, dass die Raucherbereiche als vollständig abgetrennte Nebenräume eingerichtet werden müssen. Dies ergab sich zwar bislang schon aus der ratio des Gesetzes, jedoch ist eine Konkretisierung nicht zuletzt wegen des verfassungsrechtlichen Gebotes der Normenklarheit erforderlich. Unter den ‚Belangen des Nichtraucherschutzes‘ ist zum einen zu verstehen, dass kein Tabakrauch in einen mit Rauchverbot belegten Bereich dringen darf; zum anderen wird auch ausgeschlossen, dass die eingerichteten Raucherbereiche ‚fliegend‘ sind. Es ist also nicht mehr möglich, einen Raum je nach Bedarf als Raucherbereich auszuweisen oder diese Ausweisung temporär aufzuheben. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass einzelne Komponenten des Passivrauchs lange in der Raumluft verweilen und sich die Partikel an Wänden, Gebrauchsgegenständen und auf Böden ablagern und von dort in die Raumluft gelangen. Daher sind Räume, in denen das Rauchen erlaubt ist, eine kontinuierliche Expositionsquelle für die Giftstoffe des Tabakrauchs, auch wenn dort aktuell nicht geraucht wird. Daraus resultiert, dass die Einrichtung von Raucherzonen in nicht völlig abgeschotteten Bereichen keinerlei Schutz vor dem Passivrauchen gewährleistet. In einer Diskothek darf in Raucherräumen zudem keine Tanzfläche vorgehalten werden. Mit dieser Regelung wird der ratio des Gesetzes Rechnung getragen, wonach der Nichtraucherschutz das Primat besitzt und die Belange des Gesundheitsschutzes besonders schutzwürdig sind (vgl. BVerfG, 1 BvR 3262/07 vom 30.07.2008, Absatz 102 ff.).“

Damit beschränkt sich der Gesetzgeber insoweit auf eine Begründung des vollständig abgetrennten Raucherbereichs, stellt aber wie auch in den allgemein geltenden Teilen der Begründung beider Landtagsdrucksachen auf die eigentliche ratio des Gesetzes ab, hier den Nichtraucherschutz, insbesondere den Schutz vor Passivrauchen. Das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Mecklenburg-Vorpommern hat deshalb in seinen vom Beklagten zitierten Hinweisen zum einen darauf verwiesen, dass der „Nebenraum … in seiner Gesamtbetrachtung zumindest nicht als übergeordnet eingestuft werden (darf).

Bei der Bestimmung von Haupt- und Nebenraum ist immer eine Einzelfallbetrachtung vor zunehmen. Insbesondere sind die Flächengrößen, die Lage und die Ausstattung der Räume als Entscheidungskriterien heranzuziehen. Zu berücksichtigen ist auch der Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeit (Anbieten von Speisen oder Darstellen von Aufführungen, das Spielen an Automaten).“ Zum anderen vertritt dies Ministerium zu der als möglich angesehenen Aufstellung von Spielgeräten im Nebenraum in seinen Hinweisen die Ansicht, dass „die Anforderungen des § 2 Abs. 1 NichtRSchG M-V (gelten). Die Ausstattung des Nebenraumes muss demzufolge sowohl quantitativ als auch qualitativ nachrangig zum rauchfreien Bereich sein. Nichtrauchern muss es ermöglicht werden, die insgesamt vorhandenen Spielgeräte nutzen zu können, ohne sich den Gefahren des Passivrauchens auszusetzen.“ Unter Beachtung der vorgenannten Landtagsdrucksachen und der das Gesetz interpretierenden Hinweise des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Mecklenburg-Vorpommern wird deutlich, dass Nichtrauchern die Nutzung aller Angebote einer Spielhalle ermöglicht werden muss, ohne sich der Gefahr des Passivrauchens auszusetzen. Dies lässt einen weiteren gebotenen funktionalen Ansatz erkennen.

Das Gericht stimmt mit der Beklagtenseite und auch dem Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Mecklenburg-Vorpommern deshalb überein, dass zur Definition des Nebenraums (auch) ein funktionales Verständnis des Begriffs unter Beachtung von Sinn und Zweck des Nichtraucherschutzgesetzes geboten ist. Dabei mag einer geringeren Größe des benachbarten Nebenraumes eine gewisse, jedenfalls aber für sich keine durchgreifende Bedeutung zukommen, was sich etwa auch aus der Differenzierung bei Gaststätten nach der Größe – neben anderen Kriterien – etwa nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 NichtRSchutzG M-V ergibt, während in § 2 Abs. 1 NichtRSchutzG M-V auf Größenangaben und -vergleiche verzichtet wird, was anderenfalls zu erwarten wäre. Entscheidend ist, dass der Schutz der Gäste vor Passivrauchen in Spielhallen immer gesichert ist, diesen also alle Angebote und Möglichkeiten geboten werden (so OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. September 2009 – 7 ME 31/10 -, Juris, Rnr. 8, sowie OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Mai 2012 – 7 A 11323/11 -, Juris, Rnr. 27 jeweils zu Nebenräumen in Gaststätten), was Spielmöglichkeiten an allen Gerätetypen in hinreichender Anzahl im Nichtraucherbereich voraussetzt. Diese müssen Nichtrauchern dort zur Verfügung stehen, ohne dass sie darauf angewiesen wären, für die Nutzung auch nur eines Spielgerätes den abgetrennten Raucherbereich betreten zu müssen.

Dennoch ist die vom Beklagten vorgesehene nachträgliche Auflage als zu weitgehend und deshalb rechtswidrig abzulehnen. Denn es sind mildere, gleich wirksame Mittel denkbar, die einerseits den Schutz der Gäste vor Passivrauchen sicherstellen, und andererseits die Klägerin damit in ihrem nach Art. 14, 12 des Grundgesetzes geschützten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb weniger belasten. Im Rahmen der vom Beklagten zu treffenden Ermessensentscheidung hätte eine solche Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen müssen; daran fehlt es, so dass der Bescheid im angefochtenen Umfang rechtswidrig ist.

Der Beklagte hatte für alle Gerätetypen bzw. -arten im Vergleich zum Raucherbereich einen größeren Anteil für den Nichtraucherbereich gefordert. Dies wird den Besonderheiten des Falles aber nicht gerecht. Zwar wird man bei einer solchen nachträglichen Auflage Pauschalisierungen vornehmen können, da regelmäßig Zählungen und Nutzungsabgleiche in Nichtraucher- und Raucherbereichen – zumal fortlaufend – nach und erst recht nicht vor Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach 33i GewO zur Verfügung stehen. Allerdings war jedenfalls im Widerspruchsverfahren und auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung unstreitig, dass (auch derzeit noch) mehr Raucher als Nichtraucher Spielhallen und insbesondere Geldspielgeräte nutzen. Der gebotene Nichtraucherschutz erfordert dabei aber keine nachträgliche Auflage dergestalt, dass für jeden Spielgerätetyp ein größerer Anteil für den Nichtraucherbereich gefordert wird als für den Raucherbereich. Denn die hinreichende Versorgung der Nichtraucher mit nutzbaren Spielgeräten ist zu nächst abhängig von der Anzahl der jeweiligen Spielgeräte. Wenn nur eine geringe Zahl identischer Geräte zur Verfügung steht, wie etwa bei den für den Aufsteller weniger lukrativen Geräten ohne Gewinnmöglichkeit, dann dürfte gegen eine überwiegende Verteilung zu Lasten des Raucherbereichs und zu Gunsten des Nichtraucherbereichs nichts einzuwenden sein. Dem kommt erkennbar auch die Klägerin nach, da sie alle Spielgeräte ohne Gewinnmöglichkeit wie etwa die besonders raumeinnehmenden Billardtische und Geschicklichkeitsspiele auf den Nichtraucherbereich beschränkt hat.

Anders liegt der Fall aber, wenn eine vergleichsweise große Zahl an identischen Geräten zur Verfügung steht, wie es etwa unter Berücksichtigung von § 3 Abs. 2 Satz 1 Spielverordnung bei den bis zu 12 Geldspielgeräten der Fall ist, die mittlerweile alle mit identischen Softwarepaketen ausgestattet sind. Hier erfordert es der Nichtraucherschutz wegen der geringeren Anzahl der – diese Geräte – spielenden Nichtraucher nicht, mehr derartige Geldspielgeräte in dem Nichtraucherbereich als im Raucherbereich aufzustellen, zumal von den beiden großen konkurrierenden Spielgeräteanbietern im Regelfall jeweils derartige Geldspielgeräte als Doppel angeboten werden, die den Aufstellungsvorgaben des § 3 Abs. 2 Spielverordnung entsprechen, und deshalb eine Aufteilung der 12 Geldspielgeräte auf die zwei Räume im Verhältnis 7/5 auch technisch problematisch ist. Bei einer Aufteilung der Geldspielgeräte auf Nichtraucher- und Raucherräume im Verhältnis dann 8/4 ist dies angesichts des Übergewichts der Raucher unter den Gästen umso weniger nachvollziehbar. Eine von der Klägerin gemäß ihrem Klageantrag gewünschte Verteilung der Geldspielgeräte im Verhältnis 6/6 auf Nichtraucher- und Raucherbereich ist vom Beklagten unter Berücksichtigung eines hinreichenden Nichtraucherschutzes nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten aber nicht (hinreichend) in die Ermessen[s]prüfung eingestellt worden.

Aber auch wenn man wie der Beklagte auf einen Nachrang des Nebenraums abstellt, ist der streitgegenständliche Bescheid in gleicherweise als rechtswidrig anzusehen. Denn ein solcher Nachrang bestimmt sich sowohl nach Größe und Funktion. Dies gilt gerade auch unter Berücksichtigung der – vom Beklagten als Vertreter für seine Rechtsauffassung zitierten – Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 5. Juni 2009 – OVG 1 S 8.09 -, GewArch 2009, 408 f., ergangen zu § 33c GewO) wenn dies wie folgt argumentiert:

„Nach dem Wortlaut des Gesetzes sowie im Hinblick auf seinen Schutzzweck ist ein Nebenraum … nur dann gegeben, wenn er sowohl von der Grundfläche als auch von der Funktion her gegenüber den übrigen Räumen der Gaststätte nachrangig ist (vgl. hierzu Scheidler, GewArch 2008, 287, 289). Dabei unterliegt es keinem Zweifel, dass sich der Nachrang des Nebenraums im Hinblick auf seine Funktion nicht nur quantitativ nach der Anzahl, sondern auch qualitativ nach der Beschaffenheit der in Haupt- und Nebenraum jeweils zur Verfügung stehenden Spielmöglichkeiten bestimmt. Der Nichtraucherschutz gebietet eine Verteilung des Spielangebots, die auch Nichtrauchern die ausreichende Möglichkeit eröffnet, die insgesamt vorhandenen Geldspielgeräte zu nutzen, ohne sich den Gefahren des Passivrauchens auszusetzen. Diesen Anforderungen genügt die vom Antragsteller gewählte ungleichmäßige Verteilung seines Spielangebots (Spielgeräte ohne Gewinnmöglichkeit ausschließlich im Hauptraum, Geldspielgeräte überwiegend im Nebenraum) nicht“.

Wie die vom OVG Berlin-Brandenburg mit dem vorgenannten Beschluss bestätigte Entscheidung der Vorinstanz, des VG Cottbus Beschluss vom 10. Dezember 2008 – 3 L 238/08 -, GewArch 2009, 408, 410) belegt, ist die Aufteilung der Geldspielgeräte, hier mindestens der Hälfte dieser Geräte im Nichtraucherbereich, als mildestes erforderliches Mittel verhältnismäßig, um einen Verstoß gegen das insoweit identische brandenburgische Nichtraucherschutzgesetz zu beseitigen. Der Nebenraum ist bei einer derartigen hälftigen Aufteilung der Geldspielgeräte dann als nachrangiger Nebenraum anzusehen, da so die geringere Größe des Nichtraucherraumes das entscheidende Moment darstellt, unabhängig davon, dass für den Nachrang auch die Aufteilung der sonstigen Spielgeräte insgesamt im Nichtraucherbereich spricht. Dies gilt auch für den vorliegenden Fall: der Beklagte hätte sich im Rahmen seiner Ermessenentscheidung mit einer gleichmäßigen Aufteilung der Geldspielgeräte im Raucher- und im Nichtraucherbereich auseinandersetzen müssen.

Dem Beklagten ist außerdem in seiner Auffassung nicht zu folgen, dass die vorgenommene nachträgliche Auflage einer Verteilung der Spielgeräte auf die einzelnen Räume schon mit der Spielverordnung zu begründen ist. Zwar enthält diese in § 3 Abs. 2 Satz 1 die Vorgabe, dass in Spielhallen – ohne Alkoholverabreichung zum Verzehr an Ort und Stelle (ansonsten nach Abs. 3 höchstens drei Geräte) – je 12 Quadratmeter Grundfläche höchstens ein Geld- oder Warenspielgerät aufgestellt werden und die Gesamtzahl 12 Geräte nicht übersteigen darf. Satz 2 dieser Vorschrift enthält Abstandsregelungen für diese Geräte. Daraus ist zu folgern, dass die Spielverordnung sich auf die Anzahl der Geräte beschränkt und keine Regelung über die Aufstellung von Spielgeräten innerhalb der Spielhalle als solcher enthält, damit aber auch eine solche Regelung – außer als Minus zu einer hier fernliegenden Versagung der schon erteilten Erlaubnis – nicht durch eine Auflage nach § 33t GewO erzwungen werden kann (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand: Februar 2012, § 33i Rnr. 23b m. w. N. bundesverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung). Im Übrigen sind derartige Erwägungen im Hinblick auf den gebotenen Nichtraucherschutz nach der nachträgliche Auflagen ermöglichenden Vorschrift des § 33i GewO nicht geboten und können deshalb auch keine ausreichende Ermessensbegründung ergeben.

