Zur Angemessenheit von erstattungsfähigen Sachverständigenkosten für die Erstellung eines Schadengutachtens nach einem Verkehrsunfall

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22) ist die Höhe der erforderlichen Kosten für die Erstellung eines Schadensgutachtens im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, soweit der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen nicht vollständig beglichen und keine Honorarvereinbarung mit dem Sachverständigen geschlossen hat. Für die Schätzung ist im Rahmen der „Plausibilitätskontrolle“ die Rechnung des Sachverständigen der Ausgangspunkt für die Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 BGB, soweit das in Rechnung gestellte Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist und dies subjektiv für den Geschädigten erkennbar war. Ein Anknüpfungspunkt für die Feststellung einer objektiv vorliegenden deutlichen Überhöhung stellt die branchenübliche Vergütung dar, für die sich das Gericht u.a. an der aktuelle BVSK-Honorarbefragung oder dem Honorartableau der HUK-Coburg orientieren kann. Bezüglich der erstattungsfähigen Nebenkosten eines Sachverständigen kann sich für eine Schätzung nach § 287 ZPO das Gericht an den Bestimmungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) orientieren.

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten nach Honorarbefragung des BVSK:
LG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2022 – 10 S 64/21; AG Bautzen, Urteil vom 21.2.2024 – 23 C 518/23; AG Görlitz, Urteil vom 13.11.2023 – 9 C 159/23; AG Pirna, Urteil vom 1.9.2023 – 13 C 300/23; AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]
als Inhaber des Kfz-Sachverständigenbüros

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Bautzen […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 31.01.2023 eingereicht werden konnten, am 08.02.2023

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 346,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.08.2022 zu zahlen.
Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger gegenüber den Rechtsanwälten Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 44,49 Euro freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen .

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf 360,05 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der weiteren Kosten des Sachverständigengutachtens aus §§ 7, 18 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 398 BGB, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 287 ZPO in Höhe von 346,36 Euro.

Zwischen den Parteien steht ausschließlich im Streit, ob der erforderliche Herstellungsaufwand (konkret die Kosten eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der Reparaturkosten), den der Zedent […] aufgrund des Verkehrsunfalls vom 12.05.2022 in Kirschau von der Beklagten gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB vor der Abtretung hätte verlangen können, den von der Beklagten vorgerichtlich gezahlten Betrag übersteigt.

a),

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet, Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17, NJW 2018, 693 Rn. 16 mwN).

Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Dabei verbleibt für ihn allerdings das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist. Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergibt sich auch eine Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten bzw. später berechneten Preise.

Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinn von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB enveisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat. Im Fall einer Preisvereinbarung kann der Geschädigte Ersatz in Höhe der vereinbarten Preise nur verlangen, wenn diese für ihn bei seiner Plausibilitätskontrolle beim Abschluss der Vereinbarung nicht erkennbar deutlich überhöht waren. Weiter ist der In Rechnung gestellte Betrag nur erforderlich, wenn er sich aus den vereinbarten, zutreffend ermittelten Anknüpfungstatsachen herleiten lässt (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017, Az.: VI ZR 61/17, NJW 2018, 693 Rn. 17 mwN; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019, Az.: VI ZR 104/19 , Rn. 100 – 22, juris).

Den Geschädigten trifft gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich die Darlegungslast hinsichtlich des oben beschriebenen erforderlichen Herstellungsaufwandes.

b)

Der Vorlage der Rechnung des Sachverständigen kommt im vorliegenden Fall keine Indizwirkung für den erforderlichen Herstellungsaufwand zu.

aa)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet nicht der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag als solcher, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung tatsächlich erbrachte Aufwand einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags im Sinn von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Grund für die Annahme einer Indizwirkung des vom Geschädigten tatsächlich erbrachten Aufwands bei der Schadensschätzung liegt darin, dass bei der Bestimmung des erforderlichen Betrags im Sinn von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten, zu berücksichtigen sind. Diese schlagen sich regelmäßig im tatsächlich aufgewendeten Betrag nieder, nicht hingegen in der Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solcher. Grund für die Annahme einer Indizwirkung ist, dass sich in der durch den Geschädigten beglichenen Rechnung die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten niederschlagen. (BGH, Urteil vom 26. April 2016, Az.; VI ZR 50/15, VersR 2016, 1133 Rn. 12mwN: BGH, Urteil vom 19. Juli 2016, Az.: VI ZR 491/15, NJW 2016, 3363 Rn. 19; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017, Az.; VI ZR 61/17, NJW2018, 693 Rn. 19 mwN; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019, Az.: VI ZR 104/19 -, Rn. 100 – 22, juris).

bb)

Nach diesen Grundsätzen kann sich der Kläger, der als Sachverständiger selbst die Rechnung für seine Tätigkeit gestellt hat und der nicht selbst Geschädigter war, sondern sich dessen Schadenersatzanspruch hat abtreten lassen, nicht auf die vorbeschriebene Indizwirkung stützen. Bei dieser Sachverhaltsgestaltung ist die Zahlung nicht geeignet, einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinn von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu geben. Sie hat keine Aussagekraft im Hinblick auf die besonderen Umstände des Geschädigten und ggf. auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten. Die Abtretung, mit der der Geschädigte eine Erfüllung der Honorarforderung des Sachverständigen ohne seinen eigenen finanziellen Beitrag anstrebt und die ihn deshalb nicht unmittelbar belastet, stellt keinen der Zahlung vergleichbaren Hinweis auf seine Erkenntnismöglichkeiten dar (BGH, Urteil vom 26. April 2016, Az.: VI ZR 50/15, NJW 2016, 3092 Rn. 12; BGH, Urteil vom 19. Juli 2016, Az.: VI ZR 491/15, NJW 2016, 3363 Rn. 21 mwN; BGH. Urteil vom 29. Oktober 2019, Az.: VI ZR 104/19, Rn. 100 – 22, juris). Sein Interesse an der Prüfung der Höhe der Forderung ist nämlich gering, wenn er darauf vertrauen kann, dass sie von einem Dritten bezahlt werden wird.

c)

Der erforderliche Herstellungsaufwand ist im vorliegenden Fall anhand des Gutachterauftrags (nur ersichtlich aus der Abtretung) und der Rechnung sowie dem näheren Vortrag zum Aufwand des Sachverständigen zu bestimmen (§ 287 ZPO).

Fehlt es – wie hier – sowohl an einer vom Geschädigten beglichenen Rechnung als auch an einer Honorarvereinbarung und einer damit korrespondierenden Rechnung, die der Geschädigte für plausibel halten durfte, so ist die Höhe der erforderlichen Kosten unabhängig von der Rechnung und Vereinbarung im Wege der Schätzung zu ermitteln, § 287 ZPO (BGH, Urteil vom 26.04.2016, Az.:VI ZR 50/15, NJW 2016, 3092 Rn 10; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017, Az.: VI ZR 61/17, NJW 2018, 693 Rn. 28 ff.; Urteil vom 28. Februar 2017, Az.: VI ZR 76/16, DAR 2017, 316 Rn. 1; und vom 19.07.2016, NJW 2016, 3363; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019, Az.: VI ZR 104/19, Rn. 100 – 22, juris). Bei der dann vom Tatrichter zu leistenden Bemessung der Schadenshöhe ist zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen (BGH, Urteil vom 19.07.2016, Az.: VI ZR 491/15, NJW 2016, 3363, Rn19-20).

Von diesen Grundsätzen ausgehend kann der Kläger vorliegend die Erstattung der gutachterlichen Grundgebühr in Höhe von 673,- € (netto), die Kostenpauschale für Telefon- und Portokosten in Höhe von 9,00 € (netto), Fahrtkosten in Höhe von 3,50 € (netto), Schreibkosten in Höhe von 21,00 € (netto) und Kosten für Lichtbilder in Höhe von 26,- € (netto) jeweils zuzüglich Umsatzsteuer verlangen.

aa) Sachverständigenhonorar

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist im Rahmen der „Plausibilitätskontrolle“ unabhängig davon, inwieweit eine Preisabrede mit dem Sachverständigen besteht, das (unbeglichene) Honorar Ausgangspunkt für die Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn und soweit dieses Honorar objektiv nicht deutlich überhöht ist und dies subjektiv für den Geschädigten erkennbar ist.

Bezugspunkt der Feststellung einer objektiv vorliegenden deutlichen Überhöhung ist die branchenübliche Vergütung in der Branche der KFZ-Sachverständigen. Hierfür kann u.a. die jeweils aktuelle BVSK-Honorarbefragung herangezogen werden, nach deren Honorarkorridor HB V die Hälfte der im BVSK-Verband organisierten Sachverständigen abrechnet (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.03.2015 – 10 U 579/15, BeckRS 2015, 15458 Rn 20 ff.; Landgericht Mannheim, NJW – RR 2016, 599, 602).

Bei der Prüfung der subjektiven Erkennbarkeit einer Überhöhung des Honorars für den Geschädigten ist auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektive Schadensbetrachtung). Eine Überhöhung des Sachverständigenhonorars wird dem Laien-Geschädigten im Regelfall weder bei Vertragsschluss noch Rechnungsstellung erkennbar sein, weil ein Geschädigter regelmäßig über keine Kenntnisse über die übliche Vergütungsstruktur und -höhe auf dem Markt von KFZ-Sachverständigen verfügt und eine Überschreitung des branchenüblichen Honorars daher nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. Eine Erkennbarkeit für den Geschädigten wird man letztlich nur dann bejahen können, wenn der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen (OLG München, a.a.O.; Landgericht Mannheim, a.a.O.).

Nach diesen Parametern (deutliche Überhöhung der Vergütung auf objektiver Ebene sowie Erkennbarkeit der deutlichen Überhöhung auf subjektiver Ebene) bestehen im vorliegenden Fall gegen die abgerechnete Vergütung in Höhe von 673,00 € (netto) keine Bedenken. Er bewegt sich im Rahmen mehrerer allgemein von der Rechtsprechung anerkannter Schätzungswerte.

Zunächst ist der geltend gemachte Betrag im Honorarkorridor HB V angesiedelt (siehe: BVSK-Honorarbefragung 2020 (Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V.) im Internet abrufbar unter: BVSK-Honorarbefragung 2020 www.bvsk.de/fileadmin/download/HONORARBEFRAGUNG-2020-Gesamt.pdf) und im Hinblick darauf nicht zu beanstanden.

Allerdings ist der Einwand, dass nicht alle Sachverständige, so auch der Zessionar, in diesem Verband organisiert sind und die organisierten Sachverständigen es relativ frei in der Hand hätten, ihr Honorar festzulegen, durchaus beachtlich. Die pauschale Bemessung der Sachverständigenvergütung anhand der Schadenshöhe ist zudem nicht unproblematisch, denn der Aufwand zur Erstellung des Gutachtens ist, zumal der Schaden häufig automatisiert ermittelt wird, nicht immer hinreichend sicher korrespondierend. Hinzukommt, dass das Gericht eine quasi inflationäre Entwicklung der Kfz-Sachverständigenkosten zu Lasten der Versicherer und damit der Versichertengemeinschaft (unabhängig von der allgemeinen Inflationslage) beobachtet, weshalb die Plausibilitätskontrolle verstärkten Anforderungen durch den Abgleich mit jedenfalls einer weiteren anerkannten Tabelle, wie etwa dem Honorartableau der HUK-Coburg, oder mit einem anderen Prüfungsmaßstab erfolgen sollte.

Vorliegend bewegt sich der Sachverständige aber auch Im Rahmen der Empfehlung des Deutschen Gutachter und Sachverständigen Verbandes e.V. (DGuSV) unter Ansatz des unteren Stundensatzes von 150,00 €. Nach dem Vortrag des Sachverständigen hält das Gericht für den vorliegenden Fall einen Stundenaufwand von 4.5 Stunden für gerechtfertigt. Multipliziert man diese Stunden mit einem Stundensatz von 150,- EUR ergibt sich ein Honorar von 675,- EUR, weshalb sich das geltend gemachte Honorar von 673,- EUR auch unter diesem Vergleichsmaßstab als angemessen erweist.

Letztlich ist das hier geltend gemachte Honorar auch vom Honorartableau der HUK-Coburg „gedeckt“.

bb) Nebenkosten

Nach den vorbeschriebenen Grundsätzen steht dem Geschädigten auch ein Anspruch auf Ersatz der tatsächlich entstandenen Nebenkosten zu, wenn und soweit sie nicht deutlich überhöht sind und dies für den Geschädigten erkennbar ist.

Ob eine Nebenkostenabrechnung deutlich überhöht ist, bestimmt sich allerdings nicht durch einen Vergleich mit von Sachverständigenverbänden ermittelten Tabellen wie etwa derjenigen der BVSK-Honorarbefragung. Dass insbesondere die BVSK-Nebenkostentabelle nicht zur Feststellung der im Rahmen des § 249 BGB erforderlichen Nebenkosten geeignet ist, wird auch dadurch bestätigt, dass hierin nicht allein auf die tatsächlich entstandenen Aufwendungen abgestellt wird, sondern in den Nebenkosten in der Regel Gewinnanteile enthalten sind, die „bei anderer Betrachtung dem Grundhonorar zuzurechnen wären, das dann entsprechend höher anzusetzen wäre“ (BVSK-Honorarbefragung 2013 Nr. 8). Auch lässt sich anhand der tatsächlich erhobenen Nebenkosten der privaten Kfz-Sachverständigen kein aussagekräftiger Durchschnittswert von Nebenkosten – jedenfalls auf dem hiesigen regionalen Markt – ermitteln, der dem Geschädigten als verlässlicher Anhaltspunkt für die Überhöhung der Nebenkostenabrechnung dienen könnte (LG Saarbrücken, Urteil vom 19. Dezember 2014 – 13 S 41/13 -, Rn. 30 – 32, juris). Bei der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung kann bezüglich der Nebenkosten eine Orientierung an den Bestimmungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) erfolgen (BGH, Urteil vom 26. April 2016 – VI ZR 50/15 -, Rn. 20, juris).

(1) Fotokosten sind in Höhe von 26,00 € erstattungsfähig.

Soweit für die Vorbereitung oder die Erstattung des Gutachtens Fotos erforderlich werden, sind die anfallenden Kosten nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 JVEG gesondert erstattungsfähig. Eine Beschränkung der Anzahl der zu erstattenden Fotos oder Farbausdrucke sieht das JVEG nicht vor, jedoch kann Aufwendungsersatz nur für solche Fotos gewährt werden, die zur Vorbereitung oder Erstattung des Gutachtens notwendig waren. Die Frage der Notwendigkeit ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig, wobei sämtliche Fotos als notwendig anzusehen sind, deren Fertigung der Sachverständige nach seinem pflichtgemäßem Ermessen im Hinblick auf den ihm erteilten Auftrag für erforderlich halten durfte (Schneider JVEG/Schneider, 3. Aufl. 2018, JVEG § 12, Rn. 56; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. April 2016 – VI ZR 50/15 Rn. 22, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23. September 2021 – 12 U 128/20 Rn. 29. juris).

Die Berechnung der Kosten für die Anfertigung von Fotos orientiert sich an § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG, wonach für jedes zur Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens erforderliche Foto 2,00 € sowie für den zweiten und jeden weiteren Abzug oder Ausdruck eines Fotos 0,50 € zu ersetzen sind (für viele; Brandenburgisches Oberiandesgericht, Urteil vom 23. September 2021 – 12 U 128/20 Rn. 29. juris; AG Dresden, Urteil vom 3. April 2017-115 0 341/16 -, Rn. 20 – 41, juris).

Es mag sein, dass Lichtbilder in einem Fotoshop deutlich günstiger zu erhalten sind. Sie müssen dennoch ausgewählt und in einem passenden Format dem Druck zugeführt werden, weshalb – unabhängig von der bei günstig zu erlangenden Kopien zu erreichenden Qualität -, nicht auf diese Preise abgestellt werden kann.

Dies ergibt im vorliegenden Fall 26,00 € für 13 Fotos ä 2,00 €

(2) Schreibkosten sind in Höhe von 21,00 € angemessen.

Schreibkosten sind in Höhe von 1,80 € pro Seite (berechnet aus 2 x 0,90 € pro angefangene 1000 Anschläge) zu ersetzen (vgl. Landgericht Bremen, Urteil vom 02.09.2016 – 3 S 289/15, zitiert nach juris unter Rn 32). Dies entspricht § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG, der im Rahmen der Schätzung der bei der Begutachtung anfallenden und erforderlichen Nebenkosten gemäß § 287 ZPO als Orientierungshilfe heranzuziehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15-NJW 2016, 3092 Rn 18).

Vorliegend hat der Sachverständige pauschal 21,00 € abgerechnet. Davon ausgehend, dass das Gutachten schon ohne Lichtbilder 16 Seiten umfasst, wären nach dem JVEG sogar 28,80 € zu berücksichtigen. Infolgedessen sind die pauschal abgerechneten Schreibkosten vollumfänglich erstattungsfähig.

(3)

Die Telefon- und Portopauschale ist in Höhe von 9,00 € zu ersetzen.

Eine Pauschale für Porto- und Telefonkosten bedarf nur dann näherer Begründung, wenn sie den vom erkennenden Gericht auch ansonsten für eine Unkostenpauschale nach § 12 JVEG – ohne Einzelnachweis – noch als maximal zulässig angesehenen Betrag von 15,00 € übersteigt (vergleichbar: Landgericht Freiburg, Urteil vom 24.11.2016 – 3 S 145/16, zitiert nach juris Rn 29). Insoweit bestehen gegen die abgerechnete Pauschale in Höhe von 9,00 € keine Bedenken.

(4) Fahrtkosten sind in Höhe von 3,50 € zu erstatten.

Bezüglich der Höhe der Fahrtkosten hält das erkennende Gericht die Regelung des JVEG nicht für geeignet, da sich diese nicht an den tatsächlichen Kosten orientiert, sondern an der Höhe der steuerlichen Anerkennung privat genutzter Fahrzeuge (BT-Drucksache 15/1971, Seite 177, 232). Vielmehr ist es angemessen, diese anhand der von verschiedenen Anbietern erstellten Autokostentabellen und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung verschiedener Landgerichte (u.a. Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 19.12.2014 -13 S 41/13; Landgericht Stuttgart, Urteil vom 28.07.2016 – 5 S 333/15; Landgericht Bochum, Urteil vom 31.05.2016 – 9 S 36/16, jeweils zitiert nach juris) anzusetzen, die der Bundesgerichtshof gebilligt hat (BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15, zitiert nach juris), auf 70 Cent/km zu schätzen. Infolge dessen sind Fahrtkosten in Höhe von 3,50 € (5 km x 0,70 €) erstattungsfähig; die geltend gemachte Pauschale von 15,00 € trägt angesichts dessen, dass der Sachverständige seinen Geschäftssitz im Wohnort des Kunden hat, nicht. Das Gericht nimmt hier mit dem Prozessbevollmächtigen des Klägers eine Wegstrecke von 5 km an.

cc)

Insgesamt ergibt sich damit ein noch zu ersetzender Betrag für die erforderlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 346,36 € wie folgt.

