Vergütungsumfang eines lediglich für einen Termin der Haftbefehlsverkündung bestellten Pflichtverteidigers

Der Kammerbeschluss des Landgerichts Neuruppin vom 25. März 2024 (Az. 11 Qs 9/24) befasst sich mit der Vergütung eines Pflichtverteidigers, der nur für den Termin der Haftbefehlsverkündung bestellt wurde. Das Gericht entschied, dass trotz der zeitlichen Begrenzung der Bestellung, der Pflichtverteidiger Anspruch auf die volle Vergütung hat, einschließlich der Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr. Dies begründet sich dadurch, dass auch eine zeitlich limitierte Bestellung eine inhaltlich und gebührentechnisch vollumfängliche Bestellung darstellt.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Beschluss

ln dem Strafverfahren gegen

[…]
Pflichtverteidiger (und Beschwerdeführer):
Rechtsanwalt Stephan M. Höhne,
Wallstraße 15, 02625 Bautzen,

weiterer Beteiligter (und Beschwerdegegner):
Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Neuruppin
[…]

wegen Computerbetruges

hier: Pflichtverteidigervergütung,

hat das Landgericht Neuruppin – 1. große Strafkammer als Beschwerdekammer in Kostensachen – […] am 25. März 2024 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts Stephan M. Höhne (im Folgenden: Beschwerdeführer) wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 15.12.2023 (Az. 84 Ds 50/20) aufgehoben. Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 03.11.2022 (Az. 84 Ds 50/20) abgeändert und der Tenor zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die dem Beschwerdeführer aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung (Gebühren und Auslagen) wird auf 685,44 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird der Vergütungsfestsetzungsantrag des Beschwerdeführers vom 17.08.2023 als unbegründet zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Die weitere Beschwerde zum Brandenburgischen Oberlandesgericht wird zugelassen.

Beschwerdewert: 491,47 Euro

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Neuruppin – Strafrichter – erließ im vorliegenden Strafverfahren am 29.09.2022 gegen den Angeklagten wegen unentschuldigten Ausbleibens in der Hauptverhandlung einen Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO […]. Der Angeklagte wurde am 16.08.2023 aufgrund dieses Haftbefehls festgenommen […] und dem Amtsgericht Bautzen am selben Tag nach § 115a Abs. 1 StPO zur Verkündung vorgeführt […].
Dort beantragte der Angeklagte – in Anwesenheit des bereits erschienenen Beschwerdeführers – nach der Vernehmung zu seinen Personalien ausdrücklich die Bestellung eines Pflichtverteidigers, woraufhin der Richter zu Protokoll folgenden Beschluss fasste […]:
Dem Beschuldigten wird RA Höhne, Bautzen, für den heutigen Termin der Haftbefehlsverkündung als Pflichtverteidiger beigeordnet, weil der Beschuldigte die Beiordnung beantragt hat.

Im weiteren Terminsverlauf erklärte der Beschwerdeführer für den Angeklagten, dass zum Sachverhalt keine Angaben gemacht würden und auch keine Anträge gestellt würden, zudem äußerte sich der Beschwerdeführer für den Angeklagten zu der Frage, ob dieser die Ladung zum Hauptverhandlungstermin überhaupt erhalten habe. Nach einer weitergehenden Erklärung des Angeklagten selbst zu seinen persönlichen Verhältnissen hielt der Richter telefonisch Rücksprache mit der zuständigen richterlichen Dezernentin beim Amtsgericht Neuruppin und setzte sodann – zwar im Einvernehmen mit der zuständigen Richterin, jedoch gleichwohl unter offenkundiger Überschreitung seiner Entscheidungszuständigkeit nach § 115a Abs. 2 StPO – durch zu Protokoll genommenen Beschluss den Haftbefehl außer Vollzug.

Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 17.08.2023 beim Amtsgericht Neuruppin die Festsetzung seiner Vergütung wie folgt beantragt […]:

– Grundgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4101 VV RVG) 216,00 Euro
– Verfahrensgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4107 VV RVG) 177,00 Euro
– Terminsgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4103 VV RVG) 183,00 Euro
– Auslagenpauschale (Nr. 7002 W RVG) 20,00 Euro
Zwischensumme: 596,00 Euro
– 19 % Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 113,24 Euro
Gesamtsumme: 709.24 Euro

Mit Beschluss vom 03.11.2023 […] hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts lediglich die geltend gemachte Terminsgebühr in Höhe von 183,00 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer von 34,77 Euro – mithin insgesamt 217,77 Euro – zu Gunsten des Beschwerdeführers festgesetzt und seinen Vergütungsantrag im Übrigen zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 09.11.2023 […] hat der Beschwerdeführer gegen diesen Beschluss Erinnerung eingelegt, welcher die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 28.11.2023 […] nicht abgeholfen hat. Die Strafrichterin hat die Erinnerung des Beschwerdeführers sodann mit Beschluss vom 15.12.2023 […] als unzulässig zurückgewiesen, allerdings ausweislich der Beschlussbegründung tatsächlich doch eine Sachentscheidung getroffen und darin anstelle der von der Rechtspflegerin festgesetzten Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG eine Einzeltätigkeitsgebühr nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG als entstanden angenommen, dies allerdings ohne diese mit 220,00 Euro (netto) bzw. 261,80 Euro (brutto) über dem bislang zugesprochenen Betrag liegende Vergütung nunmehr zu Gunsten des Beschwerdeführers festzusetzen. Gegen diesen ihm lediglich formlos übersandten und nach seinen Angaben erst am 05.01.2024 zugegangenen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 05.01.2024 Beschwerde eingelegt […], mit welcher er seinen ursprünglichen Vergütungsantrag in voller Höhe weiterverfolgt. Die Strafrichterin hat dieser Beschwerde mit Verfügung vom 12.01.2024 […] nicht abgeholfen. Mit Stellungnahmeverfügung vom 23.01.2024 […] hat der Beschwerdegegner ausgeführt, dass er lediglich eine Einzeltätigkeitsgebühr nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG als festsetzungsfähig ansehe.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Gegen den richterlichen Beschluss vom 15.12.2023 über die Erinnerung vom 09.11.2023 ist die nunmehr namens des Beschwerdeführers eingelegte Beschwerde vom 05.01.2024 gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG als befristete Beschwerde statthaft. Der Beschwerdewert liegt über 200,00 Euro und auch die zweiwöchige Frist aus § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG seit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung ist eingehalten. Zuständig ist dabei die Kammer, nachdem der geschäftsplanmäßig zuständige Einzelrichter ihr das Verfahren gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG zur Entscheidung übertragen hat.

In der Sache ist die befristete Beschwerde auch überwiegend begründet, denn das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Unrecht eine Festsetzung der durch den Beschwerdeführer geltend gemachten Gebühren abgelehnt.

Ausgangspunkt der Prüfung der einem Pflichtverteidiger aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütung ist dabei stets die gerichtliche Bestellungsentscheidung. Enthält bereits der Bestellungsbeschluss als Grundentscheidung Einschränkungen der Pflichtverteidigerbestellung in zeitlicher, inhaltlicher oder gebührentechnischer Hinsicht, so obliegt es dem bestellten Pflichtverteidiger – so diese Einschränkungen als rechtswidrig und ihn selbst beschwerend ansieht – bereits die Bestellungsentscheidung selbst aus eigenem Recht mit dem in § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO eröffneten Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anzufechten. Eine inzidente Überprüfung der Rechtmäßigkeit von in die Bestellungsentscheidung aufgenommenen Beschränkungen erst im Vergütungsfestsetzungsverfahren scheidet hingegen aus.