Der streitgegenständliche Bescheid unterliegt danach im angegriffenen Umfang der Aufhebung; dies gilt auch im Hinblick auf die Androhung des Zwangsgeldes, da es angesichts der getroffenen vorstehenden Entscheidung an einer vollstreckbaren Verfügung mangelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, 167 Abs. 2 VwGO.“

VG Schwerin, Urteil vom 22.8.2012 – 7  A  2057/11

Siehe auch: Berufung: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 8.6.2016 – 2 L 25/13

Unvorhergesehene Verlängerung der Standzeit von Gerüsten: Rechtliche Konsequenzen

Das Landgericht Bautzen (LG Bautzen, Urteil vom 6.7.2012 – 1 S 143/11) hat als Berufungsgericht im Anschluss an das erstinstanzliche Urteil des Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 1091/10) über den Rechtscharakter eines Gerüststellungsvertrages und die daraus resultierenden vertraglichen Pflichten im Falle einer unvorhergesehenen Verlängerung der Standzeit entschieden. Das Gericht urteilte, dass der Gerüststellungsvertrag als Werkvertrag zu qualifizieren ist, weshalb die Klägerin verpflichtet war, das Gerüst entsprechend den vertraglichen und baurechtlichen Erfordernissen bis zum Abschluss der Bauarbeiten vorzuhalten. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen, da sie durch den vorzeitigen Abbau des Gerüsts eine Vertragsverletzung begangen hatte, die der Beklagten einen Schadensersatzanspruch zusprach, der den Vergütungsanspruch der Klägerin überstieg.

Der Rechtscharakter eines Gerüststellungsvertrages wird in der Regel nach Werkvertragsrecht beurteilt, insbesondere wenn die Überlassung des Gerüsts eng mit dem Baufortschritt und der Anpassung des Gerüsts an die Bauarbeiten verbunden ist. Das Gericht betonte, dass Verzögerungen im Bauablauf zu den typischen Risiken gehören, die vom Gerüstbauunternehmer berücksichtigt werden müssen. Ein vertraglich vereinbarter Bauzeitenplan dient nicht dazu, die Dauer der Gerüstvorhaltung zu begrenzen, sondern die Fertigstellung der Bauarbeiten zu koordinieren. Insofern bleibt der Gerüstbauunternehmer verpflichtet, das Gerüst bis zur tatsächlichen Beendigung der Bauarbeiten bereitzustellen, selbst wenn dies über die ursprünglich geplante Bauzeit hinausgeht.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin das Gerüst vorzeitig abgebaut und damit ihre vertraglichen Pflichten verletzt, was die Beklagte berechtigte, Schadensersatz wegen der durch den Abbau verursachten Bauverzögerungen und zusätzlichen Kosten geltend zu machen. Die Aufrechnung der Beklagten mit dem Schadensersatzanspruch führte dazu, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin erlosch.

Vorinstanz:

1. Instanz: AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 1091/10

Nachfolgende Instanz:

Revision: BGH, Urteil vom 11.4.2013 – VII ZR 201/12

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin und Berufungsklägerin –

[…]

gegen

Gemeinde C[…], […]

– Beklagte und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

wegen Forderung

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Bautzen durch Vorsitzenden Richter am Landgericht […] als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2012 am 06.07.2012

für Recht erkannt:

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Amtsgericht vom 19.10.2011, Aktenzeichen: 20 C 1091/10, wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
  4. Die Revision wird zugelassen.

[…]

Gründe:

Die Klägerin macht Restansprüche für das Aufstellen und Vorhalten eines Baugerüstes geltend. Die Klägerin erhielt für das Bauvorhaben „Umbau der Grundschule […]“ der Beklagten unter dem […].2009 den Auftrag zur Ausführung der Gerüstarbeiten und zur Vorhaltung der Gerüste auf der Grundlage des Angebotes der Klägerin vom […].2009 […]. Zwischen den Parteien war unstreitig die Geltung der VOB/B vereinbart. Grundlage des Vertrages war unter anderem die Geltung des von der Beklagten aufgestellten Bauzeitenplanes […]. Nach dem Bauzeitenplan sollten die Arbeiten, für welche das Gerüst benötigt wurde, bis Juli 2010 abgeschlossen sein. Für den Abbau der Gerüste war in dem Bauzeitenplan die Zeit vom 16.7.2010 bis 19.7.2010 angegeben. Die Klägerin hat das Gerüst gestellt und bis Juli 2010 vorgehalten. Nachdem ihr Angebot auf Abschluss eines neuen Gerüstbau- und Überlassungsvertrages durch die Gemeinde nicht angenommen worden war, hat die Klägerin das Baugerüst am 19.7.2010 abgebaut. Mit Schreiben vom 12.7.2010 hatte die Klägerin der Beklagten ihre Rechtsauffassung mitgeteilt, das Vertragsende sei zum 19.7.2010 „klar definiert“, so dass die Klägerin „das beiliegende Angebot als neues Angebot im Sinne der VOB für einen geänderten Leistungszeitraum“ ansehe.

Ansonsten werde sie das Gerüst abbauen. Beigelegt war das „Nachtragsangebot“ vom 12.7.2010 mit mehreren Zulage und Bereitstellungspositionen. Einzelheiten ergeben sich aus der Anlage […]. Die Beklagte nahm dieses Angebot nicht an. Sie erklärte mit Schreiben vom 16.7.2010 „Behinderung“ der auszuführenden Arbeiten und protestierte durch Schreiben des Bürgermeisters vom 19.7.2010 gegen den Abbau des Gerüstes.

Die Klägerin hat nach Abbau des Gerüstes Schlussrechnung über insgesamt 11.150,19 € gelegt und unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen einen Restbetrag von 2.161,52 € – den Betrag der Klageforderung – eingefordert (Einzelheiten: […]). Die Parteien streiten wegen der geltend gemachten Schlusszahlungsforderung der Klägerin um das Vorliegen einer wirksamen Abnahme (nachfolgend 1), um die Berechtigung von Nachträgen (nachfolgend 2.) sowie um die Berechtigung von Gegenforderungen mit denen die

Beklagte die Aufrechnung erklärt hat (nachfolgend 3).

Im Einzelnen:

Die Klägerin behauptet, sie habe ihre Leistungen vertragsgemäß und mangelfrei erbracht. Sie meint zwischen ihr und der Beklagten sei ein fester Überlassungszeitraum für das Baugerüst vereinbart worden. Dies ergebe sich aus dem Inhalt des schriftlichen Vertrages sowie aus dem in Bezug genommenen Bauzeitenplan. In rechtlicher Hinsicht vertritt sie den Standpunkt, die Überlassung des Gerüstes beurteile sich nach Mietrecht; der Überlassungszeitraum sei bis 19.7.2010 befristet gewesen. Sie sei berechtigt gewesen, das Gerüst bis zum 19.7.2010 abzubauen und habe damit ihre Leistung vollständig erbracht gehabt. Im Übrigen komme es auf eine Abnahme nicht mehr an, nachdem die Bauleistungen abgeschlossen seien und die Beklagte mit Schadensersatzansprüchen die Aufrechnung erklärt habe.

Die Beklagte vertritt in diesem Zusammenhang den Standpunkt, eine wirksame Abnahme liege nicht vor; die von der Klägerin geschuldete Leistung sei nicht vollständig erbracht worden.

Abnahme und Fälligkeit der Vergütung würden zudem durch das (unstreitige) Fehlen von Bautagebüchern und Unternehmererklärung gehindert.

Aus der Schlussrechnung der Beklagten sind die beiden Positionen […] und […] über 120,70 € netto und 77,01 € netto […] streitig. Nach unwidersprochenem Vortrag der Klägerin wurden allerdings die auf der Grundlage einer Mengenüberschreitung geltend gemachten Nachtragsangebote der Klägerin, welche eine Verlängerung der Standzeit des Gerüstes für den Altbau bis […].2012 vorsahen, bestätigt […]. Im Aufma[ß] zur Schlussrechnung sind die beiden Nachtragspositionen auf Seite […] enthalten.

Die Klägerin behauptet, die Nachtragsleistungen seien auch ausgeführt worden. Sie hätten den Altbau betroffen. Dort sei es zu einer Mengenmehrung, die Folge einer erheblichen Bauzeitüberschreitung, gekommen. Die Mengenmehrung selbst sei durch die unstreitige Schlussrechnungspositionen […] und […] inzident belegt.

Die Beklagte bestreitet, dass die in den Nachtragspositionen vereinbarten Leistungen ausgeführt worden seien.

Zu 3.

Die Beklagte hat mit behaupteten Schadensersatzansprüchen wegen Pflichtverletzung in Höhe von 3.228,34 € gegen den Schlusszahlungsanspruch der Klägerin aufgerechnet. Sie ist der Auffassung, im Abbau des Gerüstes durch die Klägerin zum 19.7.2010 liege eine Pflichtverletzung. Hierdurch sei der Beklagten ein Schaden in vorbezeichneter Höhe entstanden. Wegen das durch den Gerüstabbau bedingten Baustillstandes hätten Arbeitskräfte der Fassadendämmfirma umgesetzt werden müssen. Hierfür habe die Fassadendämmfirma 987,70 € berechtigt in Rechnung gestellt. Darüber hinaus seien zusätzliche Planungskosten auf Seiten des planenden und bauüberwachenden Unternehmens in Höhe von Brutto 728,07 € angefallen unter Zugrundelegung von 12 zu vergütender Mehrstunden über 49,50 €. Schließlich seien durch die Beauftragung einer anderen Gerüstbaufirma Mehrkosten in Höhe von 1.512,55 € entstanden; wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Aufstellung des Planers […] und auf die Schlussrechnung der Firma Claus Gerüstbau […] verwiesen.

Die Klägerin wendet hiergegen ein, eine Pflichtverletzung könne ihr nicht vorgeworfen werden (vgl. oben zu 1). Jedenfalls fehle eine bei Annahme eines Werkvertrages erforderliche Anweisung gemäß § 1 Nr. 4 VOB/B. Diese könne insbesondere nicht in der „Behinderungsanzeige“ vom 16.7.2010 gesehen werden. Die Schadensberechnung der Beklagten sei schon deshalb verfehlt, da der Beklagte im Falle der weiteren Vorhaltung des Gerüstes durch die Klägerin Mehrkosten hätte aufwenden müssen.

Das Amtsgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme zur Höhe der Schadensersatzpositionen der Beklagten die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Die Leistungen der Klägerin sei abgenommen, nach den Regeln über die fiktive Abnahme, jedenfalls sei sie abnahmefähig gewesen. Die Forderung der Klägerin sei bis auf die streitigen Nachträge auch berechtigt gewesen. Wegen der streitigen Nachträge habe dagegen die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung davon geführt, dass die in Rechnung gestellten Leistungen auch erbracht wurden.

Die Beklagte sei jedoch mit der Aufrechnung erfolgreich, weswegen die Forderung der Klägerin erloschen sei. Die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, das Gerüst zum 19.7.10 abzubauen. Auf den streitgegenständlichen Vertrag finde ausschließlich Werkvertragsrecht Anwendung. Hierfür sprächen abweichend von der Rechtsansicht verschiedener Obergerichte die Eigenart der vertraglichen Leistung sowie auch die Bedürfnisse der Praxis. Kaum ein Bauvorhaben werde zu dem vorher geplanten Fertigstellungstermin wirklich abgeschlossen. Bei der überwiegenden Anzahl der Bauvorhaben, kommt es aus vorher nicht vollständig kalkulierbaren Umständen zu Verzögerungen. Dies wisse auch der Gerüstbauunternehmer. Ale Baubeteiligten müssten daher bei sorgfältiger Planung solche Verzögerungen berücksichtigen. Der Gerüstbauer müsse mit einer Verlängerung der Vorhaltezeiten rechnen. Aufgrund dieser Gegebenheiten müsse auf eine Standzeitverlängerung § 1 Nr. 4 VOB/B Anwendung finden. Im Gegenzug könne der Gerüstbauunternehmer nach § 2 VOB für die verlängerte Standzeit die vorgesehene Vergütung verlangen. Vorliegend sei eine Standzeitverlängerung durch die „Behinderungsanzeige“ vom 16.7.2010 gefordert und durch die Klägerin pflichtwidrig nicht gewährt worden. Darüber hinaus habe die Beweisaufnahme ergeben, dass zumindest die Forderung der Beklagten nach dem Ersatz von Mehraufwendungen für zusätzliche Planungsaufwendungen und für zusätzliche Gerüstbauaufwendungen berechtigt seien.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das amtsgerichtliche Urteil verwiesen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch weiter. Sie rügt Fehler des Amtsgerichts bei der Rechtsanwendung und Tatsachenfeststellung. Im Rahmen der Tatsachenfeststellung habe das Gericht zu unrecht die Nachtragspositionen aus der Schlussrechnung für unberechtigt gehalten; bei einer sachgerechten Beweiswürdigung hätte das Gericht zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Die Rechtsansicht des Amtsgerichts zur Rechtsnatur des Gerüstbauvertrages sei unzutreffend. Sie widerspreche zahlreichen obergerichtlichen Entscheidungen und werde den konkreten Gegebenheiten des Falles ebenso wenig gerecht, wie den allgemeinen Gegebenheiten bei Ausführung von Gerüstbauverträgen. Insbesondere habe das Amtsgericht zu Unrecht für die Vorhaltung des Gerüstes die Anwendung mietrechtlicher Vorschriften verneint und die nach dem Vertrag und Bauzeit geplanten Befristung des Vertrages verkannt. Bei Zugrundelegung werkvertraglicher Grundsätze seien vom Amtsgericht die Voraussetzung von § 1 Nr. 4 VOB/B zu unrecht bejahrt worden. Schließlich habe das Amtsgericht auch fehlerhafte Feststellungen zur Schadenshöhe getroffen. Die Angaben des erstinstanzlich vernommenen Zeugen […] seien unergiebig, pauschal und teilweise widersprüchlich.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Berufungsvorbringen der Klägerin verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.10.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bautzen, gerichtliches Aktenzeichen: 20 C 1091/10, abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.161,52 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem […].2010 und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 272,87 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das amtsgerichtliche Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die gerichtlichen Sitzungsprotokolle und das amtsgerichtliche Urteil verwiesen.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der Klägerin stand zwar ein fälliger Anspruch aus der Schlussrechnung in Höhe der Klageforderung über 2.161,52 zu; berechtigt waren dabei – insoweit entgegen der Entscheidung des Amtsgerichts – auch die beiden streitigen Nachträge über netto 120,70 € und netto 77,01 € (zusammen netto 197,71 €; brutto 235,27 € [nachfolgend 1.]). Der Anspruch der Klägerin ist jedoch durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß § 280, 281 BGB über insgesamt 2.240,64 € und in die Forderung der Klägerin übersteigender Höhe erloschen (§ 387 – 389 BGB [nachfolgend 2.]).