Sachverständigenhonorar 673,00 €
Lichtbilder 26,00 €
Fahrtkosten 3,50 €
Schreibkosten 21,00 €
Porto- und Telefon 9.00 €

732,50 €
zzgl. 19% Ust 139.17€
Gesamt 871, 67 €

bereits gezahlt ./. 515, 32 €
bereits gezahlt ./. 9,99 €

Offener Betrag 346, 36 €

2.

Der Kläger hat darüber hinaus gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von den nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 44,59 EUR gemäß §§ 249, 398, 257 S. 1 BGB nach einem Gegenstandswert von 346,36 EUR […].

3.

Die Zinsforderung folgt aus §§ 286 Abs. 1 8.1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich aufgrund der Mahnung der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 29.07.2022 ab dem 6.8.2022 in Verzug.

4.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO nicht zuzulassen.“

AG Bautzen, Urteil vom 8.2.2023 – 21 C 359/22

Keine Fristsetzung zur Schadensbeseitigung durch den Vermieter erforderlich

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 2.2.2023 – 21 C 160/22) ist bei Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung der Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, keine Fristsetzung zur Schadensbeseitigung durch den Vermieter erforderlich (so auch BGH, Urteil vom 27.06.2018 – XII ZR 79/17). Zudem kann ein Vermieter für die Beseitigung von Schäden auch die Kosten der eigenen Mitarbeiter als Eigenleistungen vom früheren Mieter erstattet verlangen.

Die durch die unterlegene Mieterin gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde durch das Landgericht Görlitz Außenkammern Bautzen mit Beschluss vom 28. Februar 2024 (Az. 5 S 10/23) zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]genossenschaft […]

– Klägerin u. Widerklägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]

– Beklagte u. Widerklägerin –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2023 am 02.02.2023

für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit bezüglich der Klage erledigt hat.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf […] festgesetzt.

I. Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadenersatz nach einem beendeten Mietverhältnis.

Die Klägerin vermietete der Beklagten am 04.10.2019 die Wohnung in […] Bautzen […]. Das Nutzungsverhältnis wurde durch ordentliche Kündigung zum 31.08.2021 beendet. Bei Beendigung des Mietverhältnisses wurde am 30.08.2021 ein Abnahmeprotokoll erstellt, das Mängel an der Mietsache ausweist. Hierbei handelte es sich um die steitgegenständlichen Schäden an der Tapete im Wohnzimmer und Flur und am Fußbodenbelag im Wohnzimmer, die die Klägerin auf Kratzspuren eines Haustieres bzw. auch auf eine stumpfe Gewalteinwirkung durch unsachgemäßen Gebrauch zurückführt.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.02.2022 forderte die Beklagte die Rückzahlung ihrer Genossenschaftsanteile im Wert von 1.650,00 € und lehnte den Schadenersatzanspruch der Klägerin ab.

Die Klägerin behauptet, die Schäden durch ihre Mitarbeiter in Eigenleistung beseitigen lassen zu haben, wofür ihr Kosten in Höhe von 539,59 € entstanden seien. Dabei seien auf die Beseitigung der Schäden am Fußbodenbelag (unter Berücksichtigung eines Abzuges neu für alt) 245,59 € und auf die Beseitigung der Schäden an der Tapete 284,00 € entfallen.

Die Klägerin beantragte ursprünglich,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 539,59 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 22.02.2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragte zunächst:

1. die Klage abzuweisen sowie

2. widerklagend die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 386,04 € seit dem 26.02.2022 zu zahlen.

Nachdem die Klägerin nach Beendigung der Mitgliedschaft der Beklagten das Geschäftsguthaben der Beklagten auseinandergesetzt hat, erklärte sie mit dem Auseinandersetzungsbetrag in Höhe von 1.650,00 € die Aufrechnung in Höhe von 547,45 €. Dieser ergab sich aus der Hauptforderung in Höhe von 539,59 € zzgl. Verzugszinsen in Höhe von 7,86 € aus dem vorgenannten Betrag vom 22.02.2022 bis 30.06.2022 bei einem Zinssatz von fünf Prozent über dem Basiszinssatz. Zudem stellte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2020/21 vom 30.06.2022 in Höhe von 25,64 € zur Aufrechnung und überwies den Restbetrag von 1.076,91 € an die Beklagte.

Die Klägerin beantragte daraufhin, nachdem sie diesen Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt hat, festzustellen:

1. dass sich der Rechtsstreit (insoweit) erledigt hat sowie

2. die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragte daraufhin, die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen,

1. an die Beklagte und Widerklägerin 547,45 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2022 zu zahlen;

2. an die Beklagte vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 386,04 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2022 zu zahlen.

Die Klägerin beantragte,

auch diese Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, man habe bei Übergabe der Wohnung an sie auf die Protokollierung des Risses im PVC-Belag verzichtet, weil es sich um einen gebrauchten PVC-Belag gehandelt habe. Der Einriss beruhe offensichtlich auf einer Materialermüdung, weshalb die Beklagte den Schaden nicht zu vertreten habe. Auch die Farbabplatzungen an der Tapete beruhten auf einer vertragsgemäßen Abnutzung der Mietsache. Die Beklagte habe einen Kratzbaum gehabt und wesentliche Teile der Wohnung vor der Reviermarkierung der Katze mit Pappe verklebt, weshalb bestritten werde, dass es sich um Kratzspuren der Katze handele. Im Übrigen habe die Klägerin der Aufnahme einer Katze in die Wohnung zugestimmt und damit Begleiterscheinungen wie Klettern und Kratzspuren zugestimmt. Jedenfalls seien die Veränderungen der Mietsache durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt worden.

Die Renovierungsleistungen der Klägerin seien nicht erstattungsfähig, weil die Beklagte ein Recht darauf gehabt hätte, diese selbst durchzuführen. Da eine offensichtliche Vertragspflichtverletzung der Beklagten nicht vorgelegen habe, hätte die Klägerin der Beklagten eine Frist zur Durchführung der Renovierungsleistungen setzen müssen.

Es werde bestritten, dass die Kosten für die Beseitigung der Schäden erforderlich und üblich und angemessen gewesen seien. Der Austausch des Fußbodenbelages im Wohnzimmer wegen eines Kratzers erscheine überzogen. Im Übrigen werde bestritten, dass sieben Arbeitsstunden und ein Eimer Farbe erforderlich gewesen seien, um die Tapete instand zu setzen. Bestritten werde auch, dass die Kratzspuren an der Tapete beseitigt worden seien. Auch sei die Restnutzung des PVC-Fußbodenbelages nicht nachvollziehbar. Dies für die gesamte Wohnzimmerfläche wegen eines Kratzers zu berechnen, erscheine überzogen, im Übrigen werde auch die Wohnzimmerfläche in Abrede gestellt. Es werde auch nicht näher dargelegt, wie die Klägerin auf den Einzelpreis und die Dauer von 49 Monate komme. Zudem werde bestritten, dass der unstreitig gebrauchte Fußbodenbelag 2017 verlegt worden sei. Auch die Kosten in Höhe von 245,59 € für die Beseitigung der Schäden werden bestritten.

Die Beklagte habe die Klägerin zur Rückzahlung der Mietsicherheit – wie schon klägerseits dargestellt – aufgefordert. Darüber hinaus sei der Einbehalt von 300,00 € nicht gerechtfertigt gewesen. Wegen der zu Unrecht erhobenen Forderung von insgesamt 839,59 € habe die Beklagte die Rechtsanwältin beauftragt, wodurch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 386,04 € entstanden seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen K[…] und O[…]. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 29.09.2022 und 12.01.2023 verwiesen. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II. Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet (1.). Die zulässige Widerklage hat keinen Erfolg (2.).

1.

Die Erledigung der Hauptsache war festzustellen. Die ursprünglich zulässige und begründete Zahlungsklage hat sich in der Hauptsache nach Eintritt der Rechtshängigkeit erledigt.

1.1

Der Klägerin stand gegen die Beklagte bei Rechtshängigkeit der Klage ein Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 539,59 € gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 BGB zu.

Das Gericht schließt sich der Auffassung des Bundesgerichtshofes in seinem Urteil vom 27.06.2018, Az.: VII ZR 79/17 (Fundstelle; juris) an, wonach Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung der Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, der Mieter dem Vermieter – auch nach Beendigung des Mietverhältnisses – nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als Schadenersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder durch Geldleistung (§ 249 Abs. 2 BGB) zu ersetzen hat, ohne dass es einer vorherigen Fristsetzung des Vermieters bedarf.

a)

Das Gericht geht im Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass die Mietsache, die von der Klägerin beschriebenen Substanzschäden sowohl hinsichtlich der Kratzer und des Risses im Fußbodenbelag des Wohnzimmers als auch an den Tapeten seitlich der Wohnzimmertür und im Flur während der Mietzeit der Beklagten erlitten hat. Die Beklagte konnte ihr fehlendes Vertretenmüssen nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB weder darlegen noch beweisen.

aa)

Das Gericht ist aufgrund der Einvernahme der Zeugin K[…] und in Anbetracht des vorgelegten Wohnungsübergabeprotokolls, davon überzeugt, dass die Beschädigungen am Fußbodenbelag des Wohnzimmers in der Mietzeit der Beklagten entstanden sind.

Bereits das Übergabeprotokoll der Wohnung von der Klägerin an die Beklagte spricht dafür, dass die Wohnung mangelfrei übergeben worden ist. Die Beklagte selbst hat persönlich in der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2023 erklärt, dass sie nicht mehr genau sagen könne, ob die Stellen im Fußboden bereits vorher da gewesen wären. Angesichts der vorgelegten und in Augenschein genommenen Lichtbilder ist davon auszugehen, dass anderenfalls solche auffälligen Schäden aufgenommen worden wären.

Gleiches bestätigt auch die Zeugin K[…], die für das Gericht sowohl in ihrem Auftreten glaubwürdig als auch in ihrer Aussage glaubhaft war. Sie zeigte keinerlei Belastungstendenzen und hat sich auch im Rahmen der sehr intensiven Befragung durch den Beklagtenvertreter weder aus der Ruhe noch von ihrem in sich konsistenten Aussageverhalten abbringen lassen. Sie ist vielmehr bei ihrer Angabe geblieben, dass die Wohnung jedenfalls mangelfrei war, als sie diese von der Vormieterin übernommen habe, weil sie bei der Wohnungsübergabe an die Beklagte nicht dabei war. Sie konnte zudem gut nachvollziehbar und detailliert die Kratzer und den Riss im Fußbodenbelag im Abnahmetermin von der Beklagten beschreiben. Ihre Aussage, dass die zu den Akten gereichten Fotos von ihr bei der Übernahme der Wohnung gemacht worden sind, war glaubwürdig.

bb)

Die Zeugin K[…] hat auch glaubhaft bestätigt, dass die in Augenschein genommenen, bei der Akte befindlichen Fotos, die bei der Wohnungsübernahme von ihr gemacht worden sind, die vermutlichen Kratzspuren an der Wohnzimmerwand der Tür zum Flur hin und im Flur zeigen.

Diese Schäden hat auch der Zeuge O[…] glaubhaft so bestätigt.

cc)

Sowohl bei den Schäden im Fußbodenbelag als auch an den Tapeten handelt es sich nicht um eine normale Abnutzung im Rahmen des üblichen Mietgebrauchs. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin der Beklagten die Haltung einer Katze genehmigt hat. Sie hat damit jedenfalls nicht der Zerstörung der Tapete und des Fußbodenbelages zugestimmt.

dd)

Die Beklagte konnte auch nicht darlegen und beweisen, dass die Schäden nicht von ihr zu vertreten sind, § 280 Abs.1 S.2 BGB.

Soweit die Inaugenscheinnahme der zugehörigen Lichtbilder deutlich auf Kratzspuren eines Haustieres hinweist, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 12.01.2023 angegeben, dass sie keinen Einfluss darauf habe, was ihre Katzen machen, wenn sie nicht da sei. Allein der Umstand, dass sie mit Kratzbäumen oder vorsorglicher Anbringung von Pappen versucht hat, dem entgegen zu wirken, genügt für eine Exkulpation nicht.

Gleiches gilt für den großen Riss im Fußbodenbelag. Soweit die Beklagte behauptet, dieser sei auf eine Materialermüdung/einen Materialfehler zurückzuführen, ist dies eine bloße Schutzbehauptung ins Blaue hinein, weil sie durch nichts unterlegt ist. Als solche ist sie unbeachtlich. Es erschließt sich dem Gericht nicht, dass dies nur an einer Stelle aufgetreten ist.

b)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 245,59 € für die Schäden am Fußbodenbelag des Wohnzimmers und in Höhe von 284,- EUR für die Schäden an den Tapeten, mithin insgesamt in Höhe von 539, 59 EUR.

aa)

Die Klägerin hat hier die Wahl, Schadenersatz in Geld gem. § 249 Abs. 2 BGB zu verlangen, den das Gericht mit dem Maßstab des § 287 ZPO schätzen kann. Für die Schätzung reicht es aus, die entsprechenden Leistungen der Mitarbeiter der Klägerin für konkrete Arbeiten darzulegen. Diese können zu einer Bewertung des eingetretenen Schadens auch dann herangezogen werden, wenn die entsprechenden Arbeitszeiten im Unternehmen des Klägers nicht zusätzlich vergütet worden sind. Bei einem Anspruch nach § 249 BGB kann nämlich der Zeitaufwand im eigenen Unternehmen, der nicht lediglich der Schadensermittlung oder außergerichtlichen Abwicklung des Schadensersatzanspruchs dient, sondern der Schadensbeseitigung selbst, ersatzfähig sein, denn es ist nicht gerechtfertigt, solche besonderen Anstrengungen zur Schadensbehebung, die der Geschädigte durch den Einsatz seiner oder der Arbeitskraft seiner Mitarbeiter unternommen hat, dem Schädiger zugute kommen zu lassen (BGH, Urteil vom 09.12.2008, VI ZR 173/07, juris).

bb)

Ausgehend von diesen Grundsätzen schätzt das Gericht den Aufwand zur Beseitigung der Schäden am Fußbodenbelag in Höhe des geltend gemachten Betrages von 245,59 EUR.

Die Klägerin hat die notwendigen Arbeiten und unter Anrechnung eines näher beschriebenen Abzugs neu für alt nach detaillierter Aufführung der einzelnen Positionen für eine rund 16 m² großen Fußbodenbelag aus Kunststoff in eben dieser Höhe ermittelt.

Zu den aus ihrer Sicht erforderlichen Arbeiten zum Austausch des Bodenbelages des Wohnzimmers trägt die Klägerin vor, dass die gewöhnliche Nutzungszeit von PVC-Fußbodenbelägen 8 Jahre betrage. Der Bodenbelag sei im September 2017 neu verlegt worden, woraus sich eine Restnutzungszeit von 49 Monaten ergebe. Für das Entsorgen und Entfernen des Belages im Wohnzimmer, der 16,49 m² groß gewesen sei. Die ist für das regelmäßig mit Wohnraummietsachen befasste Gericht plausibel.

Das Gericht ist nach den überzeugenden Aussagen der Zeugin K[…] auch davon überzeugt, dass der unstreitig gebrauchte Fußbodenbelag 2017 verlegt worden ist.

Soweit die Beklagte hier bestreitet, dass diese Kosten ortsüblich und angemessen seien, kommt es darauf im Rahmen des § 287 ZPO nicht an. Vielmehr sind die aufgewendeten Kosten angesichts der allgemein- jedenfalls aber gerichtsbekannten Preise für vergleichbare Handwerkerleistungen und Fußbodenbelag nicht überteuert. Die Kenntnis des Gerichts beruht auf der regelmäßigen Befassung mit örtlichen Wohnraummietsachen und Handwerkerarbeiten. Detaillierten Gegenvortrag hierzu hält die Beklagte auch nicht, sondern beschränkt sich auf ein pauschales Bestreiten, das im Rahmen der Schadensschätzung unbeachtlich bleibt.

Die Beklagte kann auch nicht wirksam bestreiten, dass die Wohnzimmerfläche 16 m² betragen hat. Sie hat dort gewohnt und müsste substantiiert erwidern.

Mit der Klägerin hält es auch das Gericht für angemessen, einen zum Zeitpunkt des Austausches fünf Jahre alten Fußbodenbelag angesichts der vorliegenden Schäden komplett auszutauschen. Insbesondere im Wohnzimmer dürfte davon auszugehen sein, dass ein neuer Mieter – unabhängig davon, ob vergleichbare Fußbodenbeläge noch vorhanden sind – einen partiellen Austausch schon im Hinblick auf die Farb- und Qualitätsunterschiede nicht hinnehmen wollen würde. Darauf muss sich die Klägerin im Rahmen des ihr gemäß § 249 BGB zustehenden Schadenersatzes daher auch nicht verweisen lassen.

cc)

Die Klägerin hat darüber hinaus gegenüber der Beklagten auch einen Anspruch auf Schaden ersatz in Höhe von 284,00 € für die Beseitigung der Schäden an der Tapete.

Nach den zuvor dargestellten Maßstäben für die Schadensbemessung schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO den geltend gemacht Schadenersatzbetrag als zutreffend ein.

Zur Höhe des entstandenen Schadens hat die Klägerin substantiiert vorgetragen, das ein Zeit aufwand von insgesamt sieben Stunden für Reinigungs- und Abklebearbeiten, Rollen und Weißen der Decke und Ausbesserungen sowie die erforderliche mehrfache Anfahrt sowie ein Eimer Farbe angefallen ist. Dies steht im Einklang mit dem von ihren Mitarbeitern zeitnah gefertigten Tätigkeitsnachweis und wurde vom Zeugen O[…] in der mündlichen Verhandlung für Seite 7das Gericht überzeugend bestätigt. Der Zeuge O[…] ist als Malermeister fachkundiger Zeuge und hatte keinerlei Belastungstendenzen in Richtung der Beklagten. Seine Aussage war glaubhaft, er selbst glaubwürdig. Ihm ging es sogar darum, klarzumachen, dass die Reinigungsarbeiten im Vorfeld normale Tätigkeiten im Rahmen einer üblicherweise vorzufindenden Beschmutzung der Fußbodenleiste und der Wände sind. Er hat detailliert und unaufgeregt „nüchtern“ die einzelnen Arbeitsschritte und die vollständige Beseitigung der Schäden beschrieben. Nachvollziehbar ist insoweit auch, dass die Klägerin im Hinblick auf etwaige Farbunterschiede, was der Zeuge aus seiner fachkundigen Sicht nachvollziehbar dargestellt hat, die Wände vollständig streichen lassen musste. Angesichts der allgemein bekannten Stundensätze für Handwerkerleistungen Ist auch hier das pauschale Bestreiten der Beklagten, dass die hierfür aufgewendeten Preise weder ortsangemessen noch üblich seien, nicht beachtlich. Insoweit kann auf vorstehende Ausführungen zum Fußbodenbelag verwiesen werden. Letztlich hat die Klägerin sogar schadensmindernd davon abgesehen, die betroffenen Wände neu zu tapezieren.

dd)

Auch die Inaugenscheinnahme der von der Zeugin K[…] gefertigten, bei der Akte befindlichen Lichtbilder stützt die Überzeugung des regelmäßig mit Wohnraummietsachen befassten Gerichts, dass es sich bei den streitgegenständlichen Schäden nicht um eine vertragsgemäße Abnutzung handelt. Aus der Inaugenscheinnahme ergibt sich auch, dass die Schilderungen der Zeugen zu den Schäden und deren Beseitigungsaufwand plausibel sind.

