Unterlassungsansprüche eines Unternehmens bezüglich der Verbreitung falscher Tatsachen über Zeitungen und das Internet

Nach dem Urteil des Amtsgericht Görlitz (AG Görlitz, Urteil vom 12.11.2012 – 4 C 688/12) hat ein Unternehmen ein Anspruch auf Unterlassung der  Verbreitung falscher Tatsachen über Zeitungen und das Internet.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

T[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

[…] B[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Unterlassung

hat das Amtsgericht Görlitz durch

Richter am Amtsgericht […]

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2012 am 12.11.2012

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Dritten zu behaupten, dass die Klägerin Personen aus Kaltwasser den Verkauf von Kiesprodukten verweigere.

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 1500,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für vorgerichtliche Anwaltskosten 203,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2012 zu zahlen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages, hinsichtlich Ziffer 1. des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte hat der Sächsischen Zeitung einen Leserbrief geschickt der in deren Papier-Ausgabe vom 03.11.2011 sowie in der online – Ausgabe veröffentlicht wurde.

Der Leserbrief befasst sich mit der Installation einer Straßenbeleuchtung in Kaltwasser, für die die Mitarbeiter des damit von der Gemeinde beauftragten Elektrountemehmens Kies benötigten. Die Beklagte führte in dem von ihr für die Veröffentlichung durch die Zeitung bestimmten Brief u.a. aus:

„… Das kann wohl nicht das Problem sein, dachten sich die Mitarbeiter der Elektrofirma, denn ganz in der Nähe gibt es ja die T[…], deren Geschäft es neben dem Betreiben einer Deponie auch ist, Kies zu fördern und zu verkaufen. Auf die Frage der T[…], wofür der Kies gebraucht werde, gab die arglose Elektrofirma bereitwillig Auskunft zur Verwendung. Daraufhin wurde der Elektrofirma eine Abfuhr erteilt, denn „für die Bürger von Kaltwasser gäbe es keinen Kies“.

Die Klägerin stellt in Abrede, dass dieser Satz wörtlich oder sinngemäß gefallen sei.

Von dem im Leserbrief dargestellten Sachverhalt hat die Beklagte, die nicht selbst zugegen war, Kenntnis von der Ortschaftratsvorsitzenden […] W[…] erlangt, die ihrerseits hiervon auch nur von anderen gehört haben will. Die Beklagte selbst hat vor der Veröffentlichung nicht mit den Elektrikern oder der Klägerin bzw. deren Mitarbeitern gesprochen.

Die Elektriker haben in einem von der Beklagten gegen die Klägerin angestrengten polizeilichen Ermittlungsverfahren die zitierte Äußerung nicht bestätigt. Die Beklagte hatte die Klägerin angezeigt, nachdem diese sie mit anwaltlichem Schreiben vom 09.11.2011 – fruchtlos – aufgefordert hatte, eine strafbewerte Unterlas[]sungserklärung bezüglich der streitigen Äußerung abzugeben. Die Beklagte fühlte sich durch das Unterlassungsbegehren genötigt (§ 240 StGB).

Das Ermittlungsverfahren wurde nach § 170 II StPO eingestellt.

Die Klägerin mußte ihren Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit 203,75 € zahlen.

Die Klägerin bestreitet, dass ein Mitarbeiter ihres Unternehmens geäußert habe, für die Bürger von Kaltwasser gäbe es keinen Kies.

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber Dritten, insbesondere durch Veröffentlichung von Zeitungsartikeln die falsche Tatsache zu behaupten, dass die Klägerin Personen aus Kaltwasser den Verkauf von Kiesprodukten verweigere,
  2. der Beklagten anzudrohen, dass sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 1500,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festgesetzt wird,
  3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 203,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beharrt. Die von ihr zitierte Äußerung sei so gefallen. Sie ist der Auffassung, berechtigt gewesen zu sein den kolportierten Satz zu verbreiten.

Das Gericht hat Beweis durch Vernehmung der Zeugen […] R[…],[…] M[1…], […] M[2…], […] W[…],[…] M[3…] und […] S[…] erhoben. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.10.12 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

  • 823 II BGB i.V.m. § 187 StGB scheidet allerdings als Anspruchsgrundlage aus, weil auch die Klägerin nicht Tatsachen behauptet, aus denen sich ergibt, dass der Beklagten die Unwahrheit der streitigen Tatsachenbehauptung positiv bekannt gewesen sei (vgl. Fischer, StGB, § 187, Rn. 4). Unstreitig hat die Beklagte, die bei dem beschriebenen Vorgang nicht selbst zu gegen war, ihre – allerdings unzutreffenden – Informationen von Dritter Seite bekommen und – zur Überzeugung des Gerichts – deren Richtigkeit angenommen.
  • 823 II BGB i.V.m. § 186 StGB scheidet als Anspruchsgrundlage ebenfalls aus. Es mangelt an der Eignung der streitigen Äußerung, die Klägerin in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder verächtlich zu machen. Diese setzt voraus, daß die verbreitete Behauptung einen Sachverhalt zum Inhalt hat, der nach objektiver Beurteilung regelmäßig negativ bewertet und dem Betroffenen in Verbindung mit einem negativen Werturteil zugeschrieben wird (Fischer, StGB, § 186, Rn. 4). An der Eignung fehlt es vorliegend, weil es der Klägerin nach den gesellschaftlich allgemein akzeptierten und der geltenden Rechtsordnung entsprechenden Grundsätzen der Vertragsfreiheit freisteht, mit wem sie (Kauf-) Verträge abschließt. Eine besondere, allgemein als negativ zu bewertende Motivlage für die nach Darstellung der Beklagten fehlende Kontrahierungsbereitschaft intendiert die streitige Tatsachenbehauptung nicht.

