Verhältnismäßigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 28. Mai 2025 betrifft eine Klage gegen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch eine Polizeibehörde. Die erkennungsdienstliche Behandlung, zu der u.a. die Anfertigung von Lichtbildern, Fingerabdrücken und Personenbeschreibungen gehört, war aufgrund von Verdachtsmomenten im Zusammenhang mit mehreren Brandstiftungen angeordnet worden. Dem Kläger wurde vorgeworfen einen Waldbrand gelegt zu haben, unter falschem Namen die Feuerwehr gerufen und sich am Löscheinsatz beteiligt zu haben. Weitere Brandstiftungen in der Region standen im Raum.

Der Kläger hatte zuvor Widerspruch gegen die Maßnahme eingelegt und argumentiert, die Anordnung sei unverhältnismäßig, da keine konkreten Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung vorlägen. Zudem sei die erkennungsdienstliche Behandlung bei Minderjährigen ein besonders schwerwiegender Eingriff. Insbesondere seien Fingerabdrücke und Fotos für die Aufklärung von Brandstiftungen in ländlichen Gebieten wenig geeignet.

Das Verwaltungsgericht entschied zugunsten des Klägers und hob den Bescheid der Polizeidirektion sowie den Widerspruchsbescheid auf. Es begründete dies damit, dass die gesetzlich erforderliche Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung (§ 81b Abs. 1 StPO) nicht gegeben sei. Zwar war ein Ermittlungsverfahren anhängig, jedoch seien die Verdachtsmomente und der Vorwurf der Wiederholungsgefahr rechtsfehlerhaft bewertet worden. Die tatsächlichen Umstände, insbesondere die glaubhaften Angaben des Klägers zu seinem Verhalten an den jeweiligen Tagen, ließen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine künftige Tatbeteiligung schließen.

Das Gericht stellte klar, dass die erkennungsdienstlichen Maßnahmen nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie zur Aufklärung künftiger Straftaten geeignet und notwendig sind. Die vorgelegten Beweise und Aussagen reichten nicht aus, um dies zu bejahen. Die angeführten Brandstiftungen blieben unzureichend konkretisiert, und Zweifel an der Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen sowie zeitlichen Abläufen wurden berücksichtigt. Das Gericht sah keinen ausreichenden Tatverdacht, der eine solche invasive Maßnahme rechtfertigen würde.

Zusammenfassend stellt das Urteil klar, dass die präventiv-polizeiliche Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung strengen Voraussetzungen unterliegt und im vorliegenden Fall diese nicht erfüllt waren. Die Entscheidung schützt die Rechte des Klägers vor unverhältnismäßigen Eingriffen und fordert eine sorgfältige Abwägung der Umstände im Einzelfall. Gleichzeitig weist es auf die Bedeutung der tatsächlichen Beweislage und den Maßstab hin, der bei der Prognose einer Wiederholungsgefahr anzulegen ist.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Verwaltungsrechtssache

des […]

– Kläger –

prozessbevollmächtigt:
Rechtsanwälte Frings & Höhne
Obergraben 7/9, 01097 Dresden

gegen

den Freistaat Sachsen
[…]

– Beklagter –

wegen

erkennungsdienstlicher Behandlung

hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Dresden durch […] als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2025

am 28. Mai 2025

für Recht erkannt:

Der Bescheid des Beklagten […] in Gestalt des Widerspruchsbescheids […] wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung seiner erkennungsdienstlichen Behandlung.

Der […] Kläger wurde […] von der Polizei[…] des Beklagten aufgefordert, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO zu unterziehen. Von ihm sollten ein Fünfseitenbild, ein Ganzkörperbild, ein Lichtbild, eine Personenbeschreibung, ein Spezialbild sowie Zehnfinger- und Handflächenabdrücke angefertigt werden. Zur Begründung gab die Polizei[…] an, dass gegen den Kläger mehrere Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Brandstiftung gemäß § 306 StGB anhängig seien. Dem Kläger werde zur Last gelegt, […] in einem Waldstück […] einen Waldbrand gelegt zu haben. In der Folge soll er unter Vortäuschung eines anderen Namens die Feuerwehr gerufen und dann selbst am Löschangriff der Feuerwehr teilgenommen haben. Weiter stehe der Kläger im Verdacht, für Brandstiftungen […] in einem Waldgebiet bei M[…], […] an den Fischteichen bei M[…] und […] in einem Waldstück zwischen D[…] und U[…] verantwortlich zu sein. Nach Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist inzwischen gegen ihn Anklage erhoben worden.