1.2

Der Rechtsstreit hat sich nach Rechtshängigkeit erledigt, weil der Zahlungsanspruch der Klägerin durch Aufrechnung mit dem Auseinandersetzungsguthaben, dessen Auszahlung erst nach Rechtshängigkeit fällig wurde, erloschen ist, § 389 BGB.

2.

Die Widerklage ist nicht begründet.

2.1.

Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von 547,45 € nebst Zinsen für klägerseits nicht ausgezahlte Genossenschaftsanteile (Auseinandersetzungsguthaben) der Beklagten. Der diesbezügliche Auszahlungsanspruch der Beklagten ist durch Aufrechnung der Klägerin in Höhe eben dieses Betrages gem. § 389 BGB erloschen. Der Klägerin stand, wie unter 1. ausgeführt, ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 539,59 € gegenüber der Beklagten zu. Zudem hatte die Klägerin gegenüber der Beklagten gem. §§ 286 Abs. 1, 288 BGB einen Anspruch auf Verzinsung dieses Betrages in Höhe von 7,86 € für den Zeitraum vom 22.02.2022 bis 30.06.2022, weil sich die Beklagte spätestens ab diesem Zeitpunkt mit der Bezahlung der Schadenersatzforderung in Verzug befunden hat.

2.2.

Die Beklagte hat gegen die Klägerin weder einen Anspruch auf Ersatz ihr außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB noch aus einer sonstig ersichtlichen Anspruchsgrundlage, denn die Klägerin hat sich bei Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Beklagte nicht mit der Rückzahlung der Genossenschaftsanteile in Verzug befunden. Zum einen war die Rückzahlung des Anspruches zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig, zum anderen wirkt die Aufrechnung mit der berechtigten Schadenersatzforderung gem. § 387 BGB, soweit der Anspruch fällig wäre, wie nicht, zurück.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

Bei der Festsetzung des Streitwertes waren die Werte von Klage und Widerklage zu addieren, §§ 3, 5 ZPO, § 45 Abs. 1 GKG.“

AG Bautzen, Urteil vom 2.2.2023 – 21 C 160/22

Anscheinsbeweis bei Vorfahrtsverletzung und Nutzungsausfallentschädigung bei fiktiver Abrechnung

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 2.11.2022 – 22 C 141/22) spricht ein Anscheinsbeweis gegen einen Unfallbeteiligten, der einen Vorfahrtsverstoß begeht. Zudem kann ein Geschädigter im Rahmen einer fiktiven Abrechnung des Wiederbeschaffungsaufwandes eine Nutzungsausfallentschädigung verlangen. Im Weiteren spricht für den fahrzeugführenden Besitzer eine Eigentumsvermutung. Dies gilt umso mehr, wenn die Haftpflichtversicherung des Schädigers ohne Einwendungen gegen die Eigentümerstellung außergerichtlich Zahlungen geleistet wurden.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2022 am 02.11.2022

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.005,16 € nebst Zinsen in
Höhe von 4 % aus 2.381,49 € für die Zeit vom 26.1.2022 bis zum 9.2.2022,
weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
nach § 247 BGB aus 2.609,49 € seit dem 10.2.2022 bis zum 23.3.2022 sowie
weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
nach § 247 BGB aus 1.005,16 € seit dem 24.3.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber dem Sachverständigenbüro […] von Forderungen in Höhe von 263,31 € aus der Rechnung […] freizustellen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist die weiteren Kosten des Klägers zu tragen, die sich aufgrund des Verkehrsunfalls am 25.01.2022, gegen 15:15 Uhr in Schirgiswalde-Kirschau, insbesondere der Schadensbehebung ergeben.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 85 % und der Kläger 15%.
6. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.559,08 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis.

Der Kläger befuhr am 25.01.2022 gegen 15:15 Uhr, aus Richtung Bautzen kommend, in Schirgiswalde-Kirschau die Bautzener Straße, eine im Bereich der in Fahrtrichtung des Klägers rechts einmündenden Wilthener Straße nach links abbiegende Hauptstraße. Der Kläger fuhr mit dem Pkw Skoda Octavia […] den Kreuzungsbereich, als es zum Zusammenstoß mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw Golf […] welches von der Zeugin K[…] geführt wurde, kam. Infolge des Zusammenstoßes beider Fahrzeuge entstand an dem vom Kläger geführten Fahrzeug ein Sachschaden in Höhe von 7.985,91 € (netto). Der Wiederbeschaffungswert eines gleichwertigen Fahrzeuges beträgt 4.380,49 € (netto), der Restwert 1.999,00 € (brutto). Für ein vom Kläger eingeholtes vorgerichtliches Sachverständigengutachten fielen Kosten in Höhe von 789,92 € an, die der Kläger noch nicht beglichen hat. Vorgerichtlich leistete die Beklagte an den Kläger 2.130,94 € wobei jeweils 2/3 des Wiederbeschaffungsaufwandes sowie der Gutachterkosten und 16,67 € für eine Unkostenpauschale gezahlt wurden. In dem vorgerichtlichen Sachverständigengutachten wird eine Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen angesetzt. Der Kläger ließ ca. 1 Woche nachdem Unfall den Blechschaden an dem Pkw Skoda notdürftig reparieren und erhielt daraufhin für das Fahrzeug vom TÜV die Zulassung zur Teilnahme am Straßenverkehr. Seitdem nutzt der Kläger sein Fahrzeug wieder.

Mit Schriftsatz vom 31.01.2022 machte der Kläger gegenüber der Beklagten seine restlichen Schadensersatzforderungen unter Fristsetzung bis zum 07.02.2022 geltend.

Der Kläger behauptet, er sei Eigentümer des von ihm zum Unfallzeitpunkt geführten Fahrzeuges. Er habe bereits vor der Kreuzung in Fahrtrichtung links geblinkt. Für die Wiederbeschaffungsdauer von 14 Tagen stehe dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung Nutzungsausfallentschädigung in Flöhe von 29,00 € pro Tag zu.


Der Kläger beantragt,

1. an den Kläger 1208,16 € nebst Zinsen in Höhe von 4% aus 2381,49 € für die Zeit vom 26.1.2022 bis zum 9.2.2022, weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach §247 BGB aus 2812,49 € seit dem 10.2.2022 bis zum 23.3.2022 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach §247 BGB aus 1208,16 € seit dem 24.3.2022 zu zahlen,

2. den Kläger gegenüber dem Sachverständigenbüro […] von Forderungen in Höhe von 263,31 € […] freizustellen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist die weiteren Kosten des Klägers zu tragen, die sich aufgrund des Verkehrsunfalls am 25.01.2022, gegen 15:15 Uhr in Schirgiswalde-Kirschau, insbesondere der Schadensbehebung ergeben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte habe in der Anfahrt an die spätere Unfallstelle nach rechts geblinkt sowie seine Fahrgeschwindigkeit verringert und damit angezeigt, dass er in die Wilthener Straße habe abbiegen wollen. Dem Beklagten fehle der Nutzungswille, da er bisher kein Ersatzfahrzeug angeschafft habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben zum Unfallhergang durch Einvernahme der Zeuginnen K[…] und L[…]. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2022 verwiesen. Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere auch ein Feststellungsinteresse des Klägers beinhaltende, Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls vom 25.01.2022, den die Zeugin K[…] allein verursacht hat, weiteren Schadenersatz in Höhe von 1.005,16 € gemäß §§ 7 Abs. 1.9, 18 Abs. 1 StVG, § 1 PflVG, §§ 823 Abs. 1, 249 BGB beanspruchen.

1. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Gemäß § 1006 Abs. 1 BGB streitet die Eigentumsvermutung des Besitzers für den das Fahrzeug zum Unfallfahrzeug führenden Kläger. Die Beklagte hat nämlich vorgerichtlich bereits erhebliche Zahlungen an den Kläger geleistet und damit seine Anspruchsberechtigung und die dem zugrundeliegende Eigentümerstellung anerkannt. Die Beklagte hat im Prozess die Eigentümerstellung lediglich mit Nichtwissen bestritten, was in Anbetracht des vorgerichtlichen Verhaltens der Beklagten nicht ausreichend war. Substantiierte Einwände gegen die Eigentümerstellung des Klägers hat die Beklagte nicht vorgebracht.

2. Die Beklagte haftet für den von der Zeugin K[…] verursachten Unfall allein. Für den Kläger war das Unfallereignis zwar kein unabwendbares Ereignis, jedoch tritt die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges hinter das erhebliche verschulden der Zeugin K[…] zurück. Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der gegen die Beklagte sprechende Anscheinsbeweis eines Vorfahrtsverstoßes der Zeugin K[…] nicht erschüttert wurde. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Beklagte hätte nachweisen können, dass der Kläger vor dem Einfahren des Kreuzungsbereiches seine Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts gesetzt und damit die Absicht, nach rechts Abbiegen zu wollen, angedeutet hätte. Diesen gegen den Vorfahrtspflichtigen sprechenden Anscheinsbeweis eines Vorfahrtsverstoßes gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 StVO hat die Beklagte nicht erschüttern können, denn das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass die Zeugin K[…] eine entsprechende Wahrnehmung gemacht hat. Zwar hat sie dies in Ihrer Vernehmung so angegeben. Allerdings haben sowohl der Kläger in seiner Anhörung, als auch die Unfallzeugin L[…] in Ihrer Vernehmung Gegenteiliges vorgebracht, nämlich dass der Fahrtrichtungsanzeiger des klägerischen Fahrzeuges nach links gesetzt war. Bei der Zeugin L[…] handelt es sich um eine unbeteiligte Unfallzeugin, die glaubhaft ihre Wahrnehmung geschildert hat. Dieser Aussage folgt das Gericht. Der gegenteiligen Aussage der Zeugin K[…] vermag das Gericht dagegen nicht zu folgen. Die Zeugin hat ein eigenes Interesse einer ihr günstigen Darstellung des Unfallgeschehens. Sie hat zudem ausgesagt, dass die Zeugin L[…] bereits an der Unfallstelle angegeben habe, dass der Kläger nach links geblinkt hat. Diesen Widerspruch hat die Aussage der Zeugin K[…] nicht aufzuklären vermocht. Vielmehr spricht dies für die Konstanz der Angabe der Zeugin K[…].

3. Dies führt dazu, dass die Beklagte einen restlichen Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 793,83 € sowie die restliche Unkostenpauschale in Höhe von 8,33 € zu erstatten hat. Daneben hat sie den Kläger von vorgerichtlichen Sachverständigen Kosten in Höhe von weiteren 263,31 € freizustellen.

Nutzungsausfallentschädigung hat die Beklagte allerdings nur in Höhe von 203,00 € zu erstatten. Dies folgt daraus, dass der Kläger eigenen Angaben nach das Fahrzeug eine Woche nach dem Unfall wieder in einen verkehrstüchtigen Zustand versetzt hat und das Fahrzeug seitdem Nutzen kann. Die Überlegens- und Anschaffungsfrist für ein Ersatzfahrzeug war spätestens zum Zeitpunkt der Notreparatur abgelaufen. Für die spätere Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges kann der Kläger das Unfallfahrzeug nutzen. Insofern fehlt es an einer Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit, die über die Dauer von einer Woche hinaus geht. Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 29,00 € pro Tag.

4. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Kläger hat insofern vorgetragen, dass er eine Ersatzbeschaffung beabsichtigt, für die er wird Mehrwertsteuer aufwenden müssen. Diese ist als Unfallschaden nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzen, jedoch erst mit ihrem Anfall.

5. Die zugesprochenen Zinsen schuldet die Beklagte gemäß §§ 849, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Spätestens am 10.02.2022 befand sich die Beklagte in Verzug.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 2.11.2022 – 22 C 141/22

Zur Anwendung des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ bei Mietwagenkosten

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Dresden (AG Dresden, Urteil vom 27.9.2022 – 109 C 1073/22) können von einem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten grundsätzlich Mietwagenkosten bis zur Höhe des arithmetischen Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ der einschlägigen Fahrzeugklasse verlangt werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…] GmbH, […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherungs- […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Dresden […]

im schriftlichen Verfahren nach Schriftsatznachlass bis 16.9.2022 am 27.09.2022

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von Forderungen in Höhe von 1.085,78 € aus der Rechnung […] freizustellen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die vorläufige Vollstreckung der Klägerin abwenden gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.085,78 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Freistellung von weiteren Mietwagenkosten.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt (15.08.2021) Halterin des geleasten Pkw vom Typ VW Touareg mit dem amtlichen Kennzeichen […] und der Fzg.Ident.Nr. […]. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach als Versicherer des unfallverursachenden Fahrzeugs ist unstreitig. Die Klägerin holte ein Schadensgutachten ein. […] Während der Reparatur wurden weitere Schäden am Radlager festgestellt, so dass sich der Reparaturumfang gegenüber dem Gutachten Anl. K1 erweiterte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Reparaturkostenrechnung vom 22.11.2021 (Anl. K4) Bezug genommen). Die Klägerin mietete vom 11. Oktober bis 29.10.2021 ein Mietfahrzeug an wofür ihr 4117,48 € (netto) in der Rechnung gestellt wurden. […]

Die Beklagte erstattete unter Annahme von einer erforderlichen Reparaturzeit von zunächst drei Tagen und dann nach Vorlage angeforderter Lichtbilder und Unterlagen zum Reparaturumfang unter Annahme einer erforderlichen Reparaturdauer von acht Tagen 868,62 €. […] Die Klägerin stellt sich auf den Standpunkt sie habe einen Anspruch auf Übernahme der Mietwagenkosten für die gesamte erforderliche Reparaturdauer, nämlich von 18 Tagen. Unter Berücksichtigung der Zahlung der Beklagten auf die Mietwagenkosten i.H.v. 868,62 € für acht Tage (= 108,58 €/Tag) könne sie einen weiteren Betrag i.H.v. 1085,78 € für die restlichen zehn Miettage geltend machen.

Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von Forderungen in Höhe von 1.085,78 €
aus der Rechnung […] freizustellen.

Die Beklagte beantragt:
die Klage abzuweisen

Sie bestreitet, dass die Reparatur länger als acht Tage gedauert habe. Sie stellt sich auf den Standpunkt, die Klägerin habe durch das Gutachten Anl. K1 gewusst, dass drei Arbeitstage für die Reparatur erforderlich seien. Daher sei es nicht hinnehmbar, dass sie nach Reparaturbeginn nicht darauf gedrungen habe, dass die Reparatur zügig durchgeführt werde und die gutachterlich für erforderlich gehaltene Reparaturdauer nicht überschritten werde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung Bezug genommen.

Da es sich beim Fahrzeug der Klägerin um ein Fahrzeug mit rein gewerblicher Nutzung handele, komme eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung nach den Nutzungsausfalltabellen grundsätzlich nicht in Betracht. Außerdem hätte die Klägerin problemlos ein Fahrzeug der Mietwagengruppe neun für acht Tage zu einem Preis von etwa 700 € netto anmieten können. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Seite 9 der Klageerwiderung sowie die Anl. B1 Bezug genommen. Die Kosten für Haftungsbefreiung seien nicht erstattungsfähig. Im Schwacke-Tarif sei bereits eine Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung berücksichtigt. Auch bei der Anmietung eines klassen- tieferen Fahrzeugs sein ersparte Eigenaufwendungen unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs vorzunehmen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von weiterer Mietwagenkosten wie tenoriert. Die im Sinne von § 249 BGB erforderlichen Mietwagenkosten hat der Vorsitzende im Wege der Schätzung ermittelt. § 287 ZPO gibt die Art der Schätzgrundlage nicht vor. Nach Auffassung des Vorsitzenden ist auf das arithmetische Mittel des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im PLZ-Gebiet des Sitz der Geschädigten abzustellen. Auch der BGH geht in seiner Entscheidung vom 22.02.2011 (Az.: VI ZR 353/09) davon aus, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ grundsätzlich auf dieser Grundlage ermitteln kann. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadenschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall im erheblichen Umfang auswirken. Die Beklagte hat aber solche Tatsachen nicht hinreichend aufgezeigt. Insbesondere sind die als Anlage vorgelegten Angebote in Dresden ansässiger Mietwagenfirmen hierzu nicht geeignet. Diese Angebote geben nicht die jeweilige konkrete Anmietsituation wieder, insbesondere nicht die hinreichende Bestimmtheit des Anmietzeitraums sondern eine ex-post-Betrachtung im Jahr 2022, wo der konkrete Anmietzeitraum feststeht. Insoweit war auch kein Sachverständigengutachten einzuholen.

Das Fahrzeug der Geschädigten ist in die Klasse 9 einzustufen.

Es ist von einer erforderlichen Anmietdauer von 18 Tagen auszugehen.

Die Reparaturdauer ist durch den vorgelegten Reparaturablaufplan (Anl. K4) belegt. Bereits im Gutachten Anl. K1 ist aufgeführt, dass beim Schadensbild nicht ausgeschlossen werden könne, dass weitere Bauteile beschädigt seien. Dass sich der Reparaturumfang somit gegenüber der Prognose im Gutachten Anl. K1 deutlich ausgeweitet hat, folgt aus der Reparaturkostenrechnung vom 22.11.2021 (Anl. K5).

