Begrenzung der Reisekosten eines von einem Versicherungsunternehmen beauftragten Rechtsanwalts

Durch das Amtsgericht Pirna wurde im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.2.2024 (Az. 12 C 625/21) entschieden, dass die Reisekosten eines von einem Versicherungsunternehmen beauftragten Rechtsanwalts, der seinen Sitz weder am Gerichtsorts noch am Sitz des Versicherungsnehmer hat, entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur Für die längste Fahrtstrecke innerhalb des Gerichtsbezirks von der unterliegenden Partei erstattet erhalten kann.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Es wurden Einwendungen gegen die Reisekosten des Beklagtenvertreters erhoben, die über die Bezirksgrenze des Amtsgerichts Pirna hinaus gehend beantragt wurden. Auf die Schriftsätze der Klagepartei vom 15.11.2023 und 24.11.2023, welche der Beklagtenpartei zum rechtlichen Gehör übersandt wurden, wird insoweit Bezug genommen. […]

Bezüglich der beantragten Reisekosten ist festzustellen, dass bei einem am dritten Ort ansässigen Anwalt, Reisekosten nur insoweit zu erstatten sind, als die Reisekosten auch bei einem am Sitz der Partei ansässigen Anwalt angefallen wären (vgl. BGH, NJW 2011, 3520).
Zur Beurteilung dessen ist jedoch vorerst eine Notwendigkeitsprüfung durchzuführen. Gemäß ständiger Rechtsprechung gilt die Zuziehung eines in der Nähe des eigenen Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig (vgl. BGH, NJW 2003, 898).
Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen jedoch, insofern bereits bei Auftragserteilung feststeht, dass für die Prozessführung persönliche Mandantengespräche nicht erforderlich sein werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es sich bei der Partei um ein Unternehmen handelt welches über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, sodass eine fernmündliche oder schriftliche Kommunikation möglich und ausreichend wäre. Da es sich bei der Beklagten um eine Versicherungsgesellschaft handelt, ist davon auszugehen, dass eine eigene Rechtsabteilung besteht. Insbesondere in Zeiten von Fernkommunikationsmitteln ist somit zu erwarten, dass für die Partei keine Notwendigkeit bestand, einen Anwalt an Ihrem Sitz zu beauftragen. Für den Fall, dass die Notwendigkeit wie vorliegend verneint wird, entfällt die Erstattungsfähigkeit zwar nicht komplett, jedoch ist nun eine Begrenzung der Reisekosten auf die Distanz des am weitesten vom Gericht entferntesten Ortes innerhalb des Gerichtsbezirks vorzunehmen. […]“

AG Pirna, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.2.2024 – 12 C 625/21

Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens durch Staatskasse bei Einstellung wegen Eintritt der Verfolgungsverjährung

Durch das Amtsgericht Hannover (AG Hannover, Beschluss vom 19.7.2023 – 265 OWi 7752 Js 60989/23 (520/23)) wurde entschieden, dass bei einer Einstellung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses aufgrund des Eintritts der Verfolgungsverjährung die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen grundsätzlich von der Landeskasse zu erstatten sind.

Der Betroffene wurde beschuldigt, als verantwortlicher Aufsichtspflichtiger bei Brückenbauarbeiten fahrlässig Unfallverhütungsvorschriften verletzt zu haben. Die Verjährungsfrist betrug in diesem Fall zwei Jahre. Das Verfahren wurde eingestellt, weil die Verfolgungsverjährung bereits vor der Übergabe des Verfahrens an das Amtsgericht Hannover eingetreten war.

Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen beruhte auf § 467 Abs. 1 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO) i.V.m. § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Es wurde festgestellt, dass aufgrund des bisherigen Verfahrensverlaufs nicht prognostiziert werden konnte, dass der Betroffene ohne das Vorliegen des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit verurteilt worden wäre. Daher wurde entschieden, dass die Kosten und Auslagen von der Staatskasse getragen werden sollten.

Aus den Entscheidungsgründen:

Beschluss

In der Bußgeldsache gegen

[…]

Verteidiger: Rechtsanwalt Stephan M. Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden

wegen sonstiger Ordnungswidrigkeit

wird das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses gem. § 206 a StPO i.V.m. § 46 OWiG eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse.