Entgegen dem Dafürhalten des Amtsgerichts und des Beschwerdegegners ergibt sich jedoch im vorliegenden Fall aus der im Bestellungsbeschluss vom 16.08.2023 vorgenommenen Beschränkung der Bestellung „für den heutigen Termin der Haftbefehlsverkündung“ gerade nicht, dass dem Beschwerdeführer für seine Tätigkeit lediglich die für den Termin angefallene Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG bzw. eine Einzeltätigkeitsgebühr nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG zustünde. So stellt eine allein in zeitlicher Hinsicht limitierte Pflichtverteidigerbestellung gleichwohl eine inhaltlich und gebührentechnisch vollumfängliche – wenn auch eben auf einen bestimmten Tätigkeitszeitraum beschränkte – Bestellung dar, weshalb auch der lediglich für einen bestimmten – sei es noch so kurzen – Zeitraum gerichtlich – sprich durch hoheitlichen Akt – bestellte Verteidiger vorbehaltlich des Hinzutretens besonderer Umstände sowohl berufsrechtlich als auch zivilrechtlich gegenüber seinem Mandanten zu einer umfassenden Führung der Verteidigung verpflichtet ist und daher die für die Einarbeitung in das Verfahren anfallende Grundgebühr, die für das jeweilige Verfahrensstadium vorgesehene Verfahrensgebühr sowie – falls in den Bestellungszeitraum wie hier eine Terminsteilnahme fällt – die entsprechende Terminsgebühr beanspruchen kann.

Die Kammer verkennt dabei nun keinesfalls, dass sich hierdurch häufig – und so auch hier – nicht unerhebliche Kosten für die Landeskasse bzw. letztendlich für den zumeist verfahrenskostenpflichtigen Angeklagten ergeben, und zugleich grundsätzlich ein legitimes Bedürfnis aller Verfahrensbeteiligten besteht, diese Mehrkosten so gut es geht zu vermeiden bzw. gering zu halten. Gerade die vorliegende Konstellation ist jedoch durch den Gesetzgeber im Rahmen der zum 13.12.2019 in Kraft getretenen Neuregelung des Rechts der Pflichtverteidigung bereits erkannt und einer abschließenden Lösung zugeführt worden. So stellt nach dieser Neuregelung im Grundsatz auch eine gerichtliche Vorführung aufgrund eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO einen Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO dar, dies allerdings nach Maßgabe des § 141 Abs. 2 Satz 2 StPO mit der Einschränkung, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers in diesem Fall nur dann erfolgt, wenn der Angeklagte dies nach Belehrung – nicht zuletzt über die Kostenfolgen – ausdrücklich verlangt. Vorliegend hat der Angeklagte zu Beginn des Termins nun genau einen solchen Antrag gestellt mit der Konsequenz, dass ihm der hierfür nach § 142 Abs. 2 Nr. 3 StPO zuständige verkündende Richter materiell-rechtlich sogar ohne zeitliche Beschränkung einen Pflichtverteidiger hätte bestellen müssen und eine spätere Aufhebung der Bestellung nach § 143 Abs. 2 Satz 3 StPO – ebenso wie die hierfür erforderliche Außervollzugsetzung des Haftbefehls selbst – dem Amtsgericht Neuruppin oblegen hätte. Dass nun also aufgrund der hier erfolgten Pflichtverteidigerbestellung – ungeachtet der aus Sicht der Kammer ohnehin rechtsfehlerhaften zeitlichen Begrenzung der Bestellung – für den Beschwerdeführer die volle Verteidigervergütung in Gestalt von Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr anfällt und hierfür zunächst die Landeskasse und später gegebenenfalls der Angeklagte einzustehen haben, unterlag mithin nach der eindeutigen gesetzgeberischen Regelungskonzeption ganz bewusst der Disposition durch den Angeklagten und entspricht im Ergebnis exakt dem, was der Gesetzgeber als Folge einer Antragstellung des Angeklagten vorhergesehen und hingenommen hat.
Da dem Angeklagten vor der Bestellung des Beschwerdeführers sodann auch noch kein anderer Pflichtverteidiger bestellt war, lag auch von vornherein kein Fall einer bloßen „Terminsvertretung“ vor, bei welcher auch nach dem Dafürhalten der Kammer in Fällen der konsensualen Bestellung eines Pflichtverteidigers für einen bestimmten Termin – hier einen auswärtigen Hafttermin – anstelle des regulären Pflichtverteidigers eine Beschränkung des Vergütungsanspruchs des „Terminsvertreters“ auf die für den wahrgenommenen Termin anfallende Terminsgebühr in Betracht kommt (siehe hierzu den Beschluss der Kammer vom 25.03.2024 – Az. 11 Qs 76/23 – sowie den Beschluss der 2. großen Strafkammer vom 04.09.2023 – Az. 22 KLs 10/22 -).