Somit ist die Argumentation der Beklagtenseite, dass der Klägerin die Werkstatt zu einer zügigen Reparatur hätte auffordern müssen, ist nicht zielführend. Die Reparaturausweitung und die damit einhergehende Verlängerung der Reparaturdauer im Hinblick auf die ursprüngliche prognostizierte Reparaturdauer hält sich noch in einem Rahmen, den ein Laie als akzeptabel hinnehmen kann. Insoweit greifen auch die Grundsätze des Werkstattrisikos

Der Normaltarif für 18 Tage berechnet sich wie folgt:

2 x Wochenpauschale: 2 x 1.114,57 EUR = 2.229,14 EUR
3-Tagespauschale: 595,56 EUR
1x Tagespauschale: 216,83 EUR

Kosten für eine Haftungsreduzierung sind nicht erstattungsfähig, da nicht belegt ist. Dass eine weitere Haftungsreduzierung als die ohnehin schon im Rahmen der Schwacke-Liste berücksichtigte, klägerseits vereinbart worden ist.

Summe: 3.041,53 EUR

Auf den so ermittelten Normaltarif ist gemäß § 287 ZPO ein pauschaler Aufschlag für einen betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Mehraufwand im Zusammenhang mit der Anmietung eines Unfallfahrzeugs zu machen. Hinsichtlich der Höhe der pauschalen Aufschläge werden unterschiedliche Ansichten vertreten. Der Vorsitzende erachtet einen Aufschlag von 20 % für angemessen, aber auch ausreichend. Somit ist ein Aufschlag von 608,30 EUR vorzunehmen. Von den so errechneten 3.649,84 EUR muss sich die Geschädigte 10 %, d.h. 364,98 EUR, als ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen. Somit ergibt sich ein Betrag von erstattungsfähigen Mietwagenkosten von 3.284,86 EUR brutto, entspricht 2.760,39 EUR netto, wobei jedoch nur von den geltend gemachten 1.954,44 EUR netto auszugehen ist. . Unter Anrechnung des bereits von der Beklagten gezahlten Betrages von 868,64 EUR hat der Klägerin somit einen Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.085,80 EUR.

Der Vorsitzende teilt nicht Rechtsauffassung der Beklagten, dass die durch den Verkehrsunfall der Klägerin entstandenen Mietwagenkosten lediglich bis zur Grenze des Gewinnausfalls zu erstatten seien. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um ein Nutzfahrzeug wie zum Beispiel ein Taxi. Vielmehr dient das streitgegenständliche Fahrzeug einem Geschäftsführer der Klägerin.

Die Entscheidung hinsichtlich der Nebenforderungen beruht auf Verzugsgesichtspunkten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.11,711 ZPO.“

AG Dresden, Urteil vom 27.9.2022 – 109 C 1073/22

Zur Anwendung des arithmetischen Mittels nach Schwacke- und Fraunhoferliste bei Mietwagenkosten sowie zur Erstattung von Verbringungskosten und Desinfektionskosten

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 2.9.2022 – 21 C 109/22) können von einem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten grundsätzlich Mietwagenkosten bis zur Höhe des arithmetischen Mittels nach Schwacke- und Fraunhoferliste der einschlägigen Fahrzeugklasse verlangt werden. Mit dieser Entscheidung kehrt das Amtsgericht Bautzen bewusst von der eigenen, bisherigen Rechtsprechung im Einklang mit der Leitentscheidung der (Berufungs)Kammer des Landgerichts Görlitz (LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19) ab und schließt sich der Rechtsprechung des OLG Dresden (Vgl. OLG Dresden, Urteil vom 12.06.2020 – 4 U 2796/19 m.w.N.; OLG Dresden, Urteil vom 18.04.2019 – 8 U 113/19; OLG Dresden, Urteil vom 02.03.2016 – 13UO 1548/15; OLG Dresden, Urteil vom 30.12.2015 – 1 U 304/15) hierzu an.
Das Gericht hat die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten für den Reparaturzeitraum nach den Regeln der Schadensschätzung im Zivilprozessrecht (§ 287 ZPO) geschätzt und dabei die arithmetischen Mittel aus der Fraunhofer-Liste und dem Schwacke-Mietpreisspiegel herangezogen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und verschiedener Oberlandesgerichte (OLG) kann ein Geschädigter von dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherern grundsätzlich den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dabei muss der Geschädigte den wirtschaftlichsten Weg der Schadenbeseitigung wählen, indem er sich über die auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarife für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges informiert.
Im Weiteren sind die Verbringungs- und Desinfektionskosten im vollen Umfang durch den Schädiger zu erstatten, soweit diese im Schadengutachten in gleicher Höhe für erforderlich erachtet werden und der Geschädigte die Reparaturwerkstatt zur Reparatur entsprechend dem Gutachten beauftragte.
Die geltend gemachten Verbringungskosten sind erforderlich, um den ursprünglichen Fahrzeugzustand wiederherzustellen, und der Kläger hat daher einen Anspruch auf Erstattung aller von dem Autohaus in Rechnung gestellten Verbringungskosten. Der Geschädigte hat bei der Schadensregulierung normalerweise Grenzen bei seinen Kenntnismöglichkeiten und Einflussmöglichkeiten, besonders dann, wenn er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es wäre nicht dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend, wenn der Geschädigte bei der Ausübung seiner Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen bei der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Das Risiko hierfür geht zu Lasten des Schädigers. Der Geschädigte kann grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in einem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das dafür benötigte Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind, und kann daher einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren. Es macht keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten berechnet oder Arbeiten in Rechnung stellt, die nicht ausgeführt wurden. Es gibt keinen Grund, dem Schädiger das Risiko für solches Verhalten abzunehmen. Ein Auswahlverschulden des Klägers ist in diesem Fall nicht ersichtlich. Die von der Werkstatt in der Reparaturrechnung aufgeführten Aufwendungen sind im Allgemeinen ein zuverlässiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten, insbesondere wenn diese vom Sachverständigen in seinem Schadengutachten für eine Wiederherstellung als erforderlich aufgeführt werden.
In diesem Urteil wurde zudem entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Desinfektion ihres Fahrzeuges hat, die vom Autohaus berechnet wurden. Obwohl die Erstattungsfähigkeit von Desinfektionskosten in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird, durfte die Klägerin davon ausgehen, dass diese Kosten erforderlich waren. Das Gericht stützte sich hierbei auf ein Schadengutachten der Klägerin, in dem Kosten für die Desinfektion aufgeführt waren, und entschied, dass die berechneten Kosten plausibel sind. Das Gericht betonte außerdem, dass die Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten zur Erstattung von Infektionskosten zeigt, dass solche Maßnahmen durchaus üblich sind und die Klägerin daher keine Plausibilitätszweifel haben musste.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

Urteile zur Erstattungsfähigkeit von Desinfektionskosten:
LG Stuttgart, Urteil vom 21.07.2021 – 13 S 25/21; LG Coburg, Endurteil vom 28.5.2021 – 32 S 7/21; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 2.9.2022 – 21 C 109/22; AG Wolfach, Urteil vom 8.6.2021 – 1 C 2/21; AG Bautzen, Urteil vom 5.7.2021 – 21 C 129/21; AG Frankenthal, Urteil vom 12.04.2021 – 3a C 253/20; AG Kempten, Urteil vom 12.3.2021 – 1 C 1118/20; AG Siegen, Urteil vom 8.3.2021 – 14 C 1990/20; AG Stuttgart, Urteil vom 15.2.2021 – 47 C 3723/20; AG Weißwasser, Urteil vom 26.1.2021 – 3 C 222/20; AG München, Urteil vom 27.11.2020 – 333 C 17092/20; AG Aachen, Urteil vom 16.11.2020 – 116 C 123/20; AG Heinsberg, Urteil vom 4.9.2020 – 18 C 161/20; so auch AG Bautzen, Hinweisbeschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

gegen

[…]-Versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2022 am 02.09.2022

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 590, 62 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.03.2022 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 41 % und die Beklagte 59 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Beklagten wird nachgelassen, die zu leistende Sicherheit durch Sicherheit einer deutschen Sparkasse oder Großbank zu erbringen.
5. Die Berufung wird nicht zugelassen.

I. Tatbestand

Die Parteien streiten um restlichen Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 01.06.2021 in Schmölln-Putzkau unter Beteiligung des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs ereignet hat und bei dem das klägerische Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen BZ-[…] beschädigt wurde.

Die grundsätzliche Haftung, wonach die Beklagte zu 100 % für den eingetretenen Schaden einzustehen hat, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

Die Klage wurde der Beklagten am 24.03.2022 zugestellt.

Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs Subaru B6 Outback 2,5 Combi. Zum Umfang der Schäden und den erforderlichen Reparaturkosten wurde zum 04.06.2021 ein Gutachten der DEKRA Automobil GmbH, Niederlassung Bautzen, eingeholt.

Die Klägerin ließ das Fahrzeug in der Subaru Werkstatt Autohaus […] zunächst am 03.06.2021 notreparieren. Hierfür sind Kosten in Höhe von 380,80 Euro entstanden, wobei 140,00 Euro (netto) zzgl. Umsatzsteuer für den Unfallersatzwagen während des Zeitraumes der Notreparatur in Rechnung gestellt worden sind. Hierauf hat die Beklagte 339,66 EUR gezahlt. Die Differenz von 41,14 Euro verfolgt die Klägerin mit der vorliegenden Klage weiter.

Darüber hinaus ließ die Klägerin das Fahrzeug später instandsetzen. Dafür stellte ihr das Autohaus […] 14.070,80 Euro in Rechnung. Bis auf 59,50 Euro hat die Beklagte die Reparaturkosten bezahlt. Im Streit stehen 25,00 Euro (netto) für die Desinfektion im Rahmen der Coronavirus-Pandemie und 25,00 Euro (netto), um die die Beklagte die Verbringungskosten zur Lackierung, die das Autohaus mit 145,00 Euro (netto) in Rechnung gestellt hat, gekürzt hat. Diese ausstehenden Reparaturkosten macht die Klägerin als Bruttobetrag in Höhe von 59,50 EUR geltend.

Die Klägerin hat für die Zeit der Reparatur des Fahrzeugs einen Mietwagen beim Autohaus […] angemietet, das für die Anmietung des Fahrzeuges vom Typ Subaru Forester in der Zeit vom 29.06.2021 bis 09.07.2021 1.416,10 Euro (brutto) in Rechnung stellte. Hierauf hat die Beklagte 515,20 Euro bezahlt. Die verbleibende Differenz von 900,90 Euro macht die Klägerin ebenfalls mit der vorliegenden Klage geltend.

Die Klägerin beantragt:
Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klägerin 1.001,54 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Klägerin keine weiteren Mietwagenkosten zustehen würden. Der erstattete Betrag entspräche dem Normaltarif, zu dem die Klägerin ein vergleichbares Ersatzfahrzeug hätte anmieten können. Die geltend gemachten Mietwagenkosten seien nicht erforderlich im Sinne von § 249 BGB gewesen, wie sich aus den vorgelegten Vergleichsangeboten von Autovermietungen aus Bautzen und Dresden ergebe.

Auch weitere Reparaturkosten stünden der Klägerin nicht zu. Desinfektionskosten seien nicht erstattungsfähig. Der Aufwand hierfür könne nicht gesondert berechnet werden. Es handele sich um allgemeine Unkosten. Sie seien nicht schadensbedingt.

Die Verbringungskosten seien in der ausgewiesenen Höhe nicht nachvollziehbar. Die Beklagte habe daher nur den marktüblichen Betrag reguliert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die bei den Akten befindlichen Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2022 Bezug genommen.

II. Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Klägerin steht im tenorierten Umfang ein Anspruch auf restlichen Schadenersatz gegen die Beklagte gemäß 88 7 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG zu.

1.
Die Beklagte ist aktivlegitimiert. Für ihre Eigentümerstellung spricht die Vermutung des § 1006 BGB. Das Fahrzeug ist auf die Klägerin zugelassen. Sie hat es zum Unfallzeitpunkt auch gefahren.

2.
Die Haftung der Beklagten zu 100 % ist unstreitig.

3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf weitere Mietwagenkosten in Höhe von 590,63 EUR zu.

3.1
Die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten für den Reparaturzeitraum schätzt das Gericht gem. § 287 ZPO nach dem arithmetischen aus der Mittel Fraunhofer-Liste und des Schwacke-Mietpreisspiegels.

a)
Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. BGH Urteil vom 12.02.2019, Az. VI ZR 141/18: Urteil vom 05.03.2013, Az. VI ZR 245/11, Juris und der Oberlandesgerichte (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 28.03.2019, Az. 7 U 1319/18, Juris; OLG Dresden, Urteil vom
30.12.2005, Az. 1 O 304/15, nicht veröffentlicht; OLG Zweibrücken, Urteil vom 22.01.2014, Az. 1 U 165/11, OLG Dresden, Urteil vom 12.06.2020, Az. 4 U 2796/19, Juris) kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherern nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand grundsätzlich den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlichsten Weg der Schadenbeseitigung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH, Urteil vom 12.02.2019, Az. VI ZR 141/18, Juris; OLG Dresden, 4 U 2796/19 a.a.O.).

Inwieweit dies der Fall ist, hat der nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter – gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen – zu schätzen. Bei der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO ist die Art der Schätzgrundlage für die Ermittlung des Normaltarifs im Einzelnen nicht vorgegeben (vgl. BGH Urteil vom 22.02.2011, Az. VI ZR 353/09, Juris; OLG Zweibrücken, Urteil vom 22.01.2014, Az. 1 U 165/11, Juris; OLG Dresden, Az. 4 U 2796/19 a.a.O.). Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher, offenbar unsachlicher Erwägung festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht gelassen werden (BGH a.a.O). Gleichwohl können geeignete Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 22.02.2011, Az. VI ZR 353/09; Urteil vom 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, Juris) hat eine Schätzung anhand des Schwacke-Mietpreisspiegels, der Fraunhofer-Liste sowie einer Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Erhebungen für grundsätzlich zulässig gehalten.

In der Rechtsprechung und Literatur werden Einwendungen und Vorbehalte gegen die Heranziehung der Schwacke- und der Fraunhofer-Liste erhoben. Kern, der gegen die Schwacke-Liste geltend gemachten Bedenken war und ist, dass zugrunde liegende Erhebungen durch Übersendung von Fragebögen an die Mietwagenunternehmen vorgenommen werden, wobei der Verwendungszweck offengelegt wird. Dies beinhaltet ein nicht unerhebliches Risiko für eine Ergebnismanipulation aufgrund des damit verbundenen wirtschaftlichen Interesses der Autovermieter (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 30.12.2015, Az. 1 U 304/15; OLG Zweibrücken, Urteil vom 22.01.2014, Az. 1 U 165/11, Juris; OLG Dresden, Urteil, Az. 4 U 2496/19 a.a.O.). Gegenüber der Fraunhofer-Liste wird dagegen eingewandt, dass ein großer Teil der zugrundelegenden Erhebung auf Internetangeboten basiert, die auf dem maßgeblichen Markt nicht ohne weiteres zugänglich sind und ein Internetanschluss in der konkreten Unfallsituation nicht immer zeitnah für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zur Verfügung steht. Zudem sind die von dem Fraunhoferinstitut eingeholten Angebote von einer Bestellung mit einer Vorlaufzeit von etwa einer Woche abhängig gemacht, welche in der Unfallsituation im Regelfall dem Interesse des Geschädigten nicht gerecht würden (vgl. OLG Dresden, a.a.O., OLG Zweibrücken a.a.O.).
Das Gericht schließt sich der Ansicht an, nach der die Vor- und Nachteile durch die Anwendung des arithmetischen Mittels nach Schwacke- und Fraunhoferliste ermittelten Werte angemessen ausgeglichen werden können (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 22.01.2014, Az. 1 U 165/11, Juris; OLG Dresden, Urteil vom 30.12.2015, Az. 1 U 304/15; OLG Dresden, Urteil vom 18.04.2019, Az. 8 U 113/19; OLG Dresden, Urteil vom 02.03.2016, Az. 13UO 1548/15; OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.04.2019, Az. 1 U 108/18, Juris; OLG Hamm, Urteil vom 08.11.2019, Az. 9 U 10/19, Juris; OLG Dresden, Urteil vom 12.06.2020, Az. 4 U 2796/19 m.w.N.). Der Kläger hat im vorliegenden Fall nicht ausreichend konkret dargelegt, dass er sich auf dem örtlich maßgeblichen Markt sich orientiert und andere Angebote eingeholt hätte. Der Geschädigte kann im Hinblick auf die gebotene Schadensbetrachtung die „den Normaltarif“ übersteigenden Mietwagenkosten nur dann verlangen, wenn er darlegt, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer „Normaltarif“ zugänglich war; insoweit handelt es sich nicht um eine Frage der Schadensminderungspflicht, sondern um die Schadenshöhe, die der Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat (BGH, Urteil vom 02.02.2010, Az. VI ZR 7/19, Juris; OLG Dresden, Urteil vom 18.03.2019, Az. 8 U 813/19). Soweit sich aus einer auf das Objekt bezogenen Schadensschätzung nichts anderes ergibt, kann der Geschädigte die in Rechnung gestellten Mietwagenkosten nur dann verlangen, wenn er sich auf dem Örtlich relevanten Markt orientiert und
Konkurrenzangebote eingeholt hat (OLG Dresden, Urteil vom 30.12.2015, Az. 1 U 304/15; OLG Dresden, Urteil vom 12.06.2020, Az. 4 U 2796/19 a.a.O.).

3.2
Danach kann die Klägerin hier Mietwagenkosten in Höhe des arithmetischen Mittels zwischen den Angaben der Fraunhofer-Liste und des Schwacke-Mietpreisspiegels in Höhe von 590,63 Euro verlangen.

3.2.1
Für die Reparaturzeit ergibt sich ein noch ausstehender Mietwagenkostenersatzanspruch in Höhe von 549,49 Euro.

Während der Schwacke-Mietpreisspiegel für zehn Tage einen Betrag in Höhe von 1.206,57 Euro zuzüglich Nebenkosten von 24,85 Euro/Tag, mithin 248,50 Euro, ausweist, führt die Fraunhofer-Liste 474,30 Euro auf, woraus sich ein arithmetischer Mittelwert von 964,68 Euro errechnet. Hinzu kommen weitere 100,00 Euro für die Anlieferung und Abholung des Ersatzfahrzeuges. Diesen Betrag schätzt das Gericht nach § 287 ZPO unter Zugrundelegung von zwei Arbeitsstunden für je zwei Personen für den An- und Abtransport des Mietwagens zum Wohnort der Klägerin als Mindestschaden. Die Klägerin wohnt in Schmölln und hat an diesem Ort keinen Zugriff auf Mietwagen-Unternehmen. Ihr steht aber ein Anspruch auf ein entsprechendes Auto zu. Hierauf hat die Beklagte bereits 515,20 Euro geleistet, so dass sich ein noch an die Klägerin zu erstattender Differenzbetrag in Höhe von 549,49 Euro ergibt.