Hiergegen hat der Kläger, damals noch durch seine Eltern vertreten, mit anwaltlichem Schreiben […] Widerspruch erhoben. Er hat geltend gemacht, dass die Anordnung unverhältnismäßig sei. Bislang seien keine konkreten Anhaltspunkte für seine Tatbeteiligung an den Brandstiftungen ersichtlich. Dem stehe der Umstand, dass er den Brand […] unter Angabe eines falschen Namens gemeldet habe, nicht entgegen. Er sei damals irrig davon ausgegangen, die Kosten für einen Feuerwehreinsatz tragen zu müssen, wenn er den Brand melde. Seine erkennungsdienstliche Behandlung sei nicht notwendig. Er sei nicht vorbestraft. Aus der Anordnung werde nicht ersichtlich, weshalb in den jeweiligen Einzelfällen eine erkennungsdienstliche Behandlung notwendig sei. Aus ihr werde nicht deutlich, inwiefern die geplanten Maßnahmen zur Förderung künftiger Ermittlungsverfahren dienlich seien. Die vorgeworfenen Taten beträfen Brände in abgelegenen Naturgebieten. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit Fingerabdrücke oder Fotos für etwaige Ermittlung relevant sein könnten.

Mit Widerspruchsbescheid […] wies der Beklagte den Widerspruch zurück, legte ihm die Verfahrenskosten auf und setzte eine Gebühr i.H.v. 40,00 € fest. Der Kläger sei im Zeitpunkt der Anordnung seiner erkennungsdienstlichen Behandlung Beschuldigter in einem Strafverfahren gewesen. Ihm werde zur Last gelegt, verschiedene Brandstiftungen begangen zu haben. Es handele sich jeweils um schwerwiegende Straftaten und die Verletzung bedeutender Rechtsgüter mit erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Das Verfahren werde gegenwärtig vor der Staatsanwaltschaft […] geführt.

Anlass für die Anordnung sei, dass dem Kläger zur Last gelegt werde, […] unter Verwendung eines falschen Namens den Notruf gewählt und einen Brand gemeldet zu haben. Danach habe er sich umgehend zum Feuerwehrgerätehaus begeben und am Löscheinsatz teilgenommen. Gegen ihn bestehe der Verdacht einer Brandstiftung. Er stehe im Verdacht weiterer Brandstiftungen, begangen zu haben, nämlich:

– […] in einem Waldgebiet bei M[…],

– […] an den Fischteichen bei M[…] und

– […] in einem Waldstück zwischen D[…] und U[…].

Am […] sei er unmittelbar vor Bekanntwerden eines Schilfbrandes im Teichgebiet bei M[…] mit seinem E-Roller in der Ortslage M[…] gesehen worden.

Am […] sei gegen 22:30 Uhr ein Waldflächenbrand bei M[…] gemeldet worden. Durch einen Zeugen sei der Kläger zuerst gegen 22:00 Uhr in der Ortslage M[…] mit seinem E-Roller gesehen worden, sodann gegen 22:20 Uhr auf dem Rückweg erneut.

Im Rahmen der Bekämpfung eines Waldbodenbrandes am […] sei der Kläger am Gerätehaus der Feuerwehr erschienen; er sei jedoch nicht eingesetzt worden. Dennoch sei er mit seinem Kleinkraftrad zur Brandstelle gefahren.