Mit Blick auf die in der Bestellungsentscheidung ausdrückliche getätigte Bestellung des Beschwerdeführers als Pflichtverteidiger – sprich als Verteidiger – scheidet es schließlich entgegen dem Dafürhalten des Beschwerdegegners auch aus, dem Beschwerdeführer anstelle der vollen Verteidigervergütung in Gestalt von Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr lediglich eine Einzeltätigkeitsgebühr nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG zuzusprechen. Die von diesem Gebührentatbestand abgedeckte bloße Beistandsleistung stellt – begrifflich ebenso wie in der Sache – etwas kategorial völlig anderes als eine Verteidigung dar. für welche sich die anfallenden Gebühren im Erkenntnisverfahren nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nach Abschnitt 1 des Teils 4 der Anlage 1 zum RVG richten. So erschöpft sich eine Beistandsleistung für einen Beschuldigten durch einen Rechtsanwalt in einem Termin darin, dem Beschuldigten im Hinblick auf die unmittelbaren Verhaltenserfordernisse im Termin beratend zur Seite zu stehen und auf die Wahrung der prozessualen Rechte des Beschuldigten im Terminsablauf zu achten, und ist nicht nur in zeitlicher, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht auf den Termin begrenzt. Die Verteidigung hingegen weist – auch wenn sie nach Maßgabe einer gerichtlichen Bestellungsentscheidung wie hier zeitlich nur in einem einzelnen Termin erfolgt – inhaltlich regelmäßig über den Termin hinaus, da sie auf Basis einer Vorbereitung auf den Verfahrensgegenstand in der Sache und einer hieraus entwickelten Verteidigungsstrategie zu erfolgen und auf die Erreichung der mit dem Angeklagten abgesprochenen Verteidigungsziele hinzuwirken hat. Dementsprechend hat der Beschwerdeführer im hier in Rede stehenden Termin auch ganz typisches Verteidigerhandeln an den Tag gelegt, indem er erklärt hat, inwieweit der Angeklagte Angaben zur Sache bzw. zur Person tätigen wird und dass keine Anträge gestellt werden, insbesondere aber indem er argumentativ mittels eines Hinweises auf einen angeblich nicht erfolgten Ladungszugang die tatbestandlichen Grundlagen des Haftbefehls in Zweifel zu ziehen und hierdurch eine dem Angeklagten günstige richterliche Haftentscheidung herbeizuführen gesucht hat.

Da schließlich die für einen Pflichtverteidiger als gerichtlich bestellten Rechtsanwalt anfallenden Gebühren ihrer Höhe nach jeweils gesetzlich fixiert sind, kann der Beschwerdeführer seine Vergütung insoweit unabhängig von seinem tatsächlich vor, in, am Rande und im Nachgang des Termins betriebenen Verteidigungsaufwand – und damit im Ergebnis wie von ihm beantragt – beanspruchen. Dies gilt hingegen nicht für die von ihm geltend gemachte Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG, nachdem der Beschwerdeführer nach Aktenlage ausschließlich in dem Termin vor dem Amtsgericht Bautzen für den Angeklagten aufgetreten ist und er außerhalb dieses Termins erfolgte Kommunikation mit dem Angeklagten oder Dritten nicht behauptet hat. Die dem Beschwerdeführer zustehende Vergütung berechnet sich nach alledem wie folgt:

– Grundgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4101 VV RVG) 216,00 Euro
– Verfahrensgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4107 VV RVG) 177,00 Euro
– Terminsgebühr (mit Zuschlag) (Nr. 4103 VV RVG) 183,00 Euro
Zwischensumme: 576,00 Euro
– 19 % Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 109,44 Euro
Gesamtsumme: 685,44 Euro

Die Gebührenfreiheit dieses Beschwerdeverfahrens sowie die Nichterstattung von Kosten ergeben sich aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 RVG.

Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. 33 Abs. 6 Satz 1 RVG die weitere Beschwerde zum Brandenburgischen Oberlandesgericht zuzulassen, da die zur Entscheidung stehende Frage grundsätzliche Bedeutung hat. Die vorliegend entscheidungserhebliche Rechtsfrage, welche Gebühren ein ausweislich des jeweiligen Bestellungsbeschlusses ausdrücklich nur für einen bestimmten Tag bzw. einen bestimmten Termin bestellter Pflichtverteidiger beanspruchen kann, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten (siehe etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.02.2023 – 2 Ws 13/23 – m.w.N.), wobei die zu diesem Themenkreis im weiteren Sinne zuletzt veröffentlichte Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts – soweit ersichtlich – aus dem Jahr 2009 stammt (OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.08.2009 – 2 Ws 111/09 -) und mithin auf die Zeit vor den zum 13.12.2019 in Kraft getretenen umfangreichen Änderungen des Rechts der Pflichtverteidigung datiert.“

LG Neuruppin, Kammerbeschluss vom 25. März 2024 – 11 Qs 9/24

Verurteilung eines Bestellers in einem Vergütungsprozess zur Zahlung der Vergütung Zug-um-Zug gegen Beseitigung bestehender Mängel und die daraus folgende Kostenentscheidung

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 10.8.2011 – 20 C 321/10) führt ein wirksames Zurückbehaltungsrecht eines Bestellers aufgrund einer mangelhaft durchgeführten Reparatur in einem Prozess auf Zahlung der Vergütung nicht zur Klageabweisung, sondern zur Verurteilung des Bestellers zur Zahlung der Vergütung Zug-um-Zug gegen Beseitigung der bestehenden Mängel.  Soweit der Besteller als Beklagter anstelle der vorgenannten Zug-um-Zug Verurteilung eine Klageabweisung beantragt, trägt er anteilig die Kosten des Verfahrens.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Zahlung einer Vergütung für eine Fahrzeugreparatur. Der Beklagte beauftragte den Kläger, verschiedene Reparaturen an seinem Pkw […] vorzunehmen. Nachdem der Kläger die Reparaturen vorgenommen hat, berechnete er dem Beklagten hierfür einen Betrag von 814,34 €. Einen Betrag i.H.v. 100,00 € zahlte der Beklagte; den Rest zahlte er nicht.

[…]

Dem Beklagten steht jedoch teilweise ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 III BGB zur Seite, weil der Kläger die Reparatur nicht mangelfrei ausgeführt hat. Das Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängel nach § 641 III BGB führt allerdings – im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Beklagten – nicht zur Klageabweisung. Vielmehr führt es im Vergütungsprozess zur Verurteilung zur Zahlung Zug-um-Zug gegen Behebung der bestimmt zu bezeichnenden Mängel (Palandt-Sprau, § 641 Anm. 17 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies hat zwar den Nachteil, dass die Prüfung der Frage, ob die Mängel ordnungsgemäß beseitigt wurden, in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert wird, was unpraktikabel ist. Dieser Nachteil ist allerdings hinzunehmen, weil nach dem Gesetz der Vergütungsanspruch auch bei einem mangelhaften Werk fällig werden kann und damit die Vorleistungspflicht des Unternehmers zur Herstellung des Werks endet.

[…]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte insoweit unterlegen ist, als er Klageabweisung (statt Verurteilung Zug-um-Zug gegen Mängelbeseitigung) beantragt hat und nicht alle von ihm behaupteten Mängel beweisen konnte.“

AG Bautzen, Urteil vom 10.8.2011 – 20 C 321/10

Zulässige Doppeltätigkeit eines Immobilienmaklers bei einer Zwangsvollstreckung

Durch das Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal (AG Hohenstein-Ernstthal, Urteil vom 11.5.2011 – 4 C 39/11) wurde entschieden, dass ein Immobilienmakler bei der Vermittlung in einer Zwangsversteigerung nicht ohne weiteres seine Maklerprovision verwirkt, wenn er sowohl für den Gläubiger als auch den Bieter tätig ist.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„Die Klägerin hat ihren Zahlungsanspruch nicht verwirkt.