3.2.2
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Maßstäbe für die Bemessung erforderlicher Mietwagenkosten hat die Klägerin darüber hinaus einen weiteren Anspruch auf Zahlung der ihr noch verbleibenden Mietwagenkostendifferenz für das Unfallersatzfahrzeug für die Zeit der Notreparatur in Höhe von 41,14 Euro.

Die Werkstatt hat der Klägerin für den Tag der Notreparatur 140,00 Euro zzgl. Umsatzsteuer, mithin 166,60 Euro, in Rechnung gestellt. Hierauf hat die Beklagte bereits 125,20 Euro gezahlt, woraus sich eine Klageforderung in Höhe von 41,14 Euro ergibt. Für einen Miettag weisen der Schwacke-Mietpreisspiegel einen Mietpreis von 167,66 Euro zuzüglich Nebenkosten von 24,85 Euro und die Fraunhofer-Liste einen Mietpreis von 116,11 Euro aus, so dass sich ein arithmetisches Mittel von 154,31 Euro ergibt. Die verbleibende Differenz zu 166,60 EUR in Höhe von 12,29 EUR ist der Klägerin ebenfalls zu erstatten, denn auch in diesem Falle gilt, dass die Klägerin einen Anspruch auf einen Pkw bis zu ihrer Haustür hätte, so dass das Gericht nach § 287 ZPO die Differenz zumindest als angemessene Zustellkosten, die der Klägerin zustehen würden, zuerkennt.

4.
Die Klägerin hat darüber hinaus Anspruch auf Ersatz weiterer 59,50 Euro für die Verbringung des Fahrzeuges in die Lackierung und für die Desinfektion.

4.1
Die geltend gemachten restlichen Verbringungskosten stellen dem Grunde als auch der Höhe nach den erforderlichen Aufwand zur Wiederherstellung des ursprünglichen Fahrzeugzustandes dar. Der Kläger hat daher einen Anspruch auf Erstattung der gesamten ihm von dem Autohaus […] in Rechnung gestellten Verbringungskosten.

Den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung sind regelmäßig Grenzen gesetzt, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendung der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss.

Das Werkstattrisiko geht insofern zu Lasten des Schädigers. Dabei darf ein Geschädigter nach der oben angesprochenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigte Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß – wie hier – einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren (BGH, Urteil vom 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90, Juris). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (OLG Hamm, Urteil vom 31.01.1995, Az. 9 U 168/94, Juris). Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Ein Auswahlverschulden des Klägers ist insoweit nicht zu erkennen. Die durch die Werkstatt in der Reparaturrechnung belegten Aufwendungen sind im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier, gleichartige Aufwendungen sich bereits aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergeben (Amtsgericht Coburg, Urteil vom 27.11.2018,Az. 14 C 1819/18, Juris m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind im vorliegenden Fall die vollständigen Kosten der Verbringung ersatzfähig. Mangels besserer Erkenntnis – und Einflussmöglichkeiten hat die Klägerin die Reparaturkosten, einschließlich der Verbringungskosten, für erforderlich halten dürfen. Die in Rechnung gestellten Verbringungskosten entsprechen exakt dem Betrag, die das vor der Reparatur eingeholte DEKRA-Gutachten ausgewiesen hat, um den erforderlichen Reparaturaufwand darzustellen.

Soweit die Beklagte dann lediglich eine pauschale Kürzung vornimmt und behauptet, nur dieser Betrag sei angemessen, ohne dies näher zu begründen, vermag dies nach den zuvor dargestellten Grundsätzen den Anspruch des Klägers nicht zu schmälern.

Damit hat die Klägerin einen Anspruch auf Verbringungskosten in voller Höhe erstattet, so
dass die noch offene Differenz von 29,75 Euro (brutto = 25,- Euro (netto)) von der Beklagten zu zahlen ist.

4.2
Die Klägerin hat darüber hinaus auch einen Anspruch auf die für die Desinfektion des Fahrzeuges seitens des Autohauses […] berechneten Kosten i.H.v. 29,75 Euro (brutto = 25,- Euro (netto)).

Die Klägerin durfte nach den vorstehenden Grundsätzen davon ausgehen, dass auch die Desinfektionskosten erforderlich waren. Die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit von Desinfektionskosten wird unterschiedlich beurteilt und teils bejaht, teils verneint. Darüber musste sich die Klägerin jedoch bei Beauftragung des Autohauses […] keine Gewissheit verschaffen, denn das klägerseits vorgerichtlich eingeholte Gutachten der DEKRA vom 04.06.2021 sah Desinfektionskosten vor. Zum Unfall- und Reparaturzeitpunkt wurde die Notwendigkeit möglicher Hygienemaßnahmen seitens Wissenschaft, Politik und Medien breit kommuniziert. Es war aus Sicht der Klägerin im Hinblick auf das Infektionsgeschehen abzusehen, und entsprach auch der Lebenswahrscheinlichkeit, dass im Rahmen der Reparatur seines Fahrzeuges, die zwingend zum Kontakt der Werkstattmitarbeiter mit seinem Fahrzeug führt, Desinfektionsmaßnahmen zur Anwendung kommen würden. Sie hatte keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die Werkstatt diese Maßnahmen einerseits zum Schutz ihrer Mitarbeiter, andererseits zum Schutz ihrer Kunden vor vor und während der Reparatur möglicherweise eintretenden Kontaminationen vornehmen würden. Sie musste auch nicht davon ausgehen, dass die Werkstatt diese Kosten selbst tragen würde, weil Hygienemaßnahmen auch im Innenverhältnis zu den Mitarbeitern geboten waren. Die Klägerin durfte es für plausibel halten, dass die Desinfektionskosten, die konkret durch den Reparaturauftrag veranlasst waren, auch entsprechend dem Gutachten berechnet würden.

Gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO geht das Gericht im Wege der Schadensschätzung davon aus, dass die angesetzten Kosten in Höhe von 25,00 Euro (netto) plausibel sind. Das DEKRA-Gutachten hatte bereits Materialkosten für die Desinfektion angesetzt, denen der Arbeitslohn hinzuzurechenen ist. Wenn das Autohaus […] danach 29,75 Euro (brutto) für die Desinfektion ansetzt, ist dies angesichts der üblichen Stundenverrechnungssätze, wie sie
dem Gutachten der DEKRA zu entnehmen sind, nicht überhöht. Jedenfalls musste die Klägerin daher keine Plausibilitätszweifel haben. Im Übrigen zeigt die Vielzahl der Rechtsstreite zur Erstattungsfähigkeit der Infektionskosten, dass die Ansetzung solcher und die Vornahme entsprechender Maßnahmen durchaus üblich sind.

Soweit die Beklagte bestreitet, dass das Fahrzeug überhaupt desinfiziert wurde, verfängt dies hier nicht. Sie trägt schon nicht vor, dass sich der Klägerin aufdrängen musste, dass die Desinfektion des Fahrzeuges möglicherweise nicht stattgefunden hat, insbesondere sie hätte erkennen können müssen.

4.3
Insgesamt hat der Kläger gegen die Beklagte damit einen Anspruch auf Erstattung der noch ausstehenden Reparaturkosten aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis i.H.v. 59,50 Euro (Verbringungskosten: 29, 75 Euro + Kosten für die Fahrzeugdesinfektion: 29, 75 Euro).

Der Beklagten wäre es im Übrigen ohne weiteres möglich gewesen, vor Auslösung des Reparaturauftrages durch die Klägerin diese darauf hinzuweisen, dass sowohl hinsichtlich der Verbringungskosten als auch hinsichtlich der Kosten für die Fahrzeugdesinfektion besondere Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit gestellt würden.

5.
Der Zinsanspruch gründet sich auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in 88 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, § 511 Abs. 4 ZPO, weil weder die grundsätzliche Bedeutung noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern.“

(AG Bautzen, Urteil vom 2.9.2022 – 21 C 109/22)

Feststellung der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bei einer Vollstreckungsforderung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 9.8.2022 – 20 C 225/22) kann auch für eine Vollstreckungsforderung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss festgestellt werden, dass die Forderung auf vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung beruht. Im vorliegenden Fall war dies erforderlich, da der Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten eines Nebenklägers in einem strafrechtlichen Verfahren erging, bei dem im Urteil gegen den Täter zugunsten des Nebenklägers die Erstattung des Verfahrenskosten tenoriert und nicht zugleich festgestellt wurde, dass die Forderung des Klägers aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Täters beruht.
In diesem Urteil wurde entschieden, dass der Kläger ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO hat, da er die Feststellung der Vorbereitung eines Antrages nach § 850 f Abs. 2 ZPO begehrt. Gemäß dieser Vorschrift kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens des Schuldners ohne Rücksicht auf die in § 850c ZPO vorgesehenen Beschränkungen bestimmen, wenn die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben wird. Der Kläger hat demnach einen Anspruch, da die Feststellung, dass der titulierte Anspruch auf eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung basiert, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO betrifft.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]

– Beklagter –

wegen Feststellung Vollstreckungsforderung aus unerlaubter Handlung

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richterin am Amtsgericht Bautzen […]

ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 09.08.2022

für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass die Vollstreckungsforderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bautzen vom 08.04.2022, Az. 46 Ds 550 Js 4163/19 des Klägers gegen den Beklagten auf vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung beruht.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

[…]

Tatbestand
Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe
Der zulässige Anspruch ist begründet.

I. Das Amtsgericht Bautzen ist gemäß §§ 12,13 ZPO und gemäß §§ 23, 71 GVG sachlich zuständig.

Dem Kläger steht ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO zu. Das Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich daraus, dass die von ihm begehrte Feststellung der Vorbereitung eines Antrages nach § 850 f Abs. 2 ZPO dienen soll. Nach dieser Vorschrift kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens des Schuldners ohne Rücksicht auf die in § 850c ZPO vorgesehenen Beschränkungen bestimmen, wenn die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsäzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben wird, vgl. BGHZ 109, 275.

II. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch zu.

Die Feststellung, der titulierte Anspruch basiert auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, betrifft ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO.

Wie sich aus dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen vom 29.11.201, Az. 46 Ds 550 Js 4163/19, ergibt, resultiert die Vollstreckungsforderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. Weitere Einwendungen hat der Beklagte nicht erhoben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

IV. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 3 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Der Wert der Feststellungsklage wurde dabei mit 50 Prozent der Leistungsklage angesetzt.“

AG Bautzen, Urteil vom 9.8.2022 – 20 C 225/22

Anscheinsbeweis beim An- bzw. Einfahren vom Parkstreifen

Nach der Entscheidung des Landgerichts Görlitz mit Außenkammern Bautzen (LG Görlitz, Urteil vom 7.3.2022 – 5 O 258/20) besteht ein Anscheinsbeweis gegen einen von einem Parkstreifen in den fließenden Verkehr einfahrenden Unfallbeteiligten.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]-Versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch

Richterin am Landgericht […] als Einzelrichterin

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 25.02.2022 eingereicht werden konnten, am 07.03.2022

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.827,10 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem
01.04.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber der Rechtsanwälte Frings &
Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 316,40 € freizustellen..
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 8.002,10 EU R festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall, welcher sich am 19.02.2020 gegen 11:00 Uhr […] in Bautzen ereignete.
Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Unfalls Eigentümerin des Pkw vom Typ VW Amarok 2,0 BilDI mit dem amtlichen Kennzeichen […]. Die Beklagte war zum Unfallzeitpunkt der Haftpflichtversicherer des am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeug Pkw Typ WV Up mit dem amtlichen Kennzeichen […]. Die Führerin des Beklagtenfahrzeugs ist aus dem ruhenden Verkehr vom Straßenrand in den fließenden Verkehr auf der […]straße eingefahren, wobei es zur Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen gekommen ist. Der Verkehr wird in beiden Richtungen einspurig geführt, mit Ausnahme eines Abschnittes von etwa 40 Metern, in dem ein separater Fahrstreifen für Linksabbieger der nächsten Kreuzung angelegt ist.

Am Fahrzeug der Klägerin entstand ein Sachschaden in Höhe von 6.656,50 €. Der Wiederbeschaffungswert eines gleichwertigen Fahrzeugs wird durch die Größe des Schadensumfangs nicht erreicht. Die Klägerin hat einen Gutachter beauftragt, welcher ihr für die Erstellung des Gutachtens 838,10 € in Rechnung stellte. Für das Abschleppen des Fahrzeugs sind 307,50 € angefallen.

Die Klägerin hat vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 10.03.2020 und 11.03.2020 ihren Schaden gegenüber der Beklagten geltend gemacht und eine Zahlungsfrist bis zum 18.03.2020 gesetzt. Die Beklagte zahlte nicht. Die Klägerin mahnte die Beklagte mit weiteren Schreiben, zuletzt mit anwaltlichem Schriftsatz vom 09.06.2020.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Der Zeuge Stieber sei mit dem Fahrzeug der Klägerin ordnungsgemäß auf der […]straße gefahren. Die Unfallgegnerin sei mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug plötzlich und unerwartet aus dem ruhenden Verkehr auf die Straße gefahren. Neben dem Sachschaden seien ihr Vorhaltekosten entstanden. Diese seien für 7 Tage in Höhe von 25 € pro Tag zu bemessen, was ortsüblich und angemessen sei. Die Klägerin halte Reservefahrzeuge vor. Sie begehrt darüber hinaus eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 €.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt,
a) an die Klägerin 8.002,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 8.002.10 € seit dem 01.04.2020 zu zahlen.
b) die Klägerin gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 349,55 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Fahrzeugführerin des Beklagtenfahrzeugs habe beabsichtigt, ihre Fahrt auf dem geradeausführenden Fahrstreifen aufzunehmen und fortzusetzen. Hierfür habe sie den linken Fahrrichtungsanzeiger betätigt und sich hinsichtlich des von hinten herannahenden Verkehrs vergewissert. Dort habe sich in ausreichendem Abstand die Zeugin Herzog mit ihrem Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von etwa 45 km/h genähert. Da eine Behinderung der Zeugin nicht zu erwarten gewesen sei, habe die Führerin des Beklagtenfahrzeugs mit ihrem Anfahrvorgang
begonnen. Während des Einfahrmanövers sei die Zeugin Herzog von dem mit überhöhter Geschwindigkeit gesteuerten Fahrzeug der Klägerin trotz Überholverbot überholt worden und beim Einscheren sei es zur Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug gekommen.

Hinsichtlich der Kosten für den Privatgutachter fehle es der Klägerin an der Sachbefugnis, da sie ihren Anspruch auf Schadensersatz an diesen abgetreten habe. Ein Anspruch auf Vorhaltekosten bestünde nicht. Der geltend gemachte Zinsanspruch könne erst nach Ablauf einer Überlegungsfrist begründet sein.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme der Zeugen I[…], M[…] und P[…] sowie der Zeuginnen B[…] und H[…]. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2021 […] Bezug genommen. Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch die Einholung eines
schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dipl.- Ing. […] B[…]. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 23.09.2021 […] Bezug genommen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Görlitz ist aufgrund des Streitwerts von über 5.000 € sachlich gemäß § 1 ZPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 32 ZPO weil der Verkehrsunfall in Bautzen geschah.

II.

Die Klage ist auch im tenorierten Umfang begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus den §§7 Abs. 1, 17, 18 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 VVG.

1.

Die Beklagte haftet dem Grunde nach für den Unfall zu 100 %. Zwar obliegt der Klägerin im vorliegenden Fall der Nachweis, dass die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs durch dessen Fahrweise wesentlich erhöht gewesen sei oder dass die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs an dem Unfall ein Verschulden trifft. Diese Beweisführung wird jedoch erleichtert durch eine Anscheinsbeweislage. Kommt es in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Anfahren von einem Parkstreifen in den fließenden Verkehr zu einer Kollision mit einem dort fahrenden Fahrzeug, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Kollision darauf beruht, dass der vom Parkstreifen einfahrende Fahrer die von § 10 StVO verlangte äußerste Sorgfalt nicht beachtet hat. Kann der Anscheinsbeweis nicht erschüttert oder gar widerlegt werden, wiegt der Verstoß gegen die besondere Sorgfaltspflicht beim An- bzw. Einfahren vom Parkstreifen so schwer, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des fließenden Verkehrs dahinter vollständig zurücktritt (LG Hamburg, Urteil vom 09. März 2018-319 O 91/17-, Juris).

Der Beklagten ist es nicht gelungen, den für die Klägerin wirkenden Anscheinsbeweis zu entkräften oder zu erschüttern durch Darlegung ernsthafter Möglichkeiten eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs, deren Tatsachen unstreitig oder voll bewiesen sein müssen. Der von der Beklagten vorgetragene Geschehensablauf, der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges habe trotz Überholverbotes das Fahrzeug der Zeugin Herzog überholt und erst beim Einfädeln sei es zum Unfall gekommen, ist zwar grundsätzlich geeignet, den gegen sie streitenden Anscheinsbeweis zu erschüttern. Allein hat sie diesen streitigen Sachvortrag nicht zur Überzeugung des Gerichts beweisen können.

Die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs gab an, gar kein anderes Fahrzeug wahrgenommen zu haben, weshalb sie in den fließenden Verkehr eingefahren sei […] Sie habe auch das klägerische Fahrzeug nicht gesehen, was so schnell dagewesen sei. Sie sei auch nicht besonders vorsichtig losgefahren, weil die Straße auch ihrer Sicht frei gewesen war. Die Zeugen I[…] und M[…], welche im klägerischen Fahrzeug saßen, haben übereinstimmend
ausgesagt, sie hätten kein weiteres Fahrzeug überholt. Einzig die Zeugin H[…] erklärte, sie sei durch das klägerische Fahrzeug überholt worden und der Unfall sei beim Einscheren geschehen […]. Die Aussage überzeugt das Gericht nicht vollständig. Zum einen konnte sich die Zeugin nicht mehr genau an das Fahrzeug der Klagepartei erinnern. Sie sprach von einem Kastentransporter. Tatsächlich handelt es sich aber ausweislich der Bilder um eine Art Pick Up Modell. Auch konnte sie den Unfallhergang nicht konkret wieder geben. Sie wusste zum Beispiel nicht, ob das Fahrzeug schon vom Rand losgefahren war. Sie äußerte auch, dass die Situation für sie eigentlich ganz entspannt gewesen sei, was angesichts der Behauptung ein Kastenwagen habe sie sehr schnell überholt und beim Einscheren sei es zum Unfall gekommen, nicht so recht glaubhaft erscheint. Die Überzeugung des Gerichts wird zudem durch das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten gestützt. Der Sachverständige führt auf S. 29 seines Gutachtens […] aus, dass es aus technischer Sicht keine Ansätze für den Vortrag der Zeugin Herzog gibt. Weder die Kollisionstellung noch die Spurenlage weisen darauf hin, dass das klägerische Fahrzeug vor der Kollision ein Überholmanöver durchgeführt hat. Ebenso wenig gibt es aus technischer Sicht Anzeichen dafür, dass das klägerische Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Daher konnte die Beklagte den gegen sie wirkenden Anscheinsbeweis nicht erschüttern und haftet für die Unfallfolgen zu 100%.