Im Einzelnen:

1. Der Klägerin stand ein fälliger Anspruch über 2.161,52 € aus dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag über den Aufbau und die Vorhaltung von Gerüsten zu. Auch die eingeforderten, streitigen Nachtragsforderungen waren berechtigt: Die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat in überzeugender Weise ergeben, dass den beiden streitgegenständlichen Nachtragsforderungen nicht nur (was unstreitig ist) wirksame vertragliche Vereinbarungen zugrunde lagen, sondern dass die in den beiden Nachtragspositionen abgerechneten Leistungen auch erbracht worden sind. Dies ergibt bereits die Dokumentenlage, was der Geschäftsführer der Klägerin plausibel aufzuzeigen vermochte: Die Klägerin hat der Beklagten nämlich mit Schreiben vom […].2010 […] eine Mengenüberschreitung in den Positionen […] sowie […] angezeigt und wegen der 110 % der vertraglich vorgesehenen Menge („Quadratmeterwochen“) die Vereinbarung einer Zulage für beide Positionen angeboten. Dieses Angebot wurde angenommen […]. Aus den unstreitigen, in der Schlussrechnung abgerechneten Leistungspositionen […] und […] ergibt sich – wie ein Einblick in das vom Geschäftsführer der Klägerin vorgelegte Leistungsverzeichnis und der Vergleich zu den abgerechneten Mengen in der Schlussrechnung ergab – eine Mengendifferenz, die den abgerechneten Zulagepositionen […] und […] entspricht.

Auf die Abnahme der klägerischen Leistung als Fälligkeitsvoraussetzung kommt es nicht an. Die Bauleistungen, für welche die Klägerin ein Gerüst vorzuhalten hatte, sind abgeschlossen; ein Nacherfüllungsanspruch der Beklagten jedweder Art ist damit zwingend ausgeschlossen. Schon deshalb bedarf es der Abnahme zur Herbeiführung der Fälligkeit nicht mehr. Darüber hinaus hat die Beklagte durch die von ihr erklärte Aufrechnung die Forderung der Klägerin nicht nur erfüllt (was eine Fälligkeit der Hauptforderung voraussetzt), sondern auch zum Ausdruck gebracht, dass sie eine abschließende Abrechnung der klägerischen Leistungen herbeiführen wolle.

2. Der Zahlungsanspruch der Klägerin aus der Schlussrechnung ist durch Aufrechnung erfüllt (§ 399 BGB). Der Beklagten stand ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung i. H. v. 2.240,64 € zu.

a) Die Klägerin hat die von ihr geschuldete Leistung nicht vollständig erbracht; der Gerüstabbau zum 19.07.2010 stellte eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung dar, so dass es einer Fristsetzung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht bedurfte (§§ 280, 281 BGB).

Die Klägerin hatte sich vertraglich dazu verpflichtet, für das beabsichtigte Bauvorha[]ben des Schulumbaues die erforderlichen Gerüstbauarbeiten vorzunehmen, wozu es nicht nur gehörte, die erforderlichen Gerüste aufzubauen und entsprechend dem Baufortschritt abzuändern, sondern sie auch während der gesamten Bauarbeiten zur Verfügung zu stellen. Dies ergibt die Auslegung des Vertrages (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung von dessen Eigenart als Werkvertrag (§ 631 BGB) sowie den für beide Seiten erkennbaren Zweck der vertraglichen Leistung.

Der zwischen den Parteien vorliegend geschlossene Gerüstbauvertrag ist als Werkvertrag zu qualifizieren. Entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin unterfällt die Überlassung des aufgestellten Gerüstes nicht den mietvertraglichen Regeln. Das Berufungsgericht macht sich zunächst die in jeder Hinsicht überzeugende Begründung des Amtsgerichts zu eigen und nimmt hierauf Bezug. Ergänzend ist unter Beachtung der hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Klägerin anzumerken: Die „Erfolgsbezogenheit“ der Arbeiten zum Aufstellen und Vorhalten eines Gerüstes zeigt sich nicht nur daran, dass ein Gerüst nach den individuellen Anforderungen des Gebäudes und der auszuführenden Arbeiten aufgestellt und im Wege des Baufortschrittes angepasst werden muss, sondern zusätzlich darin, dass durch Vorhaltung des Gerüstes die Durchführung der Bauarbeiten ermöglicht werden soll. Dabei findet regelmäßig eine – wenn auch zeitweise – feste Verbindung des Gerüstes mit dem Bauwerk statt; des Weiteren entspricht es der Üblichkeit, dass Gerüste – schon wegen der erhebli[]chen Aufwendungen für das Auf- und Abbauen – für die gesamte Dauer der Baumaßnahmen, für welche ein Gerüst benötigt wird, zur Verfügung gestellt werden. Wegen der damit gegebenen engen und unmittelbaren Verbindung der Gerüstvorhaltung zu den hierdurch unterstützten Bauarbeiten und wegen der Notwendigkeit ein Gerüst auch während seiner Standzeit den Bedürfnissen der Bauarbeiten anzupassen (etwa ein zusätzliches Dachfanggerüst zu stellen) ist aus Sicht des Berufungsgerichts auch bei der Vorhaltung des Gerüstes eine Erfolgsbezogenheit gegeben. Die geschilderten charakteristischen Merkmale unterscheiden die Vorhaltung des Gerüstes auch von der mietvertraglichen Überlassung von Baumaschinen und -geraten. Wegen des damit gegebenen deutlichen Überwiegens einer dem Werkvertrags recht eigenen „Erfolgsbezogenheit“ ist der Vertrag über die Gestellung eines Gerüstes jedenfalls bei einem Bauvorhaben der vorliegenden Art als Werkvertrag zu qualifizieren.

Hinzu kommt: Die Regelungen des Werkvertrags rechtes, namentlich die Bestimmungen der VOB/B tragen dem praktischen Bedürfnissen der Baupraxis und den hierbei typischer Weise auftretenden Konflikten in besonderer Weise Rechnung. Sie bieten auch zur Abwicklung von Verträgen über Gerüstbauarbeiten regelmäßig die „besseren“ Lösungsalternativen, als diejenigen des gesetzlich geschriebenen Mietrechtes. Ist der Vertrag über die Gestellung eines Baugerüstes – wie hier – als Einheitspreisvertrag ausgestaltet (das ist nach der Erfahrung des Gerichts die Regel), dann steht dem Gerüstbauunternehmer im Falle der Überschreitung der im Vertrag vorgesehenen Standzeiten die Rechte aus § 2 Abs. 3 VOB/B zu. Das Mietrecht bietet keine vergleichbare Handhabe. Kommt es zu einer länger andauernden Unterbrechung des Bauvorhabens kann der Gerüstbauer die Rechte nach § 6 Nr. 5 – 7 VOB/B ausüben, insbesondere nach einer mehr als drei Monate dauernden Unterbrechung den Vertrag kündigen. Zugunsten des Bestellers besteht der Vorteil, dass er – soweit nichts Abweichen- des vereinbart ist – die Vorhaltung des Gerüstes auch über den im Rahmen eines Einheitspreisvertrages vorläufig vorgesehenen Leistungszeitraumes hinaus grundsätzlich bis zum Abschluss der Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird, verlangen kann.

Bei der Anwendung des Mietrechts auf denjenigen Teil des Gerüstbauvertrages, der die Überlassung des Gerüstet betrifft, besteht zwar die Konsequenz, dass Schadensersatzansprüche wegen Verschlechterung, Beschädigungen oder Verlust von Gerüstbauteilen innerhalb der Verjährungsfrist von 6 Monaten nach Rückgabe gemäß § 548 BGB verjähren. Es ist durchaus zuzugeben, dass dies mit Blick auf die Eigenart des Gerüstbauvertrages -der nicht die Übereignung an den Besteller, sondern die Rückgabe des Gerüstes an den Unternehmer vor sieht – angemessen erscheint. Dies rechtfertigt aber mit Blick auf die vorgenannten Überlegungen nicht die Anwendung des geschriebenen Mietrechts auf die Überlassung des Gerüstes insge[s]amt. Man könnte vertreten, dass die Verjährungsvorschrift des § 548 BGB wegen der Eigenart des Gerüstbauvertrages bei Geltung von Werkvertragsrecht im Übrigen anzuwenden ist. Das bedarf vorliegend aber keiner Entscheidung. Auch eine Anwendung der Regelverjährung wäre nicht so unangemessen, dass es geboten wäre, von der Anwendung des Werkvertragsrech[t]es auf die Regelung der Vertragsbeziehungen zwischen Gerüstbauunternehmer und Bauherrn abzusehen.

Entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin wurde im vorliegenden Vertrag auch nicht individuell eine Gerüstvorhaltung bis lediglich 19.07.2010 vereinbart. Eine derartige Vereinbarung wäre ohne weiteres auch unter Geltung des Werkvertragsrechtes möglich, was sich bereits aus der Vertragsfreiheit ergibt. Gegen die Annahme einer fest vereinbarten Überlassungszeit sprechen jedoch die nachfolgenden Umstände: Der Vertrag wurde als Werkvertrag geschlossen (siehe oben); das zu stellende Gerüst sollte den Zweck erfüllen, diejenigen Baumaßnahmen im Rahmen des Schulumbaues zu ermöglichen, für welche ein Gerüst benötigt wurde. Dies war für beide Seiten eindeutig erkennbar (§ 133 BGB). Es gibt entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin keinerlei Umstände, die darauf hindeuten, dass die Parteien die Überlassung des Gerüstes durch eine nach dem Kalender bestimmten Endtermin befristen wollten. Der Bauzeitenplan einschließlich der Regelung zu dessen verbindlicher Geltung im Vertrag bildet hierfür kein taugliches Indiz. Mit einer derartigen Vereinbarung will der Bauherr nach der Verkehrssitte (§ 557 BGB) erkennbar verbindliche Fristen für den Beginn und die Ausführung der Einzelleistungen vereinbaren, an deren Überschreitung Verzugsfolgen geknüpft sind, nicht aber zum Ausdruck bringen, dass eine bestimmte Leistung, wenn das Baugeschehen sich anders entwickelt und die Leistung „außerhalb“ des dafür vorgesehenen Zeitraumes im Bauzeitenplan erbracht werden muss, nicht mehr erbracht werden müsste. Ebenso wenig wie der Dachdecker oder das Fassadenunternehmen sich ohne weiteres darauf berufen könnten, sie müssten ihre Leistung nicht mehr ausführen, da diese sich über den Zeitraum der im Bauzeitenplan dafür vorgesehenen Tage hinaus verschoben habe, kann die Klägerin mit dem Argument Erfolg haben, nach Ablauf der im Bauzeitenplan vorgesehenen Zeit für die Gerüststellung sei diese nicht mehr geschuldet. Der für beide Seiten erkennbare Vertragszweck – die Ermöglichung derjenigen Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird – steht dem eindeutig entgegen.

Gestützt wird diese Sichtweise durch die Ausgestaltung der vertraglichen Vereinbarung als Einheitspreisvertrag – auch hinsichtlich derjenigen Positionen für die Vorhaltung der einzelnen Gerüstteile über die Grundstandzeit hinaus. Dafür, dass die Klägerin selber dies so gesehen hat, spricht die Nachtragspraxis der Klägerin, welche sich mit ihrem im April 2010 angebotenen Nachträgen auf die Vorschrift des § 2 Nr. 3 VOB/B berufen hat, dessen Anwendung einen Einheitspreisvertrag voraussetzt.

