Schadensersatzansprüche bei Fahrzeugbrand: Restwert, Gutachterkosten und Nutzungsausfall im Fokus

In dem vorliegenden Fall entschied das Amtsgericht Dresden (Urteil vom 16. Januar 2025 – 103 C 2114/24) über restliche Schadensersatzansprüche des Klägers, dessen ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug durch einen Brand des benachbarten, bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs beschädigt wurde.

Restwert des beschädigten Fahrzeugs: Der Kläger ließ ein Gutachten erstellen, das einen Restwert von 0 € für sein ausgebranntes Fahrzeug auswies. Daraufhin veranlasste er die Entsorgung des Fahrzeugs. Erst nach dieser Maßnahme legte die Beklagte ein Restwertangebot von 160 € vor. Das Gericht stellte klar, dass der Geschädigte auf die Angaben des Sachverständigen vertrauen darf und nicht verpflichtet ist, alternative Restwertangebote des Schädigers abzuwarten. Daher war die Kürzung des Schadensersatzes um 160 € durch die Beklagte unzulässig.

Sachverständigenkosten: Die Beklagte hatte die Sachverständigenkosten nur teilweise beglichen und argumentierte, das Honorar sei überhöht. Das Gericht betonte jedoch, dass der Geschädigte in der Regel nicht über die Fachkenntnis verfügt, um die Angemessenheit der Gutachterkosten zu beurteilen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Werkstattrisiko entschied das Gericht, dass der Schädiger auch für möglicherweise überhöhte Sachverständigenkosten haftet, sofern den Geschädigten kein Auswahlverschulden trifft. Somit wurde die Beklagte zur Freistellung des Klägers von den restlichen Sachverständigenkosten verpflichtet.

Nutzungsausfallentschädigung: Der Kläger machte eine Nutzungsausfallentschädigung für 20 Tage à 59 € geltend, insgesamt 1.180 €. Die Beklagte hatte bereits 826 € gezahlt. Das Gericht erkannte den Anspruch des Klägers auf die volle Nutzungsausfallentschädigung an, da der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit des Fahrzeugs eine fühlbare Beeinträchtigung darstellt und der Geschädigte Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls hat, unabhängig davon, ob er tatsächlich einen Mietwagen anmietet oder nicht.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Dresden, Urteil vom 16.1.2025 – 103 C 2114/24; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Dresden durch

Richterin […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 128 II S. 1 ZPO, Beschluss vom 02.12.24, am
16.01.2025

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 514,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent aus 160,- EUR für die Zeit vom 27.01.2024 bis zum 10.02.2024 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus 514,- EUR seit dem 11.02.2024 zu zahlen;
  2. den Kläger gegenüber dem Kfz-Sachverständigenbüro […] von restlichen Forderungen in Höhe von 670,44 € […] freizustellen Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus der Rechnung […];
  3. dem Kläger gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 80,44 EUR freizustellen.
  4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.184,44 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Brandvorfall am 26.01.2024 gegen 09.20 Uhr […] in Dresden.

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Eigentümer des Pkw Skoda Superb […], die Beklagte Haftpflichtversicherung des am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeug Pkw Typ Smart […], zum Unfallzeitpunkt dort haftpflichtversichert.

Das Fahrzeug des Klägers stand ordnungsgemäß geparkt neben dem zum Zeitpunkt des Brandvorfalls bei der Beklagten versicherten Fahrzeug. Das Beklagtenfahrzeug geriet aufgrund eines technischen Mangels in Brand, wodurch das Feuer u. a. auf das danebenstehende Fahrzeug des Klägers übergriff und nahezu vollständig ausbrannte.

Der Kläger beauftragte das Kfz-Sachverständigenbüro […]. Das Gutachten ging dem Kläger am 31.01.2024 zu und wies einen Restwert in Höhe von 0,- EUR aus. Daraufhin beauftragte der Kläger am 01.02.2024 das Unternehmen […] mit der Bergung und Entsorgung des Fahrzeuges. Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2024 legte die Beklagte dem Kläger ein Restwertangebot in Höhe von 160,- EUR vor.

Ausweislich des Gutachtens des Kfz-Sachverständigenbüro […] vom 31.01.2024 entstand ein wirtschaftlicher Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert eines gleichwertigen Fahrzeuges errechnete der Sachverständige mit 16.500,- EUR. Am 08. März 2024 kaufte der Kläger sich ein Ersatzfahrzeug zu einem Kaufpreis von 24.980,- EUR.

Auf den Fahrzeugschaden in Höhe von 16.500,- EUR bezahlte die Beklagtenseite 16.340,- EUR, auf die Sachverständigenkosten in Höhe von 1.098,96 EUR bezahlte die Beklagtenseite 428,52 EUR, auf die geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 1.180,- EUR 20 Tage à 59,- EUR bezahlte die Beklagtenseite 826,- EUR.

Der Kläger ist der Auffassung, die Kürzung in Höhe von 160,- EUR, Restwertangebot beklagtenseits, sei nicht rechtens, weil das nach der Entsorgung zugegangene Restwertangebot der Beklagtenseite unbeachtlich sei. Der Kläger habe nicht damit rechnen müssen, dass die Beklagte ein Restwertangebot in Höhe von 160,- EUR für das vollständig ausgebrannte Fahrzeug unterbreite, nachdem das Gutachten des Kfz-Sachverständigenbüros einen Restwert des Fahrzeuges von 0,- EUR ausgewiesen habe. Auf die Richtigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens hätte der Kläger grundsätzlich vertrauen dürfen. Auch sei der Kläger bezüglich der Sachverständigenkosten, die beklagtenseits noch nicht bezahlt wurden, in Höhe von 670,44 EUR freizustellen. Der Geschädigte, der in der Regel kein Fachwissen habe, um den Schaden und die dafür anfallenden Kosten zu beurteilen, seien von der Beklagtenseite zu tragen, weil das Kostenrisiko hierfür alleine beim Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung liege. Dies entspreche der Rechtsprechung des BGH. Hinzu komme, dass die Grundsätze des Werkstattrisikos auf die Kosten von Kfz-Sachverständigen vom BGH übertragen worden seien. Das besage, dass überhöhte Kosten, die durch unsachgemäße oder unwirtschaftliche Arbeitsweise einer Werkstatt entstünden, vom Versicherer des Unfall[ver]ursachers zu tragen seien, wenn dem Geschädigten kein Verschulden zur Last gelegt werden könne. Dies sei auf die Kosten von Sachverständigen zu übertragen. Die Gutachterkosten seien auch nicht überhöht und mit dem Kläger am 29. Januar 2024 und dem Sachverständigen so getroffen worden. Unzutreffend sei die Auffassung der Beklagtenseite, dass dem Kläger eine Nutzungsausfallentschädigung lediglich für die vom Sachverständigen als erforderlich bezeichnete Zeit für die Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeuges verlangen könne. Dieser Anspruch bestehe für die gesamte erforderliche Ausfallzeit und umfasse nicht nur die notwendige Wiederbeschaffungsdauer, sondern auch die Zeit für die Schadensfeststellung und ggf. eine angemessene Überleg[ung]szeit, so habe auch der BGH entschieden.

Der Kläger beantragt,

Die Beklagte wird verurteilt,
a)
an den Kläger 514 € nebst Zinsen in Höhe von 4% aus 160 € für die Zeit vom 27.1.2024 bis zum 10.2.2024 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 514 € seit dem 11.2.2024 zu zahlen;

b)
den Kläger gegenüber dem Kfz-Sachverständigenbüro […] von restlichen Forderungen in Höhe von 670,44 € […] freizustellen;

c)
den Kläger gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht restlichen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 80,44 € freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus der Rechnung […].

Sie ist der Auffassung, die Sachverständigenkosten seien überhöht und nicht zu erstatten, weil nicht erforderlich.

Der Sachverständige sei kein Mitglied im BVSK. Erforderlich sei die Höhe des Stundensatzes dem JVEG entsprechend. Aufgrund nicht bekannter und anhand des Gutachtens nicht erkennbarer Qualifikationsmerkmale des Sachverständigen sei eine Berechnung des Honorars auf Basis der BVSK-Tabelle nicht heranzuziehen, weil diese sich nur an Mitglieder des BVSK richte, die eine entsprechende Qualität oder/und Qualifizierung aufwiesen. Zudem sei die BVSK-Honorarbefragung mangelhaft und als Schätzungsgrundlage nicht geeignet.

Zusammenfassend sei festzuhalten:
■ Für den Sachverständigen besteht bereits mit Blick auf sein Honorar der Anreiz den eigenen Spielraum bei der Ermittlung der Schadenhöhe zu nutzen.
■ Alleine die Wahl der Reparaturfirma kann zu signifikant unterschiedlich hohem Grundhonorar führen. Für den Sachverständigen ist der Aufwand immer der Gleiche.
■ Die BVSK-Umfrage ist methodisch unkorrekt, weil nicht validiert. Zudem ist das Grundhonorar zu den jeweils letzten Umfragen (betrachtet wurden die Umfragen aus 2015, 2018, 2020) zwischen 6% und 8% gestiegen (bezogen auf eine Schadenhöhe von 3.500 EUR). Durch die Bezugnahme an der Schadenhöhe ist eine Preissteigerung doppelt berücksichtigt, da auch die Reparaturkosten gestiegen sind.
■ Der Umfragezweck war allen Teilnehmern bekannt, somit war mit der Teilnahme eine bewusste Einflussnahme auf die künftige Höhe des Grundhonorars gegeben.
■ Die Umfrage des BVSK erfolgte nur unter den eigenen Mitgliedern. Nur ca. 70 % der BVSK-Mitglieder haben an der Umfrage teilgenommen. Das Umfrageergebnis ist daher nicht repräsentativ.
■ Der weitaus größere Teil der Sachverständigen ist nicht im BVSK organisiert und erfüllen die hohen Voraussetzungen an Aufnahme und Mitgliedschaft nicht. Die BVSK-Honorartabelle wird daher von diesen Sachverständigen gerne angenommen, da sie mehr als auskömmlich ist.

Zu den Nebenkosten gelte Folgendes:

Die Beklagtenseite h[a]be sich zu Recht hinsichtlich der Nebenkosten am JVEG orientiert. Die Schreibkosten seien durch das Grundhonorar bereits abgegolten Im Rahmen der Schadenminderungspflicht sei die Geschädigtenseite gehalten, einen Sachverständigen im örtlichen Umkreis zu beauftragen.

Ein weiterer Fahrzeugschaden in Höhe von 160,- EUR stehe der Klägerseite nicht zu, weil dieser mit Abrechnung des Fahrzeugschadens unter dem 16.02.2024 ein Restwertangebot über 160,- EUR erhalten habe.

Eine weitere Nutzungsausfallentschädigung stehe dem Kläger nicht zu. Er habe für 14 Tage eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 826,- EUR erhalten unter Zugrundelegung eines Tagessatzes in Höhe von 59,- EUR. Weiteres stehe ihm nicht zu, weil direkt nach dem Ereignis dem Kläger klar gewesen sei, dass ein Totalschaden vorliege und es nicht ersichtlich sei, warum dem Kläger über 14 Tage hinaus eine Nutzungsausfallentschädigung zustehe. Der Sachverständige sei von einer Wiederbeschaffungsdauer von 12 bis 14 Tagen ausgegangen, jedoch müsse dem Kläger bereits vor Erhalt des Sachverständigengutachtens klar gewesen sein, dass sein völlig ausgebranntes Auto einen Totalschaden erlitten habe, weswegen eine Nutzungsausfallentschädigung für 14 Tage hier völlig ausreichend sei.

Die geltend gemachten weiteren Rechtsanwaltskosten stünden der Klägerseite nicht zu, weil die Einwendungen gegen die Hauptforderung auch auf die in diesem Zusammenhang verfolgten Rechtsanwaltsgebühren durchgriffen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung weiterer 160,- EUR, abgezogener Restwert, sowie eine restliche Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 354,- EUR.

Des Weiteren hat der Kläger Anspruch auf Freistellung der Sachverständigenkosten in Höhe von 670,44 EUR und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 80,44 EUR gemäß § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG.

Unstreitig stand das Fahrzeug des Klägers neben dem zum Zeitpunkt des Brandvorfalls bei der Beklagten versicherten Fahrzeug abgeparkt. Das Fahrzeug der Beklagtenseite geriet in Brand und griff auf das klägerische Fahrzeug über.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten 160,- EUR.

Soweit die Beklagtenseite der Auffassung ist, der Kläger müsse sich ihr Restwertangebot in Höhe von 160,- EUR anrechnen lassen, vermag das Gericht diese Auffassung nicht zu teilen. Dem Kläger ging das Gutachten am 31.01.2024 zu, bereits am 01.02.2024 beauftragte der Kläger eine Firma mit der Bergung des Fahrzeuges. Der Kläger durfte, wie die Klägerseite zu Recht ausführt, auf das Gutachten vertrauen, welches von einem Restwert von 0,- EUR ausging. Damit ist das beklagtenseits gemachte Restwertangebot vom 16.02.2024 unbeachtlich.

Der Kläger hat Anspruch auf Nutzungsausfall für 20 Tage à 59,- EUR in Höhe von 1.180,- EUR abzüglich bereits bezahlter 826,- EUR mithin in Höhe von 354,- EUR. Der Nutzungswille ist durch die Anschaffung eines neuen Fahrzeuges belegt […]. Die geltend gemachte Höhe ist unstreitig.