2.

Der Höhe nach hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch von 7.877,27 €.

a)

Der am Fahrzeug entstandene Sachschaden in Höhe von 6.706,67 € ist zwischen den Parteien nicht streitig. Das gleiche gilt für die Abschleppkosten in Höhe von 307,50 €.

b)

Die Beklagte bestreitet auch die Höhe der angefallenen Sachverständigenkosten von 838,10 € nicht. Die Klägerin ist legitimiert, diese in eigenem Namen gegen die Beklagte geltend zu machen. Die seitens der Beklagten behauptete Abtretung des Anspruchs an den Sachverständigen ist nicht belegt. Vielmehr weist die […] vorgelegte Rechnung die Klägerin als Anspruchsverpflichtete aus. Auf S. 5 der Klageerwiderung […] behauptet die Beklagte lediglich eine Abtretung an den Sachverständigen ohne den für sie günstigen
Sachverhalt unter Beweis zu stellen. Die Klägerin hat die Abtretung auf S. 2 ihrer Replik […] bestritten.

c)

Einen Anspruch auf Erstattung von Vorhaltekosten hat die Klägerin nicht gegen die Beklagte.

Ein Schädiger muss die Vorhaltekosten für ein in Reserve gehaltenes Fahrzeug dann ersetzen, wenn der Geschädigte dieses Fahrzeug in einem nicht ganz unerheblichen Umfang auch wegen fremdverschuldeter Ausfälle vorhält. Es ist nicht erforderlich, dass ein Fahrzeug eigens für diesen Fall in Reserve gehalten wird (OLG Koblenz, Urteil vom 01. September 2014 – 12 U 1136/12 -, juris). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen. Der vom Gericht gehörte Zeuge P[…] führte in seiner Aussage aus, dass eine Rückhaltung von Fahrzeugen bei der Klägerin nicht gegeben sei […]. Vielmehr sei es für den Ausfall eines Fahrzeugs sehr schwierig bis aussichtslos, intern aus dem eigenen Fuhrpark eine Alternative zu finden. Meist müsse auf externe Vermietungen zugegangen werden. Die Klägerin hat damit die Voraussetzung für die Erstattung von Vorhaltekosten nicht nachgewiesen, weil sie nach Aussage des von ihr selbst benannten Zeugen P[…] gar keine Fahrzeuge für fremdverschuldete Ausfälle vorhält.

d)

Eine Unkostenpauschale von 25,00 € schätzt das Gericht nach § 287 ZPO als angemessen und ausreichend ein.

e) Zinsen

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 3, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befindet sich mit der Zahlung seit spätestens 01.04.2020 In Verzug.

3.

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Freistellung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts. Diese Kosten gehören nach ständiger Rechtsprechung zum ersatzfähigen Schaden. Die Höhe der Rechtsanwaltskosten richtet sich nach dem tatsächlich zu erstattenden Schaden, welcher im vorliegenden Fall 7.827,10 € beträgt. Bei diesem Gegenstandswert beträgt die 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG 592,80 € zuzüglich einer Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 W RVG in Höhe von 20,00 €. In Abzug zu bringen Ist eine 0,65 Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG i. V. m. § 15 a RVG, also 296,40 €. Dies ergibt gesamte zu erstattende Rechtsanwaltskosten in Höhe von 316,40 €.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerseite ist im Verhältnis geringfügig. Die Obsiegensquote beträgt 97,5 %. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.“

LG Görlitz, Urteil vom 7.3.2022 – 5 O 258/02

Anspruch auf Duldung der Errichtung einer Zaunanlage in Form eines Sichtschutzes mit zwei Metern Höhe an einer Grundstückgrenze gegenüber dem Nachbarn

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

1. […]

– Kläger und Berufungsbeklagter –

2. […]

– Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

1. […]

– Beklagter und Berufungskläger –

2. […]

– Beklagte, Widerklägerin und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:

[…]

wegen Duldung

hat die Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch

Vorsitzende Richterin am Landgericht […] als Einzelrichterin

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2021 am 22.12.2021

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Beklagten und Berufungskläger sowie der Berufungswiderklägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 28.10.2020, Az.: […], wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Berufungskläger und die Berufungsklägerin als Gesamtschuldner 72 %, die Berufungswiderklägerin weitere 28 %.
3. Das Urteil und das angegriffene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 1.800,00 € (Klage: 1.300,00 € und Widerklage 500,00 €) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien des Rechtsstreits sind Nachbarn und streiten um die Duldungspflicht der Beklagten hinsichtlich eines auf dem Grundstück der Kläger und Berufungsbeklagten errichteten Carports nebst Zaunanlage; widerklagend verlangt die Beklagte zu 2) von der Widerbeklagten die Unterlassung einer konkreten Äußerung.

Wegen der näheren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrages wird auf den Tatbestand des Urteils des Amtsgerichts Dresden vom 28.10.2020 verwiesen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Die Kläger hatten erstinstanzlich nachfolgendes beantragt:

Die Beklagten werden verurteilt, die Errichtung einer Zaunanlage auf dem Grundstück der Kläger an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zwischen den Flurstücken […] in der Ausführung:

„Der Sichtschutz beginnt am hinteren Carportende (Nähe Flurstück […] ) und erstreckt sich entlang unserer gemeinsamen Grundstücksgrenze über eine Länge von ca. 13 m bis zu unserem Gartentor. Der Sichtschutz besteht aus Flächenelementen mit einer Rhombusschalung aus Lärchenholz. Im Bereich des Carports werden die Flächenelemente in Tragrahmen, der sich an der Carport-außenseite befindet, eingesetzt. Am Müllplatz wird über der Rückwand ein Tragrahmen (Kanthölzer 120×80 wie im Carport) für das entsprechende Flächenelement angeordnet. Der Sichtschutz endet mit einer Stütze (Kantholz 120×120) neben der Torsäule. Die Farbe des Sichtschutzes ist silbergrau, so wie die des Carports. Der Sichtschutz hat eine einheitliche Höhe von 2 Metern. Die Flächenelemente haben unterschiedliche, an die Stützweiten des Carports angepasste Längen (1,8 m bis 3 m).“

zu dulden.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2) hat Widerklage gegen die Klägerin zu 2) erhoben mit dem Antrag, diese
zu verurteilen,

es zu unterlassen zu behaupten, sie habe die Beklagte auf angebliche sexuelle Handlungen von Feriengästen am offenen Fenster der Ferienwohnung angesprochen und die Beklagte zu 2) habe hierauf nicht reagiert.

Die Widerbeklagte hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Amtsgericht Dresden hat mit Urteil vom 28.10.2020 die Beklagten verurteilt, die Errichtung der im Tenor näher bezeichneten Zaunanlage zu dulden, darüber hinaus wurde die Widerklage abgewiesen.

Das Amtsgericht Dresden hat der Klage stattgegeben, weil die Kläger einen Anspruch nach § 903 BGB gegen die Beklagten auf Duldung des auf ihrem Grundstück errichteten Carports nebst Zaunanlage haben. Die Kläger könnten mit ihrem Eigentum nach Belieben verfahren. Es sei auch nur das Eigentum der Kläger durch die Maßnahme betroffen. Ein Überbau läge nicht vor. Nach § 4 des SächsNRG seien die Kläger berechtigt, ihr Grundstück einzufrieden. Auch § 2 des SächsNRG stünde der Errichtung nicht entgegen.

Die Widerklage wurde abgewiesen, weil der Widerklägerin gegen die Klägerin zu 2) kein Unterlassungsanspruch zustehe. Ein rechtswidriges Verhalten könne in der behaupteten Äußerung der Widerbeklagten nicht erkannt werden. Den Eindruck, den die Widerklägerin aufgrund der Äußerung gewonnen habe, die Äußerung sei so zu verstehen, dass sie ein loses Haus führe ergäbe sich daraus nicht.

Gegen dieses Urteil legten die Beklagten und die Widerklägerin unter dem 02.12.2020 Berufung ein. Die Berufung wurde am 15.01.2021 begründet.

Die Berufungskläger verfolgen mit ihrer Berufung den erstinstanzlich gestellten Antrag auf Klageabweisung sowie auf Untersagung der streitgegenständlichen Äußerung weiter. Die Beklagten und Berufungskläger behaupten, dass ein Überbau vorläge. Die Bebauung ende genau auf der Grenze und nicht etwa an der Grenze. Die Feststellungen des Amtsgerichts hinsichtlich der Ortsüblichkeit der Carportsanlage seien unrichtig. Es sei nicht erkennbar, auf welcher Sachlage diese Feststellungen getroffen wurden. Die Widerklage sei begründet, das Amtsgericht habe die Reichweite des durch §§ 1004, 823 BGB vermittelten Schutzes der persönlichen Ehre und des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes verkannt.

Die Berufungskläger beantragen:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Dresden, Az.:
107 C 5495/19, aufgehoben und

2. die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin und Widerbeklagte wird im Übrigen verurteilt, es zu unterlassen, zu behaupten, sie habe die Beklagte auf angebliche sexuelle Handlungen von Feriengästen am offenen Fenster der Ferienwohnung angesprochen und die Beklagte habe hierauf nicht reagiert.

Die Berufungsbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbeklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts seien nicht zu beanstanden. Gleiches gelte für die sich daraus ergebenen Rechtsfolgen.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Landgericht hat die streitgegenständliche Grundstücke und die Zaunanlage, insgesamt die Örtlichkeit, im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 08.11.2021 richterlich in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und im Übrigen wird auf das Protokoll vom 08.11.2021 verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.

1. Die Kläger und Berufungsbeklagten haben gegen die Beklagten und Berufungskläger einen Anspruch auf Duldung der Errichtung des Carports und der Zaunanlage im streitgegenständlichen Umfang aus den § 903 BGB i.V.m. § 4 SächsNRG.

Die Parteien des Rechtsstreits sind unstreitig seit vielen Jahren Nachbarn. Die Nachbarschaft war bis ins Jahr 2016/2017 ungetrübt, seitdem stritten die Parteien zunächst über einen Überbau und nunmehr über die Berechtigung der Kläger und Berufungsbeklagten auf ihrem Grundstück eine Zaunanlage nebst Carport errichten zu können. Des Weiteren streiten die Beklagte zu 2) und die Klägerin zu 2) über die Frage, ob eine Äußerung, die die Klägerin im Zusammenhang mit einem anderen vor dem Amtsgericht Dresden geführten Verfahren gemacht haben soll, ehrrührig ist.

Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zugrundezulegen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hindert eine eigenständige Bewertung des Beweisergebnisses durch das Berufungsgericht. Konkrete Anhaltspunkte für Fehler – oder lückenhafte Feststellung des erstinstanzlichen Gerichts bestehen, wenn die Tatsachenfeststellung fehlerhaft gewonnen wurde, die Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgesetze verstößt, gerichtsbekannte oder allgemein bekannte Tatsachen bei der Beweiswürdigung keine Berücksichtigung erfahren haben oder materiell-rechtliche Fehler Auswirkung auf die Tatsachenfeststellung haben. Dabei hat diese Regelung nicht die Zulässigkeit neuer Beweismittel oder neuen Tatsachenvortrags zum Gegenstand, sondern zielt auf eine Stärkung des erstinstanzlichen Erkenntnisprozesses, in dem die Feststellung der Tatsachen nur unter bestimmten Voraussetzungen und von dem Berufungsgericht überprüft und selbst neu vorgenommen werden darf. Dies umfasst unter anderem die Differenzierung in streitigen und unstreitigen
Vortrag, die Feststellung der Beweislast, die Beweiserhebung und die Bewertung des Beweisergebnisses. Eine vom Beweisergebnis des Amtsgerichts abweichende Bewertung ist daher nur möglich, wenn die Tatsachenfeststellung fehlerhaft gewesen ist, d. h. entweder Beweisantritte übergangen oder die Beweiswürdigung selbst in dem o. g. Umfang fehlerhaft ist, so dass Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung begründet sind.

Solche konkreten Anhaltspunkte sind vorliegend nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen des Ortstermins und der Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Grundstücksgrenze und der dort vorhandenen Bebauung ein eigenes Bild von der Sachlage gemacht. Das Berufungsgericht hat eindeutig feststellen können, dass, und dies noch eindeutiger als es das Amtsgericht in seinem Protokoll und auch in der Entscheidung aufgenommen hat, die streitgegenständliche Zaunanlage einschließlich Carport die Grundstücksgrenze der Parteien nicht berührt. Die Zaunanlage endet vor der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf dem Grundstück der Kläger und tangiert die Grundstücksgrenze insoweit nicht. Dieses wurde anschaulich in Anwesenheit aller beteiligten Parteien und ihrer Prozessbevollmächtigten anlässlich des Ortstermins festgestellt. Die angebrachten Maßbänder einschließlich Pendel und der jeweiligen Grenzmarken wurden dabei beachtet. Es ergab sich, dass selbst im vorderen Bereich der Zaunanlage im Bereich der Mülltonnen die Zaunanlage auf dem Grundstück der Kläger und Berufungsbeklagten endet und die gemeinschaftliche Grundstücksgrenze nicht berührt.

Gemäß § 903 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Eine Benutzung, die sich innerhalb der Grenzen des eigenen Grundstückes hält, bedarf keiner besonderen Rechtfertigung. Aber auch soweit man insoweit die Vorschriften des SächsNRG insoweit zur näheren Ausgestaltung der Rechte und Pflichten der Nachbarn heranzieht, ergibt sich nichts anders.

Dabei regelt § 2 des SächsNRG die nachbarrechtliche Rücksicht. Diese regelt allerdings in erster Linie das Schikaneverbot und darüber hinaus die Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes nicht über Gebühr. Für beide Gesichtspunkte liegen im konkreten Fall keinerlei Anhaltspunkte vor. Vielmehr ist § 4 des SächsNRG hier einschlägig. Danach darf jeder Nachbar sein Grundstück einfrieden. Ortsübliche Einfriedung dürfen auch auf der Grenze errichtet werden.

Soweit die Berufungsbeklagten mit ihrer Berufung rügen, das Amtsgericht Dresden habe zu der Frage der Ortsüblichkeit der streitgegenständlichen Einfriedung keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen, so ist dieser Einwand unerheblich. Denn dieser wäre nur dann erheblich, wenn es sich bei der streitgegenständlichen Zaunanlage um eine Anlage handelt, die auf der Grenze errichtet worden ist. Dieses ist, wie der Ortstermin eindeutig ergeben hat, nicht gegeben. Die Kläger und Berufungsbeklagten haben sich mit der streitgegenständlichen Errichtung des Carports samt Zaunanlage auch im Rahmen des § 4 SächsNRG im Hinblick auf die Einfriedung gehalten. Hierunter wird eine beliebige Einrichtung verstanden, die geeignet ist, ein Grundstück gegenüber den von der Außenwelt eindringenden, störenden Einwirkungen abzuschirmen. Es kommt bei einer Anlage mit mehreren Funktionen auch nicht entscheidend darauf an, wie sie im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet wird. Insofern ist die von den Berufungsklägern aufgestellte Behauptung, es handele sich um eine bauliche Anlage, weil die Zaunanlage fest mit dem Carport verbunden sei, nicht an. Es kommt hier nicht darauf an, ob Einzelteile und einzelne Bestandteile der Zaunanlage mit der Carportanlage fest verbunden sind, sondern ob es sich insgesamt um eine Einfriedung im Sinne des SächsNRG handelt. Auch die Frage der Materialien und des persönlichen Geschmacks der Beklagten und Berufungskläger spielen insoweit keine entscheidende Rolle. Die Berufungskläger haben auch keinen Anspruch darauf, dass die Grundstücksabtrennungen und Einfriedungen durch einen Jägerzaun, so wie er früher vorhanden gewesen ist, erneut vorgenommen wird. Wie bereits ausgeführt, kommt es auch auf die Ortsüblichkeit der Einfriedung nicht an, weil diese sich hinter der Grundstücksgrenze befindet.

2. Die Berufung der Beklagten zu 2) und Widerklägerin ist ebenfalls unbegründet. Die Beklagte zu 2) hat gegen die Klägerin zu 2) keinen Anspruch auf Unterlassung der im Antrag näher bezeichneten Äußerung. Es kann auch dahingestellt bleiben, bei welcher Gelegenheit diese Äußerung getätigt wurde. Denn die von der Berufungsklägerin und Beklagten zu 2) beanstandete Äußerung der Klägerin, über sie sei im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gesagt worden, die Klägerin und Widerbeklagte habe die Beklagte zu 2) und Widerklägerin darauf angesprochen, dass Feriengäste sexuelle Handlungen am offenen Fenster vorgenommen hätten und die Beklagte zu 2) und Widerklägerin habe hiergegen nichts unternommen, ist per se nicht ehrrührig. Vielmehr spiegelt diese Äußerung nur das Interesse, der Kläger und Berufungsbeklagten wieder, einen Sichtschutz an ihrer Grundstücksgrenze zu den einsehbaren Gebäudeteilen der Beklagten und Berufungskläger zu haben. Die Äußerung ist schon per se nicht geeignet, die Beklagte und Widerklägerin in einem schlechten oder fragwürdigen Licht erscheinen zu lassen. Dieses ist schon deswegen nicht gegeben, weil nicht im Ansatz aus der Äußerung klar wird, bei welcher Gelegenheit diese Feststellungen getroffen wurden, ob es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat, oder um einen wiederholten Vorfall, und weil auch nicht im Ansatz erkennbar ist, was die Berufungsklägerin und Widerklägerin selbst nach so einer Äußerung hätte tun sollen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich dabei um wiederkehrende regelmäßige Vorgänge gehandelt haben kann. Dieses wird auch von der Klägerin zu 2) und Widerbeklagten nicht behauptet und eine derartige Behauptung ist auch nicht streitgegenständlich.

3. Aus vorstehenden Gründen folgt daher insgesamt, dass das Amtsgericht Dresden, die im Rahmen der informatorischen Anhörung der Parteien sowie des durchgeführten Ortstermins gewonnenen Erkenntnisse, ausreichend gewürdigt hat. Es ist dabei zu einem Beweisergebnis gelangt, welches Fehler in der Beweiswürdigung und in der rechtlichen Würdigung nicht erkennen lässt. Das Amtsgericht hat vielmehr überzeugend nachvollziehbar und widerspruchsfrei ausgeführt, warum es unter Berücksichtigung des Beweismaßstabes des § 286 ZPO seine Feststellung getroffen hat. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung haben sich nicht ergeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision ist nicht zuzulassen, die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht
vor.