Die Klägerin war auch ohne weiteres – insbesondere ohne das Erfordernis einer Anordnung nach § 1 Nr. 4 VOB/B – verpflichtet, das Gerüst über den 19.07.2010 hinaus vorzuhalten. Insoweit ist das Berufungsgericht abweichend von der Rechtsmeinung des Amtsgerichts der Auffassung, dass die Vorhaltung des Gerüstes grundsätzlich bis zum Abschluss der hierdurch unterstützten Bauarbeiten geschuldet war. Hierzu wird zunächst auf die obigen Darlegungen verwiesen.

Ergänzend ist auszuführen: Eine Verlängerung der Gerüststandszeiten über die im Vertrag vorläufig angesetzten Gerüststandszeiten hinaus stellt nicht einen Fall von § 1 Nr. 4 VOB/B, sondern einen Fall von § 2 Nr. 3 VOB/B dar. Verzögert sich – wie vorliegend – das Baugeschehen und wird die Vorhaltung des Gerüstes über den im Vertrag vorläufig vorgesehenen Zeitraum hinaus notwendig, dann liegt hierin nicht die Erbringung einer im Vertrag nicht vorgesehenen, aber zur Herbeiführung des werkvertraglichen Erfolges geschuldeten Leistung, sondern es liegt ein Fall der Mengenmehrung vor. Der Fall ist demjenigen vergleichbar, dass ein Maler mehr als die im Vertrag vorläufig angesetzte Fläche malern oder ein Dachdecker mehr als die im Vertrag angesetzte Dachfläche eindecken muss, um den Vertrag zu erfüllen, nicht dagegen den Fall, dass der Maler zur Herbeiführung des Erfolges im Vertrag nicht vorgesehene Putzausbesserungsarbeiten oder der Dachdecker eine im Vertrag nicht vorgesehene Anbringung einer Unterspannbahn vornehmen muss. Offenbar hat dies die Klägerin selbst so gesehen, denn sie hat bei der Verlängerung der Gerüststandszeit für den Atbau auf der Grundlage von § 2 Nr. 3 VOB/B eine Zusatzvergütung verlangt (siehe oben).

Die Klägerin hat damit die vertraglich geschuldete Leistung nicht (vollständig) erbracht; §§ 280, 281 BGB. Einer Fristsetzung zur Leistungserbri[n]gung durch die Beklagte bedurfte es nicht. Mit dem Abbauen des Gerüstes hat die Klägerin nämlich eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie die Weiterführung ihrer Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. In Anbetracht der mit dem Abbau verbundenen und im Falle eines Wiederaufbaues zusätzlich anfallenden Aufwendungen dürfte die Beklagte annehmen, dass die Klägerin mit dem Abbau ihren definitiv gefassten Entschluss, den Vertrag nicht weiter zu erfüllen, zu erkennen gegeben hatte. Darauf, ob die Klägerin „sich im Recht“ und zu einer weiteren Leistungserbringung nicht verpflichtet fühlte kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

b) Die Klägerin hat hierdurch einen Schaden i. H. v. zumindest 2.240,64 € erlitten.

Die Klägerin hat wegen erhöhter Planungskosten Aufwendungen von 728,07 € gehabt. Der zur Begründung dieser Mehraufwendungen gehaltene Sachvortrag der Beklagten auf der Grundlage der Rechnung vom 25.08.2010 […] sind durch den Zeugen […] bei dessen Aussage vor dem Amtsgericht bestätigt worden. Die hierbei gemachten Angaben waren nachvollziehbar. Insbesondere konnte der Zeuge erläutern, warum eine Baustellenbegehung mit einem Aufwand von 3 Stunden erforderlich war, woraus sich der Aufwand für die Leistungstexterstellung und die Angebotswertung ergibt. Auch die Angaben zum Stundensatz können vom Gericht uneingeschränkt nachvollzogen werden und werden von der Klägerin auch nicht ernsthaft infrage gestellt. Es lässt deshalb keinen Rechtsfehler erkennen, dass das Amtsgericht auf der Grundlage dieser Aussage die zusätzlichen Planungskosten als gerechtfertigt angesehen hat. Das Berufungsgericht ist insoweit an die Feststellungen des Amt[s]gerichts gebunden; § 529 ZPO. Gleiches gilt für die Gerüstmehrkosten. Der Zeuge hat in Übereinstimmung mit dem Sachvortrag der Beklagten nachvollziehbar erläutert, auf welche Weise er die Mehrkosten ermittelt hat. Dies lässt sich anhand der Aufstellung des Zeugen und – insoweit entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin – auch anhand der Rechnung der Firma C[…] nachvollziehen. Der „scheinbare“ Widerspruch der Rechnungspositionen aus der Schlussrechnung der Firma C[…] vom […].2011 und der Aufstellung des Zeugen […] folgt daraus, dass die Positionen in der Schlussrechnung der Firma C[…], die die Gebrauchsüberlassung über die Grundstandszeit hinaus betreffen, eine Multiplikation der tatsächlich angefallenen Vorhaltewochen mit dem vertraglichen Einheitspreis pro Quadratmeter und Woche beinhalten, während der Zeuge […] – erkennbar um die Vergleichbarkeit mit der dem Angebot der Klägerin zu ermöglichen – die Quadratmeter der jeweiligen Gerüstteile mit der angefallenen Wochenstandszeit multipliziert hat.

Der Einwand der Klägerin, die Schadensberechnung der Beklagten berücksichtige nicht, dass der Klägerin im Falle der weiteren Vorhaltung des Gerüstes über den 19.07.2010 hinaus Mehrkosten entstanden wären, die sie auf die Beklagte hätte umlegen können, ist unerheblich. Denn die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat die Voraussetzungen eines Mehrvergütungsanspruchs nach § 2 Nr. 3 VOB/B nicht schlüssig dargelegt. Es wäre Aufgabe der Klägerin gewesen, dies zu tun. Zwar ist die Höhe des Schadens vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen. Die Klägerin schuldete jedoch grundsätzlich die Gerüstüberlassung zu den vertraglich vereinbarten Konditionen. Die Mehrvergütung nach § 2 Nr. 3 VOB/B stellt insoweit keinen „Automatismus“, sondern eine Ausnahme dar. Die Voraussetzungen dieser Ausnahme hat auch, wenn es um die Schadensberechnung geht, der Bauunternehme darzulegen und zu beweisen. Eine schlüssige Darlegung der Klägerin hierzu ist ausgeblieben. Die Klägerin hat sich lediglich pauschal darauf berufen, sie hätte bei einer Verlängerung Gerüstteile anmieten müssen. Die konkrete Darlegung eines Mehrpreises unter Berücksichtigung der Ursprungskalkulation und der durch die Mengenmehrung eingetretenen Mehrkosten hat die Klägerin nicht vorgenommen. Dies wäre nach dem Bestreiten der Beklagten spätestens aber mit der Berufungsbegründung – nachdem das Amtsgericht in seinem Urteil Werkvertragsrecht zur Anwendung gebracht hatte – geboten gewesen.

Da die Gegenforderung der Beklagten die Klageforderung übersteigt, ist diese erloschen.

[…]

Die Revisionszulassung war nach § 543 ZPO geboten. Die Frage nach dem Rechtscharakter des Gerüststellungsvertrages ist vorliegend entscheidungserheblich. Sie ist dabei grundsätzlicher Natur, da sie in einer Vielzahl von Fällen entscheidungsrelevant ist. Die Rechtsfrage ist bisher vom Bundesgerichtshof nicht entschieden worden. Da es hierzu auch abweichende Ansichten in der Rechtsprechung gibt, erscheint die Zulassung der Revisio[]n (auch) zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung geboten.“

LG Bautzen, Urteil vom 6.7.2012 – 1 S 143/11

Siehe auch:

Kein einheitlicher und gemeinsamer Gerichtstand bei Entsorgungsvertrag

Nach dem Beschluss des Landgerichts Görlitz liegt (LG Görlitz, Beschluss vom 16.5.2012 – 1 O 433/11) bei einem Entsorgungsvertrag kein einheitlicher und gemeinsamer Gerichtstand im Sinne des § 29 ZPO vor.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

E[…] GmbH, […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

H[…] GmbH & Co. KG, […]

– Beklagte –

Prozess bevollmächtigte:

[…]

wegen Forderung

erlässt die 1. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz […]

am 16.05.2012

nachfolgende Entscheidung:

Das Landgericht Görlitz erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist die Sache auf Antrag der Klägerin […] gem. § 281 ZPO an das

Landgericht Koblenz

Gründe:

Die Parteien streiten über die Bezahlung von Leistungen der Klägerin aus einem Vertrag zur Entsorgung von Klärschlamm aus einer Anlage aus D[…].

Die Klägerin ist geschäftsansässig in […] B[…]. B[…] gehört zum Zuständigkeitsbezirk des LG Görlitz. Die Beklagte ist geschäftsansässig in […] W[…]. W[…] liegt im Gerichtssprengel des LG Koblenz. Gegenstand des Vertrags, aus dem die Klägerin einen Zahlungsanspruch in Höhe von […] Euro herleitet, ist die Klärschlammentsorgung für die Stadt D[…].

Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des LG Görlitz gerügt und meint, dass das Geschäftssitzgericht am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten, das LG Koblenz, zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufen sei.

Die Klägerin meint, dass sich trotz des Umstandes, dass sie Zahlungsansprüche aus einem wechselseitigen Vertrag geltend macht, aus § 29 ZPO ein einheitlicher und gemeinsamer Gerichtstand ergeben würde, der beim LG Görlitz liege. Die Rechtssprechung nehme dies u.a. an, wenn die Umstände des Einzelfalles einen Ort der gemeinsamen Leistungserbringung nahe legen.

Hilfsweise hat die Klägerin beantragt, den Rechtsstreit an das Geschäftssitzgericht der Beklagten (LG Koblenz) zu verweisen.

Auf den Hilfsantrag der Klägerin war der Rechtsstreit an das LG Koblenz zu verweisen, da der Zahlungsanspruch der Klägerin aus dem Entsorgungsvertrag im allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zu verfolgen ist.

Die Voraussetzungen für eine gesetzliche Zuweisung des Rechtsstreits an das LG Görlitz liegen nicht vor. Schwerpunkt des streitgegenständlichen Vertrages ist die Entsorgung von Klärschlamm, nicht jedoch z.B. der Transport desselben.

Richtig ist zwar, dass im Rahmen der Zuständigkeitsvorschrift des § 29 ZPO abweichend von der Grundannahme, dass der Erfüllungsort im gegenseitigen Vertrag für die Verbindlichkeiten beider Vertragsteile selbständig zu bestimmen ist (vgl.: BGH, NJW 2004, 54; NJW-RR 2007, 777) bei Ortsgebundenheit/ – bezogenheit und unter Hinzutreten weiterer Umstände, wie Gewohnheiten und Gebräuche, beiderseitige Mitwirkungspflichten am Hauptleistungsort oder sofortigem Leistungsaustausch vor Ort, ein gemeinsamer Erfüllungsort ergeben kann (vgl. BayObLG MDR 2005, 1357), aber diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor.

Leistung und Gegenleistung sind getrennt. Eine besondere Fokussierung der Leistungspflichten auf den Entsorgungsort ist nicht gegeben. Besondere Mitwirkungspflichten der Beklagten am Geschäftssitz der Klägerin sind nicht zu erbringen. Es läßt sich auch nicht annehmen, dass die Parteien konkludent einen gemeinsamen Erfüllungsort vereinbart hätten.

Soweit ersichtlich, wurde in Rechtssprechung und Schrifttum noch kein gemeinsamer Gerichtsstand bezüglich der Leistungspflichten bei einem Entsorgungsvertrag bejaht.“

LG Görlitz, Beschluss vom 16.5.2012 – 1 O 433/11

Keine erstattungsfähigen Zwangvollstreckungskosten bei fehlendem Nachweis des Zugangs einer korrigierten Kostenrechnung

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„In der Zwangsvollstreckungssache

Landesjustizkasse Chemnitz,
[…]

– Gläubigerin –

gegen

[…]

Verfahrensbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne,
Wallstraße 15, 02625 Bautzen

– Schuldner-

wegen Erinnerung

hat das Amtsgericht Bautzen durch Richter am Amtsgericht […] am 28. März 2012 beschlossen:

1. Auf die Erinnerung des Schuldners vom […].2011 wird die Landesjustizkasse Chemnitz angewiesen, die Vollstreckungskosten in Höhe von 18,00 EUR […] gegen den Schuldner nicht zu vollstrecken.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe:

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen entstandener Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 18,00 EUR.

Nachdem der Schuldner einen Kostenvorschuss in Höhe von 1.244,00 EUR für eine Berufung im Zivilverfahren gegen die Firma […] beim Landgericht Zwickau ([…]) bei der Gerichtskasse einzahlen sollte, kam es im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem

Oberlandesgericht Dresden zu einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits. Deswegen ist die ursprüngliche Kostenrechnung für das Berufungsverfahren in Höhe von 1244,00 EUR geändert worden, und zwar dergestalt, dass der Schuldner 311,00 EUR für das Berufungsverfahren zu zahlen hatte. Diesen Betrag zahlte der Schuldner nicht, weshalb die Gläubigerin nach einer Mahnung vom […].2011 die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner einleitete. Sie erteilte unter dem […].2011 dem zuständigen Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag. Ferner richtete die Gläubigerin ein Aufrechnungsersuchen an das Finanzamt Bautzen. Am […].2011 erfolgte Zahlungseingang in Höhe von 311,00 EUR durch das Finanzamt Bautzen, weshalb die Gläubigerin den Vollstreckungsauftrag beim Gerichtsvollzieher zurücknahm, wofür der Gerichtsvollzieher durch Kostenrechnung vom […].2011 18,00 EUR berechnete.