Der vom Sachverständigen zugrunde gelegten Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen sind, wie klägerseits zu Recht ausgeführt wird, sind die Überleg[ung]szeit, der Zeitraum für die Schadensfeststellung einschließlich der Erstellung des Gutachtens hinzu zu rechnen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerseite gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen hätte, liegen nicht vor. Der Brandvorfall ereignete sich am 26.01.2024, am 31.01.2024 ging dem Kläger das Gutachten zu. Am 01.02.2024 beauftragte er eine Firma mit der Bergung des Fahrzeuges, am 08.03.2024 schloss der Kläger eine Kaufvertrag über ein neues Auto.

Der Kläger hat des Weiteren Anspruch auf Freistellung der Sachverständigenkosten in Höhe von 670,44 EUR. Zu Recht geht die Klägerseite davon aus, dass die Beklagtenseite das Risiko, dass das Gutachten kostenmäßig überhöht sei, trägt. Aus diesem Grunde war die Klägerseite Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche zu verurteilen. Anhaltspunkte dafür, dass die geltend gemachten Sachverständigenkosten überhöht sind, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite ist die BVSK Honorartabelle im vorliegenden Fall zugrunde zu legen. Unerheblich ist, ob der Sachverständige Mitglied ist oder nicht. Die BVSK Honorartabelle ist eine anerkannte Schätzungsgrundlage in Rechtsprechung und Literatur. Aufgrund der Einwendungen der Beklagtenseite schätzt das Gericht die Höhe der Sachverständigenkosten auf Grundlage der BVSK Honorarbefragung 2022, wobei der HB V Korridor bezogen auf den Bruttowiederbeschaffungswert in Höhe von 16.500 EUR zugrunde gelegt wird, damit beträgt das Grundhonorar im Mittelwert 1.457 EUR. Dieser Betrag liegt bereits über dem Rechnungsbetrag. Dem hinzu zurechnen sind die Nebenkosten für 10 Stück Lichtbilder zu 2,- EUR, anteilige Fahrtkosten für 65 km zu 0,70 EUR, Schreibkosten zu 12,- EUR, auch hier wird geringer abgerechnet. Für 9 Seiten zu 2 EUR hätten 18 EUR abgerechnet werden können und Porto- und Telefonpauschale zu 9,- EUR. Diese entsprechen der Honorartabelle. Die Erforderlichkeit der Nebenkosten wurde ebenfalls auf Grundlage der BVSK Honorartabelle geschätzt, weswegen die Einwendungen diesbezüglich von der Schätzung mit umfasst sind und die Schätzung der Erforderlichkeit gemäß § 249 BGB begründet.

Damit steht fest, dass die Sachverständigenkosten nicht überhöht geltend gemacht werden, sondern das Gegenteil der Fall

Der Ausspruch über die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 280, 286 BGB.

Der Zinsausspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.“

AG Dresden, Urteil vom 16. Januar 2025 – 103 C 2114/24

Rechtslage zur Bagatellgrenze bei Sachverständigengutachten zur Schadensregulierung

Das Amtsgericht Bautzen hat in seinem Urteil vom 7. Januar 2025 (Az. 20 C 532/23) entschieden, dass die Beauftragung eines Sachverständigen zur Schadensermittlung bei Verkehrsunfällen grundsätzlich gerechtfertigt ist, wenn der Schaden 750 Euro (alte Bundesländer) bzw. 500 Euro (neue Bundesländer) übersteigt. Im vorliegenden Fall betrugen die Gutachterkosten 951,17 Euro, was die Bagatellgrenze deutlich überschritt. Diese Grenze dient der Abgrenzung von unerheblichen Schäden, die kein Gutachten erfordern. Der Entscheidung liegt zugrunde, dass Laien oft die Komplexität von Schäden bei modernen Fahrzeugen nicht erkennen können, und somit Gutachten zur Schadensfeststellung als erforderlich gelten.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richterin […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 07.01.2025

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Sachverständigenbüro Kfz-Sachverständigenbüro […] von Forderungen in Höhe von 287,98 Euro […] freizustellen.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der restlichen, nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 22,43 Euro freizustellen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 287,98 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung der Kosten des Sachverständigengutachtens aus §§ 7, 18 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 249 Abs. 2 Satz 1, 257 BGB, § 287 ZPO in Höhe von 287,98 Euro.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Trotz Abtretung bleibt die Klägerin bei etwaigen, offengelegten Sicherungsabtretungen bestimmter Forderungen an Dritte hinsichtlich dieser Forderungen aktivlegitimiert, soweit die Klägerin eine Leistung an den Sicherungsnehmer bzw. eine entsprechende Freistellung von diesen Forderungen fordert (vgl. Grüneberg/ Grüneberg in: BGB-Kommentar, 79. Auflage 2020, § 398 Rn. 24). So liegt es hier.

Die vollumfängliche Eintrittspflicht der Beklagten aus dem Verkehrsunfallereignis vom 07.08.2023 ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Zwischen den Parteien steht ausschließlich im Streit, ob die Klägerin einen Sachverständigen zur Schadensermittlung hätte beauftragen dürfen.

Die Kosten für ein Sachverständigengutachten in Höhe von 951,17 Euro gehören vorliegend zu den erstattungsfähigen Kosten.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die Kosten des Sachverständigengutachtens stets zu ersetzen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Dies ist nach der Rechtsprechung stets der Fall, wenn es um die Feststellung des Schadensumfangs und/oder der Schadenshöhe geht, weil die Begutachtung in der Regel die Voraussetzung für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches ist. Dies gilt auch für den Fall, dass durch den Schädiger bereits ein Sachverständiger beauftragt wurde. In Kfz-Unfallsachen darf der Geschädigte bei Schäden von mehr als 750,00 Euro, in den neuen Bundesländern bei Schäden von mehr als 500,00 Euro einen Sachverständigen hinzuziehen. Nach einer zutreffenden Ansicht ist unabhängig von der Schadenshöhe nur dann von einem Bagatellschaden auszugehen, wenn durch das Schadensereignis für den Geschädigten als Laien ohne weiteres erkennbar ist, dass lediglich ein oberflächlicher Schaden eingetreten ist. Grundsätzlich sind sämtliche mit Vorlage der Rechnung eines Sachverständigen geltend gemachten Kosten für die Erstellung des Schadengutachtens zu erstatten. Zugleich genügt der Geschädigte durch Vorlage der Rechnung des Sachverständigen seiner Darlegungslast, da diese im Sinne des § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung der Schadenshöhe im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 28.02.2017 – VI ZR 76/16, juris; BGH, Urteil vom 30.11.2004 – VI ZR 365/03, juris; OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006 – 4 U 49/05).

Für die Klägerin als Laiin war der durch den Anstoß gegen das Fahrzeug entstandene Schaden in seiner Gesamtheit nicht offensichtlich. Die Komplexität der Schadensbeurteilung an einem modernen Fahrzeug wie dem Mitsubishi Outlander, mit Erstzulassung vom 27.08.2021, übersteigt das Fachwissen eines Laien erheblich. Vor allem die im Frontbereich verlaufende Verkabelung sowie diverse Steuergeräte können durch den Anstoß ebenfalls Schaden nehmen, was zu Funktionsstörungen im Fahrzeug führen kann. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war daher nicht nur angemessen, sondern auch notwendig, um die vollständige und genaue Beurteilung des entstandenen Schadens zu gewährleisten.

Die Schadenshöhe von 823,09 € (netto) stellt auch keinen Bagatellschaden dar (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.2004 – VI ZR 365/03, juris).

Die vorgenannten Gutachterkosten wurden durch die Klägerin bislang nicht an das Sachverständigenbüro gezahlt, sodass die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Freistellung von diesen Kosten hat.

2.
Die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Freistellung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 22,43 Euro.

[…]

Die vorgenannten außergerichtlichen Kosten wurden durch die Klägerin bislang nicht an die Rechtsanwaltskanzlei Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden gezahlt, so dass die Klägerin gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Freistellung von diesen aufgrund der gesetzlichen Regelung des RVG fälligen Forderungen hat.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

III.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

IV.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorliegen.

V.

Der Gebührenstreitwert entspricht dem wirtschaftlichen Interesse, das die Klägerin in der Hauptsache verfolgt.“

AG Bautzen, Urteil vom 7.1.2025 – 20 C 532/23

Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung trotz Mietwagen

Im Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 27.9.2024 (Az. 20 C 523/23) setzt sich das Gericht ausführlich mit der Ersatzfähigkeit restlicher Reparaturkosten auseinander. Die rechtlichen Ausführungen stützen sich maßgeblich auf § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sowie auf die in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze zum Werkstattrisiko und zur Ersetzungsbefugnis des Geschädigten.

Nach der Entscheidung des Gerichts sind die Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig begrenzt, insbesondere sobald er das Fahrzeug zur Reparatur in die Hände von Fachleuten gibt. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach es dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB widerspräche, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis mit Mehraufwendungen belastet bliebe, die seinem Einfluss entzogen sind (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90). Das Werkstattrisiko trägt daher der Schädiger.

Der Geschädigte darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die im Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und Materialien zur Schadensbeseitigung erforderlich sind. Er darf demgemäß einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren, ohne für mögliche Überzahlungen oder unnötige Arbeiten verantwortlich gemacht zu werden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, Az. 9 U 168/94). Ein Auswahlverschulden des Geschädigten ist nur dann anzunehmen, wenn er erkennbare Mängel oder Unzulänglichkeiten der Werkstatt hätte bemerken müssen, was hier nicht der Fall war.

Hinsichtlich der Lackierkosten argumentiert das Gericht, dass es nicht erforderlich ist, die Rechnungen von Nachunternehmern wie der Lackiererei vorzulegen oder detaillierte Auskünfte über deren Preise zu geben. Der Geschädigte erfüllt seine Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich durch die Vorlage der Rechnung des beauftragten Unternehmens. Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten besteht insoweit nicht, da dem Geschädigten kein Auswahlverschulden zur Last fällt (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1974, VI ZR 42/73).

Bezüglich der Kosten für Schutzmaßnahmen wegen des Coronavirus erkennt das Gericht diese Kosten als voll erstattungsfähig an, da sie notwendige Wiederherstellungskosten im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB darstellen. Es zieht einen Vergleich zu den in der Rechtsprechung anerkannten Kosten für die Reinigung eines Fahrzeugs nach Reparaturarbeiten. Wenn durch die Reparatur notwendigerweise eine Verschmutzung des Fahrzeugs eintritt, sind die Reinigungskosten erstattungsfähig. Analog dazu sind auch die Desinfektionskosten erstattungsfähig, da die Reparatur eine Berührung vieler Fahrzeugteile durch das Werkstattpersonal erfordert und somit ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht.

Das Gericht differenziert zudem zwischen Allgemeinkosten, die als Aufwendungen im Rahmen des Arbeitsschutzes von der Werkstatt zu tragen wären, und den hier in Rede stehenden Kosten, die dem Schutz des Kunden dienen. Die Desinfektion vor Übergabe an den Kunden ist eine spezifische Maßnahme zum Schutz des Geschädigten und daher nicht als Allgemeinkosten zu qualifizieren.

Unter Einbeziehung des Werkstattrisikos argumentiert das Gericht ferner, dass der Schädiger diese Kosten selbst dann zu tragen hätte, wenn sie vom Geschädigten nicht bezahlt worden wären. Dies unterstreicht die Verantwortung des Schädigers für alle in der Werkstattsphäre entstehenden Mehrkosten, solange den Geschädigten kein Mitverschulden trifft.

In dem Urteil setzt sich das Gericht auch mit der Frage auseinander, ob der Kläger trotz Anmietung eines Ersatzfahrzeugs eine Nutzungsausfallentschädigung geltend machen kann.

Zunächst stellt das Gericht fest, dass der Kläger einen Nutzungswillen hatte und eine reparaturbedingte Ausfallzeit von sechs Tagen bestand. Dies ist entscheidend, da ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung voraussetzt, dass der Geschädigte sein Fahrzeug hätte nutzen wollen und können, wenn es nicht beschädigt worden wäre.

Nach der Entscheidung des Gerichts hat der Kläger grundsätzlich die Wahl, ob er die tatsächlichen Kosten für ein Ersatzfahrzeug (Mietwagenkosten) oder eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung geltend macht.

Dabei ist es nach der Auffassung der Gerichts unerheblich, ob der Kläger während des Nutzungsausfalls tatsächlich einen Mietwagen angemietet hat oder nicht. Mit der Nutzungsausfallentschädigung wird der Verlust der Gebrauchsvorteile kompensiert, die aus der ständigen Verfügbarkeit des Fahrzeugs resultieren. Es kommt nicht darauf an, ob und wie der Geschädigte den Nutzungsausfall tatsächlich überbrückt hat. Entscheidend ist der Nutzungswille und die Möglichkeit der Nutzung, die durch das schädigende Ereignis beeinträchtigt wurden.

Das Gericht setzt sich mit der Argumentation der Beklagten auseinander, die behaupten, ein Anspruch auf Nutzungsausfall bestehe nicht, weil dem Kläger während der Reparaturdauer ein Mietwagen zur Verfügung stand. Das Gericht weist diese Ansicht zurück und führt aus, dass der Geschädigte nicht schlechter stehen darf, nur weil er zunächst Mietwagenkosten geltend gemacht hat. Die Wahlfreiheit des Geschädigten würde sonst unangemessen eingeschränkt.

Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 05.02.2013 – VI ZR 290/11) führt das Gericht aus, dass es dem Geschädigten nicht verwehrt ist, von seinem ursprünglichen Verlangen nach Ersatz der Mietwagenkosten abzurücken und stattdessen eine Nutzungsausfallentschädigung zu beanspruchen.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

gegen

1. […]

– Beklagter –

2. […] Versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richterin am Amtsgericht […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 03.09.2024 am 27.09.2024

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.165,37 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 10.12.2022 zu zahlen.
  2. Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 86,63 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 08.12.2023 zu zahlen.
  3. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.165,37 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 11.10.2022 in Großpostwitz ereignet hat.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Fahrer des Fahrzeuges der Beklagten den Unfall allein verschuldet und dem Kläger gegenüber für die Folgen des Unfallereignisses zu 100 % einzustehen hat. Streit besteht zwischen den Parteien lediglich darüber, ob der Kläger restliche Reparaturkosten sowie weitere Nutzungsausfallentschädigung verlangen kann.