V.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus der Addition des Wertes des Klageantrages und der erhobenen Widerklage und der sich daraus ergebenden Beschwer der Beklagten.“

LG Dresden, Urteil vom 22.12.2021 – 3 S 506/20

Verwirkung Anspruch auf erhöhten Mietzins aufgrund Wertsicherungsklausel, wenn Berechtigter diesen längere Zeit nicht geltend macht

Nach dem Urteil des Landgerichts Görlitz Außenkammern Bautzen (LG Görlitz, Urteil vom 24.9.2021 – 5 O 115/20) verwirkt ein Vermieter seinen Anspruch auf Zahlung eines erhöhten Mietzinses bei einer Wertsicherungsvereinbarung, wenn er den erhöhten Mietzins gegenüber dem Mieter über einen längeren Zeitraum nicht geltend macht und der Mieter hierauf vertraut.

Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde. Dabei sind sowohl das Zeitmoment als auch das Umstandsmoment zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass das Zeitmoment gegeben ist, da sich die Miete automatisch erhöhte und seit der ersten Mieterhöhung über 10 Jahre vergangen sind, ohne dass die Beklagte die sich summierenden Rückstände einforderte. Das Umstandsmoment wurde ebenfalls bejaht, da ein viele Jahre nach Beginn der automatischen Mieterhöhung erstelltes Schreiben der Klägerin, in dem der Mietzins ohne eine MIeterhöhung aufgeführt wird, als ausreichendes Indiz für das Vertrauen der Beklagten darauf gewertet wurde, dass keine Erhöhungsbeträge aufgrund der Indexklausel geltend gemacht werden. Aufgrund dieser Feststellungen wurde entschieden, dass das Recht der Klägerin auf Zahlung der Mieterhöhung verwirkt ist.

Nach der Rechtsauffassung des Landgerichts Görlitz soll das Vertrauen bei einer späteren Geltendmachung einer entsprechenden Mietzinserhöhung aufgrund einer Wertsicherungsvereinbarung für die Zukunft wieder zerstört werden können, was nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg (OLG Naumburg, Urteil vom 4.11.2003 – 9 U 102/03) nicht möglich ist.

Zudem wurde durch das Landgericht Görlitz entschieden, dass bei einer Mietindexklausel (=Wertsicherungsklausel), welche auf einen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages weggefallenen Lebenshaltungskostenindex verweist, im Wege der Vertragsauslegung auf den Verbraucherpreisindex abzustellen ist.

Urteile zur Auslegung einer Mietindexklausel (=Wertsicherungsklausel), welche auf einen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages weggefallenen Lebenshaltungskostenindex verweist, bei der im Wege der Vertragsauslegung auf den Verbraucherpreisindex abzustellen ist:
BGH, Urteil vom 7. November 2012 – XII ZR 41/11; BGH, Urteil vom 4.3.2009 – XII ZR 141/07; LG Görlitz, Urteil vom 24.9.2021 – 5 O 115/20; LG Görlitz, Urteil vom 29.10.2014 – 2 S 92/14

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

gegen

[…] Gastronomie- […] mbH

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7-9, 01097 Dresden, Gz.: […]

wegen Forderung aus Gewerberaummiete

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch

Richterin […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 17.09.2021 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Da[s] Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1,2-fachen des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 7.688,23 EUR bis zum 19.6.2020 und ab 20.6.2020 auf 4.062,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin und die Firma […] schlossen am 30.6.2004 einen Mietvertrag über eine Ladeneinheit […]. Wegen der Einzelheiten dieses Mietvertrages wird auf die Anlage […] Bezug genommen. Aufgrund dreiseitiger Vereinbarung vom 3.1.2011/29.5.2012 schied die Mieterin […] aus dem Mietvertrag aus und trat die Beklagte ab 1.1.2011 mit allen Rechten und Pflichten in den Mietvertrag ein. […]

Mit Schreiben vom 20.8.2018 verlangte die Klägerin für den Zeitraum 1.1.2015 bis 31.8.2018 aufgrund Indexanpassung eine Mietnachzahlung brutto in Höhe von gesamt 8.776,39 € und ab 1.9.2018 eine Miete brutto in Höhe von 1.793,71 €. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Anlage […] Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass von Januar 2017 bis August 2018 eine Miete in Höhe von netto 1.129,40 € und brutto 1.140,88 € geschuldet gewesen sei, so dass sich eine Differenz in Höhe von monatlich 203,11 € ergebe.

Nachdem die Klägerin gegen die Beklagte einen Mahnbescheid des Amtsgerichts Stuttgart über 7.688,23 € erwirkt hatte und nach Widerspruch der Rechtsstreit an das Amtsgericht Bautzen abgegeben worden war, hat dieses mit Beschluss vom 16.3.2020 den Rechtsstreit an das Landgericht Görlitz Außenkammern Bautzen verwiesen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.062,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen

Die Beklagte macht Verwirkung geltend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Beklagte kann von der Klägerin nicht Mietnachzahlung für die Monate Januar 2017 bis August 2018 verlangen. Die Ansprüche sind verwirkt.

Aufgrund der Mietindexklausel im Vertrag (§ 3 Ziffer 2) trat kraft Gesetzes eine Mieterhöhung ein. Da der vereinbarte Lebenshaltungskostenindex bereits vor Vergleichsschluss weggefallen ist, ist die Lücke des Vertrages durch ergänzende Vertragsauslegung zu füllen (vgl. BGH Urteil vom 7.11.2012, XII ZR 41/11; Urteil vom 4.3.2009, XII ZR 141/07). Bei der Ausfüllung der Regelungslücke muss eine Regelung gefunden werden, welche die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben getroffen hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall, dass der Index bereits weggefallen ist, bedacht hätten. Die Parteien hätten, wenn sie den Fall bedacht hätten, dass der von ihnen in Bezug genommene und auf einen bestimmten Haushaltstyp (4-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mit mittlerem Einkommen) zugeschnittene Lebenshaltungskostenindex nicht fortgeschrieben wird, wohl aber der für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland geltende Index (jetzt: „Verbraucher-Preisindex“), redlicher Weise diesen Index als Maßstab für künftige Anpassungen des Mietzinses vereinbart (so BGH a.a.O. für den Wegfall des vereinbarten Indexes). Das gilt hier insbesondere auch deshalb, da die Parteien in § 3 Ziffer 2 des Mietvertrages ausdrücklich vereinbart haben: „Sollte der vorgenannte Lebenshaltungskostenindex vom Statistischen Bundesamt in seiner bisherigen Form nicht fortgeführt werden, so tritt an seine Stelle der ihm am nächsten kommende Index.“

Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde. Das Zeitmoment ist hier gegeben, da sich die Miete seit August 2006 automatisch erhöhte, damit seit der ersten Mieterhöhung über 10 Jahre vergangen sind, ohne dass die Beklagte die sich summierenden Rückstände einforderte. Unerheblich ist, dass die streitgegenständliche Nachforderung aus den Jahren 2017 und 2018 stammen und damit seit der Geltendmachung mit Schreiben vom 20.8.2018 nicht einmal die Verjährungsfrist verstrichen ist. Denn die nachträgliche Erhebung des Anspruches auf Zahlung der Mieterhöhung stellt sich als eine einheitliche Rechtsausübung dar, welche die Klägerin von August 2006 bis zu der hier eingeforderten Mieterhöhung Januar 2017 bis August 2018 uneingeschränkt unterlassen hat (vgl. OLG Düsseldorf Urteil vom 13.5.1993, 10 U 163/92). Auch das Umstandsmoment ist gegeben. In ihrem Schreiben vom 4.9.2014 betreffend die Betriebskostenabrechnung 2013 hat die Klägerin als neue Vorauszahlung eine Miete in Höhe von (unverändert) 1.140,88 € und eine BK-Vorauszahlung in Höhe von 400,88 € benannt. Dies bewertet das Gericht als ausreichendes Umstandsmoment zumal bei wiederkehrenden Leistungen eine mehr typisierende Beurteilung zulässig ist (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 76. AufI, § 242 Rn. 95) und bei Gewerbebetrieben davon auszugehen ist, dass sie höhere Kosten in ihrer Preiskalkulation berücksichtigen (vgl. OLG Nürnberg Urteil vom 17.1.2014, 3 U 1355/13). Das Schreiben der Klägerin vom 4.9.2014 begründete das Vertrauen darauf, dass keine Erhöhungsbeträge aufgrund der Indexklausel geltend gemacht werden, und zwar nicht nur darauf, dass die Beklagte in Zukunft keine erhöhte Miete verlangen wird, sondern auch darauf, dass sie die bis dahin aufgelaufenen Rückstände nicht durchsetzen wird (vgl. OLG Nürnberg a.a.O.). Dieses Vertrauen ist erst aufgrund des Schreibens vom 20.8.2018, mit dem die Indexanpassung geltend gemacht worden ist, zerstört worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1,269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 48 Abs. 1,43 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.“

LG Görlitz, Urteil vom 24.9.2021 – 5 O 115/20

Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten für einen Reparaturablaufplan, Mietwagen und der Nutzungsausfallentschädigung bei Abwarten bis zur Reparaturkostenübernahmeerklärung

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21) orientieren sich die erstattungsfähigen, angemessenen Mietwagenkosten am „Marktspiegel Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO mit einem Aufschlag von 30%. Zudem ist ein Geschädigter nicht zur Vorfinanzierung der Reparaturkosten verpflichtet und darf auf eine Reparaturkostenübernahmeerklärung der Haftpflichtversicherung des Schädigers warten. Im Weiteren gehören die Kosten für die Erstellung eines Reparaturablaufplans zu erstattungsfähigen Rechtsverfolgungskosten.

Urteile zu Fraunhofer-Mietpreisspiegel zzgl. 30% Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten im Rahmen der Schadenregulierung:
LG Görlitz, Urteil vom 28. Februar 2024 – 5 O 502/22; AG Bautzen, Urteil vom 4.4.2023 – 20 C 212/21; ausführlich: AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21; AG Bautzen, Beschluss vom 25.6.2021 – 20 C 212/21; AG Bautzen, Urteil vom 18.6.2021 – 22 C 38/21; AG Bautzen, Urteil vom 23.4.2021 – 20 C 15/20; AG Bautzen, Urteil vom 22.4.2021 – 21 C 729/19; regionale Leitentscheidung: LG Görlitz, Urteil vom 27.03.2020 – 2 S 38/19

Abweichend hiervon mit arithmetisches Mittel aus der Schwacke-Liste und dem „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ als Maßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 27.8.2019 – 20 C 175/19

Abweichend hiervon Fraunhofer-Mietpreisspiegel ohne Aufschlag als Kostenmaßstab für Mietwagenkosten:
AG Bautzen, Urteil vom 23.5.2019 – 22 C 98/19; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 790/17; AG Bautzen, Urteil vom 11.4.2019 – 21 C 250/17

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7-9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…]Versicherung[…]

vertreten durch d. Vorstand

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 10.09.2021 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von offenen Forderungen aus der
a) Mietwagenkostenrechnung […] in Höhe von 492,78 EUR freizustellen.
b) Kostenrechnung […] für die Erstellung des Reparaturablaufplans in Höhe von 29,75 EUR freizustellen.
c) Standkostenrechnung […] in Höhe von 214,20 EUR freizustellen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 20% und die Beklagte 80% zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf bis zu 1.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall am 16.04.2020 gegen 15:15 Uhr auf dem Supermarkt-Parkplatz, Gesundbrunnenring/Muskauer Straße in Bautzen.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Halterin des Pkws vom Typ Mitsubishi Outlander mit
dem amtlichen Kennzeichen […]. Das Fahrzeug ist der Mietwagengruppe I (Mittelklasse) gemäß ACRISS-Klassifikation einzuordnen. Der unfallgegnerische Pkw vom Typ VW mit
dem amtlichen Kennzeichen […] war am Unfalltag bei der Beklagten haftpflichtversichert. Die vollständige Einstandspflicht der Beklagten aus dem Verkehrsunfallereignis ist zwischen den Parteien unstreitig.

Das klägerische Fahrzeug wurde am 16.04.2020 zur Autohaus […] GmbH verbracht und dort am 21.04.2020 durch einen Sachverständigen besichtigt. Der klägerische Pkw war infolge des Verkehrsunfalles nicht mehr fahrtüchtig.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 20.04.2020, 22.04.2020, 28.05.2021 und 10.06.2021 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre Schadensersatzansprüche geltend. Bereits mit Schreiben vom 20.04.2020 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe eine Reparaturkostenübernahmeerklärung gegenüber der Autohaus […] GmbH auf und wies zugleich darauf hin, dass keine Verpflichtung zu einer Vorfinanzierung aus eigenen Mitteln oder eine Kreditaufnahme zur Schadensbehebung bestehe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das sich im Anlagenkonvolut […] befindliche Schreiben vom 20.04.2020 Bezug genommen.

Die Klägerin mietete für den Zeitraum vom 16.04.2020 bis 08.05.2020 einen Pkw Mitsubishi Colt für 22 Tage bei der Autohaus […] GmbH an. Diese stellte der Klägerin hierfür mit Rechnung […] einen Betrag in Höhe von 1.309 EUR brutto in Rechnung. Die Beklagte zahlte hierauf einen Betrag in Höhe von 350,40 EUR und lehnte mit Schreiben vom 29.05.2020 eine Regulierung von Mietwagenkosten für mehr als 10 Tage Ausfallzeit mit der Begründung ab, dass allein diese Dauer als angemessen anzusehen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage […] Bezug genommen. Das Ersatzfahrzeug ist der Mietwagengruppe E (Kleinwagen) gemäß ACRISS-Klassifikation zuzuordnen.

Die Beklagte erklärte am 04.05.2020 die Übernahme der Reparaturkosten gegenüber der Autohaus […] GmbH. Diese begann daraufhin am 04.05.2020 mit der Bearbeitung des Reparaturauftrages. Die Reparaturarbeiten wurden am 08.05.2020 abgeschlossen.
Weiterhin wurden der Klägerin von dem Autohaus mit Rechnung vom 28.05.2020 Standkosten für den Zeitraum vom 16.04.2020 bis zum Beginn der Reparaturarbeiten am 04.05.2020 insgesamt Standkosten in Höhe von 214,20 EUR brutto in Rechnung gestellt.

Die Klägerin ließ sich von der Autohaus […] GmbH einen Reparaturablaufplan im Zuge der Abwicklung des Schadensfalles erstellen. Hierfür stellte ihr die Werkstatt mit Rechnung vom 09.06.2020 einen Betrag in Höhe von 29,75 EUR brutto in Rechnung.

Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin gegenüber dem Autohaus […] von offenen Forderungen aus der
a) Mietwagenkostenrechnung […] in Höhe von 651,74 EUR freizustellen.
b) Kostenrechnung […] für die Erstellung des Reparaturablaufplans in Höhe von 29,75 EUR freizustellen.
c) Standkostenrechnung […] in Höhe von 214,20 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin im Hinblick auf die Mietwagenkosten ihre Schadensminderungspflicht verletzt habe, weil sie den Reparaturauftrag erst am 04.05.2020 erteilt habe. Ein Hinweis darauf, dass die Klägerin zur Vorfinanzierung der Reparaturkosten nicht in der Lage gewesen sei, habe sich erst im Schreiben vom 30.04.2020 gefunden. Dem Versicherer stehe insofern jedoch eine Prüffrist von 4 bis 6 Wochen zu. Auch sei davon auszugehen, dass die Klägerin eine Fahrzeugvollversicherung unterhalten habe, die sie hätte in Anspruch nehmen müssen. Ferner seien die Mietwagenkosten nach der Fraunhofer-Liste ohne 30%-Aufschlag zu schätzen. Wegen der klassengleichen Anmietung sei ein Abzug von 100% wegen ersparter Eigenaufwendungen vorzunehmen. Ein Reparaturablaufplan sei von der Beklagten nicht angefordert und daher für die Schadensregulierung nicht erforderlich gewesen. Standkosten seien im Übrigen nicht geschuldet, da die Klägerin die Reparatur umgehend hätte beauftragen müssen und solche nicht ortsüblich seien.

Das Gericht entscheidet mit Zustimmung beider Parteien im schriftlichen Verfahren, wobei Schriftsätze mit Eingang bis zum 10.09.2021 Berücksichtigung fanden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen in der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend auch begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Freistellung von weiteren Mietwagenkosten in Höhe von 492,78 EUR sowie von den Kosten für die Erstellung des Reparaturablaufplanes sowie von Standkosten in geltend gemachter Höhe gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249, 257 BGB i.V.m. § 115 VVG. Dem liegt eine zwischen den Parteien unstreitige Haftungsquote von 100% zum Nachteil der Beklagten zu Grunde. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.

1.
Die Klägerin hat unstreitig dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten. Streitig ist jedoch die Dauer sowie die Höhe des nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzenden, erforderlichen Herstellungsaufwandes. Nach vorgenommener Schätzung (§ 287 ZPO) ergibt sich ein noch zu zahlender Freistellungsbetrag in Höhe von 492,78 EUR.

a)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte vom
Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer gemäß § 249 Abs, 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf, wobei er nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten ist, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen.

Der Maßstab für die wirtschaftliche Erforderlichkeit des gewählten Mietwagens bildet der am Markt übliche Normaltarif. Dieser Normaltarif kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage des Mittelwertes der sog. Schwacke-Liste (Schwacke-Liste Automietpreisspiegel der Schwacke GmbH) oder der Fraunhofer-Liste („Marktspiegel Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO) bedienen, aber auch das arithmetische Mittel aus beiden Tabellen („Fracke“) wählen, ohne die jeweilige Wahl gesondert begründen zu müssen. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, aber auch nur dann, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. Vl ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; vgl. auch OLG Schleswig, Urt. v. 28.11.2019, Az. 7 U 39/19, zitiert nach juris Rn. 27 f.).