Gegen diese Vollstreckungskosten, die die Gläubigerin vom Schuldner fordert, richtet sich dessen Erinnerung, mit der er vorträgt, dass ihm eine (korrigierte) Kostenrechnung über 311,00 EUR nicht zugegangen sei, nachdem er zuvor vom Landgericht Zwickau darüber benachrichtigt worden sei, dass er die Kostenrechnung über 1.244,00 EUR zunächst nicht zahlen müsse, sondern eine neue Kostenrechnung abwarten könne.

Der Rechtsbehelf der Erinnerung ist zulässig und hat in der Sache auch Erfolg. Den Ersatz der Gerichtsvollzieherkosten kann die Gläubigerin vom Schuldner nicht nach § 6 der Justizbeitreibungsordnung in Verbindung mit § 788 ZPO verlangen. Nach den genannten Bestimmungen hat der Schuldner auch die Kosten des Vollstreckungsverfahrens dem Gläubiger zu erstatten. Hierzu gehören auch Gerichtsvollzieherkosten, die die Gläubigerin hier geltend macht. Die Anwendung der Vorschriften zu Lasten des Schuldners hängt jedoch weiter davon ab, dass der Schuldner vor Beginn der Vollstreckung zur Leistung innerhalb von 2 Wochen schriftlich aufgefordert und nach vergeblichem Ablauf der Frist besonders gemahnt worden ist. Bei der Beitreibung der Gerichtskosten ist dem Schuldner vorher eine Gerichtskostenrechnung zu übermitteln. Erst dann darf gemahnt und die Vollstreckung begonnen werden. Die Übermittlung einer Gerichtskostenrechnung vor der Vollstreckung an den Schuldner konnte nach den Ermittlungen des Gerichts nicht nachgewiesen werden. Die Einwendungen des Schuldners gegen die Vollstreckung, nämlich seine Behauptung, dass er keine Kostenrechnung über 311,00 EUR erhalten habe, war Gegenstand einer Prüfung der Bezirksrevisorin beim Landgericht in Zwickau. Im Rahmen dieser Überprüfung hat die Kostenbeamtin beim Landgericht Zwickau eine dienstliche Stellungnahme abgegeben. Nach dem Inhalt dieser Stellungnahme hat es ein Telefonat zwischen einem Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten des Schuldners und ihr gegeben. In diesem Telefonat hat sie dem Mitarbeiter mitgeteilt, dass der für das Berufungsverfahren angeforderte Vorschuss von 1.244,00 EUR sich ermäßigen würde, weil es zu einem Vergleich gekommen sei. Es werde eine sogenannte „Teillöschung“ erfolgen. Diese Teillöschung habe sie dann am […].2010 vorgenommen. In einem Telefonat vom […].2010 mit einem Mitarbeiter des Schuldnervertreters habe sie in diesem auch mitgeteilt, dass diese Teillöschung erfolgt sei. Sie bezweifle indessen, dass sie dem Mitarbeiter des Schuldnervertreters auch gesagt habe, der Schuldner solle vorerst keine Zahlungen vornehmen. Genau könne sie sich an diese Vorgänge nicht mehr erinnern. Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Zwickau hat festgestellt, dass sich in der Prozessakte zwar ein Erledigungsvermerk der Kostenbeamtin über die Abfertigung der Teillöschung finde. In der Prozessakte befinde sich indessen nicht – wie sonst üblich – eine Durchschrift der entsprechenden Kostenrechnung über die Teillöschung. Dies wird von der Bezirksrevisorin ausdrücklich beanstandet (Verbleib ist aufzuklären!!!).Die Bezirksrevisorin stellte ferner fest, dass die von der Kostenbeamtin gefertigte Sollstellung der Teillöschung an das Oberlandesgericht weitergeleitet sei, ohne dass ein Grund hierfür ersichtlich sei. Unter diesen, teilweise ungeklärten Umständen der Teillöschung, erscheint es dem erkennenden Gericht plausibel und nachvollziehbar, dass jedenfalls die (konkrete) Möglichkeit besteht, dass die Teillöschung vom […].2010 dem Schuldner nicht übermittelt wurde. Ebenso erscheint es dem Gericht nachvollziehbar, dass einem Kanzleimitarbeiter des Schuldnervertreters vor der Teillöschung vom […].2010 in einem Telefonat entweder gesagt wurde, dass er von der Bezahlung der Kostenrechnung über die 1.244,00 EUR wegen der bevorstehenden Teillöschung zunächst Abstand nehmen sollte oder ihm gesagt wurde, dass eine Teillöschung erfolgen wird ohne Klarstellung, dass die Kostenrechnung vom […].2010 trotzdem zu zahlen ist und der Kanzleimitarbeiter aus dieser Mitteilung die nahe liegende Schlussfolgerung gezogen hat, dass die (ursprüngliche) Kostenrechnung vom 23.09.2010 nicht mehr bezahlt werden muss, sondern eine neue Kostenrechnung abgewartet werden soll. Dem Schuldner kann allenfalls vorgeworfen werden, dass er auf die von der Gläubigerin behauptete Mahnung vom […].2011 nicht reagiert hat. Die Mahnung ersetzt indessen, die dem Schuldner zugesagte korrigierte Kostenrechnung nicht.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.“

AG Bautzen, Beschluss vom 23.3.2012 – 3 M 3253/11

Unterlassungsanspruch bei Verteilung von Gutscheinen in Spielhallen und angrenzenden Restaurants; kein Unterlassungsanspruch wegen Verstoß gegen Impressumspflicht bei abgekürztem Vornamen des Geschäftsführers

Nach dem Urteil des Landgerichts Dresden (LG Dresden, Urteil vom 29.2.2012 – 5 O 1980/11) kann ein Mitbewerber die Unterlassung der Verteilung von geldwerten Gutscheinen eines anderen Spielhallenbetreibers in den eigenen Spielhallen und den dort angrenzenden Restaurants fordern.

Im weiteren handelt es sich grundsätzlich um einen Verstoß gegen die Impressumspflicht auf einer Internetseite, wenn ein als GmbH organisiertes Unternehmen den Vornamen des Geschäftsführers abgekürzt wiedergibt.  Allerdings unterfällt ein solcher Verstoß unter die Relevanzklausel  bzw. Bagatelklausel und kann nicht durch einen Mitbewerber abgemahnt werden.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

M[…] GmbH, […]
vertreten durch den Geschäftsführer […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

E[…] GmbH, […]
vertreten durch den Geschäftsführer […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte […]

wegen Unterlassung

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch 
Richterin am Landgericht Dr. K[…] als Einzelrichterin
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom […].2012
am 29.02.2012

für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Klägerin beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Spielhallen bzw. an Spielstätten Dritter im Sinne der Spielverordnung Zahlungen oder sonstigen finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren unter Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Betrag in Höhe von 5,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab dem […].2011 zuzahlen.

3. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin 325,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem […].2011 zuzahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 11.128,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte sind jeweils ein Unternehmen, dessen Unternehmensgegenstand das Aufstellen und das Betreiben von Spielgeräten im Sinne der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeiten (SpielV) ist. Sie unterhalten jeweils Spielhallen in B[…]. Mitarbeiter der Beklagten verteilten am […].2011 und am […].2011 für die Spielhalle der Beklagten Gutscheine im Wert von 10,00 Euro. Diese Gutscheine enthalten den Hinweis „Keine Auszahlung möglich. Der Betrag wird am Gerät ihrer Wahl aufgebucht.“

Wegen des weiteren Erscheinungsbildes des Gutscheins wird auf Blatt 5 der Akte Bezug genommen. Für die Einholung einer Gewerberegisterauskunft zur Ermittlung des Betreibers der beworbenen Spielhalle entstanden der Klägerin Kosten von 5,- EUR. Mit Schreiben vom […].2011 forderte die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung und zur Erstattung der Anwaltskosten auf der Grundlage eines Gegenstandwertes von 10.000 Euro und eines Gebührensatzes von 1,3 auf.

Wegen des weiteren Inhalte[]s dieses Schreibens wird auf die Anlage K2 verwiesen. Die Beklagte antwort[]e[te] auf dieses Schreiben nicht. Gegen die Beklagte wurde in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren durch das Ord[n]ungsamt B[…] ein Bußgeld verhängt, das von dem Geschäftsführer der Beklagten ohne weiteres gezahlt wurde. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz der Kosten für das Abmahnschreiben erklärt die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einem eigenen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten für ein Abmahnschreiben von 749,- EUR für eine Ab[m]ah[n]ung der Beklagten vom […].2011 wegen eines Impressumspflichtverstoßes der Klägerin. Auf der Internetseite der Klägerin wurde im Impressum der Geschäftsführer der Klägerin bezeichnet als „Vertretungsberechtigter: Herr A […] (Geschäftsführer)“.

Die Klägerin behauptet die Gutscheine seien an den beiden Tagen in den Räumen ihrer Spielhalle unter der Anschrift […] in B[…] an dort anwesende Spieler verteilt worden.

Sie ist der Auffassung, der nunmehr geforderte Gebührensatz von 1,5 sei angemessen, da zur Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit des Handelns der Beklagten Fachkenntnisse im Wettbewerbsrecht erforderlich seien. Bei der Impressumspflichtverletzung handle es sich um eine Bagatelle, die einen Unterlassungsanspruch nicht begründe.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Spielhallen bzw. an Spielstätten Dritter im Sinne der Spielverordnung Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren,
2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in den Spielhallen bzw. an den Spielstätten der Klägerin Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren,
3. der Beklagten anzudrohen, dass in jedem Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,- Euro oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihre Organe festgesetzt wird,
4. die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
5. die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 374, 50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
 

Die Klageschrift wurde der Beklagten am […].2011 zugestellt. Die Beklagte hat zunächst Klageabweisung beantragt und [später] die Unterlassungserklärung vorsorglich abgegeben. Die Klägerin erklärt daraufhin den Rechtsstreit für erledigt hinsichtlich der Klageanträge Ziffer 1 bis 3.

Die Beklagte schließt sich der Erledigung[s]erklärung an, soweit die Klägerin beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sonstige finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhalle zu gewähren. Im Übrigen widerspricht die Beklagte der Erledigungserklärung und beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die streitgegenständlichen Gutscheine seien von ihrem Geschäftsführer nicht bewusst mit diesem Inhalt in den Verkehr gegeben worden. Es hätten als Getränke- und Buffetgutscheine formulierte [C]as[]inogutscheine gedruckt und verteilt werden sollen. Der Mitarbeiter der Beklagten, dem die Bestellung und das Verteilen der Gutscheine übertragen worden sei, habe die Erstellung der Gutscheine nicht ordnungsgemäß überwacht. Dies sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Die Gutscheine seien in diversen Lokalen ausgelegt worden, so unter anderem in einer Baguetteria, in deren hinteren Zimmern sich die Spielhalle der Klägerin befindet. Ein Anlass für eine Abmahnung habe nicht bestanden, nachdem der Geschäftsführer der Beklagten sich in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren für das Versehen entschuldigt hatte und das Ordnungsgeld gezahlt wurde. Im Übrigen sei das Abmahnungsschreiben nicht hinreichend konkret, da es die beanstandete Handlung nach dem Ort der Begehung nicht ausreichend detailliert bezeichne. Sowohl der Gebührensatz von 1,5 als auch der Gegenstandswert von 10.000,- Euro seien überhöht. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Klägerin eine Gebühr in Rechnung gestellt worden sei. Ausweislich der Formulierung in dem Abmahnschreiben sei dem Klägervertreter bereits ein unbedingter Klageauftrag erteilt worden, sodass eine Geschäftsgebühr nicht entstanden sei. Die Beklagte ist der Auffassung, jedenfalls sei ein Zahlungsanspruch durch die Aufrechnung erloschen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs, der Gegenstand der einseitigen Erledigungserklärung der Klägerin ist, als auch hinsichtlich des Zahlungsanspruchs begründet.