Gründe:
Mit den Bußgeldbescheiden wird dem Betroffenen vorgeworfen, als verantwortlicher Aufsichtspflichtiger (Polier) bei der Durchführung von Brückenbauarbeiten jeweils fahrlässig Unfallverhütungsvorschriften verletzt zu haben, indem insbesondere die erforderlichen Absturzeinrichtungen nicht vorhanden waren, wodurch Mitarbeiter einer erheblichen Gefährdung ausgesetzt wurden.
Die beiden miteinander verbundenen Verfahren sind einzustellen, weil die Tatvorwürfe verjährt sind. Die Verfolgungsverjährung ist bereits vor Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Hannover eingetreten und es liegt somit ein in jeder Lage des Verfahrens zu beachtenden Verfahrenshindernis vor.
Die Verjährungsfrist beträgt, da lediglich Fahrlässigkeit vorgeworfen wird und Vorsatz hier nicht in Betracht kommt, in beiden Fällen zwei Jahre: § 209 Abs. 3 SGB VII sieht eine Bußgeldandrohung von bis zu 10.000,00 Euro bei Vorsatz vor. Nach § 17 Abs. 2 OWiG beträgt die Bußgeldandrohung bei Fahrlässigkeit nur 5.000,00 Euro. Nach § 31 Abs. 2 Ziff. 2 OWiG beträgt die Verjährungsfrist somit zwei Jahre.
Tatzeit ist der 20.08.2020 bzw. der 02.07.2020. Die Verjährung ist zunächst durch das Anhörungsschreiben vom 07.12.2020 bzw. 15.12.2020 und sodann durch den Erlass der Bußgeldbescheide am jeweils 21.05.2021 unterbrochen worden, so dass die Verjährung bis zum Ablauf des 20.05.2023 unterbrochen war.
Eine erneute rechtzeitige Unterbrechung der Verjährungsfrist vor diesem Zeitpunkt ist nicht eingetreten.
Die Akten sind durch die Verwaltungsbehörde erst am 27.04.2023 – ohne Hinweis auf den drohenden Ablauf der Verjährungsfrist – an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden, wo sie am 28.04.2023 eingegangen sind.
Nach Eintragungsverfügung der Staatsanwaltschaft am 17.05.2023 sind die Akten nach dem Eingangsstempel erst am 15.06.2023 bei dem Amtsgericht Hannover eingegangen (Unterbrechung der Verjährung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG).
Die Verjährung ist damit nicht rechtzeitig innerhalb von zwei Jahren erneut unterbrochen worden.
Die Kosten- und auch die Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Für eine abweichende Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StPO war kein Raum. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO können zwar bereits dann erfüllt sein, wenn bei dem bei Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebenen Verfahrensstand ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Durchführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen (BGH, 5. November 1999, StB 1/99, NStZ 2000, 330; OLG Frankfurt, 17. April 2002, 2 Ws 16/02, NStZ-RR 2002, 246; OLG Hamm, 26. Oktober 2000, 5 Ws 216/00, VRS 100, 52 (2001) und OLG Köln, 30. Oktober 1990, 2 Ws 528/90, NJW 1991, 506; OLG Hamm, Beschluss vom 07. April 2010 – 2 Ws 60/10 –, jurisOLG Rostock, Beschluss vom 15. Januar 2013 – I Ws 342/12 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Oktober 2000 – 5 Ws 216/00 –, juris; KG Berlin, Beschluss vom 02. Dezember 2011 – 1 Ws 82/11 –, juris). Der Gegenmeinung, wonach eine Versagung der Auslagenerstattung nur in Betracht kommt, wenn bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit eine Verurteilung erfolgt wäre (vgl. KG NJW 1994, 600; StraFO 2005, 483; OLG Düsseldorf OLGSt Nr. 9 = NStZ-RR 1997, 288), ist nicht zu folgen, weil eine solche Auslegung den Anwendungsbereich der Vorschrift wegen der mit Blick auf die Unschuldsvermutung erforderlichen Schuldspruchreife auf Fälle beschränkt, in denen ein Verfahrenshindernis erst in der Hauptverhandlung nach dem letzten Wort eines Angeklagten zu Tage tritt (BGH NStZ 2000, 330, 331; OLG Hamm VRS 100, 52, 54). Bei Einstellungen vor vollständiger Durchführung der Hauptverhandlung wäre demnach ein Absehen von der Überbürdung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse von vornherein ausgeschlossen. Für die praktische Anwendung der Norm bliebe, ohne dass dies dem Wortlaut des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO zu entnehmen wäre, nur ein äußerst begrenzter Raum (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003, 286, 287). Für ein Anknüpfen bei der Anwendung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO an die bei Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebene Verdachtslage spricht zudem der Umstand, dass auch im Rahmen der bei Ermessenseinstellungen nach § 467 Abs. 4 StPO zu treffenden Auslagenentscheidungen maßgeblich auf die Stärke des Tatverdachts abgestellt wird (vgl. Meyer – Goßner, a.a.O., § 467, Rdnr. 19 m.w.N). Die Unschuldsvermutung schließt nicht aus, in einer das Strafverfahren beendenden Entscheidung einen verbleibenden Tatverdacht festzustellen und zu bewerten und dies bei der Entscheidung über die kostenrechtlichen Folgen zu berücksichtigen. Rechtsfolgen, die keinen Strafcharakter haben, können darum auch in einer das Verfahren abschließenden Entscheidung an einen verbleibenden Tatverdacht geknüpft werden. Allerdings muss dabei aus der Begründung deutlich hervorgehen, dass es sich nicht um eine gerichtliche Schuldfeststellung oder -zuweisung handelt, sondern nur um die Beschreibung und Bewertung einer Verdachtslage (BVerfG NStZ 1992, 289, 290; BGH NStZ 2000, 330, 331).
Vorliegend kann aber aufgrund des bisherigen Verfahrensgangs nicht die Prognose getroffen werden, dass der Betroffene ohne das Vorliegen des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit verurteilt worden wäre. Zwar lag das Verfahrenshindernis bei Erlass des Bußgeldbescheides – und auch bei der Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft – noch nicht vor und anhand der Akten- und Beweislage lässt sich ein Tatverdacht bejahen. Gleichwohl kann nach Aktenlage nicht hinreichend sicher von einer Verurteilungswahrscheinlichkeit ausgegangen werden, denn der Betroffene hat sich darauf berufen, dass zum Zeitpunkt der Kontrollen keine Mitarbeiter des durch ihn vertretenen Unternehmens, sondern lediglich Subunternehmer auf den betroffenen Abschnitten der Baustellen eingesetzt waren. Die Frage, ob sich dies mit den durch die Aufsichtsbeamten der BG Bau getroffenen Feststellungen vereinbaren lässt, wäre nur im Rahmen einer Beweisaufnahme zu klären. Eine Beweiserhebung im Rahmen des Verfahrens über die Kosten verbietet sich jedoch (vg. Etwa LG Düsseldorf, Beschluss vom 31. August 2009 – 61 Qs 76/09 –, juris).“

AG Hannover, Beschluss vom 19.7.2023 – 265 OWi 7752 Js 60989/23 (520/23)

Keine Versagung der Auslagenerstattung des Betroffenen bei einer Einstellung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung

Durch das Landgericht Hildesheim (LG Hildesheim, Beschluss vom 9.8.2018 – 26 Qs 56/18) wurde entschieden, dass dem Betroffenen die Erstattung der ihm entstandenen Auslagen grundsätzlich nicht versagt werden darf, wenn das Ordnungswidrigkeitenverfahren ohne die Durchführung einer Hauptverhandlung eingestellt wird.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

Beschluss

In dem Bußgeldverfahren

gegen: […],

Verteidiger: Rechtsanwalt Stephan M. Höhne, Bautzen,

hat die Strafkammer 16 – als 6. Kammer für Bußgeldsachen – des Landgerichts Hildesheim auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hildesheim vom 09.07.2018, bei Gericht eingegangen am 11.07.2018, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn vom 04.07.2018 (75 OWi 32 Js 9675/18), der Staatsanwaltschaft zugestellt am 05.07.2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Landgericht […], des Richters am Landgericht […] und der Richterin […] am 09.08.2018 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung in dem Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn vom 04.07.2018 (75 OWi 32 Js 9675/18) wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Betroffenen
insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse
zur Last.

Gründe:

I.

Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 59 km/h). Mit Bußgeldbescheid vom 07.09.2017, dem Betroffenen zugestellt am 13.09.2017, hat der Landkreis Gifhorn dem Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 240,00 € auferlegt sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Hiergegen hat der Betroffene über seinen Verteidiger rechtzeitig Einspruch eingelegt. Einlassungen zur Sache sind dahingehend erfolgt, dass der Betroffene im
Rahmen der Anhörung angab, der Fahrzeugführer gewesen zu sein. Den Verstoß gab er allerdings nicht zu.

Die Akten sind nach dem Einspruch vom 20.09.2017 und einem weiteren Schreiben des Verteidigers vom 04.10.2017 ohne erkennbaren Grund erst am 06.03.2018 an die Staatsanwaltschaft abgesandt worden, wo die Akten erst nach Verjährungseintritt am 08.03.2018 eingingen. Der Eingang der Akten bei Gericht war schließlich erst am 04.05.2018. Mit Beschluss vom 04.07.2018 (75 OWi 32 Js 9675/18) hat das Amtsgericht Gifhorn das Verfahren wegen Verjährungseintritts gemäß §§ 46 OWiG, 206 a StPO eingestellt und die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen der Landeskasse auferlegt.

Mit Verfügung vom 09.07.2018 hat die Staatsanwaltschaft Hildesheim daraufhin sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung aus dem Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn vom 04.07.2018 (75 OWI 32 Js 9675118) eingelegt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass von einer Auslagenerstattung abgesehen werden könne, wenn ein hinreichender Tatverdacht fortbestehe. Dies sei anhand der vorliegenden Beweismittel der Fall.

II.

Der als „Beschwerde“ bezeichnete Rechtsbehelf der Staatsanwaltschaft ist als das statthafte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anzusehen. Diese auf die Kostenentscheidung beschränkte sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat die notwendigen Auslagen des Betroffenen bei der Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß §§ 46 OWiG, 467 Abs.1 StPO zurecht der Landeskasse auferlegt hat.