Die Annahme einer Wiederholungsgefahr bestätige sich aufgrund seiner persönlichen Motivation. Der Kläger sei als Brandmelder und Zeuge zu einer Brandstiftung am […] im Teichgebiet bei D[…] in Erscheinung getreten. Er habe dort angeblich einen Fahrradfahrer gesehen. Er selbst sei mit dem Moped unterwegs gewesen. Der Kläger sei seit Beginn des Jahres 2023 Mitglied der aktiven Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr U[…]. In Anbetracht des Umstands, dass der Kläger innerhalb von 18 Monaten bei fünf Bränden, zum Teil als Brandmelder und -entdecker in Erscheinung getreten sei und als Mitglied der Feuerwehr teilweise bei der Brandbekämpfung eingesetzt bzw. teilweise eingesetzt werden wollte und darüber hinaus am […] seinen tatsächlichen Namen verleugnet habe, bestehe der begründete Verdacht, dass der Kläger auch weiterhin mit Brandstiftungsdelikten in Verbindung gebracht werde, derer er verdächtigt sei. Es sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er auch künftig insoweit in Erscheinung treten werde. Seine erkennungsdienstliche Behandlung sei erforderlich, weil sie geeignet sei, künftige Ermittlungen – für ihn überführend oder entlastend – zu fördern. Die zu fertigenden Lichtbilder, die Personenbeschreibung sowie die Zehnfinger- und die Handflächenabdrücke seien geeignet, zur Aufklärung möglicherweise vom Kläger zu erwartender Straftaten beizutragen.

Der Kläger hat […] Klage erhoben. Er bezieht sich auf sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass Fingerabdrücke und Handflächenabdrücke zur Aufklärung von Brandstiftungen in der freien Natur voraussichtlich nicht geeignet sein. Gleiches gelte auch für Lichtbilder, da bislang durch Zeugen keine Personen an den Brandorten beobachtet worden seien und sich die Brandstiftungen in dünn besiedelten, ländlichen Gebieten ereignet hätten, wo sich die Bewohner ohnehin kennen. Zu berücksichtigen sei auch, dass erkennungsdienstliche Maßnahmen bei einem Minderjährigen einen weitaus größeren Eingriff darstellten, als bei erwachsenen Personen.

Soweit im Widerspruchsbescheid ausgeführt werde, der Kläger sei am […] bei dem Schilfbrand im Teichgebiet bei M[…] in der Ortslage M[…] gesichtet worden, sei dies haltlos. Er sei an diesem Tag nicht mit seinem Roller, sondern mit einem Kleinkraftrad unterwegs gewesen und zwar konkret bei seiner Praktikumsstelle, der Teichwirtschaft G[…].

Soweit der Kläger am […] in der Ortslage M[…] mehrfach mit seinem Roller gesichtet worden sein soll, treffe dies nicht zu, da der Roller zu dieser Zeit bis zur Reparatur im August defekt und damit nicht einsatzbereit gewesen sei. Die Ortslage M[…] befinde sich darüber hinaus abseits der Fahrtstrecke zwischen dem Wohnort des Klägers und dem späteren Brandort. Es sei auch höchst zweifelhaft, ob ein Zeuge den Kläger zur Nachtzeit im ländlichen Raum aus einiger Entfernung oder die noch weiter entfernte Brandstelle erkannt haben soll.

Dass der Kläger am […] nicht eingesetzt worden sei habe darauf beruht, dass das Einsatzfahrzeug bei seinem Eintreffen bereits vollständig besetzt gewesen sei. Der Kläger sei durch den Einsatzleiter aufgefordert worden, zur Unterstützung bei den Ermittlungen des konkreten Brandorts mit seinem Kleinkraftrad über einen anderen für das Einsatzfahrzeug ungeeigneten Weg zu fahren. Bis zur Alarmmeldung habe sich der Kläger mit seinem Vater bei seinen Großeltern befunden. Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass der Kläger mehrfach Brände gemeldet habe. Diese hätten sich in der räumlichen Nähe der Wohnung bzw. des Praktikums- und Ausbildungsorts befunden, sodass eine Entdeckung durch ihn nicht ungewöhnlich sei. Als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr sei er zudem für diese Themen sensibilisiert.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten […] in Gestalt des Widerspruchsbescheids […] aufzuheben und die Zuziehung des Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen

und bezieht sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet nach Übertragung des Rechtsstreits auf den Berichterstatter durch Beschluss vom 8. April 2025 gemäß § 6 Abs. 1 VwGO als Einzelrichter.

Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die angeordnete präventiv-polizeilich erkennungsdienstliche Behandlung ist § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO. Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.

Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Anordnung ist erforderlich aber auch ausreichend, dass – wie hier – im Zeitpunkt der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ein Ermittlungsverfahren anhängig war. Maßgeblich ist somit, ob im Zeitpunkt der Anordnung die Ausgangsbehörde ein strafprozessuales Ermittlungsverfahren gegen den Betroffen als Tatverdächtigen geführt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. Juni 2018 – 6 C 39.16 –, juris Rn. 14; SächsOVG, Urt. v. 20. April 2016 – 3 A 187/15 –, juris Rn. 17 f.; Beschl. v. 22. Februar 2022 – 6 A 870/20 –, juris Rn. 7).

Im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle einer streitigen, noch nicht vollzogenen Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung für präventiv-polizeiliche Zwecke kommt es für die Beurteilung der Notwendigkeit der Maßnahme auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an (BVerwG, Urt. v. 19. Oktober 1982 – 1 C 29.79 –, juris Rn. 31; SächsOVG, Urt. v. 13. März 2023 – 6 A 284.20 –, juris Rn. 21), weil die Vollziehung der Anordnung noch bevorsteht.

Nach § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO dürfen die dort aufgeführten Maßnahmen nur angeordnet und vorgenommen und die dabei gewonnenen Daten nur gespeichert werden, wenn sie für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig sind. Diese Datenerhebung und -speicherung dient der Strafverfolgungsvorsorge, indem sie der (Kriminal-)Polizei sächliche Hilfsmittel für die Erforschung und Aufklärung künftiger Straftaten zur Verfügung stellt. Die Notwendigkeit i.S.d. § 81b Abs. 1 Alt. 2 StPO ist gegeben, wenn angesichts aller Umstände des Einzelfalls tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, der Beschuldigte könne künftig als Verdächtiger einer Straftat in Betracht kommen, deren Aufklärung die erkennungsdienstlichen Unterlagen den Kläger überführend oder entlastend fördern können. Zu den Umständen, die bei dieser Prognoseentscheidung zu berücksichtigen sind, gehören das Ermittlungsergebnis des strafprozessualen Anlassverfahrens sowie Art, Schwere und Begehungsweise der dem Beschuldigten im Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum, während dessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist (BVerwG, Beschl. v. 25. März 2019 – 6 B 163.18, 6 PKH 10.18 –, juris Rn. 10; SächsOVG, Urt. v. 13. März 2023 a.a.O.).

Gemessen an diesem Maßstab ist die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht notwendig.

Die gegen den Kläger geführten Strafverfahren wegen Brandstiftungsdelikten bieten nach Art und Schwere der Vorwürfe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, der Kläger werde voraussichtlich künftig in den Kreis potentieller Beteiligter an einer aufzuklärenden Straftat einbezogen werden können. Dem steht zwar nicht entgegen, dass der Kläger bisher nicht – im Sinn einer Verurteilung aufgrund Strafbefehls oder Gerichtsurteils – einschlägig in Erscheinung getreten ist. Allerdings erweist sich die vom Beklagten vorgenommene Prognose einer Wiederholungsgefahr im maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtsfehlerhaft.

In Bezug auf die dem Kläger zur Last gelegte Anlasstat, einer Brandstiftung am […] in einem Waldstück am L[…] Weg in der Ortslage M[…] und unweit seines Wohnorts, hat er eingeräumt, die Feuerwehr unter Angabe eines falschen Namens gerufen zu haben. Nicht streitig ist auch, dass der Kläger an dem daraufhin folgenden Löschangriff der Feuerwehr teilgenommen hat. Es ist darüber hinaus auch schwer nachvollziehbar, dass der damals 17-jährige Kläger geglaubt haben will, für die Kosten der Alarmierung der Feuerwehr haften zu müssen. Ihm muss auch aufgrund seiner Tätigkeit in der Jugendabteilung der Freiwilligen Feuerwehr U[…] sowie später – ab einem Alter von 16 Jahren, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat – in der dortigen aktiven Abteilung eingeleuchtet haben, dass eine Haftung für Feuerwehrkosten in der hier vorliegenden Konstellation nur dann in Betracht kommt, wenn vorsätzlich ein falscher Alarm ausgelöst worden ist. Hiervon abgesehen steht mit Blick auf den Brand am L[…] Weg am […] allerdings lediglich fest, dass es unweit des Wohnorts des Klägers gebrannt und er an dem dort erfolgten Feuerwehreinsatz teilgenommen hat. Es liegen darüber hinaus, soweit bekannt, keine Hinweise dafür vor, dass der Kläger als Verursacher des Brandes in Betracht zu ziehen ist. Allein der Umstand, dass er sich nach der von ihm veranlassten Brandmeldung unmittelbar zum Feuerwehrhaus begeben hat, um am Löscheinsatz teilzunehmen, sagt nichts über eine Verantwortlichkeit des Klägers für die Brandentstehung auf. Wäre der Brand durch ihn unter Angabe seines richtigen Namens oder aber durch eine oder mehrere andere Personen gemeldet worden, hätte er sich höchstwahrscheinlich auch – gegebenenfalls nach einer entsprechenden Alarmierung – zum Hilfseinsatz gemeldet.