1. Zu dem Unterlassungsanspruch ist durch die Abgabe der Unterlassung[s]erklärung der Beklagten vom […].2011 […] die Hauptsache erledigt. Das erledigende Ereignis ist nach Zustellung der Klageschrift an die beklagte Partei am […].2011 eingetreten. Die Klage war zu diesem Zeitpunkt zulässig und begründet. Der Klägerin stand gem. § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Ziffer 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG ein Verletzungsunterlassungsanspruch aufgrund einer in der Vergangenheit begangenen Verletzungshandlung zu mit dem Inhalt, es zu unter lassen, in Spielhallen bzw. an Spielstätten Dritter im Sinne der Spielverordnung Zahlungen oder sonstigen finanzielle Vergünstigungen an Spieler für ihre Spielhallen zu gewähren.

a) Das Verhalten des Mitarbeiters der Beklagten stellt einen Verstoß gegen § 9 Abs. 2 SpielV dar, indem in Form von Spielgutscheinen finanzielle Vergünstigungen an Spieler gewährt werden. Die SpielV enthält Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob das Herstellen und Verteilen der Gutscheine in der dargelegten Form auf einer konkreten Anweisung des Geschäftsführers der Beklagten an ihre Mitarbeiter beruht. Der Unterlassungsanspruch setzt lediglich ein rechtswidriges, nicht notwendigerweise ein schuldhaftes wettbewerbswidriges Verhalten voraus. Die Beklagte ist zudem nach §8 Abs. 2 UWG für das wettbewerbswidrige Handeln ihrer Mitarbeiter und Beauftragten unabhängig von der Verletzung einer Überwachungspflicht verantwortlich und kann insoweit auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Ebenfalls nicht abschließend zu klären ist, ob die Gutscheine in den Räumen einer von der Klägerin betriebenen Spielhalle oder in der angrenzenden räumlich getrennten Baguetteria verteilt wurden. Auch im letztgenannten Fall wurde die finanzielle Vergünstigung in Form des Gutscheins an Spieler im Sinne des § 9 Abs. 2 SpielV gewährt. Spieler ist jede Person, die sich in Spielabsicht in einer mit Spielgeräten im Sinne des § 33 c Gewerbeordnung ausgestatten Räumlichkeit oder in der unmittelbaren Nähe solcher Räume aufhält. Damit sind auch solche Personen erfasst, die sich in einer angrenzenden Gaststätte befinden (vgl. VG Hannover Urteil vom 17.06.2009 AZ 11 A 4402/07). Durch das Auslegen der Gutscheine in der an eine der Spielstätten der Klägerin unmittelbar räumlich angrenzenden Baguetteria wurden die Gutscheine auch solchen Personen angeboten, die sich zuvor in der Spielstätte der Klägerin befunden, dort gespielt und das Spiel nur unterbrochen haben. Nach dem Vortrag der Beklagten befindet sich die von der Klägerin betriebene Spielhalle im hinteren Zimmer der Baguetteria.

Unerheblich ist, ob dies für denjenigen, der die Baguetteria betritt, ohne weiteres erkennbar ist, da es auf ein Verschulden nicht ankommt. Im Übrigen stellt auch das in dem Gutschein versprochene Einlösen des Gutscheines in der Spielhalle der Beklagten an Spieler eine Zuwiderhandlung nach § 9 Abs. 2 SpielV dar.

b) Die Klägerin hat sich vor der Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung zu Recht auf eine Wiederholungsgefahr berufen. Bei einem bereits erfolgten wettbewerbswidrigen Handeln wird die Wiederholungsgefahr indiziert. Durch die nach dem Beklagtenvorbringen von ihr gegenüber ihrem unmittelbar handelnden Mitarbeiter ausgesprochene Abmahnung wurde die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Auch ein[] Eingeständnis der Rechtswidrigkeit des Handelns durch die Zahlung des von der Ordnungsbehörde verhängten Bußgeldes führt nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Das Bußgeldverfahren betrifft den konkreten einmaligen Verstoß. Mit der Unterlassungserklärung sollen hingegen künftige auch im Kern gleichartige Verletzungshandlungen abgewendet werden. Verweigert der auf Unterlassung in Anspruch genommene Wettbewerber die Abgabe der Unterlassungserklärung, so besteht die Wiederholungsgefahr in der Regel fort. Die Zusage des Wettbewerbers, von einer Wiederholung künftig Abstand zu nehmen, genügt ebenso wenig wie eine Einstellung der beanstandeten Werbung.

Im Fall des Handelns des Mitarbeiters wäre im Übrigen für den Unternehmer eine Wiederholungsgefahr allenfalls durch eine entsprechende Erklärung des Mitarbeiters, der die wettbewerbsrechtlich beanstandete Handlung ausgeführt hat, ausgeschlossen.

c) Der mit der Klage formulierte Verletzungsunterlassungsanspruch ist nicht zu weit gefasst.

Der Unterlassungsanspruch aus § 3 Abs. 1 UWG erfasst nicht nur die konkrete bereits begangene Verletzungshandlung, sondern erstreckt sich auch auf im Kern gleichartige Verletzungshandlungen, wie die Gewährung sonstiger finanzieller Vergünstigungen an Spieler. Damit kann die Klägerin das Unterlassen von Zahlungen an Spieler verlangen, auch wenn die Auszahlung des Gutscheinbetrages in dem beanstandeten Gutschein ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Der Unterlassungsanspruch beschränkt sich zudem nicht auf Handlungen in dem Bereich der Spielhalle der Kläger[i]n, sondern erfasst auch solche Handlungen in anderen Spielhallen.

Eine Werbemaßnahme, wie sie nach dem Beklagtenvorbringen ausgeführt wurde, ist allen Mitbewerbern untersagt. Durch ein wettbewerbswidriges Handeln in den Spielhallen anderer Wettbewerber würde sich die Beklagte auch gegenüber der Klägerin einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen. Damit wäre die Klägerin auch durch eine solche Maßnahme als Wettbewerber beeinträchtigt.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Auskunft aus dem Gewerberegister in Höhe von 5,00 Euro. Es handelt sich hierbei um erforderliche Aufwendungen für eine berechtigte Abmahnung.

a) Aus den dargelegten Gründen bestand vor der Abgabe der Unterlassung[s]erklärung ein Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Die Abmahnung war berechtigt im Sinne des § 12 Abs. 2 UWG, denn sie war aus der Sicht des Abmahnenden erforderlich, um die Beklagte zu einem wettbewerbskonformen Verhalten in der Zukunft zu veranlassen.
Die Abmahnung, mit der die Klägerin die Unterlassung begehrt, „Verbrauchern Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen zu gewähren“ war zwar möglicherweise inhaltlich zu weit gefasst. Die vorformulierte Unterlassungsverpflichtungserklärung beschränkt sich hingegen auf ein Handeln gegenüber Spielern. Im übrigen hat eine zu weit gefasst Unterlassungsaufforderung auf einen Anspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG keinen Einfluss.

Die Abmahnung ist ausreichend konkret. Nach dem Sinn und Zweck des Abmahnschreibens ist erforderlich und ausreichend eine so detaillierte Beschreibung des beanstandeten Verhaltens, dass dem Abgemahnten deutlich wird, welche Handlung der Mitbewerber zum Anlass für die Abmahnung genommen hat, so dass der Empfänger der Abmahnung prüfen kann, ob die se Handlung in seinem Unternehmen ausgeführt wurde und ob sie Wettbewerbs rechtlich zu beanstanden ist. Diesen Anforderungen genügt das Abmahnschreiben der Klägerin vom […].2011 […] durch die Darstellung der Handlung „am […].2011 wurden durch zwei Erfüllungsgehilfen ihres Unternehmens in der Spielhalle unserer Mandantschaft an die dort angetroffenen Spieler Gutscheine der nachfolgenden Art verteilt: … (Es folgt eine Kopie des Gutscheins.)… Auch am […].2011 wurden erneut durch einen Erfüllungsgehilfen ihres Unternehmens in der Spielhalle unserer Mandantschaft entsprechende Gutscheine an die dort angetroffenen Spieler verteilt“. Zwar wird die genaue Anschrift der Spielstätte der Klägerin, in der nach ihrer Darstellung in dem Abmahnschreiben Gutscheine in der abgedruckten Form ausgeteilt wurden, nicht mitgeteilt. Dies war jedoch nicht erforderlich, um der Beklagten eine Überprüfung der Beanstandung in dem dargelegten Sinne zu ermöglichen. Zwar war es der Beklagten aufgrund dieser Angaben ohne weitere Prüfung, an welchen Orten die Klägerin Spielhallen unterhält, nicht möglich, jeden ihrer Mitarbeiter danach zu befragen, ob er an diesem Ort Gutscheine verteilt hat. Es war ihr aber möglich, ihren Mitarbeitern die Frage zu stellen, ob diese in den Spielhallen von Wettbewerbern solche Gutscheine verteilt haben. Ein solches Handeln stellt eine so nachhaltige Werbemaßnahme dar, dass auch unter Berücksichtigung der Vielzahl der von den Mitarbeitern der Beklagten verteilten Gutscheine ohne weiteres davon auszugehen wäre, dass die Mitarbeiter der Beklagten in der Lage gewesen wären, auf diese Frage eine konkrete Antwort zu geben. Für die Beurteilung, ob das Mahnschreiben hinreichend konkret ist, kommt es nicht darauf an, ob die von der Klägerin behauptete Verletzungshandlung in der bezeichneten Form erfolgt ist.

b) Bei den Kosten für die Einholung der Gewerbeauskunft handelt es sich um erforderliche Aufwendungen im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Akteneinsicht in die Bußgeldakte des Ordnungsamtes Bautzen voraussichtlich ebenfalls die Information erbracht hätte, die sie durch die Anfrage zum Gewerberegister erlangt hat. Es ist jedoch nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass im Hinblick auf das laufende Bußgeldverfahren eine Akteneinsicht zeitnah hätte realisiert werden können. Die geltend gemachten Kosten der Registerauskunft von 5,00 Euro sind auch nicht so hoch, dass der Klägerin ein Zuwarten unter Hinnahme der Gefahr des Rechtsverlustes zumutbar gewesen wäre. Im Übrigen wären durch eine Aktensicht möglicherweise ebenfalls Kosten entstanden, die von der Klägerin der Behörde zu erstatten gewesen wären.

3. Auch die Anwaltskosten für die Erstellung des Abmahnschreibens kann die Klägerin aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG beanspruchen.

Als Abmahnkosten können solche Kosten geltend gemacht werden, die dem Abmahnenden tatsächlich entstanden sind. Eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG ist hier entstanden.

Ausweislich der Formulierung in dem Abmahnschreiben des Klägervertreters vom […].2011 […] „Für den Fall eines fruchtlosen Fristablaufs wurden wir bereits jetzt mit der gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche unserer Mandantschaft gegen ihr Unternehmen beauftragt.“ lag ein bedingter Klageauftrag vor. Bei einem bedingten Klageauftrag fällt die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG an. Scheitern die Versuche zur gütlichen Streitbeilegung, so entsteht im gerichtlichen Verfahren daneben die Verfahrensgebühr nach Ziffer 3100 VV RVG (Gerold/Schmidt, RVG 19. Auflage, W2300 Randnummer 6). Die Behauptung der Beklagten, es habe von vornherein ein unbedingter Klageauftrag vorgelegen, steht dem entgegen und stellt daher kein ausreichend konkretes Bestreiten dar.

Unerheblich ist, ob die Klägerin von ihrem Prozessbevollmächtigten bereits eine Rechnung erhalten und hierauf Zahlungen geleistet hat. Bestreitet der Gegner den Anspruch grundsätzlich, so kann der Gläubiger unmittelbar auf Zahlung und nicht nur auf Freistellung klagen. Dies gilt insbesondere, wenn der Gläubiger, wie hier, in dem Klageverfahren durch denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wird.

Der zugrundegelegte Gegenstandswert von 10.000 Euro ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich um eine Wettbewerbshandlung, die sich auf das Unternehmen der Klägerin nicht unwesentlich auswirkt. Unerheblich ist das Zugeständnis des Geschäftsführer[s] der Beklagten, dass das beanstandete Handeln wettbewerbswidrig war. Zum einen war dies zum Zeitpunkt der Abmahnung mit Schreiben vom […].2011 der Klägerin nicht erkennbar. Darüber hinaus wurde die Erklärung nicht ausreichend verlässlich abgegeben. Auf die vorangegangenen Ausführungen wird Bezug genommen.

Der erstmals mit der Klage beanspruchte Gebührensatz von 1,5 ist überhöht. Nach Ziffer 2300 VV RVG kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Hier liegt ein Mandat vor, das eine geringere Schwierigkeit aufweist, da es keine besonderen Kenntnisse im Wettbewerbsrecht erfordert. Auf der Grundlage des Vortrages der Klägerin stellt sich der Sachverhalt so dar, dass selbst dem wettbewerbsrechtlichen Laien zumindest erhebliche Bedenken hinsichtlich der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit des beanstandeten Handelns aufkommen. Die Klägerin trägt vor, die Gutscheine, die den Empfänger zum Besuch der Spielhalle der Beklagten veranlassen sollen, seien in den Spielstätten der Klägerin an dort anwesende Spieler verteilt worden. Dass eine solch nachhaltige Werbemaßnahme Wettbewerbs rechtlich unzulässig ist, bedarf keiner eingehenden Kenntnisse der wettbewerbsrechtlichen Recht[]sprechung.
Auf der Grundlage des Gebührensatzes von 1,3 errechnet sich eine Gebühr von 651,80 Euro netto (486 Euro x 1,3 + 20 Euro). [H]iervon beansprucht die Klägerin unter Bezugnahme auf die Anrechnungsbestimmung aus Vorbemerkung 3 Abs. 3 W RVG und § 15a RVG die Hälfte.