Es geht vorliegend vielmehr um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der durch §§ 823 I, 1004 BGB geschützt ist.

Nach den genannten Vorschriften werden Beeinträchtigungen abgewehrt, die sich gegen die ungestörte rechtmäßige Betätigung und Entfaltung eines funktionierenden Betriebes im Wirtschaftsleben auf Grundlage der schon getroffenen Betriebsveranstaltungen richten (Palandt/Sprau, BGB, § 823, Rn. 127). Diese lösen Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche aus.

Eine solche unmittelbar betriebsbezogene Beeinträchtigung liegt insbesondere in der Veröffentlichung von Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, einen bestimmten Kreis potentieller Kunden davon abzuhalten, mit dem Betriebsinhaber Geschäfte anzubahnen. Dies wird insbesondere bei Kunden der Fall sein, die einer Mitteilung Glauben schenken, nach der ein Unternehmen habe verlauten lassen, mit ihnen bestimmte Geschäfte nicht abzuschließen. Gerade um eine derartige, mit Bezug auf eine dem Geschäftssitz naheliegende, potentielle Kunden beherbergende Ortschaft aufgestellte Behauptung geht es hier.

Nur soweit die Beklagte beweist, dass ihre Tatsachenbehauptung zutrifft, ist diese nicht widerrechtlich – Art 5 11 GG. Anderenfalls hat sie sie zu unterlassen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, vor § 823, Rn. 18 ff). Die Beklagte konnte indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht den Nachweis erbringen, dass die von ihr kolportierte Äußerung tatsächlich gefallen ist. Die Beweisaufnahme hat vielmehr den Gegenbeweis erbracht.

Die an den Verhandlungen wegen Kieses mit der Mitarbeiterin […] R[…] der Klägerin unmittelbar beteiligten Zeugen […] M[1…] und […] M[2…] haben in Abrede gestellt, dass diestreitige Äußerung seitens der Zeugin R[…] gefallen sei, die einzig als Urheberin in Betracht kommt. Nach übereinstimmender Angabe der Zeugen war es so, dass die Zeugin R[…] Kies erst nach Rücksprache mit der Geschäftsleitung herausgeben wollte und sie dies auch so geäußert hat. Die Notwendigkeit der Rücksprache ergab sich nach der Erinnerung der Zeugin daraus, dass die Zeugen M[…] und M[…] sich nicht darüber erklären konnten, wem die Ware in Rechnung gestellt werden sollte, nach der Erinnerung der beiden anderen Zeugen deshalb, weil sie diese umsonst erhalten wollten.

Das Anlass der Verzögerung die Verwendung des Materials für Zwecke der Gemeinde Kaltwasser gewesen sei, hat keiner der Zeugen angegeben. Dass eine mit der Warenausgabe eines Unternehmens betraute Mitarbeiterin nicht nach eigenem Gusto Produkte kostenlos oder bei Unklarheiten über die Person des Käufers herausgeben kann, dürfte auf der Hand liegen.

Sie verstößt gegen arbeitsrechtliche Pflichten und riskiert Schadenersatzforderungen ihres Arbeitgebers, strafrechtliche und arbeitsrechtliche Sanktionen.

Das Gericht gelangt auch aufgrund der Angaben des Zeugen S[…] nicht zu einer anderen Überzeugung. Dieser hat zunächst angegeben, der Zeuge M[1…] habe ihm gegenüber geäußert, bei der Klägerin sei ihm gesagt worden, die Bürger von Kaltwasser würden von der TKK keinen Sand bekommen. Im Verlauf der Vernehmung hat er dies dann dahingehend präzisiert, nach Angabe des Elektrikers habe die Dame an der Waage der Klägerin gesagt, für Kaltwasser gebe es keinen Sand, jedenfalls nicht am 17.10.. Dies wiederum läßt sich gut in Übereinstimmung mit den Angaben der zuvor gehörten 3 Zeugen bringen, nach der am Tag des Geschehens die Ausgabe von Kies lediglich daran scheiterte, daß die Zeugin R[…] nicht die erforderliche Rücksprache mit der Geschäftsleitung halten konnte.

Die Zeugin W[…] wurde von dem Zeugen S[…] von der Kiesangelegenheit informiert.