Eine Verwirkung des  Provisionsanspruches nach § 654 BGB ist in  Betracht zu ziehen, wenn ein an seinen Kunden gebundener Makler auch für den anderen Vertragsteil als Vermittlungsmakler tätigwird. Das entspricht im Ausgangspunkt der Rechtsprechung des  Bundesgerichtshofs. Daraus folgt jedoch nicht ohne weiteres, dass der  Makler mit jeder vermittelnden Tätigkeit  nach  beiden  Seiten  seinen  Provisionsanspruch  gewissermaßen  automatisch  verwirkt. Entscheidend muss hierfür vielmehr sein, ob der Makler mit seiner Tätigkeit das Vertrauen und die  Interessen  seiner Auftraggeber verletzt.  Dies  ist etwa dann nicht der  Fall, wenn er ihnen seine Tätigkeit für die jeweils andere Seite offenlegt und sich darauf beschränkt, als „ehrlicher Makler“ zwischen ihren Interessen  zu vermitteln (BGH NJW-RR 2000,  430 f.).

Diese  Rechtsprechung  gilt grundsätzlich für Immobilienmakler im Zusammenhang mit dem Kauf/Verkauf  einer  Immobilie.  Streitgegenständlich  ist  jedoch  die  vermittelnde  Tätigkeit der Klägerin für den Beklagten im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens einerseits und einer grundsätzlich generell bestehenden vermittelnden Tätigkeit der Klägerin für  die im Zwangsversteigerungsverfahren führenden Gläubigerin, der […] Bank.

Diese Doppeltätigkeit war dem  Beklagten von  Anfang an bekannt. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Interessen des Beklagten mit ihrer Tätigkeit verletzte, vermag das Gericht nicht zu erkennen.

[…]

Der Beklagte handelte bei der Unterzeichnung der Maklerprovisionsvereinbarung als Verbraucher und nicht als  Unternehmer.

Diesbezüglich ist die Klägerin beweisbelastet. Zur Begründung des erhöhten Verzugszinsensatzes trägt sie lediglich vor, dass der Beklagte mindestens weitereacht Immobilen erworben hat, infolgedessen zu schlussfolgem sei, dass im  Hinblick auf dieVerwaltung derartiger Immobilien ein geschäftsähnlicher Aufwand erforderlich sei, um diese Vermögenswerte adäquat zu verwalten.

Rechtsgeschäfte im  Sinne des Absatz 2 des § 288 sind solche zwischen Unternehmen im Sinne § 14 BGB. Die Verwaltung und Anlage eigenen Vermögens (Anlage von Geld in Miethäusern,  Wertpapieren) erfüllt dagegen grundsätzlich nicht den Unternehmerbegriff (Ellenberger in Palandt, BGB-Kommentar, 70. Aufl., Rz.  2 zu § 14).

Das ausschlaggebende Kriterium  für die Abgrenzung der privaten von einer berufsmäßig betriebenen Vermögensverwaltung ist vielmehr der Umfang der mit ihrverbundenen Geschäfte. Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation, so liegt eine gewerbliche Betätigung vor (BGH NJW 2002, 368 ff.).

Vorliegend genügt dem Gericht der Umstand, dass der Beklagte mindestens acht weitere Immobilien erworben hat, noch nicht, um  zu der Überzeugung zu gelangen, dass zum Zwecke der Vermögensverwaltung nunmehr die Unterhaltung eines  Büros  oder eines  planmäßigen Geschäftsbetriebes erforderlich ist  und deshalb der Beklagte als  Unternehmer im Sinne des §  14 BGB zu  betrachten ist.  Auch  der Umstand,  dass der Beklagte die Beräumung und gegebenenfalls  auch  Vermietung  durch  die  Firma,  deren  Geschäftsführer er  ist,  erledigen  lässt, mithin ein Auftragsverhältnis  besteht, führt zu keiner anderen Wertung. Die Verzugszinsenhöhe war deshalb gemäß § 288  I BGB auf 5 Prozentpunkte über dem  Basiszinssatz festzusetzen und im Übrigen die Klage abzuweisen.“

AG Hohenstein-Ernstthal, Urteil vom 11.5.2011 – 4 C 39/11)