1.
Grundsätzlich kann das Gericht nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO im Fall einer solchen Einstellung davon absehen, die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Landeskasse aufzuerlegen, wenn eine Verurteilung nur deshalb nicht erfolgt, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Dies erfordert eine zweistufige Prüfung. Zunächst ist der Verdachtsgrad zu erörtern, bei welchem davon ausgegangen werden kann, dass eine Verurteilung nur aufgrund des Verfahrenshindernisses nicht erfolgt ist. In einem zweiten Schritt hat das Tatgericht sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob eine
Kosten- und Auslagenentscheidung zum Nachteil des Angeklagten ergehen kann (vgl. OLG Celle StraFo 2014, 438-440)

Die konkrete Situation, wann eine Verfolgung allein aufgrund des
Verfahrenshindernisses nicht erfolgt, ist in der Rechtsprechung umstritten. Nach einer Auffassung kommt eine Versagung der Auslagenerstattung nur dann in Betracht, wenn bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit eine Verurteilung zu erwarten gewesen wäre (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Auflage 2013, § 467 Rn. 10a m.w.N.; vgl. u.a. BGH NJW 1995, 1297, 1301; OLG Celle wistra 2011, 239f.; OLG Hamm wistra 2006, 359). Nach einer anderen Auffassung in der Rechtsprechung ist eine Ermessensentscheidung hingegen schon dann eröffnet, wenn zur Zelt der Feststellung des Verfahrenshindernisses ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht und keine Umstände vorliegen, die bei weiterer Hauptverhandlung eine Konkretisierung des Tatverdachts bis zur
Feststellung der Schuld in Frage stellen (vgl. OLG Celle StraFo 2014, 438-440
m.w.N.). Letztere Auffassung wird allerdings dann zur Anwendung gebracht, wenn eben schon eine Hauptverhandlung weitgehend fortgeschritten oder abgeschlossen ist. Für diese Auffassung ist im vorliegenden Fall daher schon nach den Grundgedanken der Strafprozessordnung kein Raum, weil eine Hauptverhandlung, in der der Betroffene Umstände, die einen Verstoß in Frage stellen könnten, vorbringen könnte, gar nicht stattgefunden hat.

Um eine tragfeste Aussage über Verdachtsgrad und die Schuld in Zweifel ziehende Umstände treffen zu können, muss wegen der mit einer belastenden Auslagenentscheidung verbundenen Feststellung und Zuweisung strafrechtlicher Schuld zuvor die Hauptverhandlung bis zur Schuldspruchreife, zumindest aber weitgehend genug für eine tragfeste Grundlage, durchgeführt worden sein. Vor Erreichen dieses Verfahrensstadiums ist von dieser Warte aus für eine Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO kein Raum (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Dezember 1991 – 2 BvR 1590/89 – NJW 1992, 1611). Dies ist schon allein deswegen nachvollziehbar, weil allein ein Akteninhalt nicht Grundlage einer Entscheidung über die Schuldfrage sein darf. Vielmehr sieht die Strafprozessordnung die Durchführung einer Hauptverhandlung für strafrechtliche Schuldfeststellungen vor. Diese Verfahrensgrundsätze gelten auch für Bußgeldverfahren. Ohne diese Grundsätze würde ein Betroffener, der von dem ihm zustehenden Schweigerecht Gebrauch machen möchte benachteiligt. Ein Betroffener, der dagegen aus freien Stücken zu seiner Verteidigung Umstände vorbringt, die eine Verurteilung unwahrscheinlich machen, wäre dagegen im Vorteil,
obwohl der schweigende Betroffene lediglich seine strafprozessualen Rechte wahrnimmt.

Vorliegend kann daher aufgrund des bisherigen Verfahrensgangs ohne eine
Hauptverhandlung somit gerade nicht die Prognose getroffen werden, dass der Betroffene ohne das Vorliegen des Verfahrenshindernisses mit  Sicherheit verurteilt worden wäre. Eine separate Beweiserhebung im Rahmen des Verfahrens über die Kosten verbietet sich (BVerfG NJW 1991, 829).

2.
Doch selbst wenn man die Meinung vertreten würde, § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO wäre vorliegend anwendbar, so käme auch im Rahmen der nunmehr
durchzuführenden Ermessensentscheidung ein Absehen von der Auslagenerstattung nicht in Betracht. Das Gericht hätte nämlich dann zu prüfen, ob auf Grund besonderer Umstände die Belastung der Landeskasse mit den Auslagen des Betroffenen als unbillig erscheint. In der voraussichtlichen Verurteilung des Betroffenen und der zugrunde liegenden Tat dürfen derartige besondere Umstände aber allein nicht gesehen werden.

Es ist umstritten, ob regelmäßig ein vorwerfbares prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen hinzutreten muss (so z.B. Meyer-Goßner. StPO, 56. Auflage 2013, § 467 Rn. 18 aE; Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Auflage 2013, § 467 Rn. 10b mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; andere Ansicht OLG Gelle StraFo 2014, 438 – 440). Wenngleich dieses hier nicht gegeben war, kann dies auch dahinstehen, weil es schon nicht unbillig ist, die Landeskasse mit den Auslagen des
Betroffenen zu belasten.

Vorliegend beruht das Verfahrenshindernis auf einer Verzögerung des Verfahrens durch den Landkreis Gifhorn. Eine Verurteilungswahrscheinlichkeit ergibt sich insbesondere nicht schon durch die Einräumung der Fahrzeugführereigenschaft des Betroffenen. Hierfür wäre vielmehr auch die Feststellung einer ordnungsgemäßen
Messung erforderlich, was durch den Betroffenen in einem umfangreichen
Schriftsatz angegriffen wurde. Wenngleich in dem Bußgeldverfahren durch das standardisierte Messverfahren grundsätzlich vereinfachte Verfahrensgrundsätze gelten, so würde – wie bereits oben ausgeführt – eine Umgehung der Notwendigkeit einer Hauptverhandlung jedenfalls der Unschuldsvermutung entgegenstehen.

3.
Die Entscheidung über die Kosten- und Auslagen im Beschwerdeverfahren beruht auf § 473 Abs. 1, 2 StPO. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 310 Abs. 2 StPO).“

LG Hildesheim, Beschluss vom 9.8.2018 – 26 Qs 56/18

Eine Behörde kann von einem Unternehmer, der im Namen für ein ausländisches Speditionsunternehmen in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg (VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12) kann eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen für ein ausländisches Speditionsunternehmen in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen.

Urteile, wonach eine Behörde von einem Unternehmer, der im Namen für ein ausländisches Speditionsunternehmen in Deutschland Genehmigungsanträge stellt, nicht die Zahlung der für die Durchführung der genehmigten Handlungen entstehenden Kosten verlangen kann:
VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 589/12; VG des Saarlandes, Urteil vom 23.4.2013 – 6 K 588/12; VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Im Namen des Volkes
Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

T[…],

vertreten durch den Inhaber […],

[…]

– Klägerin –

prozessbevollmächtigt:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstr. 15, 02625 Bautzen, Az: […]

gegen

Land Baden-Württemberg,

dieses vertreten durch das Regierungspräsidium Freiburg,

– Landespolizeidirektion –

[…]

– Beklagter –

wegen Gebühren

hat das Verwaltungsgericht Freiburg – 3. Kammer – durch den Richter am Verwaltungsgericht […] als Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung

vom 29. Januar 2013

für Recht erkannt:

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.08.2013 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Das vom Kläger betriebene Unternehmen unterstützt Speditionen bei der Durchführung von Großraum- und Schwertransporten sowie von Transporten gefährlicher oder gefährdeter Güter auf der Straße in Deutschland. Seine Dienstleistungen werden auch von ausländischen Speditionen in Anspruch genommen, die mit den Rechtsverhältnissen in Deutschland und den bei der Stellung der jeweils erforderlichen Anträge zu beachtenden Anforderungen nicht ausreichend vertraut sind.