4. Der Zahlungsanspruch ist nicht durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung untergegangen.

Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten wegen des Impressumspflichtverstoßes aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Zwar stellt das beanstandete Verhalten einen Impressumspflichtverstoß nach § 5 TMG dar, indem der Vorname des Geschäftsführers der Klägerin lediglich mit dem Anfangsbuchstaben und einem Punkt zur Kennzeichnung der Abkürzung angegeben ist. Dieser Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit, begründet jedoch nicht ohne weiteres einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Nach der Relevanzklausel (Bagatelklausel) in § 3 Abs. 1 UWG bewirken nur solche unlauteren geschäftlichen Handlungen einen Unterlassungsanspruch, die geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Eine spürbare Beeinträchtigung liegt nicht bereits in dem Verstoß gegen § 5 TMG. Zwar mag die Verletzung von Vorschriften, die dem Schutz von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern dienen, ein Indiz für die Relevanz des Wettbewerbsverstoßes darstellen. Es ist jedoch nicht so, dass in jedem Fall ein Verstoß gegen solche Norm einen Unterlassungsanspruch begründet. Der Sinn und Zweck des § 5 TMG besteht darin, dem Verbraucher die Geltendmachung von Rechten zu ermöglichen. Der hier vorliegende Impressumspflichtverstoß beeinträchtigt diese Position des Verbrauchers nicht. Das Gericht folgt nicht der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichtes Düsseldorf in der Entscheidung vom 04.11.2008 (AZ 20 O 125/08). In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG erforderliche Angabe des Vornamens des Geschäftsführers sei insbesondere für etwaige Rechtstreitigkeiten von erheblicher Bedeutung. Diese Auffassung teilt das Gericht nicht. Anbieter der Leistung ist nicht der Geschäftsführer, sondern die juristische Person. Im Falle einer Klage gegen den Diensteanbieter bedarf es in der Klageschrift der Angabe von Vor- und Zunamen des Geschäftsführers der beklagten Partei nicht. § 253 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO verlangt die Bezeichnung der Partei in der Klageschrift. Die Bezeichnung muss so konkret sein, dass keine Zweifel an der Person bestehen. Bei prozessunfähigen Personen muss der gesetzliche Vertreter nur insoweit angegeben werden, als dies für die Zustellung erforderlich ist, sodass eine namentliche Bezeichnung des Vertreters nicht unbedingt notwendig ist (Zöller/Greger, ZPO, 29. Auflage, § 253 Randnummer 8). Daher kann bei einer unterlassenen Angabe des vollständigen Namens des Geschäfts[]führers des Dienstanbieters nicht von einer im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG relevanten Verletzungshandlung ausgegangen werden (LG Berlin Urteil vom 11.05.2010, AZ 15 O 104/10; KG Berlin Beschluss vom 11.04.2008, AZ5 W 51/08; kritisch zum Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf Schöttler Juris PR-ITR 1/2009 Anmerkung 5).“

LG Dresden, Urteil vom 29.2.2012 – 5 O 1980/11

Ansprüche eines Nachbarn hinsichtlich der Art und Weise bzw. des Aussehens der Grenzbebauung

Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden (OLG Dresden, Urteil vom – 9 U 1469/11) kann ein Eigentümer  eines Grundstücks  vom Eigentümer des benachbarten Grundstüks gemäß  §§ 1004 Abs. 1 BGB  i.V.m. Art. 124 EGBGB, §§2,  4 SächsNachbarRG i.V.m. § 242 BGB die Herabsetzung einer Grenzmauer auf das Ausmaß einer ortsüblichen Einfriedung verlangen.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger und Berufungskläger –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen

gegen

[…]

– Beklagter und Berufungsbeklagter –

wegen Störungsbeseitigung

hat der  9.  Zivilsenat  des Oberlandesgerichts  Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2012 […] für  Recht  erkannt:

1. Auf die  Berufung  des  Klägers  wird  das  Urteil  des Landgerichts  Bautzen vom 26.08.2011, Az.: 2 O 0398/10, unter  Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1)  wird verurteilt, die auf seinem Grundstück entlang  der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken […] verlaufende Mauer,  die  aus  sechs  Teilelementen,   abgestuft angeordnet,  besteht, unter  Aufrechterhaltung der Stützfunktion in der Höhe wie folgt zu reduzieren:

Im oberen sich an den Zaun des Beklagten anschließenden  Element gar  nicht,   im  unteren  am  Ende stehenden Element im Umfang einer Ziegelreihe, bei den verbleibenden vier Teilelementen um Umfang von je zwei Ziegelreihen.

[…]

Gründe :

I.

Von der  Darstellung des  Sachverhalts  wird  abgesehen,  da ein Rechtsmittel  gegen das angefochtene Urteil zweifelsfrei nicht  zulässig ist,  §§ 540 Abs.  2, 313 a Abs.  1 Satz 1 ZPO, §  2 6 Nr.  8  EGZPO.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist in dem ausgeurteilten Umfang begründet.

Er kann   von  dem   Beklagten  zu 1)   als  Eigentümer  des benachbarten  Grundstücks  gemäß  §§ 1004 Abs. 1 BGB  i.V.m. Art. 124 EGBGB, §§2,  4 SächsNachbarRG i.V.m. § 242 BGB die Herabsetzung der  in Rede stehenden Mauer auf das Ausmaß einer ortsüblichen Einfriedung verlangen (1.).

[…]

1.    Der  klägerische  Anspruch  beruht  auf  §§ 1004 Abs. 1 i.V.m. § 4 SächsNachbarRG.

a)    Nach § 4 SächsNachbarRG  darf jeder Nachbar sein Grund stück einfrieden. Ortsübliche Einfriedungen dürfen auch auf der Grenze errichtet werden. Wird dabei unmittelbar hinter  einer ortsüblichen Einfriedung aus Maschendraht im  Abstand von  ca.  20 cm eine nicht ortsübliche Mauer errichtet, die den Gesamteindruck der Anlage wesentlich prägt und  eine optische  Einheit bildet,   so kann  der Nachbar  eine auch  in ihrer optisch – ästhetischen Beschaffenheit festgelegte Einfriedung, die dem Ortsüblichen entspricht, verlangen.

Zwar  lehnt  die  Rechtsprechung  einen  Abwehranspruch nach  den die  Einfriedung von  Grundstücken  regelnden Vorschriften des  Nachbarrechtsgesetzes mit der Begründung ab,  das sich  aus § 903 BGB  ergebende Recht  des Eigentümers  auf seinem Grundstück, d. h. nicht auf der Grundstücksgrenze selbst, eine Einfriedung nach eigenem Ermessen  zu errichten,  bleibe unangetastet.  Beseitigungsansprüche  nach § 1004 BGB i.V.m. § 906 BGB bestehen regelmäßig nicht allein wegen optisch wahrnehmbarer und ästethisch  störender Vorgänge  oder  Zustände  auf einem  Grundstück (vgl. z.  B. grundlegend BGH Entscheidung vom 09.02.1979, Az.: V ZR 108/77 veröffentlicht in NJW 79,   1408 bis 1409; BGH Urteil vom 11.10.1996, Az.: V ZR 3/96).

Allerdings      gibt       § 1004 Abs.  1 BGB       i.V.m. Nachbarrechtsvorschriften,   hier   § 4 SächsNachbarRG, dann einen  Beseitigungsanspruch, wenn  die Einfriedung zwar bestimmungsgemäß  auf der  Grenze in  ortsüblicher Beschaffenheit  angebracht,  dicht  daneben  aber  eine nicht  ortsübliche Mauer  errichtet  ist.   Eine  solche Baumaßnahme kann,  so der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 09.02.1979, NJW 79, 1408 bis 1409 auf die vorhandene  Einfriedung unmittelbar  so einwirken, dass diese  im ortsüblich gestalteten Erscheingungsbild völlig  verändert wird  und damit im Wesen nach nicht mehr dem  entspricht, was  der  Grundstückstücksnachbar  als Einfriedung zu dulden hat.
So liegt der Fall zur Überzeugung des Senats angesichts des Gesamtgepräges vom Maschendrahtzäun und Mauer hier.

Dabei  wird nicht  verkannt, dass sich die Entscheidung des   Bundesgerichtshofs  zu  § 32 Nachbarschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen,  in dem  eine  Einfriedungspflicht vorgesehen ist,   verhält. Indes  teil[t] der  Senat  eine Auffassung in  der Kommentarliteratur  (Thomas/Schüter, Sächsisches Nachbarrecht, 2. Aufl., 2007 Seite 61), wo nach  die letztlich auf das Verbot von Rechtsmissbrauch zurückgehenden    Grundsätze   des    Bundesgerichthofs auch   für  die   Nachbarrechtsgesetze  Geltung   beanspruchen  können,   die  – wie  das  sächsische –  keine Einfriedungspflicht vorsehen.

b)   Eine  Duldungspflicht des  Klägers besteht  danach nur, soweit sich  die Mauer  an  ortsüblichen  Einfriedungen orientiert.   Da  das   Landgericht   ausweislich   des Protokolls   bei  dem  Ortstermin  vom  […].2011  die Ortsüblichkeit einer  durchgehend voll vermauerten Einfriedung i.H.v.  fast 2 m in der Umgebung nicht festgestellt  hat, kann  der Kläger die Herabsetzung der Höhe auf ein Maß verlangen, das sich an der unstreitig ortsüblichen Einfriedung,  dem  Maschendrahtzäun,  ausrichtet.  Dies wird,  wie aus  den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich  und mit  den Parteien  eingehend erörtert, durch die tenorierte teilweise Entfernung der Mauersegmente  auch unter Beachtung des Niveauunterschiedes der beiden Grundstücke, des zur […]straße hin abfallenden  Geländeverlaufes sowie  unter  Berücksichtigung der dies  aufnehmenden  gestuften  Mauerausführung  erreicht .

Zurückzuweisen war  die Berufung  insoweit, als sie auf die Beseitigung  der Mauer in der Höhe, in der sie über die  Bodenaufschüttung hinausragt,  abzielt. Mauerhöhen von – insoweit unstreitigen – 80 cm bis 1 m über Bodenniveau finden sich auch in der Umgebung.

Der Beklagte kann von dem Kläger die Duldung der bestehenden Maueranlage  auch nicht  unter dem Gesichtspunkt verlangen,   sie sei in vollem Umfang zur Abstützung des angrenzenden Swimmingpools bzw. der zum Klagegrundstück errichteten Aufschüttung erforderlich. Es spricht schon nichts dafür,   dass dies  zutrifft. Immerhin  ragt  die Mauer auch  nach einer  Kürzung auf  Seiten des  Grundstücks  des Beklagten noch deutlich aus dem Boden. Wäre dies doch  anders, wäre der Beklagte gehalten, für eine anderweitige  Abstü[t]zung Sorge zu tragen und sei es auch die Errichtung  einer vollständig neuen Mauer unter Beachtung der Höhenvorgaben dieses Urteils.“

OLG Dresden, Urteil vom – 9 U 1469/11

Haftungsverteilung bei Unfall auf Parkplatz

Nach dem Urteil des Landgerichts Görlitz (LG Görlitz, Urteil vom 17.12.2011 – 2 S 4/11) reicht es bei einem Unfall zwischen zwei ausparkenden Fahrzeugen für eine Verschiebung der anteiligen Haftung nicht aus, wenn ein Fahrzeug nur wenige Sekunden vor dem Anstoß des anderen Fahrzeugs zum Stillstand kam und den anderen Fahrzeugführer nicht durch ein Schallzeichen warnt.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug zunächst in einer Parktasche auf dem Parkplatz des Einkaufsmarktes geparkt. In einer schräg gegenüberliegenden, durch eine Fahrgasse getrennten Parktasche stand der Beklagte Ziffer 1 mit seinem Fahrzeug, das bei der Beklagten Ziffer 2 haftpflichtversichert ist. Die Fahrzeuge der Parteien kollidierten beim Rückwärtsausparken.

[…]

Der statthaften und auch im Übrigen zulässigen Berufung der Klägerin bleibt in der Sache der Erfolg versagt.

Zu Recht hat das Amtsgericht einen über den zuerkannten Anspruch hinausgehenden Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten verneint.

[…]

Mit Recht ist das Erstgericht – ohne dazu explizit in den Urteilsgründen auszuführen – zu nächst davon ausgegangen, dass beide Parteien grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß §§7, 17 StVG i. V m. § 115 VVG einzustehen haben.

Der Nachweis der Unabwendbarkeit des Verkehrsunfalls ist der Klägerin nicht gelungen.

Ein unabwendbares Ereignis setzt voraus, dass der Unfall auch bei Einhaltung der äußersten möglichen Sorgfalt durch einen Idealfahrer nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne des § 276 BGB hinaus (vgl. z. B. BGHZ 117, 337; BGHZ 113, 164).

Dass die Klägerin indes derart sorgfältig gehandelt hätte, ist nicht erwiesen. Wer in einem haltenden Fahrzeug bemerkt, dass er ein rangierendes Fahrzeug gefährdet (oder dieses ihn), aber kein Warnzeichen gibt, macht sich in der Regel mitschuldig (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Rn. 8 zu § 16 StVO). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Klägerin, wenn sie denn solange gestanden hätte, dass dies für die Schadensverursachungsquote relevant gewesen wäre, jedenfalls die Pflicht gehabt hätte, den Fahrer des herannahenden Fahrzeuges durch Hupen auf die gefährliche Situation aufmerksam zu machen. Gehupt hat die Klägerin selbst aber unstreitig nicht.

Steht mithin die Haftung beider Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß §§ 17, 18 Abs. 3 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Wenn, wie hier, beide Fahrer identische Sorgfaltspflichten – hier entsprechend § 9 Abs. 5 StVO – erfüllen müssen, begründet ein beiderseitiger Verstoß gegen diese Sorgfaltspflichten grundsätzlich eine Haftungsquote von 50 %.

Eine höhere Haftungsquote der Beklagten hätte die Klägerin nur für den Fall durchsetzen können, dass es ihr gelungen wäre, zu beweisen, dass ihr Fahrzeug bereits längere Zeit gestanden hat. Dieser Beweis ist ihr nicht gelungen.

Die Angaben der Klägerin selbst zu der Frage, wie lange ihr PKW gestanden hat, bevor es zur Kollision kam, waren ungenau. Sie meinte, es seien „Sekunden“ gewesen.

Auch die Zeugin S[…] gab an, dass die Klägerin „nur Sekunden“ gestanden hätte, bevor es zum Zusammenstoß kam.