Bei dem Unfall wurde das Fahrzeug des Klägers beschädigt. Der Gesamtschaden beträgt 6.890,52 Euro. Der Kläger beziffert seinen Schaden im Einzelnen wie folgt:

  • Reparaturkosten: 5.038,50 Euro
  • Unkostenpauschale: 30,00 Euro
  • Kosten Sachverständigengutachten: 850,02 Euro
  • Merkantiler Minderwert: 500,00 Euro
  • Nutzungsausfall: 472,00 Euro.

Die Nutzungsausfallentschädigung beansprucht der Kläger für den Zeitraum der Schadensfeststellung und Notreparatur vom 11.10.2022 und 12.10.2022 sowie dem Zeitraum der bereits durchgeführten Reparatur vom 27.02.2023 bis zum 04.03.2023 (8 Tage á 59,00 Euro/ Gruppe E) insgesamt in Höhe von 472,00 Euro.

Mit Schreiben vom 24.11.2022 wurden die Beklagten durch die Bevollmächtigten des Klägers unter Fristsetzung zum 09.12.2022 zur Zahlung des Schadens aufgefordert.

Die Beklagte zu 2) regulierte einen Teil der Forderung und zahlte die Unkostenpauschale, die Wertminderung und die Sachverständigenkosten vollständig. Am 22.03.2023 zahlte die Beklagte zu 2) einen weiteren Betrag in Höhe von insgesamt 4.345,13 Euro, der die Kosten der Notreparatur in Höhe von 220,07 Euro und weitere Reparaturkosten in Höhe von 3.827,06 Euro umfasst. Auf den Nutzungsausfall/Mietwagen wurde ein Betrag in Höhe von 298,00 Euro gezahlt.

Noch offen sind damit Reparaturkosten in Höhe von 991,37 Euro und Nutzungsausfall in Höhe von 174,00 Euro.

Der Kläger beansprucht zudem vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 86,63 Euro.

Der Kläger meint, sämtliche in der Reparaturrechnung aufgeführten Positionen seien erforderlich und angemessen. Im Übrigen würden vorliegend die Grundsätze des Werkstattrisikos greifen.

Der Kläger behauptet weiter, Anspruch auf Nutzungsausfall für den Reparaturzeitraum zu haben, da ihm unfallbedingt das Fahrzeug nicht zur Verfügung stand. Er habe nach dem Verkehrsunfall für die Dauer der Reparatur seines Fahrzeuges keinen Ersatzwagen angemietet, sodass er grundsätzlich für die Dauer des Nutzungsausfalls eine Nutzungsentschädigung verlangen könne. Ihm stehe daher im Zeitraum 17.01.2021 bis 23.03.2021 (8 Tage á 59,00 Euro/ Gruppe E) eine Nutzungsausfallentschädigung insgesamt in Höhe von 472,00 Euro zu. Abzüglich bereits gezahlter 298,00 Euro verbleibe hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung ein Restbetrag in Höhe von 174,00 Euro, der von den Beklagten als Gesamtschuldner zu ersetzen seien.

Der Kläger beantragt,

  1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.165,37 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz p.a. seit dem 10.12.2022 zu zahlen.
  2. Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 86,63 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Reparaturkosten seien überhöht. Deshalb seien Abzüge wie folgt gerechtfertigt. Das Ersatzteil Rückleuchte mit der Positionsnummer 9820555080 sei mehrfach aufgeführt. Für die Reparatur würde dieses Ersatzteil jedoch nur einmal benötigt, sodass ein Abzug von 159,93 Euro vorgenommen wird.

Die Lackierkosten in Höhe von 2.099,40 Euro seien als Pauschalbetrag angegeben und würden vom Gutachten abweichen. Da aus dieser Pauschale nicht zweifelsfrei erkennbar sei, welche Lackierungen tatsächlich durchgeführt wurden, habe die Beklagte zu 2) lediglich einen Vorschuss auf Basis der Lackierkalkulation gezahlt, sodass ein Betrag in Höhe von 858,08 Euro offen ist.

Die Beklagte zu 2) zog die Desinfektionskosten in Höhe von 45,00 Euro ab, da diese Aufwendungen bereits in den Gemeinkosten enthalten seien.

Die Beklagten meinen, die Grundsätze Werkstattrisikos seien dann nicht anzuwenden, wenn die Reparaturrechnung vom Gutachten abweiche und die Rechnung auch nicht prüfbar ist.

Eine weitere Nutzungsausfallentschädigung stehe dem Kläger nicht zu. Die Beklagten behaupten, für den Zeitraum der Reparatur habe der Kläger über die Autovermietung ein Fahrzeug angemietet. In der Rechnung […] seien Mietwagenkosten für 6 Tage in Höhe von 336,18 Euro netto enthalten. Für die reparaturbedingte Ausfallzeit habe dem Kläger somit einen Mietwagen zur Verfügung gestanden, sodass es schon an den Voraussetzungen fehle, eine Nutzungsausfallentschädigung zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akte und auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 03.09.2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1.
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung restlichen Schadensersatz in Höhe von insgesamt 1.165,37 Euro gemäß §§ 7, 18 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

1.1
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu 100 % ist unstreitig.

1.2
Der Kläger kann Ersatz weiterer Reparaturkosten in Höhe von 991,37 Euro brutto verlangen.

a)
Die geltend gemachten restlichen Reparaturkosten stellen dem Grunde als auch der Höhe nach den erforderlichen Aufwand zur Wiederherstellung des ursprünglichen Fahrzeugzustandes dar.

Den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung sind regelmäßig Grenzen gesetzt, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendung der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss.

Das Werkstattrisiko geht insofern zu Lasten des Schädigers. Dabei darf ein Geschädigter nach der oben angesprochenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigte Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß – wie hier – einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren (BGH, Urteil vom 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90, Juris). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, Az. 9 U 168/94, Juris). Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Ein Auswahlverschulden des Klägers ist insoweit nicht zu erkennen. Die durch die Werkstatt in der Reparaturrechnung belegten Aufwendungen sind im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier, gleichartige Aufwendungen sich bereits aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergeben (Amtsgericht Coburg, Urteil vom 27.11.2018,Az. 14 C 1819/18, Juris m.w.N.).

b)
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind im vorliegenden Fall die vollständigen Kosten der Reparatur ersatzfähig. Mangels besserer Erkenntnis – und Einflussmöglichkeiten hat der Kläger die Reparaturkosten für erforderlich halten dürfen.

c)

Darüber hinaus dringen die Beklagten mit ihren Einwendungen nicht durch.

aa)

Soweit die Beklagten einwenden, dass das Ersatzteil Rückleuchte mit der Positionsnummer 9820555080 sei mehrfach aufgeführt sei und dass für die Reparatur dieses Ersatzteil jedoch nur einmal benötigt werden würde, sodass ein Abzug von 159,93 Euro vorgenommen wird, dringt die Beklagte damit nicht durch. Denn hinsichtlich der Rückleuchte erfolgte ausweislich der […] vorgelegten Schreiben des Klägers Gutschriften seitens der Autohaus H[…], sodass diese Position nebst Arbeitsleistung nicht doppelt geltend gemacht wird.

bb)
Die Beklagten dringen auch hinsichtlich der Einwendungen zu den Lackierkosten nicht durch. Sofern die Beklagten meinen, anhand des pauschalen Rechnungsbetrags zu den Lackierkosten könne nicht geprüft werden, welche Lackierungen tatsächlich durchgeführt wurden sodass lediglich einen Vorschuss auf Basis der Lackierkalkulation zu zahlen ist, verkennt die Beklagte, dass es nicht erforderlich ist die Rechnung oder die Auskunft über die Preise des eingeschalteten Nachunternehmens – wie hier der Lackiererei – vorzulegen. Mangels Anspruchs auf Vorlage der Fremdleistungsrechnung läuft auch das insoweit geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht ins Leere. Der Geschädigte genügt grundsätzlich seiner Darlegungs- und Beweislast für die Erforderlichkeit des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags, indem er die Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung beauftragten Unternehmens vorlegt. Der Geschädigte muss nicht das Werkstatt- oder Prognoserisiko tragen, solange dem Geschädigten kein Auswahlverschulden trifft (BGH, 29.10.1974, VI ZR 42/73, juris; LG Bremen, Urteil vom 22.12.2021 – 4 S 187/21; BGH, Urteil vom 16. Januar 2024 – VI ZR 38/22 –, juris).

cc)
Die Kosten für Schutzmaßnahmen wegen des Coronavirus sind nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB vollumfänglich erstattungsfähig, da es sich auch hierbei um erforderliche Wiederherstellungskosten handelt. Wenngleich die Beklagte bestritten hat, dass die beauftragte Werkstatt die Corona-Schutzmaßnahmen bei der Reparatur des klägerischen Fahrzeugs tatsächlich durchgeführt hat, steht dies zur Überzeugung des Gerichts fest. Aus der vom Kläger vorgelegten schriftlichen Reparaturrechnung ergeben sich explizit, dass das Fahrzeug laut des Gutachtens der TÜV SÜD Auto Service vom 08.11.2022 instand gesetzt wurde. In diesem wiederum finden sich u.a. die Rechnungsposten „Fahrzeugdesinfektion“ und „Desinfektionsmaterial“, weshalb das einfache Bestreiten der Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unbeachtlich ist.

Bei den Desinfektionskosten, die vor Rückgabe des Fahrzeugs an den Kläger angefallen sind, handelt es sich um nach § 249 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche Kosten zur Wiederherstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts sind bezüglich der Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten für Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie dieselben Grundsätze anzuwenden, wie bei der Frage nach der Erstattungsfähigkeit von reparaturbedingten Kosten für die Reinigung eines Fahrzeugs. Wird ein Fahrzeug bei den erforderlichen Reparaturmaßnahmen verschmutzt, so ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Kosten der Reinigung einen erstattungsfähigen Schaden darstellen. Nichts Anderes kann gelten, wenn es wie hier, um Kosten für die Desinfektion eines Fahrzeugs aufgrund der Corona-Pandemie geht, die in der von der Kläger vorgelegten Reparaturrechnung sogar ausdrücklich unter dem Posten „Desinfektion vor Übergabe an den Kunden“ aufgeführt sind. Es ist zu nämlich zu berücksichtigen, dass die Durchführung einer Reparatur an einem Fahrzeug zwangsnotwendig die Berührung vieler Teile durch das Werkstattpersonal mit sich bringt und angesichts dessen eine Übertragung des neuartigen Corona-Virus nicht von vornherein auszuschließen ist. Der Kläger, der sein Fahrzeug für die Durchführung der Reparaturarbeiten in „fremde Hände“ gegeben hat, kann aufgrund der Corona-Pandemie im Rahmen der Naturalrestitution deshalb auch erwarten, dass ihm ein desinfiziertes Fahrzeug zurückgegeben wird. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich insoweit nicht um Allgemeinkosten, die als Aufwendungen im Rahmen des Arbeitsschutzes von der Werkstatt zu tragen sind, weil jedenfalls die nach Abschluss sämtlicher Reparaturarbeiten erfolgte Desinfektion des Fahrzeugs nicht dem Schutz des Werkstattpersonals, sondern vielmehr dem alleinigen Schutz der Kläger dient.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagten auf Schädigerseite das sog. „Werkstattrisiko“ selbst dann zu tragen hätten, wenn die hier streitigen Rechnungsposten nicht vom Kläger gezahlt worden wären. Unter Berücksichtigung des Werkstattrisikos können die „tatsächlichen“ Reparaturkosten nämlich selbst dann zur Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwands herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise – im Vergleich zu dem, was für eine solche Reparatur sonst üblich ist, unangemessen sind. Den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten sind bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. In Ansehung dieser Maßstäbe stellen die angefallenen Desinfektionskosten „erforderliche“ Kosten der Wiederherstellung dar. Vorliegend ist nämlich zu berücksichtigen, dass in dem von der Klägerin vorgelegten Schadensgutachten entsprechende Posten für Corona-Schutzmaßnahmen aufgeführt sind. Die Klägerin durfte sich deshalb auf die „Richtigkeit“ des Gutachtens verlassen, so dass es nicht darauf ankommt, ob es sich insoweit um Allgemeinkosten handelt, die der Klägerin von der Werkstatt möglicherweise auf unberechtigte Weise in Rechnung gestellt worden
sind.

Die Höhe des Anspruchs ergibt sich aus der vorgelegten Reparaturkostenrechnung der Autohaus H[…] vom 10.03.2023 […], die die Instandsetzung des Fahrzeugs laut Gutachten ausweist. Das Gutachten wiederum weist die geltend gemachten Desinfektionskosten in Höhe von 37,50 Euro sowie Kosten für Desinfektionsmittel in Höhe von 7,50 Euro aus.

1.3
Der Kläger kann Ersatz weiteren Nutzungsausfallschadens in Höhe von 174,00 Euro brutto gemäß § 249 Abs. 2 BGB verlangen.

aa.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger einen Nutzungswillen hatte und dass eine reparaturbedingte Ausfallzeit von 6 Tagen bestand.

bb.
Der Kläger kann gemäß § 249 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Reparaturkosten beanspruchen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage der Geschädigten machen würde. Sofern der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch aus § 254 BGB gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.