Auf Antrag des Klägers erteilte die Stadt Bautzen am […].2012 die Erlaubnis gemäß § 29 Abs. 3 StVO sowie eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StVO zur Durchführung eines Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ von S[…] nach F[…]. Der Großraum und Schwertransport fand tatsächlich am 31.07.2012/01.08.2012 statt.

Mit Bescheid vom 03.08.2012 setzte das Regierungspräsidium Freiburg – Landespolizeidirektion – gegen den Kläger für die Begleitung des Großraum- und Schwertransports am 31.07.2012 von S[…] bis zur Autobahnanschlussstelle L[…] gestützt auf die Verordnung des Innenministeriums über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Innenministeriums und des Landesbeauftragten für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich – GebVO IM – vom 12.07.2011 eine Gebühr i. H. v. insgesamt 83 € fest, und zwar gestützt auf Nr. 15.1.1 des zugehörigen Gebührenverzeichnisses über 25 € für die Planung und Vorbereitung der polizeilichen Begleitung des Großraum- und Schwertransports sowie nach Nr. 15.1.2 des Gebührenverzeichnisses über 58 € für die tatsächliche polizeiliche Begleitung (2 x 29 € je angefangene Halbestunde und eingesetztem Beamten).

Der Kläger hat am 07.08.2012 verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Er macht geltend, er habe die polnische Spedition nur bei der Einholung der für den Großraum- und Schwertransport erforderlichen Genehmigung unterstützt. Mit deren Erteilung durch die Stadt Bautzen sei seine Tätigkeit beendet gewesen. Für die eigentliche Durchführung des Transports sei der Disponent der polnischen Firma verantwortlich gewesen, der auch die erforderliche Polizeibegleitung beantragt habe. Er, der Kläger, sei weder über den Zeitpunkt noch die konkreten Umstände des Großraum- und Schwertransports informiert gewesen. Daher sei er auch nicht Schuldner der Gebühren für die Planung, Vorbereitung und Durchführung des Polizeieinsatzes zu dessen Begleitung. Insbesondere sei ihm diese öffentliche Leistung nicht im Sinne des allenfalls in Betracht kommenden §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 LGebG zuzurechnen. Die Stellung des Antrags auf Erteilung der erforderlichen Genehmigung bei der Stadt Bautzen reiche für die Zurechnung nicht aus. Bei einfacher gelagerten Sachverhalten werde der Antrag von einem Mitarbeiter des Speditionsunternehmens gestellt. Diesem würden die Gebühren für die Polizeibegleitung auch nicht auferlegt. Für ihn, den Kläger, könne nichts anderes gelten. – Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Freiburg habe er in dem Antrag auf Erteilung der Genehmigung für den Großraum- und Schwertransport auch nicht die Übernahme der Haftung für dadurch verursachte Schäden erklärt. Bei der Haftungserklärung im Antrag sei er – wie auch sonst – als bevollmächtigter Vertreter der polnischen Spedition tätig geworden. Er sei deren Gehilfe gewesen und nicht als Bürge für eine ausländische Spedition aufgetreten, denn anderenfalls wäre er unübersehbaren Haftungsansprüchen ausgesetzt, auf die er keinen Einfluss habe. – Schließlich sei es auch ermessensfehlerhaft, anstelle der ebenfalls in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen polnischen Spedition ihn zur Zahlung der Gebühren zu verpflichten. Der Beklagte wolle damit nur die öffentliche Aufgabe der Gebührenbeitreibung auf ihn als Privaten abwälzen. Im Falle von Zweifeln an der Solvenz der polnischen Spedition bzw. der Durchsetzbarkeit der Gebührenforderung auf dem Rechtsweg könne das Regierungspräsidium Freiburg einen Vorschuss verlangen. Dessen Berechnung sei leicht möglich, weil die Fahrstrecke in der Genehmigung des Großraum- und Schwertransports festgelegt sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.08.2012 aufzuheben.

das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Gemäß §§ 1 Abs. 1 PolG, 1, 2, 4 und 5 LGebG i. V. m. Nr. 15.1.1 und 15.1.2 der GebVO IM sei für die Planung, Vorbereitung und Durchführung des Polizeieinsatzes zur Begleitung des Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ zu Recht eine Gebühr i. H. v. 89 € gegen den Kläger festgesetzt worden. Diese öffentliche Leistung sei dem Kläger auch individuell zurechenbar i. S. d. § 2 Abs. 3 LGebG. Weil er die zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten erforderliche Erlaubnis für ausländische Speditionen gewerbsmäßig beantrage, habe er ein eigenes wirtschaftliches Interesse an ihrer polizeilichen Begleitung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei jedes materielle oder immaterielle Interesse ausreichend. Die Voraussetzungen für die individuelle Zurechenbarkeit aus § 2 Abs. 3 Satz 1 LGebG seien daher zweifellos gegeben, zumal der Kläger durch die polizeiliche Begleitung des Groß- und Schwertransports auch individuell begünstigt werde. Ohne den vom Kläger bei der Stadt Bautzen gestellten Antrag, wäre die hier abgerechnete öffentliche Leistung auch nie erbracht worden. Mithin habe sie der Kläger durch den Antrag erst ausgelöst und damit auch i. S. d. § 2 Abs. 3 Satz 2 LGebG. verantwortlich veranlasst. – Der Kläger bilde mit der Spedition auch funktional eine Einheit. Denn mit dem Antrag bei der Stadt Bautzen habe er die Übernahme der Haftung für alle durch den Groß- und Schwertransport verursachten Schäden übernommen. Die polnische Spedition habe zwar vor der Durchführung des Transports bestätigen müssen, dass sie von allen Bedingungen und Auflagen der Großraum- und Schwertransporterlaubnis Kenntnis genommen habe. Dadurch werde der Kläger von seinen Pflichten jedoch nicht entlastet. – Das Regierungspräsidium Freiburg sei auch nicht verpflichtet gewesen, im Rahmen des ihm in § 5 Abs. 2 LGebG eingeräumten Ermessens die polnische Spedition als den anderen Gesamtschuldner vorrangig in Anspruch zu nehmen. Die Erfahrung lehre, dass ausländische Speditionen die Gebühren oft nicht bezahlten und die Rechtsverfolgung dann schwierig und oft wenig erfolgversprechend sei. Während die Erhebung einer Vorausleistung bei der ausländischen Spedition zu einer „doppelten“ Bearbeitung und zu einem unvertretbaren Mehraufwand führe, könne der Kläger seinen (ausländischen) Vertragspartner leicht auch zur Erstattung der Gebühr für die polizeiliche Begleitung des Großraum- und Schwertransports verpflichten.

Dem Gericht liegt die Akte des Regierungspräsidiums Freiburg vor. Darauf sowie auf die Gerichtsakte wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berichterstatter entscheidet im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).

Die gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, 15 Abs. 1 Satz 1 AG VwGO ohne vorherige Durchführung des Widerspruchsverfahrens zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.08.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Kläger ist nicht Schuldner der in diesem Bescheid festgesetzten Verwaltungsgebühr in Höhe von 83 € i.S. des § 5 LGebG. Die Schuldnerschaft des Klägers könnte sich allein aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 LGebG ergeben. Denn er hat weder die Gebühren- und Auslagenschuld eines anderen durch eine gegenüber der Behörde abgegebene schriftliche Erklärung übernommen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 LGebG) noch haftet er dafür kraft Gesetzes (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 LGebG). Die abgerechnete öffenliche Leistung ist dem Kläger jedoch auch nicht i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 1 LGebG zuzurechnen. Er hat sie nicht verantwortlich veranlasst (§ 2 Abs. 3 Satz 2 LGebG), und sie ist auch nicht in seinem Interesse erbracht worden (§ 2 Abs. 3 Satz 1 LGebG).