Diese Angaben genügen nicht, um zu belegen, dass die Gefährdung, die die Klägerin durch ihr eigenes Rück[w]ä[…]rtsfahren gesetzt hat, durch längeres Anhalten neutralisiert worden wäre.

Vielmehr geht auch das Berufungsgericht davon aus, dass es sich allenfalls um einen sehr kurzen Zeitraum gehandelt haben kann, in dem das klägerische Fahrzeug vollständig zum Stillstand gekommen war. Jedenfalls war der Zeitraum so kurz, dass die Klägerin selbst offen sichtlich nicht zum Hupen gekommen ist, um den Beklagten Z[i]ffer 1 zu warnen.

Die Beklagten sind daher der Klägerin lediglich zum hälftigen Schadensersatz verpflichtet.“

LG Görlitz, Urteil vom 17.12.2011 – 2 S 4/11

Erklärungswirkung einer Unterschrift mit Firmenstempel

Nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden (OLG Dresden, Beschluss vom 6.12.2011 – 5 U 1062/11) bildet die Unterschrift eines Vertrages im Zusammenspiel mit einem Firmenstempel zwar grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass der Unterzeichnende als Vertreter der Firma handelte, jedoch kann dies wiederlegt werden.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„1. Die angefochtenen Urteile sind nicht zu beanstanden, soweit das Landgericht davon ausgeht, dass der Beklagte persönlich Vertragspartner der Klägerin geworden ist.

a. Nach dem Offenheitsgrundsatz kann eine Willenserklärung nur dann wirksam für einen anderen abgegeben werden, wenn der Wille, im fremden Namen zu handeln, entweder ausdrücklich erklärt oder aus den Umständen ersichtlich ist (§ 164 Abs. 1 BGB). An einer ausdrücklichen und eindeutigen Erklärung fehlt es hier insoweit, als die Beifügung des Firmenstempels der […] GmbH in Anbetracht der weiteren Angaben im Mietvertrag vom […].2005 nicht ausschließt, dass der Beklagte mit seiner Unterschrift zugleich im eigenen und im Namen der Gesellschaft handelte. Denn isoliert betrachtet genügt ein Stempelabdruck zwar in der Regel, um einen Vertretungswillen kundzutun (vgl. Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 43) , durch die Bezeichnung der Vertragsparteien im Rubrum des Mietvertrages wird dieses Ergebnis jedoch in Frage gestellt. Soweit man hier der mit dem Firmenstempel versehenen Unterschrift des Beklagten eine Vermutungswirkung zuschreibt (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 164 Rn. 18), ist diese Vermutung durch das Vertragsrubrum erschüttert.

b. Es ist daher durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln, inwieweit die Umstände des Vertragsschlusses im Sinne des § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB ergeben, dass der Beklagte die Willenserklärung ausschließlich in fremdem Namen abgegeben hat (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, § 164 Rn. 4). Darlegungs- und beweisbelastet ist insoweit der Beklagte (Palandt/Ellenberger, § 164 Rn. 18; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 44). Maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB). Abzustellen ist darauf, wie ein verständiger Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte die Erklärung verstehen musste (Palandt/Ellenberger, BGB, § 133 Rn. 9) . Vor diesem Hintergrund ist dem Beklagten nicht der Beweis gelungen, mit seiner Unterschrift allein im Namen der […] GmbH gehandelt zu haben.

Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass es grundsätzlich nicht der Verkehrssitte entsprechen dürfte, dass ein Geschäftsführer einer GmbH ohne Weiteres die persönliche Haftung übernehmen will. Anders verhält es sich aber, wenn es hierfür einen Anlass gibt und die Auslegung der beiderseitigen Willenserklärungen eine abweichende Interpretation zulässt. So ist es hier.

Aus Empfängersicht kann die Unterschrift des Beklagten nur im direkten Zusammenhang mit dem Vertragsrubrum betrachtet werden. Dort wird die […] GmbH in gleicher Weise aufgeführt wie der Name des Beklagten und der des Zeugen F[…]; ein Vertretungszusatz – wie er nach § 164 Abs. 1 BGB erforderlich und im allgemeinen Geschäftsverkehr üblich ist – fehlt. Dies spricht dafür, dass die drei genannten Personen jeweils als Vertragspartner der Klägerin anzusehen sind.

Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass unstreitig nicht nur die […] GmbH als Mieter auftreten sollte, sondern auch der bisherige Nutzer der Mieträume, der Zeuge F[…]. Sofern für den Beklagten etwas anderes gelten sollte, wäre zu erwarten gewesen, dass sein Name durch einen seinen Vertretungswillen verdeutlichenden Zusatz von den Namen der anderen Mieter abgesetzt würde.

Dies gilt auch dann, wenn der Zeuge G[…], wie er erstinstanzlich ausgesagt hat, zu diesem Zeitpunkt noch annahm, dass der Zeuge F[…] neben dem Beklagten Geschäftsführer der […] GmbH sei. Denn er hat weiterhin ausgesagt, dass er beide ihm als solche vermeintlich bekannten Geschäftsführer in die persönliche Haftung aufnehmen wollte. Der Senat sieht keine Veranlassung, an dem Ergebnis der Beweiswürdigung durch das Landgericht Bautzen zu zweifeln (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat bei seiner Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen bereits berücksichtigt, dass seine Interessen denen der Klägerin nahe stehen. Zu Recht hat es weiterhin berücksichtigt, dass die Angaben des Zeugen G[…] mit dem Inhalt des Mietvertrages in Übereinstimmung stehen. Für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage spricht auch, dass die Klägerin einen nachvollziehbaren Anlass für die Aufnahme der Geschäftsführer in den Mietvertrag hatte, denn sie hatte keine Veranlassung, den Zeugen F[…] aus seiner persönlichen Haftung zu entlassen und einen Nachfolgevertrag allein mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung abzuschließen. Zwar hätte es unter Umständen auch genügt, wenn allein der Zeuge F[…] neben der GmbH haftete. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat jedoch nicht vorgetragen, dass dies so vereinbart wurde und wie es dennoch zu der unterschiedslosen Aufnahme seines Namens in den Mietvertragstext kam. Der Zeuge F[…] und […] haben keine zur Aufklärung des Sachverhalts dienenden Informationen beisteuern können. Der Beklagte selbst, der vor dem Landgericht persönlich angehört wurde, hat letztlich eingeräumt, dass die Vertragsverhandlungen zumindest weit überwiegend von den Zeugen G[…] und F[…] geführt wurden, und die Schilderungen des Zeugen G[…] über die Hintergründe der Formulierung des Mietvertrages nicht in Abrede stellen können.

Die Nebenkostenabrechnungen vom […].2006 […] und vom […].2008 […] sprechen dafür, dass die Klägerin bzw. der sie vertretende Zeuge G[…] sowohl die […] GmbH als auch den Beklagten und den Zeugen F[…] als Mieter angesehen hat, da sie an alle drei Personen adressiert sind.

Dadurch werden die Angaben des Zeugen G[…] bestätigt.

c. Es liegt hier keine Ausnahme vor, wie sie die Rechtsprechung für Geschäfte für den, den es angeht, annimmt, da kein Bargeschäft des täglichen Lebens gegeben ist (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, § 164, Rn. 8).

Auch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des unternehmensbezogenen Geschäftes ändern an dem aufgezeigten Ergebnis nichts. Denn auch hier ist Voraussetzung, dass der Wille des Erklärenden, im Namen des Unternehmers zu handeln, hinreichend zum Ausdruck kommt (Palandt/Ellenberger, BGB, § 164 Rn. 2; Ulmer/Paefgen, § 35 Rn. 43 jeweils m.w.N.).

Wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass auch eine persönliche Haftung des Erklärenden gewollt sein kann, wird eine persönliche Haftung des Geschäftsführers auch bei unternehmensbezogenen Geschäften in der Regel bejaht (vgl. BGH,  Urteil vom 13.10.1994 – IX ZR 25/94; Pa-landt/Ellenberger, BGB, § 164 Rn. 2) . Diese objektiven Umstände ergeben sich hier – wie dargestellt – zum einen aus dem Vertragstext (Vertragsrubrum) und zum anderen aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme, wonach die Klägerin Wert auf die persönliche Haftung der vermeintlichen Geschäftsführer der […] GmbH legte. Soweit unter diesen Umständen vorliegend überhaupt noch von einem unternehmensbezogenen Geschäft gesprochen werden kann, ist die sich hieraus ergebende Vermutung des Handelns für das Unternehmen erschüttert.

Auf die Frage einer etwaigen Rechtsscheinshaftung des Beklagten (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, § 164 Rn. 3) kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.

d. Soweit der Beklagte mit seiner Berufung geltend macht, es habe ihm der Wille gefehlt, die persönliche Haftung zu übernehmen, ist dies hier unerheblich. Für die Auslegung seiner Willenserklärung ist allein auf die Perspektive eines objektiven Empfängers abzustellen. Der Beklagte hat einen solchen Willensmangel der Klägerin gegenüber auch nicht unverzüglich (vgl. § 121 BGB) geltend gemacht, obwohl er spätestens im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits erfahren hat, wie seine Erklärung verstanden wurde. Im Übrigen ist eine Anfechtung seiner Willenserklärung mit der Begründung, sein Handeln im eigenen Namen sei nicht von seinem Erklärungswillen gedeckt gewesen, nach § 164 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Der Beklagte muss sich insoweit an die objektive Wirkung seiner Erklärung halten lassen (Palandt/Ellenberger, BGB, § 164 Rn. 15 und 16; Ulmer/Paefgen, § 35 Rn. 48) . Auch die Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 BGB sind nicht gegeben.

2. Der Beklagte ist somit neben der […] GmbH und dem Zeugen F[…] persönlich Vertragspartner der Klägerin geworden. Sie haften ihr nach § 17 des Mietvertrages vom […].2005 als Gesamtschuldner (§ 426 BGB). Dies gilt auch für die mit Schreiben vom […].2008 abgerechneten Nebenkosten für die Zeit vom […].2006 bis zum […].2007.

a. Soweit der Beklagte auf die „Zustellung“ oder den Zugang der Nebenkostenabrechnung an ihn abstellt, geht seine Berufung ins Leere. Der Zugang der Abrechnung ist nicht Voraussetzung für die Entstehung des Erstattungsanspruchs.

b. Auch der Zeitpunkt des Zugangs ist hier nicht maßgeblich.

aa. Der Beklagte hat die Abrechnung der Klägerin vom […].2008 spätestens im vorliegenden Rechtsstreit zur Kenntnis genommen. Damit war auch der gegen ihn gerichtete Erstattungsanspruch der Klägerin zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Bautzen fällig.

Da er die Richtigkeit der Abrechnung nicht in Frage stellt, war der Beklagte zur Zahlung des abgerechneten Betrages zu verurteilen.

bb. Im Gewerberaummietrecht erlischt der Erstattungsanspruch nicht, wenn die Nebenkosten nicht rechtzeitig berechnet werden. Lediglich die Geltendmachung des Vorauszahlungsbetrages ist nach Ablauf eines Jahres nach Abrechnungsreife nicht mehr möglich (Palandt/Weidenkaff, BGB, § 535 Rn. 94). Der Anspruch des Vermieters auf Zahlung von Verzugszinsen auf die vereinbarte Nebenkostenvorauszahlung entfällt aber nicht. Dies hat das Landgericht berücksichtigt.

cc. […]

dd. Die Frage des Zugangs der Abrechnungserklärung könnte im Hinblick auf den Eintritt der Fälligkeit nur für die von der Klägerin ebenfalls geltend gemachten entsprechenden Verzugszinsen von Bedeutung sein. Zwar bewirkt der Zugang der Abrechnungserklärung – entgegen der Ansicht der Klägerin -auch im Gesamtschuldverhältnis den Eintritt der Fälligkeit und ggf. des Verzuges nur gegenüber dem jeweiligen Schuldner, der die Abrechnung empfangen hat (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, § 425 Rn. 3; vgl. auch das von der Klägerin zitierte Urteil des BGH vom 28.04.2010 VIII ZR 263/09, juris Rn. 12) . Im vorliegenden Fall hatten der Beklagte und die anderen Mieter jedoch mit der Klägerin vereinbart, dass Erklärungen des Vermieters für alle Mieter wirksam werden, auch wenn sie nur einem Mieter gegenüber abgegeben werden. Die Mieter haben sich insoweit nach § 17 Satz 2 u. 3 des Mietvertrags vom […].2005 […] gegenseitig bevollmächtigt. Hierauf hat bereits das Landgericht in seinen angefochtenen Urteilen abgestellt. DerSenat hat auch unter Berücksichtigung der §§ 305 ff. BGB keine Zweifel an der Wirksamkeit dieser Vertragsklausel (vgl. jeweils noch zum ABG-G: KG, Rechtsentscheid vom 25.10.1984 – 8 RE-Miet 4148/84, juris Rn. 38 ff.; Schleswig-Holsteinisches OLG, Rechtsentscheid vom 22.03.1983 – 6 RE-Miet 4/82, juris Rn. 20 ff.). Der Beklagte muss sich die Fälligstellung der mit Schreiben vom […].2008 abgerechneten Nebenkosten durch Zugang an den Zeugen F[…] somit zurechnen lassen. Er haftet daher auch für die insoweit geltend gemachten Verzugszinsen.“

OLG Dresden, Beschluss vom 6.12.2011 – 5 U 1062/11