In Bezug auf die dem Kläger zur Last gelegte Brandstiftung am […] dürfte es sich um einen Brand von Schilf in einem Teichgebiet bei M[…] handeln. Während im angefochtenen Ausgangsbescheid davon die Rede ist, es habe sich um eine Brandstiftung in einem Waldgebiet bei M[…] gehandelt, ist im Widerspruchsbescheid von einem Schiffsbrand die Rede. Von diesen unterschiedlichen Abgaben abgesehen wird jedenfalls wegen des Vorfalls am […] eine mögliche Täterschaft des Klägers daraus hergeleitet, dass er unmittelbar vor Bekanntwerden des Brandes in der Ortslage M[…] mit seinem E-Roller gesehen worden sein soll. Weder dem Ausgangsbescheid, dem Widerspruchsbescheid noch der Klageerwiderung ist allerdings zu entnehmen, zu welcher Uhrzeit dies der Fall gewesen sein soll. Der Kläger hat hierzu geltend gemacht, an diesem Tag mit einem Moped unterwegs gewesen zu sein. Er sei bei seiner Praktikumsstelle in dem Teichwirtschaftsbetrieb gewesen. Der Kläger hat dies in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dahin konkretisiert, dass es an jenem Tage in dem Betrieb einen Dammbruch gegeben habe und dort bis zum Abend versucht worden sei, den Dammbruch mit Sandsäcken zu reparieren. Hieran habe er sich beteiligt. Der Brand soll jedoch an jenem Tag bereits am späten Nachmittag bzw. am frühen Abend festgestellt worden sein. Diese Umstände, die gegebenenfalls in dem Strafverfahren noch weiter aufzuklären sein werden, sind jedenfalls nach derzeitiger Erkenntnis nicht geeignet, eine erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers zu rechtfertigen. Es liegen allein aufgrund der soeben wiedergegebenen Angaben zu dem Geschehen am […] keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigten, der Kläger könne künftig als Verdächtiger einer Straftat in Betracht kommen.