Eine öffentliche Leistung wird verantwortlich veranlasst (§ 2 Abs. 3 Satz 2 LgebG), wenn sie willentlich herbeigeführt wird, insbesondere durch Stellung eines Antrags (vgl. Schlabach, Gebührenrecht der Verwaltung in Baden-Württemberg, RN 44 zu § 2 LGebG, Stand: Mai 2007). Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Freiburg hat der Kläger einen solchen, seine Gebührenschuldnerschaft begründen den Antrag jedoch nicht gestellt, wie die nachfolgenden Überlegungen zeigen.

Das Regierungspräsidium Freiburg hat die streitige Gebühr gestützt auch §§ 1 Abs. 1 PolG, 1, 2, 4 und 5 LGebG i.V. mit Nr. 15.1.1 und 15.1.2 des Gebührenverzeichnisse zur GebVO IM für die Planung, Vorbereitung und Durchführung der polizeilichen Begleitung des Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ am 31.07.2012 erhoben. Der Kläger hat allerdings am […].2012 bei der Stadt Bautzen nur den Antrag auf Erteilung der für die Durchführung dieses Großraum- und Schwertransports nach § 29 Abs. 3 StVO erforderlichen Erlaubnis bzw. der Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StVO gestellt. Dagegen sind sich die Beteiligten einig, dass nicht der Kläger, sondern die polnische Spedition an die Polizei mit dem Anliegen herangetreten ist, die für den Großraum- und Schwertransport erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen. Der Kläger hat dazu unwidersprochen vorgetragen, seine Verpflichtungen gegenüber der polnischen Spedition seien mit der Einholung/Erteilung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung der Stadt Bautzen erfüllt gewesen. Mit der Durchführung des Großraum- und Schwertransports sei er nicht mehr befasst gewesen; das habe die polnische Spedition ohne seine Hilfe gemacht. Er habe nicht einmal Kenntnis vom genauen Zeitpunkt und den einzelnen Umständen gehabt.

Der Kläger hat die hier abgerechnete öffentliche Leistung auch sonst nicht willentlich veranlasst. Dass er durch seinen Antrag auf Erteilung der für die Durchführung dieses Großraum- und Schwertransports nach § 29 Abs. 3 StVO erforderlichen Erlaubnis bzw. der Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StVO bei der Stadt Bautzen erst die Voraussetzungen für die Planung, Vorbereitung und Durchführung der polizeilichen Begleitung des Großraum- und Schwertransports der polnischen Spedition „B[…]“ am 31.07.2012 und damit für die Erfüllung des Gebührentatbestands geschaffen hat, reicht dafür nicht aus.

Die damit zu bejahende Ursächlichkeit der Einholung der Bewilligung/Ausnahmegenehmigung für die Erbringung der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung (ohne Bewilligung kein von der Polizei begleiteter Großraum- und Schwertransport und folglich auch keine Verwaltungsgebühr) genügt für eine willentliche Veranlassung und damit eine Zurechnung im gebührenrechtlichen Sinne gegenüber dem Kläger indessen nicht. An der Zurechenbarkeit fehlt es, wenn Dritte einen maßgeblichen Einfluss auf die Verursachung der öffentlichen Leistung haben (vgl. dazu VGH Bad.-Württ. Urt. v. 26.01.2009 – 1 S 1678/07 -, NVwZ-RR 2009, 329 zur Frage der Erhebung einer Verwaltungsgebühr für eine versammlungsrechtliche Auflage nach § 15 Abs. 1 VersG beim Anmelder einer Versammlung). So liegen die Dinge hier.

Allerdings kann sich der Kläger nicht darauf berufen, die Durchführung des Großraum- und Schwertransports habe allein in den Händen der polnischen Spedition gelegen, weshalb er auf die konkreten Umstände überhaupt keinen Einfluss mehr gehabt habe. In der vom Kläger einholten Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung ist der Fahrweg genau bestimmt. Unter welchen Voraussetzungen eine polizeiliche Begleitung des Großraum- und Schwertransports erforderlich ist, ergibt sich aus Nr. 131 der Verwaltungsvorschrift zu § 29 StVO (abgedruckt bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., 2011, vor der Komm, zu § 29 StVO). Damit stand wegen des dem Großraum- und Schwertransports vorgegebenen Fahrwegs von Anfang an fest, dass eine polizeiliche Begleitung erforderlich sein würde.

Gleichwohl war die polnische Spedition von Anfang an in einer den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden Weise Herrin des Verfahrens.

Zunächst ist zu beachten, dass auch nach Einholung der erforderlichen Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung die Entscheidung, ob der Großraum- und Schwertransport durchgeführt wird, allein bei ihr lag. Die abgerechnete Gebühr ist aber erst aufgrund dieser Entscheidung entstanden.

Mit der Entscheidung für die Durchführung des Großraum- und Schwertransports stand wegen der Festlegung des Fahrwegs in der Bewilligung/Ausnahmegenehmigung zwar fest, dass überhaupt eine gebührenpflichtige Polizeibegleitung erforderlich ist. Wie hoch die Gebühren sein würden, war aber noch abhängig von den konkreten Umständen der Durchführung des Transports (etwa Zeit mit starker oder schwacher Verkehrsbelastung). Dazu sind in der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung aber keine Regelungen enthalten; die polnische Spedition hatte hier einen nur durch polizeiliche Vorgaben begrenzten Entscheidungsspielraum, auf den der Kläger keinen Einfluss mehr nehmen konnte. All das steht der Zurechnung im Sinne einer willentlichen Veranlassung entgegen.

Verantwortlich veranlasst sind auch solche öffentliche Leistungen, die im „Pflichtenkreis“ des Gebührenschuldners erbracht werden, ohne dass es dabei auf die willentliche Herbeiführung im oben beschriebenen Sinne ankommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.1999 – 8 C 12.98 -, BVerwGE 109, 272). Auch danach ist dem Kläger die hier streitige öffentliche Leistung indessen nicht individuell zurechenbar. Die polizeiliche Begleitung des Großraum- und Schwertransports diente zwar zur Beherrschung der damit verbundenen Gefahren. Da – wie ausgeführt – für dessen Durchführung allein die polnische Spedition zuständig war und dem Kläger insoweit weder Pflichten oblagen noch Einflussmöglichkeiten zustanden, sind diese Gefahren indessen nicht seinem, sondern dem Pflichtenkreis der polnischen Spedition zuzuordnen (zur Haftung für durch den Transport verursachte Schäden näher unten).

Die abgerechnete öffentliche Leistung wurde auch nicht i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 LGebG im Interesse des Klägers erbracht.

Dieses Tatbestandsmerkmal knüpft an die Definition der Gebühr als einer öffentlichrechtlichen Geldleistung an, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt wird und dazu bestimmt ist, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Die Gebühr setzt also eine gegenüberstehende Leistung voraus und soll ein finanzieller Ausgleich für diese sein. Deshalb muss die gebührenpflichtige Leistung an eine besondere Verantwortlichkeit der gebührenpflichtigen Person anknüpfen. Die öffentliche Leistung muss dem Gebührenpflichtigen mit anderen Worten einen größeren Nutzen bringen als der Allgemeinheit (vgl. dazu VGH Bad.-Württ. Urt. v. 26.03.2009 – 2 S 2036/07 -, juris mit Nachweisen aus der Rspr. des BVerfG). Daran fehlt es indessen.