(1)
Das Gericht ist der Auffassung, dass der Kläger grundsätzlich die Wahl besitzt, ob er als Schaden einen (fiktiv berechneten) Nutzungsausfallschaden oder die Kosten für das Anmieten eines Ersatzfahrzeugs geltend macht.

Wenn sich der Kläger, wie vorliegend, für die Beanspruchung des Nutzungsausfallschadens entscheidet, ist unerheblich, ob und wie der Kläger den ihm entstandenen Schaden tatsächlich kompensiert hat, also ob er während des Nutzungsausfalls einen Mietwagen angemietet hat, zu Fuß gegangen ist, oder sich einen PKW von Freunden geliehen hat.

Mit dem Nutzungsausfallschaden wird der Verlust von Gebrauchsvorteilen kompensiert, die sich aus der ständigen Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs ergeben. Diese Vermögenseinbuße kann sowohl konkret auf der Grundlage angefallener Kosten für ein Ersatzfahrzeug als auch abstrakt als Nutzungsausfallentschädigung auf der Grundlage der üblicherweise genutzten Tabellen berechnet werden. Im letzteren Fall muss der Geschädigte nicht vortragen, dass ihn der Nutzungsausfall etwas gekostet hat. Erforderlich ist nur, dass ein Nutzungswille bestand und sich die zeitweise Unbenutzbarkeit des Fahrzeugs ausgewirkt hat (vgl. AG Schwelm, Urteil vom 10.12.2020 – 25 C 104/20, BeckRS 2020, 45815).

Somit war der Kläger unter Berücksichtigung dieser Grundsätze berechtigt, zwischen einer
Nutzungsausfallentschädigung und der Berechnung des Nutzungsausfallschadens über die Geltendmachung von Mietwagenkosten zu wählen.

Der Argumentation der Beklagtenseite, dass ein Anspruch auf Nutzungsersatz nicht besteht, weil dem Kläger während der Reparaturdauer ein Mietwagen zur Verfügung stand, kann das Gericht nicht folgen. Denn dies würde dazu führen, dass der Geschädigte, der zunächst die tatsächlichen Kosten für den Ersatz geltend macht, schlechter stehen würde, als derjenige, der von Anfang an von seinem Wahlrecht zwischen tatsächlicher Kosten und fiktiver Nutzungsersatzpauschale Gebrauch macht.
Ausdrücklich verlangt der Kläger nunmehr nicht mehr den Ersatz von Mietwagenkosten, sondern anstelle des Ersatzes von Mietwagenkosten eine Nutzungsausfallentschädigung. Dieses Wahlrecht ist nach Auffassung des Gerichts auch nicht dadurch erloschen, dass er ursprünglich gegenüber der Beklagten den Ersatz der Mietwagenkosten verlangte und teilweise – hier in Höhe von 180,00 Euro (6 Tage á 30,00 Euro) – erstattet bekam (vgl. AG Schwelm, Urteil vom 10.12.2020 – 25 C 104/20, BeckRS 2020, 45815).

Nach der Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 05.02.2013 – VI ZR 290/11, ist eine Abkehr von dem ursprünglichen Verlangen nicht verwehrt. Denn dem Urteil des BGH liegt ein der hiesigen Konstellation vergleichbarer Fall zugrunde. Auch in dieser Konstellation hatte die dortige Klägerin zunächst ihre entstandenen Mietwagenkosten unter Vorlage einer Mietwagenrechnung geltend gemacht und erst, als sich ergab, dass ihr Mietwagenkosten nicht zustünden, ihre Forderung auf eine Nutzungsausfallentschädigung geändert. Dies war ihr, so der BGH, auch nicht verwehrt (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.2013 – VI ZR 290/11, NJW 2013, 1149).

Anders kann auch die vorliegende Sachlage nicht beurteilt werden. Es ist zwar richtig, dass hier anders, als im Fall, den der BGH zu entscheiden hatte, der Kläger einen Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten besitzen würde. Es macht jedoch nach Auffassung des Gerichts keinen Unterschied, ob man zunächst Mietwagenkosten geltend macht, auf die man keinen Anspruch besitzt, oder ob man zunächst Mietwagenkosten geltend macht, auf die man zumindest anteilig einen Anspruch hätte (vgl. AG Schwelm, Urteil vom 10.12.2020 – 25 C 104/20, BeckRS 2020, 45815). Das Wahlrecht des Geschädigten findet seine Schranke in dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Er soll zwar vollen Ersatz verlangen können, darf sich jedoch an dem Schadensfall nicht verdienen (BGH, Urt. v. 18.10.2011 − VI ZR 17/11, juris). Die Leistung auf die Mietwagenrechnung ist der dem Geschädigten tatsächlich entstandene Kostenaufwand. Vor dem Hintergrund der Indizwirkung der bezahlten Rechnung stellt dieser Betrag grundsätzlich auch den gemäß § 249 BGB erforderlichen Kostenaufwand dar, sodass die pauschalierte Nutzungsausfallentschädigung auf die Höhe der tatsächlich angefallenen Mietwagenkosten zu begrenzen ist.

(2)
Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 174,00 Euro. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Ausfalldauer von 6 Tagen und der im Sachverständigengutachten angegebenen Nutzungsausfallentschädigung von 59,00 Euro pro Tag, abzüglich des von der Beklagten zu 2) bereits regulierten Betrages in Höhe von 180,00 Euro auf die Mietwagenkosten (6 Tage á 30,00 Euro).

Insoweit wahrt der Kläger auch das Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Denn die von ihm beglichenen Mietwagenkosten belaufen sich auf 400,05 Euro. Die Kosten für den pauschalierten Nutzungsausfall belaufen sich insgesamt auf 354,00 Euro (6 Tage á 59,00 Euro), wobei das Gericht davon ausgeht, dass für das vorliegende Fahrzeug eine Entschädigung von 59,00 Euro pro Tag im Sinne von § 287 ZPO angemessen ist. Da die Beklagte zu 2) einen Teil bereits reguliert hat (180,00 Euro) verbleiben die geltend gemachten 174,00 Euro.

2.
Der Kläger hat gegen die Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls einen Anspruch auf Erstattung außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 86,63 Euro.

[…]

3. Der Zinsanspruch ergibt sich hinsichtlich der Hauptforderung aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Zinsanspruch bezüglich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf 91 Abs. 1 ZPO.

III.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

IV.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO i.V.m. § 39 GKG. Der Gebührenstreitwert entspricht dem wirtschaftlichen Interesse, das des Klägers in der Hauptsache verfolgt.“

AG Bautzen, Urteil vom 27.9.2024 – 20 C 523/23

Angemessenheit von Sachverständigenkosten bei Verkehrsunfällen: Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung durch das AG Bautzen

Das Urteil des Amtsgerichts (AG) Bautzen befasst sich mit der Angemessenheit der Sachverständigenkosten bei Verkehrsunfällen, insbesondere in Bezug auf die Erstattungsfähigkeit gegenüber der Versicherung. Es wurde festgestellt, dass der Geschädigte Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Sachverständigen hat, solange diese als „erforderlich“ im Sinne von § 249 BGB anzusehen sind. Die Angemessenheit wird dabei häufig anhand des Honorartableaus des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen (BVSK) bewertet, was dem Laien eine Orientierung bieten soll.

Das AG Bautzen hat in diesem Urteil die bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass die Beurteilung der Angemessenheit der Kosten maßgeblich von der Marktkonformität und der regionalen Üblichkeit der berechneten Beträge abhängt. Damit wird den Geschädigten ein rechtlicher Rahmen zur Verfügung gestellt, der sie vor unverhältnismäßigen Kosten schützt, während den Sachverständigen eine gewisse Flexibilität in der Preisgestaltung eingeräumt wird, solange diese im ortsüblichen Rahmen bleiben.

Die Versicherung des Unfallgegners kann dabei nicht pauschal geringere Beträge geltend machen, indem sie auf günstigere, möglicherweise abweichende Preisvorgaben verweist. Ein wesentliches Argument des Urteils ist, dass dem Geschädigten in der akuten Schadenssituation nicht zuzumuten ist, eine aufwendige Kostenprüfung vorzunehmen. Er kann grundsätzlich davon ausgehen, dass die beauftragten Sachverständigenleistungen angemessen sind, sofern keine besonderen Umstände für eine übermäßige Überschreitung des Üblichen sprechen.

Bemerkenswert ist auch, dass das Gericht klarstellt, dass die Abrechnung nach Pauschalhonoraren anstelle einer detaillierten Zeitaufwandsberechnung gerechtfertigt ist, da diese Pauschalisierung zu einer gewissen Standardisierung und Transparenz der Kosten führt. Für den Geschädigten ist dies von Vorteil, da er als Laie oft nicht in der Lage ist, die erforderliche Detailtiefe bei der Bewertung des tatsächlichen Aufwands eines Sachverständigen nachzuvollziehen.

Dieses Urteil stärkt die Position der Geschädigten, indem es ihnen die Unsicherheit bei der Beurteilung der Sachverständigenkosten nimmt und die Versicherungen verpflichtet, marktübliche Honorare zu akzeptieren, solange diese nicht offensichtlich unverhältnismäßig sind. Auch die Zession der Forderung (Abtretung des Anspruchs auf Erstattung der Kosten) wird in diesem Zusammenhang als zulässig bestätigt, was es dem Sachverständigen ermöglicht, den Schadensersatz direkt gegen den Versicherer geltend zu machen, ohne den Geschädigten zusätzlich zu belasten.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Dresden, Urteil vom 16.1.2025 – 103 C 2114/24; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]Kfz-Sachverständigenbüro[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Vergütungsforderung

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter am Amtsgericht […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 11.10.2024

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 336,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 28.4.2024 zu zahlen.
  2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 44,59 € freizustellen.
  3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
  4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 340,24 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist Kfz-Sachverständiger . Er begehrt aus abgetretenem Recht die Zahlung restlicher Sachverständigenvergütung für das von ihm zu einem Verkehrsunfall vom 17.02.2024 in 02625 Bautzen gefertigte Schadensgutachten in Höhe der Klageforderung.

Die 100 %-ige Einstandspflicht der Beklagten für alle unfallbedingten Schäden ist unstreitig. Streitig sind vorliegend allein die Positionen Grundvergütung und die Anzahl von abgerechneten Schreibseiten des Gutachtens .

Der Geschädigte beauftragte den Kläger nach dem Unfall mit der Erstellung eines Schadensgutachtens . Dieses wies eine Schadenshöhe iHv. 4.513,06 € netto ( = 5370,55 € brutto ) aus […].

In einer Erklärung vom 19.02.2024, überschrieben mit Auftrag / Abtretung / Zahlungsanweisung, unterschrieben vom Geschädigten, ist auszugsweise folgendes geregelt: […]

….“ Hiermit trete ich meinen Schadensersatzanspruch zur Erstattung der Sachverständigenkosten unwiderruflich und vorrangig an das Sachverständigenbüro ab. Dies gilt sowohl für den Brutto- als auch für den Nettoendbetrag der Rechnung, je nach meiner Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Ich weise den haftpflichtigen Versicherer an, die Sachverständigenkosten direkt an das Sachverständigenbüro zu überweisen. Das Sachverständigenbüro ist ermächtigt, diese Abtretung gegenüber den Anspruchsgegnern offenzulegen und die abgetretenen Ansprüche in eigenem Namen geltend zu machen. Diese Abtretung berührt nicht die vertraglichen Ansprüche des Sachverständigenbüros gegen mich. Sollte der haftpflichtige Versicherer keine oder nur eine Teilzahlung leisten, behält sich das Sachverständigenbüro das Recht vor, die Ansprüche gegen mich geltend zu
machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. Bei Inanspruchnahme meinerseits erfolgt Zug um Zug eine Rückabtretung der noch offenen Forderung.“

Der Kläger fertigte das Gutachten und stellte hierfür insgesamt 858,11 € brutto in Rechnung, bestehend aus den Schadenspositionen Grundhonorar (655,00 € netto) sowie als Nebenkosten die Positionen Lichtbilder (11 Stück zu je 2,00 € = 22,00 € netto) , Fahrtkosten 33 km zu je 0,70 € = 23,10 € netto) , Schreibkosten pauschal (12,00 € netto) Porto- und Telefonpauschale 9,00 € netto) zzgl. 19 % USt auf diese Positionen iHv insgesamt 137,01 €. […]

Die Beklagte zahlte hierauf 517,67 € brutto […]. Grundlage für die Kürzungen sind ein von der Beklagten veranlasster Prüfbericht von Logicheck. Dieser verortete – abweichend von der Rechnung des Sachverständigen – das Grundhonorar bei insgesamt 371,91 € netto (anstelle 655,00 € netto); ferner bei den Schreibseiten 9,00 € netto (anstelle 12,00 €).

Der Kläger geht davon aus , dass die abgerechnete Vergütung angemessen , orts- und marktüblich ist , sich insbesondere an dem Honorartableau der HUK sowie der BVSK Honorarbefragung – wie mit dem Beklagten vereinbart […] – orientiert .

Der Kläger beantragt

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 340,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 28.4.2024 zu zahlen.

II. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 44,59 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Sie geht davon aus , dass alle berechtigten Ansprüche erfüllt sind . Die abgerechneten 858,11 € sind – wie sich aus dem eingeholten Prüfbericht von Logicheck ergebe – weder erforderlich noch ortsüblich […]. Eine wirksame Preisvereinbarung sei nicht zustandegekommen. Das Grundhonorar sei nach tatsächlichem Zeitaufwand zu ermitteln , insbesondere sei die Abrechnung nach Schadenshöhe nicht interessengerecht, auch gerichtlich bestelllte Sachverständige rechnen nach Zeitaufwand ab . Hinsichtlich der Schreibkosten seien lediglich die technischen Erläuterungen, d.h. ohne automatisiert gezogene Textbausteine und Fotoseiten zu erstatten, d.h. 10 Seiten zu je 0,90 € (= 9,00 € netto).

Zum Sach- und Streitstand wird im übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen und Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in der Sache zum weit überwiegenden Teil begründet.

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der noch unbeglichenen Kosten des Schadensgutachtens in Höhe von 337,24 € zu, §§ 7, 18 StVG, 115 (1) Nr. 1 VVG,
398, 249 (2) BGB iVm. § 287 ZPO. Im übrigen war sie (bzgl. Schreibkosten iHv weiteren
3,00 €) abzuweisen.

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert aufgrund der vom Zedenten mit eigenhändiger Unterschrift erteilten Abtretungserklärung […].

2. Die geschuldete Wiederherstellung des ohne das Unfallereignis bestehenden Zustands umfasst die Erstellung eines Schadensgutachtens . Ein Geschädigter ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen frei in der Wahl seiner Mittel und berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH, zuletzt Urteil vom 12.03.2024, VI ZR 280/22 ).

Ob der Herstellungsaufwand erforderlich iSd. § 249 (2) S.1 BGB ist, bemisst sich nach der
gängigen Rechtsprechung zur subjektbezogenen Schadensbetrachtung danach, ob im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle das beanspruchte Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist, und wenn ja, diese objektive Überhöhung für den geschädigten Laien erkennbar sein musste. Ferner ist der in Rechnung gestellte Betrag nur dann erforderlich, wenn und soweit er sich aus zutreffenden Anknüpfungstatsachen ableiten lässt .

Mit der neueren Rspr. des BGH (Urteil vom 12.03.2024, VI ZR 280/22) sind die entwickelten Grundsätze zum Werkstattrisiko auch auf möglicherweise überhöhte Kostenansätze eines
Sachverständigen zu übertragen. Hat sich der Sachverständige – so wie hier der Kläger – die Schadenersatzforderung des Geschädigten in Höhe der Honorarforderung abtreten lassen,
kann sich der Zessionar nicht auf das Sachverständigenrisiko berufen. Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger, der aus abgetretenem Recht des Unfallgeschädigten die restlichen Sachverständigenkosten einklagt , darzulegen und ggfls. zu beweisen , dass die abgerechneten Kosten objektiv erforderlich waren und nicht über das Erforderliche iSd. § 249 (2) BGB hinausgehen. Die Bemessung der als erforderlich anzusehenden Kosten als solches obliegt dabei dem Tatrichter gemäß § 287 ZPO (BGH, aaO), wobei die Art der Schätzgrundlage nicht vorgegeben ist (vgl. BGH ,Urteil vom 18.12.2012 , VI ZR 316 / 11).

Bei Anlegen dieses Maßstabs – deutliche Überhöhung auf objektiver Ebene sowie Erkennbarkeit dieser deutlichen Überhöhung auf subjektiver Ebene – bestehen gegen das abgerechnete Grundhonorar iHv. 655,00 € netto (= 791,35 € brutto) – unabhängig von der Frage einer Parteivereinbarung zur Vergütung, handschriftlich unterschrieben vom Geschädigten am 19.02.2024 […] – keine Bedenken .

Im Rahmen der Prüfung der erforderlichen Gutachterkosten orientiert sich das erkennende Gericht (weiterhin) in einer Gesamtschau der BVSK-Honorarbefragung mit dem Honorartableau der HUK-Coburg, mithin mehrerer im Rahmen des § 287 ZPO anerkannten Orientierungswerte und Maßstäbe. Gegen eine Orientierung am Zeitaufwand, wie ihn die Beklagte begehrt, spricht vor allem, dass der erforderliche Zeitaufwand von einem fachunkundigen Laien in der Regel nicht festzustellen oder sinnvoll einzuschätzen ist wie auch , dass eine Ableitung aus der Schadenshöhe für einen Laien höhere Transparenz und Nachvollziehbarkeit bietet, vgl. die unterschriebene Anlage […].
Das abgerechnete Grundhonorar liegt vorliegend sowohl nach dem Honorartableau der HUK wie auch der BVSK-Befragung 2022 HB IV unter dem in Rechnung gestellten Grundhonorar iHv. 791,35 € brutto. Ausgehend von dem gutachterlich festgestellten Reparaturschaden iHv. 4.513,06€ netto wäre nach dem Honorartableau der HUK-Coburg ein Honorar brutto incl. Nebenkosten iHv. 910,95 € brutto gerechtfertigt, nach der BVSK-Honorarbefragung 2022 HB IV ein Grundhonorar iHv. 704 € netto (= 837,76 € brutto).

Der vorgelegte Prüfbericht ist nicht geeignet, die Angemessenheit in Frage zu stellen, da die Bewertung per Ferndiagnose und ohne hinreichend tatsächliche Anknüpfungspunkte zum Zeitaufwand erfolgt.

Ob eine andere Berechnungsgrundlage möglich oder, wie die Beklagte meint, nach zeitlichem Aufwand vorzuziehen ist, kann dahinstehen, als es zu Vortrag der Erkennbarkeit einer objektiv deutlich erkennbaren Überhöhung – diese mal unterstellt – auf subjektiver Ebene bei dem Geschädigten fehlt und eine solche allenfalls bei einem krassen, sich geradezu aufdrängenden Missverhältnis angenommen werden könnte.

3. Schreibkosten sind in Höhe 9,00 € netto als angemessen anzusehen, § 287 ZPO. Dies
entspricht im Ausgangspunkt § 12 (1) S. 2 Nr. 3 JVEG, der hierfür als Orientierungshilfe heranzuziehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2016, VI ZR 50/15). Danach darf ein Sachverständiger 0,90 € pro Seite bis zum 1.000 Anschlag abrechnen, danach 1,50 €.
Vorliegend umfasst das Gutachten 22 Seiten, 3 Seiten bestehen aus dem Abdruck der mit
dem System Audatax eingestellten Reparaturkostenkalkulation, weitere 6 Seiten aus Lichtbildern, beides ohne eigene Schreibleistung; im übrigen werden zudem eine Vielzahl von Textbausteinen verwendet und die genannte Anzahl von 1000 Anschlägen pro Seite bei weitem nicht erreicht. Ausgehend hiervon ist die Erstattung von 10 Seiten zu je 0,90 € sachgerecht.

Vor diesem Hintergrund war die Klage hinsichtlich darüber hinausgehender Schreibkosten
(3,00 € netto = 3,57 € brutto) abzuweisen.

II.

Die zugesprochenen Rechtsverfolgungskosten und Zinsen ergeben sich aus den §§ 280, 286 (1), 288, 823 (1), 249 BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 (1) Nr. 1 , 708 Nr. 11 , 713
ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24

Angemessenheit von Sachverständigenkosten bei Verkehrsunfällen: Rechtliche Klarstellungen durch das AG Zittau

Das Urteil des Amtsgerichts Zittau, Zweigstelle Löbau, vom 10. September 2024 (8 C 149/24), behandelt die Vergütungsforderung eines Kfz-Sachverständigen gegenüber einer Versicherungsgesellschaft im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall.

Der Kläger hatte demnach einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gemäß §§ 115 VVG und 249 BGB. In Fällen eines Verkehrsunfalls umfasst der erstattungsfähige Schaden auch die Kosten der Schadensermittlung durch einen Sachverständigen. Ein wesentlicher Punkt des Urteils ist die Auslegung des „Erforderlichkeitsbegriffs“. Der Geschädigte muss bei der Auswahl eines Sachverständigen nicht nach den preisgünstigsten Angeboten suchen. Es genügt, dass ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten das Gutachten als zweckmäßig und notwendig erachten durfte. Die Entscheidung stellt klar, dass der Geschädigte nicht zugunsten der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers sparen muss. Dies ist ein häufiger Streitpunkt in Schadensersatzprozessen, bei dem Versicherungen oft argumentieren, dass die Kosten zu hoch seien und die günstigsten Sachverständigen gewählt werden müssten.

Die richterliche Schätzung der erforderlichen Kosten erfolgte gemäß § 287 ZPO. Hierbei orientierte sich das Gericht an der Honorarbefragung des BVSK (Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen), was in der Rechtsprechung – auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs – als geeignete Schätzungsgrundlage gilt. Das geforderte Honorar des Sachverständigen wurde in diesem Rahmen nicht beanstandet.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Dresden, Urteil vom 16.1.2025 – 103 C 2114/24; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]Kfz-Sachverständigenbüro[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Vergütungsforderung

hat das Amtsgericht Zittau durch

Richter am Amtsgericht […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 10.09.2024

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 393,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Pro-
    zentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 17.4.2024 zu
    zahlen.
  2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber der Rechtsanwälte
    Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 44,59 € freizustellen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 394,20 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 313 a I 1 ZPO abgesehen, da ein
Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt € 600,00 nicht (§ 511 II 1 ZPO).
Die Berufung wird nicht zugelassen (§ 511 II 2 ZPO), da die Rechtssache weder grund-
sätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer ein-
heitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert ( § 511 IV
1ZPO).

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Bezahlung der weiteren Sachverständigenkosten gemäß §§ 115 VVG, 249 BGB.

Der bei einem Verkehrsunfall erstattungsfähige Schaden umfasst gemäß § 249 BGB auch die erforderlichen Kosten der Schadensermittlung durch einen Sachverständigen. Erforderlich sind die Aufwendungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dabei hat der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich den im Rahmen des ihm Zumutbaren wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Geschädigte bei der Beauftragung des Sachverständigen zuvor eine Marktforschung betreiben müsste, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu finden; kurz: der Geschädigte muss nicht zu Gunsten der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers sparen.

Der Geschädigte kann für die Gutachtenerstellung die tatsächlich erforderlichen Kosten ersetzt verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat.

Im Rahmen der richterlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO kann der Tatrichter nach überwiegender Rechtsprechung, inzwischen auch des BGH, der sich das erkennende Gericht anschließt, die Honorarbefragung der BVSK – hier 2022 – als geeignete Schätzungsgrundlage heranziehen.
Das geltend gemachte Honorar des Sachverständigen ist danach nicht zu beanstanden.
Es wird insoweit auf die zutreffende Berechnung der Klägerseite […] verwiesen.

Der Anspruch auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs, 2, 286 BGB. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 II 3, 288 I BGB.

II.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91; 269 Abs. 3 S. 3, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.“

AG Zittau, Zweigstelle Löbau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24

Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten: BVSK-Honorartabelle unabhängig von Verbandszugehörigkeit

Das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 25.06.2024 (Az. 121 C 573/24) behandelt einen Rechtsstreit zwischen einem Ingenieurbüro und einer Haftpflichtversicherung zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall. Die Klägerin hatte die Ansprüche des Geschädigten aus abgetretenem Recht geltend gemacht.

Das Gericht hat entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten hat. Die Entscheidung stützt sich dabei auf § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 VVG und den Regelungen des BGB.

Wesentlich in der Entscheidung ist die Frage der Angemessenheit und Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten. Das Gericht hat anerkannt, dass der Geschädigte grundsätzlich das Recht hat, die Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen ersetzt zu bekommen, jedoch unterliegt dieser Anspruch dem sogenannten Wirtschaftlichkeitsgebot. Das bedeutet, dass die Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zur Schadenshöhe stehen müssen und der Geschädigte nicht automatisch jeden Preis ersetzt verlangen kann, den der Sachverständige in Rechnung stellt.

Ein zentraler Punkt war die Bewertung der einzelnen Kostenpositionen, wie z.B. Grundhonorar, Fahrtkosten, Fotokosten und Schreibkosten. Das Gericht hat hier die BVSK-Honorartabelle 2022 als Schätzgrundlage herangezogen und festgestellt, dass die in Rechnung gestellten Beträge größtenteils angemessen waren, mit Ausnahme der Fahrtkosten, die teilweise als überhöht angesehen wurden.

Besonders bemerkenswert ist die Entscheidung des Gerichts, dass eine Mitgliedschaft im BVSK (Berufsverband der Sachverständigen) nicht Voraussetzung für die Heranziehung der BVSK-Honorartabelle als Schätzgrundlage ist. Das Gericht hat die Verwendung dieser Tabelle als repräsentativ und geeignet bewertet, um die Angemessenheit der Sachverständigenhonorare zu bestimmen.

Das Gericht betrachtet die BVSK-Honorartabelle als einen bundesweit anerkannten und repräsentativen Querschnitt der üblichen Honorare von Sachverständigen. Diese Honorartabelle wird vom Berufsverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen (BVSK) erstellt und basiert auf umfangreichen Umfragen unter Sachverständigen in Deutschland. Dadurch erlangt sie nach Auffassung des Gerichts eine hohe Aussagekraft für die Bestimmung angemessener Vergütungen in der Praxis.

Eine zentrale Argumentation des Gerichts ist, dass es nicht erforderlich ist, dass der beauftragte Sachverständige Mitglied im BVSK ist, um die BVSK-Honorartabelle als Schätzgrundlage heranziehen zu können. Diese Entscheidung beruht auf der Überlegung, dass die Tabelle selbst unabhängig von der Mitgliedschaft repräsentative Werte liefert, die den gängigen Marktbedingungen entsprechen. Wäre die Heranziehung der Tabelle auf BVSK-Mitglieder beschränkt, würde dies einen unzulässigen Druck auf Sachverständige ausüben, dem Verband beizutreten, was das Gericht als unsachgerecht ansieht.

Das Gericht argumentiert weiter, dass eine Differenzierung nach Mitgliedern und Nichtmitgliedern des BVSK zur Erhöhung der Einkommensmöglichkeiten von Sachverständigen durch eine erzwungene Mitgliedschaft führen könnte. Dies wäre nicht nur sachlich unangemessen, sondern würde auch dem Grundsatz der freien Berufsausübung widersprechen. Das Gericht stellt daher klar, dass es die BVSK-Honorartabelle auch dann als Schätzgrundlage nutzen kann, wenn der Sachverständige nicht Mitglied im BVSK ist.

Im Rahmen des § 287 ZPO hat das Gericht einen weiten Ermessensspielraum bei der Schätzung von Schadensersatzbeträgen. Es ist nicht verpflichtet, alle möglichen Schätzgrundlagen heranzuziehen, sondern kann sich auf solche stützen, die es als angemessen und praktisch durchführbar erachtet. Die BVSK-Honorartabelle erfüllt diese Anforderungen, da sie auf breiter Datenerhebung basiert und für die gängige Praxis repräsentativ ist.

Das Gericht weist zudem darauf hin, dass eine Differenzierung nach der Qualität einzelner Sachverständiger nicht erforderlich ist, da dies den Sinn und Zweck der Schätzmöglichkeit nach § 287 ZPO untergraben würde. Die Honorartabelle stellt eine durchschnittliche Vergütung dar, die typischerweise für Sachverständigenleistungen in diesem Bereich erwartet wird. Damit wird vermieden, dass im Einzelfall aufwendig geprüft werden muss, ob ein bestimmter Sachverständiger besonders qualifiziert oder erfahren ist.

Das Gericht setzt die BVSK-Honorartabelle auch in den Kontext anderer denkbarer Schätzgrundlagen und stellt fest, dass diese Tabelle eine zuverlässige und praxisnahe Grundlage bietet, die den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) entspricht. Der BGH hat in verschiedenen Urteilen betont, dass die Ermittlung der erforderlichen Kosten durch eine solche Honorartabelle zulässig ist, solange sie auf einer repräsentativen Datenerhebung basiert und die durchschnittlichen Marktbedingungen widerspiegelt.

Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die BVSK-Honorartabelle eine geeignete Grundlage für die Schätzung der erforderlichen Sachverständigenkosten ist. Diese Entscheidung ermöglicht es, die Kostenfrage in Verkehrsunfallsachen auf eine einheitliche und nachvollziehbare Weise zu klären, ohne dass es zu einer übermäßigen Belastung der Gerichte durch individuelle Prüfungen kommt.

In dem Urteil des Amtsgerichts Braunschweig wird zudem ausführlich auf die Erstattungsfähigkeit von Nebenkosten im Rahmen der Sachverständigenhonorare eingegangen. Das Gericht befasst sich dabei mit mehreren Arten von Nebenkosten, darunter Fotokosten, Schreibkosten, Fahrtkosten und eine Pauschale für Porto und Telefon. Die Argumentation des Gerichts stützt sich dabei auf verschiedene rechtliche und praktische Überlegungen.

Das Gericht stellt zunächst fest, dass es allgemein üblich ist, dass Sachverständige neben ihrem Grundhonorar auch Nebenkosten geltend machen. Diese Nebenkosten sind als Auslagen für bestimmte Aufwendungen im Rahmen der Sachverständigentätigkeit zu verstehen und werden üblicherweise zusätzlich zum eigentlichen Entgelt für die Hauptleistung (die Erstellung des Gutachtens) in Rechnung gestellt. Das Gericht führt hierzu aus, dass es gerichtsbekannt sei, dass Sachverständige in der Regel Nebenkosten für verschiedene Posten wie Fahrten, das Anfertigen von Lichtbildern und das Erstellen von schriftlichen Gutachten gesondert abrechnen.

Im Hinblick auf die Fotokosten erkennt das Gericht eine Erstattungsfähigkeit an, da diese Kosten als notwendige Auslage für die Begutachtung des Fahrzeugs anzusehen sind. Im vorliegenden Fall wurden Kosten in Höhe von 2,00 Euro pro Foto für insgesamt 7 Fotos geltend gemacht. Das Gericht sieht diese Kosten als angemessen an. Daher wurden die Fotokosten in voller Höhe als erstattungsfähig anerkannt.

Die Schreibkosten wurden im Urteil ebenfalls als erstattungsfähig bewertet. Das Gericht führt aus, dass die abgerechneten Schreibkosten in Höhe von 10,80 Euro nicht überhöht seien. Es wurde ein Betrag von 1,80 Euro pro Seite für das schriftliche Gutachten abgerechnet, was insgesamt 6 Seiten umfasst. Das Gericht bezieht sich hierbei auf die BVSK-Honorarvereinbarung 2022, die auch eine Orientierung an den Regelungen des JVEG (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz) ermöglicht.

Das Gericht argumentiert, dass es sich bei den Schreibkosten um eine Pauschale handelt und es daher unerheblich sei, ob jede Seite des Gutachtens tatsächlich umfangreichen schriftlichen Inhalt aufweist. Entscheidend ist vielmehr, dass die Pauschale als marktüblich und angemessen anzusehen ist. Die Bemessung der Schreibkosten anhand einer Pauschale vereinfacht die Abrechnung und stellt sicher, dass die Kosten im üblichen Rahmen bleiben.

Die Fahrtkosten wurden differenziert betrachtet. Das Gericht erkennt an, dass Fahrtkosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, legt jedoch Wert darauf, dass die Höhe der geltend gemachten Kosten angemessen ist. Im vorliegenden Fall wurden Fahrtkosten in Höhe von 0,99 Euro pro Kilometer geltend gemacht, was das Gericht als überhöht ansieht. Stattdessen hält das Gericht einen Kilometersatz von 0,70 Euro für angemessen, basierend auf verschiedenen Autokostentabellen und einer Marktanalyse, die im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz durchgeführt wurde.

Das Gericht verweist zudem darauf, dass der Geschädigte in der Lage sein muss, überhöhte Fahrtkosten zu erkennen und diese zu hinterfragen. Der Bundesgerichtshof hat in früheren Entscheidungen klargestellt, dass ein Kilometersatz von 0,70 Euro angemessen erscheinen kann, während der gesetzliche Satz nach dem JVEG von 0,30 Euro als unrealistisch niedrig bewertet wird.

Die Pauschale für Porto und Telefon in Höhe von 15,00 Euro netto wurde vom Gericht ebenfalls als erstattungsfähig anerkannt. Diese Pauschale entspricht der BVSK-Honorarvereinbarung 2022 und wurde seitens der Beklagten nicht substantiiert angegriffen. Das Gericht bewertet diese Pauschale als marktüblich und angemessen, da Sachverständige typischerweise solche Kommunikations- und Versandkosten als Teil ihrer Nebenkosten abrechnen.

Insgesamt sieht das Gericht die geltend gemachten Nebenkosten, mit Ausnahme eines Teils der Fahrtkosten, als angemessen und erstattungsfähig an. Die Entscheidung basiert auf der Praxis der freien Berufsausübung und den Prinzipien des Zivilrechts, insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot, das in Schadenersatzprozessen eine zentrale Rolle spielt. Das Gericht betont, dass der Geschädigte bei der Beauftragung eines Sachverständigen nicht zu einer umfassenden Marktforschung verpflichtet ist, um den günstigsten Anbieter zu finden.

Durch die Verwendung von Pauschalen und allgemein anerkannten Honorartabellen wird die Abrechnung der Nebenkosten vereinfacht und standardisiert, was sowohl den Gerichten als auch den Parteien eine verlässliche Grundlage bietet, um die Angemessenheit der Kosten zu beurteilen. Die Entscheidung des Gerichts zeigt, dass Nebenkosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, solange sie sich im Rahmen des Üblichen bewegen und durch marktübliche Pauschalen oder Honorartabellen gedeckt sind.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Dresden, Urteil vom 16.1.2025 – 103 C 2114/24; AG Bautzen, Urteil vom 11.10.2024 – 23 C 348/24; AG Zittau, Urteil vom 10. September 2024 – 8 C 149/24; AG Bautzen, Urteil vom 3.7.2024 – 23 C 134/24; AG Braunschweig, Urteil vom 25.06.2024 – 121 C 573/24; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Blinken reicht nicht: Gericht stellt volle Haftung des Abbiegenden fest

Das Landgericht Görlitz Außenkammer Bautzen (LG Görlitz, Urteil vom 24. Juli 2024 – 6 O 65/23) hat in einem Urteil klargestellt, dass ein abbiegender, wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer die volle Haftung für einen Unfall trägt, selbst wenn der vorfahrtsberechtigte Fahrer den Blinker gesetzt hat. Im zugrunde liegenden Fall fuhr der Kläger auf einer Vorfahrtsstraße und signalisierte durch (unbewusstes) Blinken ein Abbiegen, setzte dieses jedoch nicht um. Die Unfallgegnerin, die abbiegen wollte, vertraute auf das Blinken und verursachte einen Unfall. Das Gericht stellte fest, dass das Setzen des Blinkers allein nicht ausreichend ist, um dem Wartepflichtigen das Vertrauen auf eine sichere Abbiegeaktion zu gewähren. Entscheidend ist, dass der Vorfahrtsberechtigte eindeutig abbiegt oder abbremst, um eine entsprechende Vertrauensgrundlage zu schaffen. Der Wartepflichtige bleibt in der Verantwortung, die Vorfahrt zu beachten und darf nicht allein auf den Blinker vertrauen.

Dieses Urteil verdeutlicht, dass das Blinken nur ein Indiz für das Abbiegen ist und keine verbindliche Zusicherung darstellt. Der Wartepflichtige muss weiterhin sicherstellen, dass der Vorfahrtsberechtigte tatsächlich abbiegt, bevor er selbst abbiegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…] Versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch

Richter am Landgericht […] als Einzelrichter

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2024 am 24.07.2024

für Recht erkannt:

1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Görlitz – Außenkammern Bautzen – vom 02.11.2023 – Az. 6 O 65/23 – bleibt aufrechterhalten.

2. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

[…]

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Teilklage auf Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalles vom 09.12.2022 gegen 9:45 Uhr in Anspruch.

Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug Kia Venga […] in Bautzen die Stieberstraße Richtung Dr.-Peter-Jordan-Straße. Die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs Ford Kuga […] befuhr die Goethestraße und wollte nach rechts in die Stieberstraße einbiegen. Beide Fahrzeuge kollidierten im Einmündungsbereich. Die Stieberstraße ist mit dem Verkehrsschild: „Vorfahrtsstraße“ ausgestattet. An der Einmündung der Goethestraße zur Stieberstraße steht das Verkehrsschild „Vorfahrt gewähren“.

Der Kläger behauptet, er sei auf der vorfahrtsberechtigten Straße gefahren. Soweit er aufgrund vorher abknickenden Vorfahrt seinen Blinker noch angehabt hätte, hätte dies die Fahrerin des Ford Kuga erkannt, aber nicht auf die Abbiegeabsicht vertrauen dürfen, da er keine Geschwindigkeitsverzögerung vorgenommen habe.

[…]

Die Beklagte behauptet, die Fahrerin des Ford Kuga habe sich mit dem von ihr gesteuerten
Fahrzeug der Kreuzung Goethestraße/ Stieberstraße genähert und sei bis zur Sichtlinie vorgefahren. In diesem Moment sei von links der Kläger mit seinem Fahrzeug mit eingeschaltetem rechten Fahrtrichtungsanzeiger gekommen. In der Erwartung, der Kläger würde in die Goethestraße einbiegen, sei die Fahrerin des Ford Kuga vorgefahren, um rechts abzubiegen. Völlig überraschend habe das klägerische Fahrzeug den Abbiegevorgang plötzlich abgebrochen, um dann geradeaus weiterzufahren.

Hinsichtlich des weitergehenden Vortrags der Parteien wird auf sämtliche wechselseitig eingereichte Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

[…]

Auf der Grundlage der klägerischen Anträge ist in der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2023 ein Versäumnisurteil ergangen, gegen das die Beklagtenseite Einspruch eingelegt hatte.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist erfolglos und die Klage begründet. Das Versäumnisurteil war aufrecht zu erhalten.

[…]

Das Versäumnisurteil war aufrechtzuerhalten und die Klage abzuweisen, da der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz in voller Höhe hat (§§ 7, 8, 17 StVG, 249 BGB 115 VVG).

Der Kläger befuhr die bevorrechtigte Straße. Das Vorfahrtsrecht des Klägers hat die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs missachtet. Sie konnte sich dabei nicht auf ein vertrauensbildendes Verhalten der Klägerseite berufen.

Da sich beide Fahrzeugführer nicht ideal verhalten haben, so dass der Unfall für beide Seiten nicht unvermeidbar war, sind die gegenseitigen Verursachungsbeiträge gegeneinander abzuwägen.

Die Abwägung der beidseitigen Verursachungsbeiträge ergibt, dass die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs den Unfall allein verursacht hat und eine mögliche Betriebsgefahr des vorfahrtsberechtigten durch die Vorfahrtsverletzung zurücktritt.

Der Wartepflichtige hat die Vorfahrt des Berechtigten zu gewähren. Er muss sich entsprechend verhalten, so dass für den Vorfahrtsberechtigten klar ist, dass er die Vorfahrt beachten werde (§ 8 Abs. 2 StVO). Der Wartepflichtige darf nur dann in die Vorfahrtstraße einfahren, wenn er übersehen kann, dass er den, der die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert. Den Wartepflichtigen trifft insoweit eine gesteigerte Sorgfalt, die bedingt, dass er auch mit einem verkehrswidrigen Verhalten des Vorfahrtberechtigten rechnen muss und somit regelmäßig nur auf das Unterbleiben atypischer, grober Verstöße des Vorfahrtberechtigten vertrauen darf (OLG Dresden, Beschluss vom 24. April 2014 – 7 U 1501/13 –, Rn. 7, m.w.N., juris)

Der Wartepflichtige darf nur dann auf ein Abbiegen des Vorfahrtberechtigten vertrauen, wenn über das bloße Betätigen des Blinkers hinaus in Würdigung der Gesamtumstände, sei es durch eine eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit oder aber einen zweifelsfreien Beginn des Abbiegemanövers, eine zusätzliche tatsächliche Vertrauensgrundlage geschaffen worden ist, die es im Einzelfall rechtfertigt, davon auszugehen, das Vorrecht werde nicht (mehr) ausgeübt (OLG Dresden, Urteil vom 20. August 2014 – 7 U 1876/13 –, Rn. 3, juris). Erforderlich ist, dass neben dem Blinken zumindest ein weiteres deutliches Anzeichen dafür gegeben ist, dass der Vorfahrtberechtigte tatsächlich vor dem Wartepflichtigen abbiegt.

Ein solches deutliches weiteres Anzeichen, dass der Kläger vor der Beklagtenseite abbiegen wird, ist nicht ersichtlich. Dies folgt auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, die ein weiteres Anzeichen für einen bevorstehenden Abbiegevorgang nicht behauptet. Die Mitteilung, dass der Abbiegevorgang abgebrochen ist, ist hierfür keine ausreichende Behauptung. Das Gericht sah sich nach der Einlassung des Klägers daher nicht gehalten, eine weitere Beweisaufnahme durchzuführen, da sie lediglich ein Ausforschungsbeweis zugunsten der Beklagtenseite darstellen würde. Eine solche Beweisführung ist unzulässig.

Dieses Ergebnis geht zu Lasten der Klägerseite, da der Wartepflichtige den Anschein der schuldhaften Vorfahrtsverletzung gegen sich hat (vgl. Hentschel/König/Dauer, Rn.: 68 zu § 8 StVO). Wie oben ausgeführt, konnte die Beklagtenseite diesen Anschein durch ihren Vortrag nicht erschüttern.

Über den Hilfsantrag hatte das Gericht nicht zu befinden, da eine Haftung der Beklagtenseite in voller Höhe festgestellt worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last, da sie im Prozess unterliegt. Die Kosten des Rechtsstreits fallen insgesamt der Beklagtenseite zur Last, unabhängig davon, ob sie zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit oder erst nach Rechtshängigkeit gezahlt hat.

In beiden Fällen hat sie die Kosten des Rechtsstreits nach den obigen Erwägungen zu tragen. Es macht insofern auch kein Unterschied, ob die Klage zurückgenommen ist oder für erledigt erklärt hat, da durch das Versäumnisurteil keine Kostenreduzierung durch die Klagerücknahme bzw. eine Erledigungserklärung stattgefunden hätte (§§ 91, 269 Abs. 3, S. 3 ZPO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 u. 3 ZPO).

Die Wertfestsetzung des Streitgegenstandes ergibt sich aus der Höhe der jeweiligen Klageforderung (§§ 48 Abs. 1, 39 GKG, 3, 4 ZPO).“

LG Görlitz, Urteil vom 24. Juli 2024 – 6 O 65/23

Wirtschaftlichkeitsgebot bei Schadensersatz: BGH urteilt zur Eigenreparatur in Werkstätten

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. Mai 2023 (Az. VI ZR 274/22) befasst sich mit der Frage, ob ein Geschädigter, der einen Reparaturbetrieb führt, im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Fremdreparatur einschließlich des Gewinnanteils hat.

Grundsätzlich hat ein Geschädigter gemäß § 249 Abs. 1 BGB Anspruch darauf, den Zustand wiederhergestellt zu bekommen, der vor dem schädigenden Ereignis bestand. Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann er anstelle der Wiederherstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dies gilt auch für die Reparaturkosten, selbst wenn der Geschädigte das Fahrzeug selbst repariert oder nicht repariert. Der BGH hat entschieden, dass in solchen Fällen der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der Kosten einer markengebundenen Fachwerkstatt hat, selbst wenn er die Reparatur günstiger in Eigenregie durchführen könnte.

In diesem Fall hatte die Klägerin jedoch keinen Erfolg mit ihrer Revision, da sie nicht nachweisen konnte, dass ihr Reparaturbetrieb ausgelastet war und sie deshalb die Reparatur nicht selbst durchführen konnte. Der BGH betonte, dass der Geschädigte seine betriebliche Auslastung konkret darlegen muss, um den Anspruch auf die höheren Kosten einer Fremdreparatur zu rechtfertigen. Andernfalls könnte der Geschädigte nicht mehr verlangen, als was wirtschaftlich vernünftig wäre, um zu verhindern, dass er am Schadensfall „verdient“.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der BGH die Prinzipien der subjektbezogenen Schadensbetrachtung und der Schadensminderungspflicht bestätigt hat. Dies bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensabrechnung sowohl die Besonderheiten seiner individuellen Situation als auch wirtschaftliche Vernunft berücksichtigen muss. Der Schädiger trägt die Beweislast dafür, dass eine günstigere Reparaturmöglichkeit in der eigenen Werkstatt des Geschädigten besteht, während der Geschädigte seine betriebliche Auslastungssituation darlegen muss.

Kreuzungsräumer: Rechtliche Bewertung von Kreuzungsunfällen: Die Rolle echter und unechter Nachzügler


In dem vom Landgericht Görlitz Außenkammern Bautzen (LG Görlitz, Urteil vom 30.4.2024 – 5 O 193/22) entschiedenen Fall ging es um die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall, bei dem die Unterscheidung zwischen einem „echten Nachzügler“ und einem „unechten Nachzügler“ zentral war. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die Beklagtenseite als unechter Nachzügler agierte und somit nicht berechtigt war, in den Kreuzungsbereich einzufahren.

Ein echter Nachzügler ist ein Fahrzeugführer, der sich bereits im Kreuzungskern befindet, wenn die Ampel für den Querverkehr auf Grün schaltet. Diese Fahrer dürfen den Kreuzungsbereich vorrangig verlassen, um den Verkehrsfluss nicht zu stören. Im Gegensatz dazu befindet sich ein unechter Nachzügler außerhalb des Kreuzungskerns, wenn die Ampel umschaltet. Ein solcher Fahrer muss warten und hat kein Vorrangrecht.

Die Beklagte handelte fahrlässig, indem sie bei Rotlicht in die Kreuzung einfuhr, während die Ampel für die Klägerseite auf Grün geschaltet war. Diese Handlung führte zur Feststellung ihrer Haftung für den entstandenen Schaden. Das Gericht wies damit die Ansprüche der Klägerseite zu, indem es auf die Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten hinwies und entsprechend Schadenersatzforderungen zugunsten der Klägerin entschied.

Urteile zur Haftungsverteilung bei Unfällen mit echten und unechten Nachzüglern im Kreuzungsbereich.

Volle Haftung des unechten Nachzüglers:
 OLG Koblenz, Urteil vom 8.9.1997 – 12 U 1355/96; LG Görlitz, Urteil vom 30.4.2024 – 5 O 193/22; AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2023 – 21 C 279/22

Haftungsverteilung bei echten Nachzüglern:
OLG Hamm, Urteil vom 26.8.2016 – 7 U 22/16

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch Richter am Landgericht […] als Einzelrichter im schriftlichen Verfahren am 30.04.2024

für Recht erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. an die Klägerin 725 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4% aus für die Zeit vom 12.3.2022 bis zum 29.3.2022 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 30.3.2022 zu zahlen,
2. die Klägerin gegenüber der Reparaturwerkstatt […] von restlichen Reparaturkosten in Höhe von 3.238,60 € aus der Reparaturkostenrechnung […] freizustellen,
3. die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von Mietwagenkosten in Höhe von 719,95 € aus der Rechnung […] vom 28.3.2022 freizustellen,
4. an die Vollkaskoversicherung der Klägerin […] einen Betrag in Höhe von 6.466,29 Euro auf die erstatteten Reparaturkosten der Reparaturwerkstatt Autohaus […] aus der Reparaturkostenrechnung […] vom 28.3.2022 zu zahlen,
5. an die Vollkaskoversicherung der Klägerin […] einen Betrag in Höhe von 1.091,23 Euro auf die erstatteten Sachverständigenkosten des Kfz-Sachverständigenbüros […] aus der Rechnung […] vom 16.3.2022 zu zahlen,
6. die Klägerin gegenüber den Rechtsanwälten Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 550,85 € freizustellen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Geldbetrages.

Streitwert: 12.241,07 EUR.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch.

Die Klägerin ist Eigentümerin und Halterin des unfallbeteiligten PKW Kia. Die Beklagte ist der Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten PKW Fiat.

Am 11.03.2022 gegen 11.25 Uhr kam es auf der Kreuzung Zeppelinstraße/Wilthener-Straße/B96 (Siemensstraße) in Bautzen zu dem Zusammenstoß der benannten Fahrzeuge.

Die Klägerin mit dem PKW Kia kam von der Siemensstraße (B96) und fuhr in Richtung Zeppelinstraße. Sie hielt zunächst an der in ihrer Fahrtrichtung auf „rot“ geschalteten Ampelanlage an. Als diese auf „grün“ umschaltete, fuhr sie weiter geradeaus.

Die Zeugin H[…] führte den PKW Fiat. Sie befuhr die Wilthener Straße stadtauswärts. An der benannten Kreuzung hielt sie bei Lichtzeichenanlage rot zunächst an. Bei grün fuhr sie zunächst über die Haltelinie, wobei zwischen den Parteien umstritten ist, ob und wie weit sie danach in den Kreuzungsbereich einfuhr. Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes der Fahrzeuge war die Lichtzeichenanlage, die die Zeugin H[…] überquert hatte, bereits wieder auf rot gestellt.

Die Klägerin trägt vor, sie habe den PKW Fiat wahrgenommen, als dieser auf der Wilthener Straße auf der Fußgängerfurt stand. Danach habe sie den PKW Fiat erst wieder wahrgenommen, als es auf der Kreuzung zur Kollision kam, indem der PKW Fiat in die hintere linke Seite des PKW Kia gefahren sei.

Der Vollkaskoversicherer der Klägerin regulierte die klägerischen Schäden am Fahrzeug im Umfange von 6.466,29 €. Das Fahrzeug der Klägerin wurde begutachtet und inzwischen repariert in der Werkstatt Authohaus […].

Das klägerische Fahrzeug erlitt einen merkantilen Minderwert von 700 €. Die Gutachterkosten belaufen sich auf 1.091,23 €.

Die Klägerin trägt vor, die Kosten für die fachgerechte Reparatur beliefen sich auf 9.704,89 € brutto.

Unstreitig sind Mietwagenkosten in Höhe von 719,95 € angefallen.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt,

a.
an die Klägerin 725 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4% aus für die Zeit vom 12.3.2022 bis zum 29.3.2022 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 30.3.2022 zu zahlen.

b.
die Klägerin gegenüber der Reparaturwerkstatt Autohaus […] von restlichen Reparaturkosten in Höhe von 3.238,60 € aus der Reparaturkostenrechnung […] vom 28.3.2022 freizustellen.

c.
die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von Mietwagenkosten in Höhe von 719,95 € aus der Rechnung […] vom 28.3.2022 freizustellen.

d.
an die Vollkaskoversicherung der Klägerin […] einen Betrag in Höhe von 6.466,29 Euro auf die erstatteten Reparaturkosten der Reparaturwerkstatt Autohaus […] aus der Reparaturkostenrechnung […] vom 28.3.2022 zu zahlen.

e.
an die Vollkaskoversicherung der Klägerin […] einen Betrag in Höhe von 1.091,23 Euro auf die erstatteten Sachverständigenkosten des Kfz-Sachverständigenbüros […] aus der Rechnung […] vom 16.3.2022 zu zahlen.

f.
die Klägerin gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 550,85 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklage trägt vor, die Zeugin H[…] sei mit dem PKW Fiat bis in die Kreuzungsmitte gefahren, habe dort angehalten, um den Gegenverkehr durchzulassen. Dies habe eine ganze Weile gedauert. Dann sei die Klägerin mit ihrem Fahrzeug in den PKW Fiat hineingefahren.

Als echter Nachzügler habe der PKW Fiat Vorrang gehabt vor dem Fahrzeug der Klägerin, um die Kreuzung ordnungsgemäß räumen zu können. Die Beklagte haftete deshalb nicht für die Schäden der Klägerin.

Der Fahrzeugschaden der Klägerin belaufe sich auf – lediglich – 9.138,74 €. Wegen der Einwendungen im Einzelnen wird [die] Akte verwiesen.

Der Haftpflichtversicherer der Klägerin regulierte seinerseits vorgerichtlich die Schäden an dem PKW Fiat in Höhe von 1/3.

Die Halterin und Eigentümerin des PKW Fiat führte bei dem Amtsgericht Bautzen mit umgekehrten Vorzeichen einen Schadensersatzprozess gegen die hiesige Klägerin und deren Haftpflichtversicherer (Az.: 21 C 279/22). In dem amtsgerichtlichen Verfahren wurden die Unfallbeteiligten und Zeugen vernommen sowie ein unfallanalytisches Gutachten eingeholt. Die Verfahrensakte des Amtsgerichts wurde beigezogen. Nach Abschluss des amtsgerichtlichen Verfahrens erklärten sich die Verfahrensbeteiligten im vorliegenden landgerichtlichen Verfahren mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, sowie auf den Inhalt der beigezogenen Akte nebst schriftlichem Gutachten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat Anspruch auf materiellen Schadensersatz gegen die Beklagte wie tenoriert (§§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG, § 115 VVG).

Im Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht Bautzen, mit deren Verwertung sich die Parteien im hiesigen Verfahren (stillschweigend) einverstanden erklärt haben, ist festzustellen, dass die Zeugin H[…], die den PKW Fiat führte, in die Kreuzung einfuhr, obgleich für ihre Fahrtrichtung die Lichtzeichenanlage auf rot geschaltet war und die Lichtzeichenanlage für die Klägerin auf grün geschaltet war (§ 37 Abs. 2 StVO). Angesichts der unstreitig langen Wartezeit der Zeugin H[…], nachdem sie die Lichtzeichenanlage passierte (als diese noch für sie grün zeigte), um zunächst ihren Gegenverkehr durchzulassen, musste die Zeugin H[…] damit rechnen, dass inzwischen ihre Fahrtrichtung nicht mehr freigegeben war und für sie die Lichtzeichenanlage wieder auf rot umgeschaltet hat. Hätte die Zeugin H[…] die erforderliche, äußerste Sorgfalt in dieser Verkehrssituation walten lassen, hätte sie erkannt, dass sie weiter hätte stehen bleiben müssen, um den bevorrechtigten Querverkehr durchzulassen. Die Zeugin H[…] trifft ein ganz überwiegendes Verschulden an dem Verkehrsunfall. Dadurch hat sich die Betriebsgefahr des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges so deutlich erhöht, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges dahinter völlig zurück tritt. Das hat zur Folge, dass die Beklagte für den gesamten unfallbedingten Schaden der Klägerin haftet.

Ein Mitverschulden der Klägerin, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges wiederum erhöht hätte, sodass auf Seiten der Klägerin ein Mithaftungsbeitrag verbliebe, konnte die Beklagte nicht nachweisen. Sie konnte insbesondere nicht nachweisen, dass die Zeugin H[…] mit dem PKW Fiat sich bereits im Kernbereich der Kreuzung befunden hätte, als die Lichtzeichenanlage für die Klägerin auf grün umschaltete, sodass die Zeugin H[…] als sogenannte echte Nachzüglerin gegenüber der Klägerin bevorrechtigt gewesen wäre, um die Kreuzung zu räumen.

Diese Feststellungen beruhen auf folgenden Überlegungen:

Unstreitig ist es zunächst, dass die Klägerin in die Kreuzung einfuhr, als die Lichtzeichenanlage für sie auf grün umgesprungen war.

Mit dem unfallanalytischen Gutachten ist festzustellen, dass die Schilderung der Klägerin technisch nachvollziehbar ist, dass die Zeugin H[…] mit dem PKW Fiat zunächst auf der Fußgängerfurt, die die Wilthener Straße quert, stand und anschließend in den PKW Kia der Klägerin hineinfuhr und zwar in die linke Seite mit dem Schwergewicht auf dem hinteren Fahrzeugteil, als sie ihrerseits die Kreuzung geradeaus überquerte in Richtung Zeppelinstraße.
Mit dem Sachverständigen ist diese Unfallschilderung plausibel und aus technischer Sicht nachvollziehbar. Der Sachverständige konnte sicher feststellen, dass die Zeugin H[…] (entgegen deren Aussage) mit dem Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht stand, sondern dass sich dieses ebenfalls in Bewegung befand zum Zeitpunkt der Kollision. Dies ist zu begründen mit der Charakteristik der Beschädigungen an beiden Fahrzeugen, sowie der daraus ableitbaren Kollisionspositionen der beiden Fahrzeuge zueinander und der weiterhin herzustellenden Beziehung zu dem dokumentierten Splitterfeld auf der Kreuzung. Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen.

Mit dem Gutachten ist festzustellen, dass demgegenüber die Aussage der Zeugin H[…], sie habe auf der Mitte der Kreuzung gestanden (die genaue Position, die die Zeugin H[…] angab, ist ersichtlich aus Abbildung 24 des Gutachtens) unzutreffend ist. Vielmehr ist festzustellen, dass die Zeugin H[…] fahrend an dem Unfall beteiligt war.

Ausreichende Anknüpfungstatsachen dafür, mit Hilfe eines unfallanalytischen Gutachtens sicher festzustellen, wo die Zeugin H[…] begann, in die Kreuzung einzufahren bis zur Unfallstelle, liegen nicht vor. Damit kann die Beklagte auch nicht nachweisen, dass sich der PKW Fiat bereits im Kernbereich der Kreuzung befunden hätte, als die Lichtzeichenanlage für die Klägerin auf grün umschaltete und diese ihrerseits in die Kreuzung einfuhr.

Die geltend gemachten materiellen Schäden sind zwischen den Parteien unstreitig mit Ausnahme der erforderlichen unfallbedingten Reparaturkosten.

Die erforderlichen unfallbedingten Reparaturkosten werden geschätzt auf 9.704,89 €, wie von der Klägerin geltend gemacht (§ 287 Abs.1 ZPO).

Die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten für die Reparatur bei der Autohaus […] sind nur geringfügig höher als die aus dem Privatgutachten des Sachverständigen […] ausgewiesenen Reparaturkosten. Das Werkstattrisiko trägt der Schädiger.

Das heißt, wenn im Ergebnis der tatsächlich durchgeführten Reparatur die Reparaturkosten etwas höher ausfallen als sachverständig eingeschätzt, so ist das ein Umstand, den nicht der Geschädigte, sondern der Schädiger zu tagen hat. Der Kläger hat es auch nicht in der Hand, ob die Werkstatt zum Beispiel einzelne Fahrzeugteile zur Lackierung ausbaut oder ob die Werkstatt diese Wiederherstellung der Fahrzeugfarbe, des Fahrzeuglacks im eingebauten Zustand der Bauteile vornimmt. Gleiches gilt für die Frage, ob eine Werkstatt einen besonderen Desinfektionsaufwand vornimmt oder nicht und in welchem Umfange.
Die in solchem Zusammenhang entstehenden Preisunterschiede von Werkstatt zu Werkstatt liegen im Risikobereich des Schädigers. Im Übrigen wäre die Beweisaufnahme durch Einholung eines weiteren Schadensgutachtens unverhältnismäßig angesichts einer Differenz in der Schadensvorstellung zwischen den Parteien von lediglich rund 550,00 €.

III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO, § 48 Abs.1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.“

LG Görlitz, Urteil vom 30.4.2024 – 5 O 193/22

Beitragsbild: fiktives, mit DALL·E 3 erstelltes Bild

Grenzen der Erstattung von Mietwagenkosten nach Verkehrsunfällen

Nach dem Urteil des Landgerichts Görlitz Außenkammern Bautzen vom 28. Februar 2024 (Az. 5 O 502/22) kann ein Geschädigter nicht die Kosten für einen Mietwagen für einen längeren Zeitraum bis zur Auslieferung eines Neufahrzeugs beanspruchen, wenn die Möglichkeit besteht, ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug in einem deutlich kürzeren Zeitraum anzuschaffen.

In der Schadensregulierung nach Verkehrsunfällen besteht der Grundsatz, dass der Geschädigte Anspruch auf Ersatz notwendiger Aufwendungen hat, um den Zustand vor dem Unfall wiederherzustellen. Dazu gehören auch die Kosten für einen Mietwagen gehören, falls das Fahrzeug repariert wird oder ein Ersatzfahrzeug beschafft werden muss.

Das Landgericht Görlitz legt in seinem Urteil fest, dass die Erstattung der Mietwagenkosten auf den Zeitraum begrenzt ist, der notwendig ist, um ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Ein Geschädigter kann also nicht die Kosten für die Miete eines Wagens für die gesamte Dauer bis zur Auslieferung eines neu bestellten Fahrzeugs verlangen, wenn ein vergleichbares Ersatzfahrzeug schneller verfügbar wäre.

Dieses Urteil spiegelt das allgemeine Prinzip der Schadensminderungspflicht wider. Es wird erwartet, dass der Geschädigte angemessene Anstrengungen unternimmt, um den Schaden gering zu halten. In diesem Fall bedeutet das, dass der Geschädigte ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug in einem angemessenen Zeitraum beschaffen sollte, anstatt auf die Auslieferung eines Neufahrzeugs zu warten, was möglicherweise länger dauert und höhere Kosten verursacht.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

gegen

1. […]

– Beklagte –

2. […] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
[…]

Unterbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz […]

am 28.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 808,05 Euro zu zahlen nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz des BGB seit dem 01.02.2022.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 86 % und die Beklagten zu 14 %
zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 6.081,47 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in An-
spruch.

Am 17.05.2021 ereignete sich in Bautzen auf der August-Bebel-Straße in Höhe der Hausnummer 10 ein Verkehrsunfall unter Beteiligung des Pkw Peugot M der Klägerin und des Busses der Beklagten zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

Der Unfall wurde allein durch den Bus verursacht.

An dem Fahrzeug der Klägerin entstand Totalschaden. Die Klägerin beauftragte ein Schadensgutachten, welches am 25.05.2021 erstellt wurde […].

Am 27.05.2021 entschied sich die Klägerin, als Ersatzfahrzeug einen Neuwagen zu bestellen. Dieser wurde am 05.10.2021 an die Klägerin ausgeliefert. Für die Zeit bis zum 04.10.2021 mietete die Klägerin ein Ersatzfahrzeug an. Der Autovermieter berechnete ihr dafür 7.021,00 Euro brutto […]. Die Beklagten regulierten Mietwagenkosten im Umfang von 944,53 Euro. Den Differenzbetrag macht die Klägerin geltend.

Die Klägerin trägt vor, das Neufahrzeug habe ihr Verkäufer seinerseits bereits vor dem Unfalltage bestellt und es sei eine baldige Auslieferung zugesichert worden. Aufgrund von Lieferengpässen konnte jedoch das Neufahrzeug auch an ihren Verkäufer erst später ausgeliefert werden.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.081,47 €
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz p.a. seit dem 01.02.2022 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 160,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagten beantragen:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten tragen vor, dass ein Wiederbeschaffungszeitraum von 29 Tagen ausreichend gewesen wäre. Die erforderlichen und erstattungsfähigen Kosten für eine Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeuges für 29 Tage würde sich auf 944,53 Euro belaufen. Damit sei der erstattungsfähige Schaden reguliert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen und auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten nach dem Verkehrsunfall vom 17.05.2021 Anspruch auf Zahlung weiterer 808,02 Euro nebst Verzinsung (§§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG, § 115
VVG).

Im übrigen war die Klage abzuweisen.

Unstreitig haften die Beklagten für unfallbedingte Schäden der Klägerin zu 100 %.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten für die Dauer von 29 Tagen, und zwar in Höhe von 808,05 Euro.

Der Betrag des Schadenersatzes wird geschätzt (§ 287 ZPO).

Über den Zeitraum von 29 Tagen hinaus, den die Beklagten zugestanden haben, durfte die
Klägerin unfallbedingt einen Mietwagen nicht nehmen. Soweit sie darüber hinaus einen
Mietwagen genommen hat, sind die damit verbundenen Kosten nicht mehr unfallbedingt.

Der Zeitraum von 29 Tagen war ausreichend, um ein vergleichbares Ersatzfahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu finden. Zunächst durfte die Klägerin abwarten, bis ihr das
Schadensgutachten vom 25.05.2021 vorlag. Danach durfte sie überlegen, wie sie weiter
vorgehen will. Anschließend war von einer Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen
auszugehen. Dieser Aufwand kann aufgrund des Gutachtens geschätzt werden, das die
Klägerin eingeholt hat […]. Dort wird ein Wiederbeschaffungszeitraum von 14 Tagen
ausgewiesen.

Wenn sich der Geschädigte, wie vorliegend die Klägerin, dazu entschließt, ein Ersatzfahrzeug nicht auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu erwerben, sondern ein Neufahrzeug bestellt, so trägt er das Risiko, dass eine derartige Ersatzbeschaffung länger dauert, als die Ersatzbeschaffung auf dem Gebrauchtwagenmarkt selbst. Denn er hat – lediglich – Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wäre der Unfall nicht passiert. Wäre der Unfall nicht passiert, hätte die Klägerin ein Fahrzeug vom Typ Peugot M gehabt, mit einer Laufleistung von 42.272 km bei einer Erstzulassung vom 21.01.2019. Ein solches Fahrzeug wieder zu beschaffen, hätte etwa zwei Wochen gedauert (so die sachverständige Einschätzung […]).

Der erforderliche Aufwand für einen Mietwagen wird geschätzt – auf Grundlage der
Frauenhofer-Erhebung für 2021 – mit einem Aufschlag von 30 %.

Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 12.02.2024 aus der Frauenhofer-Tabelle zitierten
Daten sind zutreffend und unstreitig. Der Berechnung sind außerdem zutreffend die Daten
aus der Frauenhofer-Erhebung für 4 mal 7 Tage plus einen Tag zugrunde zu legen. Es ist
auch richtig, die Fahrzeugklasse VI zugrunde zu legen. Dies wird bestätigt durch das
Schadensgutachten […].
Für den Zeitraum von 29 Tagen ermittelt sich damit ein Aufwand für einen Mietwagen in Höhe von 1.752,58 Euro. Hiervon haben die Beklagten 944,53 Euro reguliert, sodass noch ein Schadensbetrag von 808,05 Euro offen bleibt.

Die unfallbedingten und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben die Beklagten bereits vollständig reguliert. Sie sind dabei zutreffend von einem Gegenstandswert bis 16.000,00 Euro ausgegangen. Die von der Klägerin geltend gemachte Differenz von 160,88 Euro beruht darauf, dass sie von einem Gegenstandswert für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten von 22.000,00 Euro ausgegangen ist.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 3
ff. ZPO.“

LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22