Dieser habe ihr, so die Zeugin, erzählt, der Elektriker habe ihm erzählt, die Mitarbeiterin der Klägerin habe sinngemäß geäußert, daß Kies nicht für Kaltwasser abgegeben werde. Sie habe sich daraufhin mit dem Zeugen M[2…] in Verbindung gesetzt. Dieser habe ihr sinngemäß gesagt, dass ihm bedeutet worden sei: „Für die nicht.“. Der Zeuge M[1…] habe ihr bestätigt, dass er bei der TKK keinen Kies bekommen habe und sinngemäß gesagt, dass dies sich gegen die Gemeinde Kaltwasser richte. Die Zeugin M[3…] hat angegeben, ein solches Gespräch aus einem Kraftfahrzeug heraus quer über die Straße hinweg verfolgt zu haben.

Über die näheren Umstände, insbesondere ob der Abgabe des Kieses wohlmöglich andere Hinderungsgründe, namentlich die Frage der Bezahlung, entgegen standen oder ob die Ablehnung endgültig war, hat sich die Zeugin W[…] bei den Elektrikern dabei nicht erkundigt.

Insoweit ist beachtlich, dass nach insoweit nicht anzuzweifelnder Angabe der Zeuginnen W[…] und M[3…] zwischen der Klägerin und einer Bürgerinitiative in Kaltwasser ein Streit schwelt, der sich auf die Absicht der Klägerin, ihren Betrieb zu erweitern, bezieht. In dieser Initiative sind u.a. die Zeugen S[…], W[…] und M[3…] sowie die Beklagte aktiv. Es liegt deshalb nahe, anzunehmen, dass sich für die Zeugin W[…] subjektiv ohne weiteres Nachfragen die Überzeugung bildete, die von ihr als endgültig fehlinterpretierte Ablehnung der Abgabe von Kies stehe im Zusammenhang mit den bestehenden Meinungsverschiedenheiten und dem daraus resultierenden unguten Verhältnis. Tatsächlich war dies allerdings, wie sich aus den Angaben der Zeugen M[1…], R[…] und M[2…] zweifelsfrei ergibt, nicht der Fall.

Die Beklagte hätte sich problemlos durch eigene Rückfrage bei den Zeugen R[…], M[1…] und M[2…] über den tatsächlichen Verlauf der versuchten Kiesbesorgung erkundigen und so die Verbreitung der unzutreffenden Behauptung vermeiden können.

Wie bereits dargelegt, liegt in der dennoch erfolgten Kolportage ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin. Es besteht auch die Gefahr, dass die Beklagte ihre unzutreffende Behauptung wiederholt. Sie hat die begehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben und beharrt auch im Verlauf des Rechtsstreits auf der Richtigkeit. Sie war deshalb strafbewehrt zur Unterlassung zu verurteilen.

Der Beklagten waren für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das erlassene Verbot die in § 890 I ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel, begrenzt durch den Klageantrag, anzudrohen.

Die Beklagte hat als Schadenersatz (§ 823 BGB) auch die Abmahnkosten zu tragen. […]

Für die Kostenentscheidung war § 91 ZPO maßgeblich.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.“

AG Görlitz, Urteil vom 12.11.2012 – 4 C 688/12

Voraussetzungen für die Beurteilung eines Unternehmers als Kaufmann

Das Landgericht Braunschweig (LG Braunschweig, Beschluss vom 21.6.2011 – 6 O 944/11) entschied in seinem Beschluss zur örtlichen Zuständigkeit, dass ein Unternehmer, der nicht im Handelsregister eingetragen ist, sein Gewerbe von seinem Wohnsitz aus betreibt und in der Selbstauskunft gegenüber dem Vertragspartner einen Umsatz von null Euro angab, im Rahmen eines Gerichtsprozesses nicht als Kaufmann im Sinne des § 1 HGB eingestuft werden kann. Eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung ist damit unwirksam.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Eine  örtliche  Zuständigkeit  im   hiesigen   Bezirk  ist   nicht  gegeben.  Vielmehr  hat  der Beklagte  seinen  Wohnsitz  und   damit  seinen  allgemeinen  Gerichtsstand  im  Landgerichtsbezirk  […].  Die in den  Leasingbedingungen der Klägerin enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung entfaltet keine Wirkung, weil der Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein  Kaufmann im Sinne des § 1 Abs. 1 HGB war. Ein Indiz dafür ist  bereits die fehlende Eintragung im Handelsregister. Entscheidende Bedeutung hat
dagegen der Inhalt der Selbstauskunft, deren Ablichtung von Klägerseite als Anlage K […] vorgelegt worden ist. Sämtliche Angaben zu Umsatz und Vermögen sind dort mit 0,00 Euro vermerkt worden. Mit diesem Inhalt hat die Leasinggeberin die Auskunft akzeptiert,  sodass sie auch jetzt daran festhalten  lassen muss. Die Auskunft lässt den unmittelbaren Schluss zu, dass das Unternehmen nach Art oder Umfang  keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderte, insbesondere weil es keinen Umsatz machte. Im  Übrigen lässt die Selbstauskunft auch erkennen, dass keine gesonderte Betriebsstätte vorhanden war, sondern offensichtlich die Unternehmensberatung von der Wohnanschrift des Beklagten aus betrieben wurde.“

LG Braunschweig, Beschluss vom 21.6.2011 – 6 O 944/11