Der Beklagte bezieht sich darauf, dass der Kläger seine Leistung, die Einholung von Erlaubnissen und Ausnahmegenehmigungen nach der Straßenverkehrsordnung, gewerbsmäßig erbringt. Dahinter steht der Gedanke, dass der Kläger sein Gewerbe nur ausüben kann, weil nach Einholung der erforderlichen Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen die Durchführung des Transports durch die polizeiliche Begleitung überhaupt erst ermöglicht wird, oder mit anderen Worten, ohne die Polizeibegleitung der Großraum- und Schwertransporte bekäme der Kläger zukünftig keine Aufträge zur Einholung der erforderlichen Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen mehr und müsste seine Tätigkeit einstellen.

Ob das in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, mag dahin stehen. Der Zurechnung stehen rechtliche Gesichtspunkte entgegen.

Allerdings ist es richtig, dass grundsätzlich auch wirtschaftliche Vorteile für die Zurechnung der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung als im Interesse des Gebührenschuldners erbracht ausreichen. In der Rechtsprechung wird dann aber immer ein spezifischer und individualisierbarer Bezug zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Gebührenschuldners verlangt. So hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Flugsicherheitsgebühr für die Sicherheitskontrollen am Flughafen vor dem Zugang zum Flugzeug den Fluggesellschaften individuell zurechenbar sind, weil sie diese in spezieller und individualisierbarer Weise betreffen und ihnen daher nach dem Vorteilsprinzip zurechenbar sind. Denn diese Kontrollen sind final auf die Sicherheit des Flugs hin ausgerichtet, verringern das Risiko eines Überfalls auf das Flugzeug, führen objektiv zu einem Sicherheitsgewinn und erhöhen subjektiv das Sicherheitsgefühl der Passagiere und der Besatzung (vgl. Kammerbeschi. v. 11.08.1998 – 1 BvR 1270/94 -, NVwZ 1998, 1220). An einer solchen finalen Beziehung fehlt es hier. Die polizeiliche Begleitung dient nur der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit u.a. auch dem Schutz der Speditionsfahrzeuge vor unfallbedingten Schäden. Dem Kläger kommt sie allenfalls mittelbar zu Gute.

Das Bundesverfassungsgericht hat weiter für Recht erkannt, dass nicht nur dem Charterer, sondern auch dem Eigner eines Schiffs die Hafengebühren auferlegt werden können. Der aus dem Betrieb des Hafens für den Schiffseigner resultierende Vorteil besteht darin, dass ihm so überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet wird, sein Schiff bestimmungsgemäß zu verwenden. Denn ohne Häfen könnte er keine Charterverträge abschließen und sein Schiffseigentum auch sonst nicht zweckentsprechend nutzen (Beschl. v. 12.10.1994 – 1 BvL 19/90 -, BVerfGE 91, 207). Beim Kläger liegen die Dinge anders. Er ist für die Ausübung seiner Tätigkeit nicht in dieser spezifischen Weise darauf angewiesen, dass die Transporte, für die er die Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung eingeholt hat, dann von der Polizei begleitet werden.

Das ergibt sich zunächst aus den Vertragsbeziehungen zwischen dem Kläger und den Transportunternehmen. Der Kläger schuldet diesen die Einholung der jeweils für den konkreten Transport erforderlichen Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen.

Mit deren Erteilung hat er gegen das Transportunternehmen den zivilrechtlichen Anspruch auf seine Gegenleistung. Von der Durchführung des Transports ist dieser nicht abhängig. Zu beachten ist auch, dass ein Großraum- und Schwertransport eine polizeiliche Begleitung nicht zwingend voraussetzt. Eine polizeiliche Begleitung bzw. sonstige polizeiliche Maßnahmen sind folglich nach Nr. 131 und 132 VwV zu § 29 StVO auch nicht bei jedem Großraum- und Schwertransport vorgeschrieben.

Nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg können die Kosten einer Badegewässeruntersuchung dem Betreiber eines nahegelegenen Campingplatzes mit Bademöglichkeit im untersuchten See zugerechnet werden. Sein spezifischer und individualisierbarer Vorteil besteht darin, dass die Überwachung der Gewässergüte einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg seines Betriebs leistet, weil er mit der Sauberkeit des Sees werben kann (Urt. v. 26.03.2009 – 2 S 2036/07 -, juris).

An einem solchen Vorteil fehlt es im Falle des Klägers. Während die Besucher einen bestimmten Campingplatz vielleicht wegen der besseren Qualität des Badegewässers auswählen mögen, ist die Entscheidung der Speditionsunternehmen für die Inanspruchnahme der Hilfe des Klägers von anderen Kriterien (etwa der Komplexität des Antragsverfahrens) abhängig. Denn die polizeiliche Begleitung eines Großraum- und Schwertransports ist allein von der Gefahrenlage im Straßenverkehr abhängig.

Wer die die dafür erforderliche Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung eingeholt hat, ist dagegen ohne Belang.

In allen oben dargelegten Fallgruppen kommt der mit der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung verbundene wirtschaftliche Vorteil dem Gebührenschuldner auch zwangsläufig und unmittelbar zu Gute. Auch daran fehlt es beim Kläger.

Wie dargelegt, besteht der Vorteil für den Kläger höchstens darin, dass die Existenz des Speditionsunternehmens gesichert wird und er dann in der Zukunft wieder Aufträge zur Einholung von straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnissen/Ausnahmegenehmigungen erhalten kann. Ob der Kläger von dem Vorteil tatsächlich profitiert, hängt mithin davon ab, dass die Speditionsunternehmen auch in Zukunft wieder ihn beauftragen, anstatt die erforderlichen Erlaubnisse/Ausnahmegenehmigungen durch eigene Mitarbeiter selbst einzuholen. Im letztgenannten Fall haben ausschließlich die Speditionsmitarbeiter über die Sicherung ihres Arbeitsplatzes einen Vorteil.

Ein solcher nur über Zwischenschritte vermittelter Vorteil reicht für die gebührenrechtlich relevante Zurechnung der öffentlichen Leistung nicht aus. Zutreffend weist der Kläger daraufhin, dass jedenfalls die Mitarbeiter der Spedition, die über die Sicherung ihres Arbeitsplatzes auf jeden Fall von der Durchführung des Großraum- und Schwertransports profitieren, zu Recht nicht als Gebührenschuldner in Anspruch genommen werden.

Auch dem Argument des Beklagten, der Kläger habe aus der Polizeibegleitung des Großraum- und Schwertransports einen die Zurechnung dieser öffentlichen Leistung rechtfertigenden Vorteil, weil er im Antrag auf Erteilung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung die Haftung für alle durch den Transport verursachten Schäden übernommen habe, ist nicht zu folgen. Diese Haftungsübernahmeerklärung ist dahin auszulegen, dass der Kläger die Haftung nicht selbst übernommen, sondern insoweit als Vertreter der polnischen Spedition gehandelt hat.

Der Kläger hat den Antrag bei der Stadt Bautzen zwar im eigenen Namen gestellt.

Denn im Antragsvordruck ist unter der Rubrik „Antragsteller“ seine Firma genannt.

Gleichwohl ergibt sich aus dem Antrag, dass er die Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung nicht für sich selbst, sondern für die polnische Spedition beantragt hat. Denn unter der Überschrift „Zur Verfügung von“ ist deren Firma angegeben. In der Sache heißt das, dass der Kläger bei der Antragstellung zwar im eigenen Namen aufgetreten ist, die erforderliche Erlaubnis aber – als Verfahrensstandschafter – für die polnische Spedition beantragt hat. In der Rechtsprechung ist dazu geklärt, dass die Antragstellung strikt von der Frage zu trennen ist, wer materiell Inhaber der straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis ist (vgl. OVG-NRW, Beschl. v. 26.02.1992 – 13 B 149/92 -, VRS 83, 298). Davon, dass die Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung der polnischen Spedition erteilt wurde, ist auch der Beklagte ausgegangen, denn wenn diese nicht Inhaberin der erforderlichen Erlaubnisse gewesen wäre, hätte der Großraum- und Schwertransport nicht von ihr, sondern nur vom Kläger durchgeführt werden dürfen. So wurde aber nicht verfahren.

Die Straßenverkehrsbehörde (Stadt Bautzen) konnte aber nicht annehmen, dass der Kläger unter diesen Umständen die Haftung für alle von der polnischen Spedition bei der Durchführung des Großraum- und Schwertransports verursachten Schäden übernehmen will, zumal die damit verbundenen Haftungsrisiken in keiner Relation zu seinem Lohn für die Beschaffung der Erlaubnis/Ausnahmegenehmigung stehen dürften.

Konsequent dazu heißt es im Antragsvordruck über dem Text der Erklärung zur Haftung: „Handelt der Antragsteller im Auftrag eines anderen, ist eine Vollmacht diesem Antrag beizufügen“.

Auch der unter der Erklärung zur Haftung gleichfalls ausgesprochene Anspruchsverzicht für den Fall, dass die Straßenbeschaffenheit nicht den besonderen Anforderungen des Transports entspricht, macht nur Sinn, wenn der Kläger insoweit nicht im eigenen, sondern im Namen der polnischen Spedition handelt, denn nur dieser können solche Ansprüche ggf. zustehen. Der Kläger kann darauf im eigenen Namen aber nicht verzichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.“

VG Freiburg, Urteil vom 29.1.2013 – 3 K 1513/12

Verurteilung eines Bestellers in einem Vergütungsprozess zur Zahlung der Vergütung Zug-um-Zug gegen Beseitigung bestehender Mängel und die daraus folgende Kostenentscheidung

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 10.8.2011 – 20 C 321/10) führt ein wirksames Zurückbehaltungsrecht eines Bestellers aufgrund einer mangelhaft durchgeführten Reparatur in einem Prozess auf Zahlung der Vergütung nicht zur Klageabweisung, sondern zur Verurteilung des Bestellers zur Zahlung der Vergütung Zug-um-Zug gegen Beseitigung der bestehenden Mängel.  Soweit der Besteller als Beklagter anstelle der vorgenannten Zug-um-Zug Verurteilung eine Klageabweisung beantragt, trägt er anteilig die Kosten des Verfahrens.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Zahlung einer Vergütung für eine Fahrzeugreparatur. Der Beklagte beauftragte den Kläger, verschiedene Reparaturen an seinem Pkw […] vorzunehmen. Nachdem der Kläger die Reparaturen vorgenommen hat, berechnete er dem Beklagten hierfür einen Betrag von 814,34 €. Einen Betrag i.H.v. 100,00 € zahlte der Beklagte; den Rest zahlte er nicht.

[…]

Dem Beklagten steht jedoch teilweise ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 III BGB zur Seite, weil der Kläger die Reparatur nicht mangelfrei ausgeführt hat. Das Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängel nach § 641 III BGB führt allerdings – im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Beklagten – nicht zur Klageabweisung. Vielmehr führt es im Vergütungsprozess zur Verurteilung zur Zahlung Zug-um-Zug gegen Behebung der bestimmt zu bezeichnenden Mängel (Palandt-Sprau, § 641 Anm. 17 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies hat zwar den Nachteil, dass die Prüfung der Frage, ob die Mängel ordnungsgemäß beseitigt wurden, in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert wird, was unpraktikabel ist. Dieser Nachteil ist allerdings hinzunehmen, weil nach dem Gesetz der Vergütungsanspruch auch bei einem mangelhaften Werk fällig werden kann und damit die Vorleistungspflicht des Unternehmers zur Herstellung des Werks endet.

[…]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte insoweit unterlegen ist, als er Klageabweisung (statt Verurteilung Zug-um-Zug gegen Mängelbeseitigung) beantragt hat und nicht alle von ihm behaupteten Mängel beweisen konnte.“

AG Bautzen, Urteil vom 10.8.2011 – 20 C 321/10

Darlegungs- und Beweislast für eine Kostengrundentscheidung nach einem gerichtlichen Vergleich

Durch das Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden, Beschluss vom 4.8.2009 – 14 W 0455/09) wurde zur Darlegungs- und Beweislast im Rahmen einer Kostengrundentscheidung nach einer Beendigung eines Prozesses im Wege eines Vergleichs entschieden:

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„1. Auf die  sofortige Beschwerde  der Beklagten  zu 3)  und 4)  wird der  Beschluss des  Landgerichts  Leipzig  vom 03.04.2009 – Az. 5 0 190/08 – abgeändert:

Die Klägerin  hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3)  und der Beklagten zu 4)  zu tragen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

[…]

Gründe:

Die  nach §§  91a Abs.   2, 567  Abs. 1 Nr. 1  ZPO  zulässige sofortige Beschwerde  hat Erfolg. Im Verhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 3)  und 4)  hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Landgericht  hat nach  dem zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens auf  die Hauptsache beschränkten gerichtlichen Vergleich vom 24.02.2009, mit welchem die Kostenfrage zur streitigen  Entscheidung gestellt  wurde, mit  Beschluss vom  03.04.2009 eine  Kostenaufhebung vorgenommen. Zu Recht hat es  sich dabei  nicht am Inhalt des Hauptsachevergleichs orientiert. Maßgeblich ist nach § 91a ZPO vielmehr der bisherige Sach- und Streitstand. Die Last der Verfahrenskosten hat deshalb diejenige Partei  zu treffen, die bei summarischer Würdigung des bisherigen Prozessstoffs voraussichtlich unterlegen wäre (vgl. BGH JZ 65, 258).

Bei  streitiger Fortführung des Verfahrens wäre die Klägerin voraussichtlich  mit ihrem  Unterlassungsbegehren  gegenüber den Beklagten zu 3) und 4) nicht durchgedrungen, so dass sie hierfür nach § 91 ZPO die Kosten zu tragen gehabt hätte.

Einen  Verstoß der Beklagten zu 1)  und 2)  und/oder des Herrn […] gegen  § 17 UWG unterstellt,könnte sich eine  Haftung der Beklagten zu 3) und 4) aus einer Geheimnishehlerei  nach § 17  Abs. 2 Nr.  2  UWG i.V.m. §§3,4 Nr. 11 UWG  allenfalls bei  Kenntnis vom unbefugten Verhalten der vorbezeichneten  Personen ergeben  (vgl. BGH, Urteil vom  19.12.2002  –  I ZR 119/00,   GRUR  2003,   453  – Verwertung  von Kundenlisten).  Dass die Beklagten zu 3)  und 4) in Kenntnis eines solchen Verhaltens ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis unbefugt verwertet oder mitgeteilt hätten, ist  von der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht unter Beweisantritt dargetan und auch ansonsten nicht ersichtlich.

1. Die Beklagten zu 3) und 4) haften nicht für  einen hier zu unterstellenden Verstoß  der Beklagten zu 1) und 2) und/oder des Herrn […] kraft Zurechnung. Das  gilt sogar  für die  sehr weitgehende, verschuldensunabhängige Haftung des Unternehmensinhabers für Beauftragte nach § 8 Abs. 2 UWG. Danach werden dem Inhaber des Betriebs Zuwiderhandlungen seiner Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation seines Betriebs die Verantwortung  für das Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen  soll. Kommen  ihm die Wettbewerbshandlungen seiner Beauftragten zugute,  so soll  er sich nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können (vgl. BGH, GRUR  1990,  1039,   1040 – Anzeigenauftragt). Hier liegt der den Beklagten  zu 1)   und 2) und Herrn […] angelastete Verstoß  jedoch in dem Geheimnisschutz begründet. Bei Herrn […] rührt  der zu unterstellende Verstoß zudem aus seiner früheren Tätigkeit für die  Klägerin her. Das hat mit der arbeitsteiligen Organisation der Beklagten zu 4), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 3) ist, nichts zu tun, so dass der Zweck der Haftungszurechnung nach § 8 Abs. 2 UWG nicht eingreift  (BGH, GRUR  2003, 453  – Verwertung von Kundenlisten).

2. Auch eine eigenständige Haftung der Beklagten zu 3)  und 4) scheidet aus.

a) Die Voraussetzungen von  § 17 Abs. 2  UWG  sind  nicht erfüllt.  Zwar hat  die Beklagte zu 4), vertreten durch den Beklagten  zu 3),  die Beklagte  zu  2),  vertreten durch  den Beklagten  zu 1),  mit der  Erstellung eines Konzepts für  die  Errichtung  eines  Entsorgungs- und Verwertungszentrums […] beauftragt. Das mag den hier zu  unterstellenden Wettbewerbsverstoß der Beklagten zu  1)  und 2)  und/oder des Herrn […] gefördert haben. Eine Haftung der Beklagten zu 3) und 4) aus § 17  Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V.m. §§ 3,  4 Nr. 11 UWG könnte sich aber allenfalls bei Kenntnis eines solchen Wettbewerbsverstoßes  ergeben (BGH, aaO – Verwertung von Kundenlisten).

Auch  die Beschwerdegegnerin geht von  dem Erfordernis einer solchen Kenntnis aus, wenn sie in ihrer Abmahnung vom  […] die eingeforderte Unterlassungserklärung davon abhängig macht, dass die Beklagten zu  3)  und 4)  „von dem Geheimnisverrat bzw. der Mitwirkung des Herrn […] gewusst  und/oder ihn dazu veranlasst haben“.

Für eine  solche Kenntnis  ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig.  Ihrer Darlegungs-  und Beweislast kann sie  sich nicht dadurch entledigen, dass sie – wie in  der Abmahnung  und im  Prozess bis  zum Beschwerdeverfahren –  einen  Anschein  für  einen  vorsätzlichen Wettbewerbsverstoß annimmt,  den die  Beklagtenseite zu zerstreuen habe.  Die Voraussetzungen für einen Beweis des  ersten Anscheins (vgl. nur Zöller, ZPO, 27. Aufl., vor § 284 Rn. 29) sind weder dargetan noch ersichtlich. Die schlichte  Beauftragung zur  Erstellung eines  Konzepts  lässt jedenfalls nicht auf einen Geheimnisverrat schließen.

Ob die  Beklagten zu 3)  und 4) erst mit Klagezustellung Kenntnis von  den Anlagen  K […] erhielten, kann hier dahinstehen. Auch  für den  Fall, dass die Unterlagen – wie  die Beschwerdegegnerin  vorträgt – bei der Hausdurchsuchung am […] aufgefunden wurden, ergibt sich  nichts anderes. Ein Wettbewerbsverstoß durch die Beklagten zu  1)  und 2)  und/oder Herrn […] oder die  Mitarbeiter des  Unternehmens […] ist daraus nicht ohne weiteres ersichtlich. Vor allem aber wäre eine  solche Kenntnis  erst nach dem unterstellten
Wettbewerbsverstoß erlangt  worden. Dass  die Beklagten zu 3) und 4) nach der behaupteten Kenntniserlangung einen eigenen Wettbewerbsverstoß begangen haben oder sich an einem  fremden Wettbewerbsverstoß  beteiligt  haben, ist weder  unter Beweisantritt  dargetan noch ansonsten ersichtlich.

b) Auch eine Haftung  der Beklagten  zu  3) und 4)  als wettbewerbsrechtliche Störer ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs  auf die täterschaftliche Verletzung von Verkehrspflichten  abzustellen ist (BGH, Urteil vom 12.07.2007  – I ZR 18/04,  Jugendgefährdende Medien bei eBay,  BGHZ 173,  188), ergibt  sich hier  eine Haftung weder aus  der Verletzung  von  Verkehrspflichten  noch als Störer. Beides würde voraussetzen, dass der Wettbewerbsverstoß  für den mittelbaren Störer erkennbar ist. Als die Beklagten zu 3) und 4) jedoch allenfalls Kenntnis von  den Unterlagen K […] erhielten, war ein hier zu unterstellender Geheimnisverrat längst begangen und nicht  ohne weiteres  erkennbar. Auch  wenn er aber
für  sie zu  ermitteln gewesen  wäre, hätten sie selbst in der  Folge keinen  Wettbewerbsverstoß begangen, sich nicht an einem fremden Wettbewerbsverstoß beteiligt und es nicht  unterlassen, pflichtwidrig  einen solchen  zu unterbinden.

3. Mangels  Beteiligung an  einem erkennbaren Wettbewerbsverstoß  entfällt auch die Vermutung der Wiederholungsgefahr. Für  einen  vorbeugenden  Unterlassungsanspruch aufgrund  einer Erstbegehungsgefahr ist hier kein Raum. Im  Unterschied   zur  Wiederholungsgefahr, für deren Vorliegen aufgrund  eines wettbewerbswidrigen Eingriffs eine Vermutung streitet, kann Erstbegehungsgefahr nicht vermutet werden. Sie lässt sich hier auch nicht aus den Äußerungen  der Beklagten  zu 3)  und 4)  im Rechtsstreit
ableiten. Die Behauptung, rechtmäßig gehandelt  zu haben, erfolgt  im Interesse  des Obsiegens im Prozess; einer solchen  Berühmung kann nicht ohne weiteres unterstellt werden,  das angegriffene Verhalten demnächst fortsetzen zu wollen. Deshalb  war hier eine Klarstellung, die  Berühmung allein  um der  Rechtsverteidigungswillen vorzunehmen, nicht erforderlich (vgl. BGH GRUR 2001,  1174,  1175  –  Berühmungsaufgabe).  Schließlich würde mit  einem vorbeugenden Unterlassungsanspruch die Unterlassungsklage auf einen neuen Klagegrund und damit einen  neuen Streitgegenstand  gestützt werden, dem das Gericht nicht  wegen einer aus dem Prozessverhalten der Beklagtenseite abgeleiteten  Erstbegehungsgefahr  nach kommen kann  (vgl. BGH  GRUR 2006,   429, 431 – Schlank-Kapseln; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap.  9 Rn. 5).“

OLG Dresden, Beschluss vom 4.8.2009 – 14 W 0455/09