Solche, eine Abweichung beziehungsweise Anpassung rechtfertigende Umstände können dabei insbesondere eine besondere Eil- oder Notlage, das Nichtvorhandensein einer Kreditkarte des Geschädigten, das Unterlassen der Anmietung mit Hilfe des Internets und der Umstand sein, dass der Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts eine Vorlaufzeit von einer Woche berücksichtigt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.03.2019, Az. 1 U 74/18, zitiert nach juris Rn. 28; demgegenüber weist das Fraunhofer Institut auf S. 3 des Mietpreisspiegels 2017 allerdings darauf hin, dass die Preisabhängigkeit vom Anmietzeitpunkt nur sehr gering sei). In diesem Fall kommt eine angemessene Erhöhung der ermittelten Beträge In Betracht (BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; Palandt, BGB, § 249 Rn. 33; OLG Düsseldorf, Urt. V. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14, zitiert nach juris Rn. 38).

b)
Das Amtsgericht Bautzen legt – im Einklang mit der 2. (Berufungs)Kammer des Landgerichts Görlitz (vgl. Leitentscheidung mit Urteil vom 27.03.2020, Az. 2 S 38/19) – jedenfalls für den hiesigen, regionalen Markt, nunmehr ausschließlich den Marktpreisspiegel des Fraunhofer Instituts als vorzugswürdige Schätzgrundlage zu Grunde.

aa)
Hintergrund dieser Einschätzung ist insbesondere der Umstand, dass die Preise der Fraunhofer Liste aufgrund einer anonymisierten Anfrage und nicht – wie bei der Schwacke-Liste – auf Grund offener Nachfrage ermittelt werden. Die Erhebungsmethode des Fraunhofer Instituts kommt daher bereits im Ansatz der Erhebungsmethode von Marktpreisen durch einen normalen Marktteilnehmer am Nächsten.

bb)
Im Rahmen der Schätzung ist zudem gerade auch zu berücksichtigen, dass den Geschädigten aus §§ 249, 254 BGB eine Schadensminderungspflicht trifft.

Der Geschädigte ist nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit (§ 249 Abs. 2 BGB) hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH, NJW 2013, 1870; LG Braunschweig. Urt. V. 30.12.2015 – 7 S 328/14).

Im Fall der Anmietung eines Unfallersatzwagens liegt es jedoch gerade nahe, dass der Geschädigte und der Vermieter eines Kraftfahrzeuges bei Abschluss des Mietvertrages um die grundsätzliche Einstandspflicht des Unfallgegners und seiner Haftpflichtversicherung als solvente Schuldnerin wissen. Dieser Umstand ist als solcher ist bereits geeignet, den Mieter – anders als den durchschnittlichen Selbstzahler – unkritisch einen ihm im Entwurf vom Vermieter vorgelegten Vertrag, der eine deutlich überdurchschnittliche oder sogar klar überhöhte Miete vorsieht, zu unterzeichnen. Insoweit ist dem Gericht auch kein Fall bekannt, in denen ein Autovermieter einen Mieter verklagt, der meint, einen Anspruch gegen eine Haftpflichtversicherung zu haben (LG Görlitz aaO).

Den Anforderungen an die Schadensminderungspflicht wird die Erhebung des Fraunhofer Instituts aufgrund der anonymen anstatt offenen Erhebung eher gerecht.

cc)
Soweit demgegenüber einige Gerichte die Bemessung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebung favorisieren (sog. „Fracke-Lösung“, vgl. etwa OLG Dresden, Urt. 28.03.2019, Az. 7 U 1319/18; OLG Düsseldorf. Urt. v. 05.03.2019, Az. 1 ü 74/18; LG Würzburg, Urt. 21.08.2019, Az. 42 S 905/19), handelt es sich hierbei letztlich um eine Kompromisslösung. Eine solche kann jedoch nach Auffassung des erkennenden Gerichts letztlich nicht Grundlage einer hoheitlichen Entscheidung sein, weil, wenn sich das erkennende Gericht mangels Überzeugung von der Richtigkeit einer der beiden Tabellen, für keine von beiden entscheiden kann, es dogmatisch ebenfalls nicht vertretbar erscheint, von beiden für sich genommen nicht überzeugend erscheinend Erhebungen schlicht den Mittelwert zu bilden (LG Görlitz aaO; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14 im Hinblick auf die mangelnde Praktikabilität dieses Ansatzes).

dd)
Falls erforderlich können im Übrigen nach dem Vorgesagten besondere Umstände des Einzelfall jedenfalls im Zuge einer angemessenen Erhöhung der in der Fraunhofer Erhebung ermittelten Werten vorgenommen werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, zitiert nach juris Rn. 10; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.03.2015, Az. 1 U 42/14; Palandt, BGB, § 249 Rn. 33).

c)
Zu den nach der Fraunhofer Liste ermittelten Werten ist jedoch in Einklang mit der neuesten Rechtsprechung des Landgerichts Görlitz (aaO), welcher sich das erkennende Gericht anschließt, ein Aufschlag von 30% zwecks Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung sowie zur Berücksichtigung der mit einer Unfallsituation als solcher verbundenen Besonderheiten vorzunehmen.

Daneben erfolgt die pauschale Erhöhung auch vor dem Hintergrund der Berechtigung des Geschädigten, eine zusätzliche Reduktion seiner Selbstbeteiligung für die Voll- und Teilkaskoversicherung zu vereinbaren.

Die Fraunhofer – Listenpreise enthalten nämlich nur eine Haftungsreduzierung im Bereich von 750,00 EUR bis 950,00 EUR. Die Kosten für die Kaskoversicherung sind indes bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs grundsätzlich erstattungsfähig, denn es besteht ein schutzwürdiges Interesse des Geschädigten für die Kosten einer eventuellen Beschädigung nicht in voller Höhe selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind, als das eigene in Reparatur befindliche Fahrzeug. Da es sich mit dem gemieteten Fahrzeug um ein unbekanntes Fahrzeug handelt, besteht ein höheres Unfallrisiko, außerdem sind auch Bagatellschäden mir gegebenenfalls hohem Kostenaufwand zu reparieren, da es sich nicht um das eigene Fahrzeug handelt und deshalb nicht auf eine Reparatur verzichtet werden kann (vgl. auch LG Braunschweig, Urt. v. 30.12.2015-7 S 328/14 m.w.N.).

Vor dem Hintergrund der abstrakten Schätzung der erforderlichen Kosten gilt die hierdurch berechtigte, bereits in der Pauschale von 30% berücksichtigte Erhöhung der Listenpreise dabei unabhängig davon, wie hoch sich die Eigenbeteiligung im konkreten Fall bemisst (LG Görlitz aaO).

Darüber hinaus sind für das Gericht im vorliegenden Fall keine erheblichen, weiteren Umstände ersichtlich, die eine weitere Erhöhung der Pauschale rechtfertigen würden.

d)
Die so zu ermittelnden Mietwagenkosten sind entgegen der Auffassung der Beklagte nicht in jedem Fall um ersparte Eigenaufwendungen zu reduzieren. Ein solches Vorgehen berücksichtigt einerseits nicht den auf Seiten des Geschädigten entgangenen Gebrauchsvorteil und würde andererseits den Schädiger durch einen übermäßigen Vorteilsausgleich unbillig entlasten.

aa)
Die Klägerin hat vorliegend ein sogar um mehrere Klassen niedrigeres Fahrzeug angemietet. Sie wäre aber berechtigt gewesen, einen ihrem beschädigten Wagen typenmäßig gleichen oder entsprechenden Wagen anzumieten (BGH VersR 1970, 547 = NJW 70, 1120). Zwar hat die Klägerin tatsächlich durch den Nichtgebrauch ihres Wagens während der Mietzeit leistungsbezogene Betriebskosten wie Motorölverbrauch, Reifenverschleiß, anteilige Reparaturkosten und anteilige Inspektionsaufwendungen sowie eine durch den Verschleiß bedingte Wertminderung eingespart. Diese Ersparnisse werden jedoch in vollem Umfang durch die entgangenen Gebrauchsvorteile eines größeren Wagens wieder ausgeglichen.

Der Geschädigte ist gemäß § 249 BGB wirtschaftlich zu stellen, wie er ohne die Beschädigung seines Fahrzeugs gestanden hätte. Wenn er danach nicht ausnahmsweise gemäß § 254 Abs. 2 BGB, wie hier nicht, verpflichtet ist, zum Zweck der Schadensminderung einen leistungsschwächeren Kraftwagen zu mieten, so stellt das Anmieten eines kleineren und billigeren Fahrzeugs regelmäßig eine wirtschaftlich messbare Einbuße dar. Denn der Geschädigte verzichtet – ohne dazu verpflichtet zu sein – bei Anmietung eines kleineren Fahrzeugs nicht nur auf Repräsentationsgründe und Bequemlichkeit, sondern vor allem auf Leistungsstärke des Fahrzeugs (und damit auf ein schnelleres Reisen), auf Fahrkomfort und Sicherheit, also auf Vorteile, die – wie auch die Verkaufspreise von Neuwagen zeigen – einen wirtschaftlichen Wert darstellen (OLG Frankfurt/M. VersR 1984, 667 = NJW 84, 1902 (1903) LG Bonn VersR 1972, 382 (383) LG Mannheim VersR 1976, 1187).

bb)
Darüber hinaus widerspricht die gegenteilige Auffassung aber auch den allgemeinen Grundsätzen der Vorteilsausgleichung im Schadensrecht. Die Anrechnung des Vorteils muss dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf den Schädiger nicht unbillig entlasten (BGHZ 8, 325 (328 f.) = VersR 53, 148; 30, 29 (31) = VersR 59. 399; 91, 206 (210) Palandt/Heinrichs, BGB, vor § 249 Anm. 7 A b). Im Rahmen der hierbei gebotenen wertenden Betrachtung (Palandt/Heinrichs, aaO, Anm. 7 A d), die die Vor- und Nachteile des Schadensereignisses gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbindet, lässt es sich nicht rechtfertigen, wenn dem Schädiger Maßnahmen des Geschädigten, zu denen dieser im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB schon nicht verpflichtet ist, nunmehr zugute kommen sollen.

e)
Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten für 22 Tagen. Die Klägerin war insbesondere nicht zur Vorfinanzierung der Reparaturkosten verpflichtet. Deshalb ist ihr auch nicht anzulasten, wenn aufgrund einer erst am 04.05.2020 erfolgten Reparaturübernahmeerklärung der Beklagten die Reparatur erst an diesem Tag begonnen werden konnte. Auch sonst ist ihr kein Verstoß gegen ihre aus § 254 Abs. 2 BGB folgende Schadensminderungspflicht anzulasten.

aa)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Geschädigte nicht verpflichtet, den Schaden selbst in irgendeiner Form vorzufinanzieren. Der Geschädigte hat grundsätzlich Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen. Zugleich hat der Schädiger grundsätzlich auch die Nachteile zu ersetzen, die daraus herrühren, dass der Schaden mangels sofortiger Ersatzleistung nicht gleich beseitigt worden ist und sich dadurch vergrößert hat (vgl. etwa BGHZ 61, 346, 348; BGH, Urteil vom 26.5.1988 – III ZR 42/87).

bb)
Allerdings ist der Geschädigte aus § 254 Abs. 2 BGB dazu verpflichtet, sofern er den Schaden nicht (zunächst) auf eigene Kosten beseitigen will, den Schaden so gering wie möglich zu halten und dementsprechend den Schädiger umgehend hierüber zu informieren. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin jedoch hinreichend nachgekommen. Bereits mit anwaltlichen Schreiben vom 20.04.2020 wurde die Beklagte nämlich zur unverzüglichen Abgabe einer Reparaturkostenübernahmeerklärung aufgefordert und auf eine mangelnde Verpflichtung zur Vorfinanzierung hingewiesen. Es oblag daher allein der Beklagten durch eine möglichst umgehende Abgabe der Reparaturkostenübernahmeerklärung bzw. umfassende Vorschusszahlung den Schaden möglichst gering zu halten.

Dem steht insbesondere auch nicht entgegen, dass dem Haftpflichtversicherer nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen bzw. der gesetzlichen Regelung des § 3a PflVersG eine Prüfungszeit zuzubilligen ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Schadensersatzanspruch bereits am Tag des Verkehrsunfalles sofort fällig ist (BGH, Beschluss vom 18.11.2008 – VI ZB 22/08). Die Beachtung der Regulierungsfrist ist vielmehr Zulässigkeitsvoraussetzung der auf Regulierung gerichteten Klage.

Andernfalls würde eine Haftpflichtversicherung nämlich gegenüber dem Schädiger hinsichtlich des Eintritts des Verzugs entgegen der gesetzlichen Regelung bessergestellt werden bzw. würde für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung ein gesonderter Zeitpunkt für den Eintritt des Verzugs mit dem hieraus resultierenden Verzugsfolgen bestehen. Dies widerspricht jedoch dem Zweck einer Haftpflichtversicherung, die für die durch den Schädiger entstandenen Schäden einzustehen hat. Dem hingegen tritt die Fälligkeit in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung ein, wenn wegen einer Verletzung einer Person oder wegen einer Beschädigung einer Sache nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Ersatz zu leisten ist (BGH, Beschluss vom 18.11.2008 – VI ZB 22/08 = NJW 2009. 910). § 3a Abs. 1 Nr. 2 PflVersG regelt insoweit ausdrücklich, dass weitergehende Ansprüche des Geschädigten unberührt bleiben. In der Begründung zum Gesetzesentwurfs (BR-Drucks. 110/02, S. 22 und 30) wird zudem erwähnt, dass die Verzugsfolge des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB auch schon vor Ablauf der Dreimonatsfrist eintreten kann. Hieraus folgt: Ist die Voraussetzung der Fälligkeit des Schadenersatzanspruchs gegeben und liegt eine Mahnung vor, sind die gesetzlichen Verzugszinsen bereits vor Ablauf der dreimonatigen Bearbeitungsfrist und aufgrund der BGB-Verzugsregelung zu zahlen (OLG Rostock, Beschluss vom 9.1.2001 – 1 W 338/98).

Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klägerin auch nicht verpflichtet, eine etwaige Vollkaskoversicherung für ihr Fahrzeug in Anspruch zu nehmen (OLG Dresden, Urteil vom 4.5.2012 – 1 U 1797/11). Ohnehin erfolgte die entsprechende Behauptung ersichtlich als Vermutung uns Blaue und ist daher bereits unbeachtlich.

f)
Bei der Bestimmung der angemessenen Mietwagenkosten ist auf die Mietwagenklasse des angemieteten und nicht des verunfallten Fahrzeuges abzustellen. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Schadensabrechnung gerade konkret und nicht abstrakt erfolgt. Maßgeblich ist daher, ob die für die konkret angemietete Ersatzsache geltend gemachten Kosten erforderlich und angemessen waren.

9)
Der Klägerin hat nach dem Vorgesagten daher im Ergebnis jedenfalls Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten wie folgt (Erhebung 2019, Fahrzeugklasse E, PLZ-Gebiet 02, 22 Tage):

3 mal Pauschale 7 Tage (je 192,13 EUR): 576,39 EUR
1 mal Pauschale 1 Tag: 72,21 EUR
Zwischensumme: 648,60 EUR
Pauschale Erhöhung 30%: 194.58 EUR
Gesamtbetrag (brutto): 843,18 EUR

Da die Beklagte auf die so ermittelten Schadensposition bereits 350,40 EUR gezahlt hat, ergibt sich für die Klägerin ein weiterer Freistellungsanspruch in Höhe von (lediglich) 492,78 EUR.

2.
Die Klägerin kann ferner die Freistellung von den angefallenen Standkosten in geltend gemacher Höhe verlangen. Sie war aus den bereits ausgeführten Gründen nicht zu einer sofortigen Beauftragung der Reparatur verpflichtet. Im Übrigen war der Reparaturbetrieb jedenfalls für den Zeitraum, in dem die Reparatur tatsächlich nicht durchgeführt wurde, zur Geltendmachung von Standkosten berechtigt. Dass derartige Kosten allgemein üblich und ortsüblich sind, ist dem Gericht aus einer Vielzahl gleichgelagerter Verfahren bekannt.

Die Kosten sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO), insbesondere berechnen auch Abschleppunternehmen ausweislich der Preis- und Strukturumfrage 2020 des VBA (Verband der Bergungs- und Abschleppunternehmen e.V.) durchschnittlich Standgebühren in Höhe von 12,00 EUR netto kalendertäglich für unter freiem Himmel abgestellte Fahrzeug, für Hallenabstellflächen sogar 15,50 EUR netto. Die hier geltend gemachten Kosten von 10,00 EUR netto kalendertäglich bewegen sich damit im Rahmen üblicher Standgebühren.

3.
Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die Erstellung des Reparaturablaufplanes. Die geltend gemachten Kosten waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB und sind daher zu erstatten.

a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es anerkannt, dass bei gesetzlichen wie bei vertraglichen Schuldverhältnissen zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen eines Geschädigten unter bestimmten Voraussetzungen auch durch das Schadensereignis erforderlich gewordene Rechtsverfolgungskosten gehören können. Dies gilt namentlich für solche Aufwendungen, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – X ZR 35/15-, Rn. 21, juris m.w.N.). So liegt der Fall hier.

b)
Die Einholung des Reparaturablaufplanes erfolgte vorliegend in unmittelbarer Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 29.05.2020, in welchem die Erstattung der Mietwagenkosten für einen Zeitraum von mehr als zehn Tagen pauschal abgelehnt wurde. Mangels näherer Begründung durfte die Klägerin dabei davon ausgehen, dass die Einholung des Reparaturablaufplanes gerade für den Nachweis erforderlich sein wird, dass die gutachterlich kalkulierte Reparaturdauer tatsächlich nicht überschritten worden, sondern die Verzögerung allein auf die späte Erklärung der Reparaturkostenübernahme zurückzuführen war.

Darauf, ob die Beklagte den Reparaturablaufplan tatsächlich angefordert hatte, kam es hingegen nicht an. Die Klägerin durfte vielmehr die Einholung bereits in Erwartung des nunmehr durchgeführten Prozesses beauftragen.

c)
Unerheblich ist es schließlich, ob die Klägerin die Erstellung kostenpflichtig beauftragt hatte. Der Nachweis der Beauftragung ergibt sich jedenfalls aus dem Umstand, dass ein entsprechender Plan erstellt und der Klägerin in Rechnung gestellt worden ist. Insofern ist nach § 612 Abs. 2 BGB jedenfalls die übliche Vergütung geschuldet. Insbesondere handelt es sich nicht um eine bloße kostenlos zu erbringende Nebenleistung zur Reparatur. Ein Geschädigter hat insofern bereits kein eigenes Interesse an einem detaillierten Plan, wann im Einzelnen welche Arbeite- und Organisationsschritte vorgenommen worden waren (AG Leverkusen, Urteil vom 29.06.17, Az. 20 O 52/17).

Der in Rechnung gestellte Betrag ist insofern auch nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO; vgl. etwa auch AG Siegburg, Urteil vom 06.03.2019, Az. 108 C 136/18: 41,65 EUR; AG Leverkusen, Urteil vom 29.06.17, Az. 20 0 52/17: 59,90 EUR; AG Bonn, Urteil vom 20.02.2020, Az. 114 O 477/19: 89,25 EUR).

1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

2.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 600,00 EUR nicht; eine Zulassung der Berufung ist nicht veranlasst (§ 511 Abs. 2 und 4 ZPO).

3.
Der Streitwert war entsprechend der mit dem Antrag Zif. 1 begehrten Hauptklageforderung
festzusetzen.“

AG Bautzen, Urteil vom 17.9.2021 – 22 C 254/21