Soweit dem Kläger eine Brandstiftung am […] zur Last gelegt wird heißt es im Ausgangsbescheid, dass es sich um einen Brand an den Fischteichen bei M[…] gehandelt haben soll, während im Widerspruchsbescheid ein Waldflächenbrand angegeben ist. Auch hier kann dem Vortrag des Beklagten in der Klageerwiderung keine weitere Konkretisierung entnommen werden. Hierauf kommt es allerdings auch nicht an, zumal sich in südlicher Richtung der Ortslage M[…] ein Teichgebiet sowie ein Waldgebiet anschließen. Denn tragend für die Annahme einer Täterschaft des Klägers ist, dass ein Anwohner den Kläger nachts zweimal mit seinen E-Roller von seinem Haus oder Garten aus in der Ortslage M[…] gesehen haben will. Dies soll um 22.00 Uhr und dann nochmals um 22.20 Uhr der Fall gewesen sein. Der Zeuge will den Kläger auf der E[…] gesehen haben, und zwar in einem Bereich, in dem diese in ost-westlicher Richtung verläuft. Die E[…] verläuft darüber hinaus auch in nord-südlicher Richtung. In diesem Bereich befindet sich auch das Wohnhaus des Klägers und seiner Eltern. Es ist insoweit zum einen zweifelhaft, ob ein Zeuge den Kläger zweimal zur Nachtzeit hat erkennen können. Zum anderen ist zweifelhaft, ob dem Kläger eine Brandstiftung südwestlich der Ortslage M[…] zur Last gelegt werden kann, weil er im nord-westlichen Teil der Ortslage zweimal auf einem E-Roller unterwegs gewesen sein soll. Zwar ist dies nicht ausgeschlossen, weil das Gebiet südwestlich der Ortslage M[…] auch über einen Feld- oder Wirtschaftsweg erreicht werden kann, der an einem Landwirtschaftsbetrieb im östlichen Bereich von M[…] in südwestlicher Richtung verläuft. Dieser Weg trifft anschließend auf die von M[…] in Richtung L[…] verlaufende E[…] bzw. den L[…] Weg. Auf diesem Weg kann auch das Teichgebiet bzw. Waldgebiet südlich bzw. südwestlich von M[…] erreicht werden. Allerdings hat der Kläger angegeben, an jenem Tag und insbesondere zu den genannten Zeiten zu Hause gewesen zu sein und dort geschlafen zu haben. Ferner hat er angegeben, dass sein Roller zu dieser Zeit defekt und […] in Reparatur gewesen ist. Zudem ist zweifelhaft, ob der Kläger, hätte er tatsächlich in dem genannten Bereich einen Brand gelegt, bei der Annahme, dass er den Weg von seinem Haus zu und von dem Brandort über den oben beschriebenen Feld- oder Wirtschaftsweg genommen hat, dies in einer mit 20 Minuten bemessenen Zeit hätte tun können. Daher liegen auch wegen des Geschehens am […] keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigten, der Kläger könne künftig als Verdächtiger einer Straftat in Betracht kommen.

Wegen des Brandes am […] in einem Waldstück zwischen D[…] und U[…] hat der Kläger plausibel angegeben, dass er zum Feuerwehrhaus nach U[…] gefahren ist, nachdem er alarmiert worden war; er habe sich im Zeitpunkt der Alarmierung mit seinem Vater bei seinen Großeltern in U[…] aufgehalten. Beim Eintreffen am Feuerwehrhaus habe ihn der Einsatzleiter angewiesen, mit seinem Moped zum mutmaßlichen Brandort zu fahren, um bei der Erkundung zu helfen, wo sich dieser Brandort genau befinde. Für das bereits vollständig besetzte Feuerwehrfahrzeug sei der Weg über die Straße des Friedens in U[…] in Richtung D[…] wenig geeignet gewesen; das Feuerwehrfahrzeug habe den mutmaßlichen Brandort über die Ortslage D[…] angefahren. Auch insoweit liegen angesichts der nachvollziehbaren und in sich stimmigen Angaben des Klägers keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigten, er könne künftig als Verdächtiger einer Straftat in Betracht kommen.

Insgesamt sind die Möglichkeiten, dem Kläger eine täterschaftliche Beteiligung an den ihm zur Last gelegten Brandstiftungen nach der Erkenntnislage des Gerichts eher als übersichtlich einzustufen. Es sprechen ungeachtet des Umstands der gegen den Kläger erhobenen Anklage erhebliche Gründe dafür, dass der Nachweis einer Täterschaft des Klägers nicht wird geführt werden können. Zwar spricht angesichts der Häufung von Bränden, die nach Lage der Dinge wohl auf Brandstiftungen zurückzuführen sind, vieles dafür, dass Ursache hierfür jeweils Brandstiftungen gewesen sind. Allerdings reichen die hier bekannten Umstände nicht aus, um von einem ausreichenden Tatverdacht in Bezug auf den Kläger ausgehen zu können. Etwaige noch gegen ihn bestehende Verdachtsmomente rechtfertigen seine präventiv-polizeiliche erkennungsdienstliche Behandlung nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 1 Sächs-VwVfZG i.V.m. § 80 Abs.- 2 VwVfG notwendig.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.“

VG Dresden, Urteil vom 28.5.2025 – 6 K 2323/23

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert