Ein Störgeräusch bei einem Oberklassefahrzeug ist ein erheblicher Mangel, der die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag erfüllt

Durch das Landgericht Dresden (LG Dresden, Urteil vom 28.1.2019 – 10 O 378/19) wurde entschieden, dass bei einem Oberklassefahrzeug Störgeräusche einen erheblichen Mangel darstellen können, die nach gescheiterten Nachbesserungsversuchen seitens des Verkäufers zu einem Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…] A[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7-9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

V[…] GmbH & Co. KG, […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Rücktritt vom Kaufvertrag

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch

Richter am Landgericht […] als Einzelrichter

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 am 28.01.2019

für Recht erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Leasinggeber V[…] GmbH, […] unter der Leasing-Vertrags-Nr. […] einen Betrag in Höhe von 35.223.84 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 2.11.2015 bis 27.3.2017 und weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit 28.3.2017 zuzahlen.

II. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 865.37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit 28.3.2017 zu zahlen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung per Hinterlegung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

A) Der Kläger, der einen Pkw Volkswagen Phaeton geleast hatte, machte gegen die Beklagte namens einer Leasinggesellschaft Mängelgewährleistungsansprüche geltend; er rügte das Auftreten von Störgeräuschen bei hohen Geschwindigkeiten.

Zunächst forderte er im Namen der Leasinggeberin im Rahmen einer Rückabwicklung des Kaufvertrages und die Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich Gebrauchsvorteilen) Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs.

Zwischenzeitlich endete der Leasingvertrag; der Kläger gab das Fahrzeug an die Beklagte als „zurücknehmenden Händler“ zurück. Er begeht nunmehr die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Betrages, den er sich für Gebrauchsvorteile anrechnen lässt, an die Leasinggeberin.

Im Einzelnen:

Am 9.9.2015 schloss der Kläger unter Vermittlung der Beklagten mit der V[…] GmbH einen Leasingvertrag über das Fahrzeug VW Phaeton. Fahrgestellnummer […] (ausgestattet mit einem Diesel-Motor). Das Fahrzeug wurde von der Beklagten zu einem Kaufpreis von 42.444,- € einschließlich Umsatzsteuer an die Leasinggeberin verkauft. Am 2.11.2015 wurde das Fahrzeug auf den Kläger zugelassen und wies zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger einen km-Stand von 35.748 km auf.

Der Kläger rügte bei Werkstattbesuchen bei der Beklagten am 14.3.2016 und 4.5.2016 die Geräuschentwicklung bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug.

Mit Schreiben vom 26.5.2016 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten im Namen des Leasinggebers den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Am 20.7.2016 kam es zu einem Werkstattbesuch des Klägers, bei dem sich die Beklagte unter Hinzuziehung des Sachverständigen H[…] erneut mit vom Kläger gerügten Geräuschentwicklungen auseinandersetzte. Es wurde festgestellt, dass ein Wählhebelseilzug für die Parksperre am Getriebe anlag und insoweit eine Änderung vorgenommen.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15.8.2016 mit, das beanstandete Geräusch habe am 20.7.2016 lokalisiert werden können; durch Arbeiten am Wählhebelseilzug für die Parksperre und an dem Schaltseil seien die zuvor bemängelten Geräusche abgestellt worden.

Bei den nunmehr noch von dem Kläger beschriebenen Geräuschen handele es sich um eine reine Komfortbeanstandung. Von daher werde der Antrag des Klägers auf Rückabwicklung abgelehnt.

Am 8.10.2018 gab der Kläger bei Beendigung des Leasingverhältnisses das Fahrzeug an die Beklagte als „zurücknehmenden Händler“ zurück. Es wies zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von 80.700 km auf.

B) Der Kläger behauptet, er habe ein Mangelsymptom – ein markantes, störendes, atypisches und drehzahlabhängiges Fahrgeräusch bei Erreichen höherer Geschwindigkeiten – in der Folgezeit nach Übergabe des Fahrzeugs an ihn festgestellt. Solche Störgeräusche seinen bei Fahrzeugen dieser Fahrzeugklasse untypisch. Trotz mehrerer Nachbesserungsversuche sei es der Beklagten nicht gelungen, diese Geräusche abzustellen.

M[…] L[…], ein Mitarbeiter der Beklagten, habe das Geräusch bei einer zweiten Probefahrt am 14.4.2016 wahrgenommen und als Röcheln beschrieben. Der Mitarbeiter der Beklagten F[…] M[…] habe ihm gegenüber bestätigt, dass auch er das Störgeräusch wahrgenommen habe. Am 14.3.2016, 14.4.2016 und 4.5.2016 seien erfolglose Nachbesserungsversuche unternommen worden. Bei einem vierten Werkstatttermin habe Herr H[…] das markante Störgeräusch ebenfalls wahrgenommen, aber dies als „Schwirrgeräusch“ bezeichnet. Dies habe durch Arbeiten an dem Fahrzeug zwar verringert, aber nicht beseitigt werden können.

Das streitgegenständliche Fahrzeug habe zum Zeitpunkt des Verkaufs von der Beklagten an die Leasinggeberin einen Unfallschaden oberhalb der Bagatellgrenze aufgewiesen und sei somit nicht unfallfrei gewesen.

C) Der Kläger beantragte zunächst:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Leasinggeber V[…] GmbH, […] unter der Leasing-Vertrags-Nr. […] Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW VW Phaeton 5-Sitzer 4Motion V6 TDI DPF mit dem amt. Kennzeichen […], Fahrgestellnummer […], einen Betrag in Höhe von 42.440,00 € abzüglich eines Betrages, der sich wie folgt berechnet:

0,16 € / km X Kilometerstand gemäß Tachostand zum Zeitpunkt der Rückgabe abzüglich 35748 km (Anfangsbestand)

nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 2.11.2015 bis einen Tag vor Rechtshängigkeit und weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des unter Ziff. I. bezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet.

III. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 865,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Zu Ziff. I. beantrage er ab 4.9.2017 hilfsweise

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Leasinggeber V[…] GmbH Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Betrag i.H.v. 42.440,00 EUR abzgl. eines Betrages, der sich errechnet – wie unter Ziffer I. des Hauptantrages angegeben – nebst 4 % aus dem sich gemäß entsprechender Berechnung ergebenden Betrages seit dem 02.11.2015 bis einen Tag vor Rechtshängigkeit und weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger erklärte nach Übergabe des Fahrzeugs an die Beklagte den vormaligen Klageantrag zu II. für in der Hauptsache erledigt und beantragt nunmehr:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Leasinggeber V[…] GmbH, […] unter der Leasing-Vertrags-Nr. […] einen Betrag in Höhe von 35.242,56 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 2.11.2015 bis einen Tag vor Rechtshängigkeit und weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

II. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 865,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte stimmt der Erklärung des vormaligen Klageantrages zu II. für in der Hauptsache erledigt zu und beantragt, dem Kläger insoweit die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen und die Klage abzuweisen.

D) I. Die Beklagte behauptet, am 14.3.2016 habe der Kläger eine Art Röcheln aus dem Motorraum beanstandet. Am 14.4.2016 habe sich der Kläger nicht an die Beklagte gewandt Die Mitarbeiter M[…] L[…] und F[…] M[…] hätten bei einer daraufhin durchgeführten Probefahrt entsprechende Geräuschentwicklung nicht feststellen können. Am 4.5.2016 sei erneut ein Röcheln durch den Kläger beanstandet worden; Herr M[…] habe bei einer nochmaligen Probefahrt an diesem Tag die Beanstandung erneut nicht bestätigen können.

Am 20.7.2016 habe der Kläger Schwirrgeräusche, die vom Wählhebel oder vom Motorraum stammen, beanstandet. Dies hätten die Mitarbeiter der Beklagten bestätigen, aber auch beseitigen können, wie eine anschließende Probefahrt ergeben habe.

Es sei mitnichten so, dass es sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bei dem Pkw Volkswagen Phaeton um ein Unfallfahrzeug gehandelt habe. Nachlackierungen seien vor dem Verkauf an die Leasinggeberin aus optischen Gründen zur Beseitigung von Gebrauchsspuren, nicht aber zur Beseitigung von Unfallschäden vorgenommen worden. Zum Zwecke der Lackierung der Motorhaube hätten die Schraubverbindungen zum Kotflügel gelöst werden müssen.

II. Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger sei der Nachweis nicht gelungen, dass zum Zeitpunkt seiner Beanstandungen Störgeräusche an dem Fahrzeug bestanden. Der Sachverständige könne insoweit keine Aussage treffen; die Zweifel müssten zu Lasten des Klägers gehen.

E) Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 4.9.2017 und 30.7.2018 Bezug genommen.

Das Gericht hat den Kläger persönlich zur Sache angehört und Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen M[…] L[…] und F[…] M[…] sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. M[…] N[…] und durch dessen mündliche Anhörung. Hinsichtlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Zeugeneinvernahmen vom 4.9.2017 (Bl. 68 RS ff) sowie auf das schriftliche Gutachten vom 1.2.2018, Bl. 128 ff. d.A , die schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 26.7.2018 (Bl. 183 dd. d.A) und das Protokoll der Anhörung des Sachverständigen am 30.7.2018 (Bl. 191 ff.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A) Die zulässige Klage ist in der Sache im Wesentlichen begründet.

I. Der Leasinggeberin stand ein Recht zur Rücktritt vom Kaufvertrag zu. dass der Kläger in deren Namen wirksam ausgeübt hat.

1.) Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass bei hohen Geschwindigkeiten bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug im Zeitpunkt der Untersuchung durch den gerichtlich beauftragten Sachverständigen ein Geräusch in Form eines kurzen Pfeiftons auftrat, der von der Tonhöhe her variierte und in dem verschiedene Frequenzen zum Tragen kamen. Die hohe Tonlage beschrieb der Sachverständige als nicht immer gleich, sondern wechselnd. Er stellte weiter fest, dass die Geräusche jeweils mit einer kurzen Dauer sporadisch auftraten. Das Störgeräusch wurde von dem Sachverständigen im Bereich des hinteren Schiebedachausschnitts bis hin zum Fahrertürausschnitt in Höhe des Dachrahmens lokalisiert.

Das Gericht sieht keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen zu zweifeln.

2.) Bei einem Fahrzeug, dass eine solche – wenn auch nur sporadische und kurzzeitige Geräuschentwicklung – aufweist, liegt jedenfalls dann, wenn es sich um ein Fahrzeug der Fahrzeugklasse wie das streitgegenständliche Fahrzeug handelt, eine Minderung der Eignung zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch vor.

Der Sachverständige konnte das Störgeräusch hören und messen, und zwar auf einer Messfahrt von insgesamt 43 km bei einer Fahrtstreckenkombination von Stadt-, Land- und Autobahnstrecken. Auch wenn das Geräusch nicht durchgängig, sondern sporadisch auftritt, handelt es sich nicht um ein solch selten auftretendes Phänomen, dass es bei der Bedeutung der Eignung für den vom Vertrag vorausgesetzten Gebrauch zu vernachlässigen wäre. Es handelte sich um ein Fahrzeug der Oberklasse bzw. Luxusklasse, bei der eine besonders hochwertige Verarbeitung geschuldet war. Der Sachverständige hat dazu überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass Hersteller von Oberklassefahrzeugen besonderen Wert auf einen geringen Innengeräuschpegel legen und bei fachgerechter Vorgehensweise vermeidbare Geräuschentwicklungen möglichst unterbunden werden sollen. Bei dem Fahrzeug handelte es sich zwar um ein Gebrauchtfahrzeug, jedoch noch um ein relativ „junges“ Gebrauchtfahrzeug mit Erstzulassung zum 12.5.2014.

Die Zweifel, die von Beklagtenseite an der Kompetenz des Sachverständigen hinsichtlich der Beurteilung von Anforderungen an Oberklassefahrzeugen angemeldet wurden, vermag das Gericht nicht zu teilen. Der Sachverständige ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kfz-Schäden und -Bewertungen; dies setzt eine besondere Sachkunde und eine fachliche Qualifikation über dem (Durchschnitts-)Niveau der ihren Beruf ordnungsgemäß Ausübenden voraus. Erfahrungen des Sachverständigen mit Innen- und Außengeräuschmessungen bei Oberklassefahrzeugen hat der Sachverständige als Prüfingenieur im damaligen Kraftfahrzeugtechnischen Amt der DDR in der Zeit von 1984 bis 1989 gemacht. Angesichts der zwischenzeitlichen technischen und auch wirtschaftlichen Entwicklung vermag das Gericht jedoch nicht davon auszugehen, dass Ende der 1980er Jahre bei höherklassigen Fahrzeugen wie Volvo 740/760, Mercedes Benz W 126 und Renault 25 unübliche, sporadische Pfeifton-Erscheinungen mit hoher Frequenz Ende 2015 bei einem Oberklassefahrzeug wie dem streitgegenständlichen VW Phaeton als Umstand zu werten ist, der als irrelevant für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch einzustufen ist. Der Anspruch der Kunden an Oberklassefahrzeuge, aber auch der Anspruch der Hersteller selbst an die von ihnen angebotenen Oberklassefahrzeuge ist seit Ende der 1980er Jahren nicht geringer, sondern höher geworden. Darauf, dass sich die Anforderungen in innenakustischer Hinsicht seit den 1980er Jahren nicht vermindert haben dürften, hatte das Gericht bereits mit Beschluss vom 18.10.2018 hingewiesen.

3.) Das Gericht gelangt zu der Überzeugung, dass diese Mängel bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorgelegen haben.

a) Dazu, ob die vom Sachverständigen Neuhaus festgestellten Geräusche schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages zwischen der Beklagten und der Leasinggeberin auftraten bzw. beim Fahren entsprechender Geschwindigkeiten aufgetreten wären, vermochte der Sachverständige keine Aussage zu treffen.

b) Die Darstellung des Klägers, er habe schon frühzeitig ab dem 14.3.2016 gegenüber der Beklagten ein markantes, störendes, atypisches Fahrgeräusch, das bei höheren Geschwindigkeiten auftritt, gerügt, findet sich in der Art und Weise, wie seine Beanstandungen intern bei der Beklagten dokumentiert wurden, nicht uneingeschränkt bestätigt.

Unter dem 14.3.2016 ist als Kundenbeanstandung bei der Beklagten intern aber immerhin u.a. ein „Knistern Bereich Schiebedach links zw. A- & B-Säule bei ca. 3.000 U/min.“ notiert.

Auch der Zeuge M[…] L[…] gab an, dass der Kläger am 14.3.2016 eine entsprechende Beanstandung äußerte. Ein solches Symptom – „Knistern“ – unterscheidet sich freilich von kurzen Pfeiftönen, die der Sachverständige bei seiner Anhörung vom 30.7.2017 (S. 7 des Protokolls) beschrieben hat.

c) (1) In den Eintragungen zum 4.5.2016 heißt es, dass der Kunde „lautes spor. Röcheln. Geräusch tritt nach dem Anfahren an einer Kreuzung/Ampel für ca. 3 Sek. auf.“ beanstandet.

Das wäre mithin keine Rüge eines vor allem bei hohen Geschwindigkeiten auftretenden Geräuschs.

(2) Zum Zeitpunkt 26.5.2016 heißt es in der Fahrzeughistorie, der Kunde habe ein „untypisches, röchelndes Geräusch im Motorraum“ beanstandet. So schwer für einen Laien Aussagen zur Provenienz einer akustischen Erscheinung auch sein mögen, liegt nicht unbedingt nahe, dass mit „röchelndem Geräusch“, dessen Herkunft dem Motorraum zugeordnet wird, auch ein gelegentlich bei hohen Geschwindigkeiten auftretender Pfeifton, der nach den Feststellungen des Sachverständigen im Bereich des hinteren Schiebedachausschnitts bis hin zum Fahrertürausschnitt lokalisiert wurde, gemeint gewesen sein könnte – zumal am 14.3.2016 durchaus zwischen Störgeräuschen im Bereich des Schiebedachs und solchen, die vom Motorraum her kommen, differenziert worden sein soll.

(3) Weiter heißt es in der Fahrzeughistorie, am 20.7.2016 habe der Kunde „Schwirrgeräusche aus dem Motorraum“ beanstandet. Ferner ist auch eingetragen: „Wählhebel/Wählhebelseilzug“.

bb) Der Zeuge M[…] L[…] schilderte, die Kundenberater seien angehalten, die Beanstandungen möglichst im Originalton festzuhalten. Nach seinen Angaben wurde beim Termin vom 14.3.2016 ein Knistern (bei 3000 U/min) beanstandet; auch am 4.5. soll u. a. ein Knistern neben dem Ohr im Bereich der A-Säule bei Geschwindigkeiten von ca. 160 km/h beanstandet.

Diese Beanstandung, an die sich der Zeuge erinnert, wurde in der Fahrzeughistorie nicht festgehalten.

Nach seinen Bekundungen soll vom Kläger am 20.7.2016 lediglich ein Schwirrgeräusch, das dann auch habe abgestellt werden können, gerügt worden sein.

cc) Der Zeuge M[…] bekundete, der Kläger habe ihm gegenüber in den beiden ersten von ihm begleiteten Werkstattterminen jeweils lediglich ein Röcheln des Motors beanstandet. Dies steht freilich in Widerspruch zu den internen Notizen zum 14.3.2016 und zur Aussage des Zeugen L[…] zum 4.5.2016. Er führte denn auf Vorhalt auch aus, dass es zwar auch eine Rüge einer Geräuschentwicklung bei ca. 160 km/h gegeben habe, diese jedoch abgestellt worden sei. Er selbst führte nach seinen Angaben bei den von ihm durchgeführten Probefahrten bei den beiden ersten Werkstattterminen nur Probefahren im Stadtbereich aus, so dass er offenbar aus eigener Kenntnis über die Behebung einer solchen Geräuschentwicklung nicht berichten konnte. Soweit er ausführte, diese Beanstandung sei in der Karosserieabteilung der Beklagten behoben worden, widerspricht dies den Angaben der Beklagten, die insoweit gerade mangels Nachvollziehbarkeit des gerügten Mangelsymptoms keine Arbeiten ausgeführt haben will.

Auch nach Angaben des Zeugen M[…] soll der Kläger am 20.7.2016 lediglich Schwirrgeräusche und mithin andere akustische Erscheinungen als zuvor gerügt haben,

dd) Der Kläger rügte in seinem Schreiben vom 26.5.2016 schriftlich sowohl ein Fahrgeräusch aus der Antriebsregion als auch – zusätzlich – ein bei höheren Geschwindigkeiten auftretendes Geräusch und beanstandete insbesondere, dass mangels Probefahrten bei höheren Geschwindigkeiten die zweitere Rüge gar nicht überprüft worden sei.

d) In seinem schriftlichen Gutachten führt der Sachverständige aus, dass als Ursache des von ihm bei höheren Geschwindigkeiten festgestellten Störgeräuschs die am 2.7.2015 und am 10.7.2015 im Serviceheft des streitgegenständlichen Fahrzeugs eingetragenen Arbeiten, die möglicherweise nicht fachgerecht ausgeführt worden sein könnten, in Betracht kommen, ohne sich insoweit abschließend festzulegen. Nicht unerhebliche Karosseriearbeiten, die unter Werkstatt- und nicht unter herstellerseitigen Manufakturbedingungen ausgeführt worden seien, könnten die Ursache für die Störgeräusche begründet haben. Der Sachverständige hielt zur Mangelbehebung letztlich ein versuchsweise Herantasten an die mögliche Ursache für erforderlich, wobei nach seinen Ausführungen Sitz und Passung der vorderen Türen einschließlich der Türfensterrahmen und ihrer Dichtungselemente. Sitz und Passung von Schiebedach und Schiebedachrahmen einschließlich der dazugehörigen Dichtungselemente und die im vorderen Sitzbereich angeordneten Be- und Entlüftungsöffnungen zu überprüfen, einzustellen oder zu erneuern sein sollten.

Es ist nicht ersichtlich, dass in diesen Bereichen in der Zeit ab Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger bis zum 4.5.2016 und auch bis zur Besichtigung und Testung durch den Sachverständigen Arbeiten vorgenommen worden wären.

Das Gericht ist deshalb – auch unter Berücksichtigung aller Umstände – überzeugt, dass die vom Sachverständigen festgestellten Mängel bereits bei Übergabe der Kaufsache an die Käuferseite bzw. bei der ..stellvertretenden“ Übergabe an den Kläger vorlagen.

4.) Der Rücktritt erfolgte auch nicht verfrüht; eine nochmalige Fristsetzung zur Nachbesserung war nicht erforderlich.

a) Der Kläger hat – wie die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben hat – am 14.3.2016 und 4.5.2016 u. a. eine Störgeräuschentwicklung bei höheren Geschwindigkeiten gerügt; von der Beklagtenseite ist jedoch dieser Aspekt unzureichend bzw. letztlich nicht geprüft worden. Prüffahrten im Stadtverkehr waren dazu nicht ausreichend. Im Sinne des § 440 S. 2 BGB liegt daher eine fehlgeschlagene Nachbesserung vor. Zwar wurde eine Nachbesserung insoweit gar nicht versucht, weil unzureichend geprüft und der Mangel nicht nachvollzogen werden konnte; dies ist jedoch einer fehlgeschlagenen Nachbesserung gleichzusetzen.

b) Käme man entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung zu dem Ergebnis, die Voraussetzungen für einen Rücktritt hätten am 26.5.2016 nicht vorgelegen, so wären diese jedenfalls ab Zugang des Schreibens der Beklagtenseite vom 15.8.2016 zu bejahen und das weitere Vorgehen des Klägers als konkludent hilfsweise nochmals erklärter Rücktritt zu werten.

Am 15.8.2016 bezeichnete die Beklagte die von dem Kläger beschriebenen und noch nicht beseitigten Störgeräusche bei höheren Geschwindigkeiten als reine Komfortbeanstandung, weshalb ein Rücktritt zurückgewiesen werde. Im Hinblick auf das bisherige Prüfverhalten der Beklagte war diese Erklärung dahingehend zu verstehen, dass ein Versuch der Mängelbeseitigung im Hinblick auf die von der Beklagten als Bagatelle eingestuften gerügten Störgeräusche bei höheren Geschwindigkeiten nicht zu erwarten war, sondern gleichfalls abgelehnt werden würde.

5.) Darauf, ob es sich bei dem streitgegenständlichen VW Paeton um ein Unfallfahrzeug handelte, kam es nach allem für die hier zu treffende Entscheidung nicht an.

Ein Nachweis wäre indes wohl bislang nicht als geführt anzusehen; der gerichtlich beauftragte Sachverständige hat hierzu zwar Indizien benannt (wie etwa eine erhöhte Lackschichtendicke im Bereich der Kühlerhaube sowie Werkzeugansatzspuren an den Schraubverbindungen bei den vorderen Kotflügeln): einen sicheren Rückschluss auf ein vorangegangenes Unfallereignis erlauben diese und die weiteren vom Sachverständigen herausgearbeiteten Indizien nach dem Dafürhalten des Gerichts jedoch nicht.

II. 1.) Im Rahmen der Rückabwicklung hat die Beklagte den Kaufpreis zurückzuerstatten.

2.) Den Wert der von Käuferseite herauszugebenden gezogenen Nutzungen schätzt das Gericht wie folgt:

Von der zu erwartenden Gesamtfahrleistung ist die km-Laufleistung bei Übergabe an den Kläger in Abzug zu bringen. Der Kaufpreis ist durch die so ermittelte Restlaufleistung zu dividieren und das Ergebnis mit der zwischen Übergabe an den Kläger und Rückgabe zurückgelegten Laufleistung zu multiplizieren.

a) Der Sachverständige hat ausgeführt, das bei Fahrzeugen wie dem streitgegenständlichen unter Berücksichtigung einer üblichen Nutzung und bei Durchführung der vom Hersteller vorgegebenen Inspektionen und Ölwechselintervalle von einer regelmäßigen Gesamtfahrleistung von 300.000 km auszugehen ist. Der Sachverständige hat eingehend begründet, weshalb er eine derartige Gesamtlaufleistung ansetzt und weshalb die von der Beklagten angesetzte Gesamtlaufleistung weit untersetzt erscheint. Diese Ausführungen erachtet das Gericht für überzeugend.

b) Damit berechnet sich der in Abzug zu bringende Nutzungsvorteil für den Kläger wie folgt:

42.444,-€: (300.000 km – 35.748 km) x 44.952 km = 7.220,16 €

c) Die Käuferin hat das Fahrzeug nicht selbst genutzt, sondern es dem Kläger im Rahmen eines Leasinggeschäfts überlassen. Von daher wäre vorstellbar, dass die von ihr tatsächlich gezogenen Vorteile auf Grund der Nutzungsmöglichkeit des Kaufgegenstandes im Rahmen der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Leasingvertrag auch oberhalb jenes Betrages liegen könnten, der sich bei einer linearen „Abschreibung“ des Kaufpreises im Verhältnis zur zu erwartenden Restlaufleistung und Berücksichtigung der Fahrleistung der „Käuferseite“ zwischen Übergabe und Rückgabe des Fahrzeugs ergibt. Die Beklagtenseite hat einen derartigen etwaigen weitergehenden Nutzungsvorteil der Leasinggeberin indes nicht zu behauptet.

Sie hat sich auf Einwände zur anzunehmenden Gesamtlaufleistung beschränkt, die jedoch zur Überzeugung des Gerichtes ohne Erfolg bleiben mussten.

3.) Die Beklagte schuldet nach §§ 346 , 100 BGB die Herausgabe des Nutzungsvorteils des Kaufpreises.

Der Anspruch des Käufers auf Nutzungsersatz für Kapitalnutzung durch den Verkäufer richtet sich dabei nach dem Netto-Kaufpreis (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 5.8.2010, Gz.: 28 U 22/10). Dieser liegt oberhalb jenes Betrages, aus dem der Kläger Nutzungsentgelt verlangt.

Herauszugeben sind die tatsächlichen Nutzungen, u.U. nach § 347 1 1 BGB auch jene Nutzungen, die er bei ordnungsgemäßer Wirtschaft hätte ziehen können. Die von der Klägerseite behauptete marktübliche Verzinsung von Kapitalanlagen erscheint eher übersetzt; auch eine generelle Vermutung, dass gewerbliche Unternehmen mit eingesetztem Kapital einen Gewinn von 10 % erzielen, erscheint nicht gerechtfertigt. Die Klägerseite hat jedoch auf andere Weise näher dargelegt, dass die Beklagte zur Erzielung von Nutzungen in Höhe von 4 % in der Lage gewesen war. Sie hat hierzu die Jahresabschlüsse der Beklagten zu den Geschäftsjahren 2013 bis 2015 vorgelegt. Angesichts dieses Vortrags hätte die Beklagte im Rahmen der sekundären Darlegungslast zumindest eine konkrete Behauptung aufstellen müssen, welche Nutzungen sie denn (lediglich) erzielt haben will oder welche Nutzungen sie lediglich zu ziehen in der Lage war.

III. Die Zinsforderung im Übrigen beruft auf §§ 286, 288 BGB.

IV. Bei den zu erstattenden außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben die Klägervertreter den vollen Kaufpreis als Streitwert angesetzt. Dieser Wert entsprach aber weder dem seinerzeitigen Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs noch dem Hauptsachebetrag des Zahlungsbetrages, der zulässigerweise hätte geltend gemacht werden können. Ausgehend von einer Laufleistung von 48.878 km am 22.8.2016 (vgl. Eintrag in der Reparaturhistorie, Bl. 107 d.A) ist lediglich ein Streitwert von 40,335,07 € anzusetzen gewesen. Da sich gegenüber dem von den Klägervertretern angesetzten Wert kein Gebührensprung ergibt, hat dies jedoch letztlich auf die Höhe der zu erstattenden außergerichtlichen Kosten keinen Einfluss.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§91 a I I, 92 II Nr. 1 ZPO. Die Kosten waren der Beklagten auch insoweit aufzuerlegen, als der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.Die Beklagte befand sich nämlich in Annahmeverzug.

VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S. 1 und 2 ZPO.“

LG Dresden, Urteil vom 28.1.2019 – 10 O 378/19

Zur Beweislast für das Vorliegen von Mängeln bei Gefahrenübergang bei Lieferung und Einbau von Fenstern

Durch das Amtsgericht Esslingen (AG Esslingen, Urteil vom 11.10.2012 – 5 C 691/12) wurde zur Beweislast für das Vorliegen von Mängeln bei Gefahrenübergang bei Lieferung und Einbau von Fenstern entschieden:

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

1) […]

– Beklagte –

2) […]

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:

[…]

hat das Amtsgericht Esslingen

durch die Richterin am Amtsgericht […]

am 11.10.2012 auf die mündliche Verhandlung vom 23.08.2012

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 1.003,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 07.09.2011 zu bezahlen. Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar:

Die Beklagtenseite kann die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Streitwert: 1.003,72 €

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die restliche Bezahlung ihrer Rechnung vom 08.12.2010 (Bl. 25) über 3.011,16 €, von der noch 1.003,72 € offen stehen.

Der Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagten, die von der Firma B[…] als Bauträger ein fertiges Einfamilienhaus erworben hatten, beauftragten die Klägerin, die dort die Fensterarbeiten im Auftrag der Firma B[…] ausgeführt hat, mit einem Sonderwunsch, nämlich einer Sonderausführung der Fenster mit Einbruchshemmung und Sonderverglasung P 4 A (Angebot der Klägerin vom 03.09.2010, Bl. 24; Auftragsbestätigung vom 05.09.2010, Bl. 23). Auf Grund ihrer darüber erstellten Rechnung vom 08.12.2010 (Bl. 25) begehrt die Klägerin nunmehr von den Beklagten die restliche Bezahlung dieses Sonderwunsches und stellt

den in der Entscheidung zuerkannten Antrag mit der Maßgabe, dass Zinsen seit 17.12.2010 begehrt werden.

Die Beklagten beantragen

Klagabweisung.

Sie tragen vor, dass eines der feststehenden Fensterelemente in ihrem Wohnzimmer an der Außenseite der Verglasung Kratzer aufweise und daher mangelhaft sei (Lichtbilder, Bl. 64, Skizze Bl. 63, Grundriss Bl. 49). Diese Kratzer seien ihnen bei der gemeinsamen Besichtigung und Übergabe des Hauses am 09.06.2011 (Abnahme/Übernahmeprotokoll, Bl. 53) nicht aufgefallen.

Auch bei ihrem Einzug Ende Juni 2011 – die Fenster seien bereits geputzt gewesen – hätten sie diese nicht bemerkt. Sie hätten die Kratzer erst zwei bis drei Wochen nach ihrem Umzug entdeckt und sofort die Firma B[…] verständigt, die sich diesbezüglich mit der Klägerseite in Verbindung gesetzt habe (Mail vom 22.08.2011, Bl. 68). Die Beklagten selbst hätten dann mit einer weiteren Mail vom 28.11.2011 (Bl. 35) die Beseitigung der Kratzer in der Festverglasung begehrt. Sie sind der Ansicht, dass es sich dabei um einen typischen Transportschaden handele und sie den streitgegenständlichen Restbetrag der Rechnung vom 08.12.2010 erst nach dessen Beseitigung bezahlen müssten.

Die Klägerin tritt dem entgegen. Sie verweist darauf, dass die Kratzer ausweislich des Abnahme- und Übergabeprotokolls vom 09.06.2011 nicht vorhanden gewesen seien. Falls es sich um einen Werklieferungsvertrag handeln sollte, bei dem Kaufrecht zur Anwendung käme, sei auch die Vorschrift des § 476 BGB im Hinblick auf die Art des Mangels nicht anwendbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat bis auf einen Teil des Zinsanspruchs in der Sache Erfolg.

Die Beklagten sind verpflichtet, den Restbetrag aus der Rechnung vom 08.12.2010 in Höhe von 1.003,72 € zu bezahlen. Ein Zurückbehaltungsrecht aus einem Anspruch gegen die Klägerin auf Mängelbeseitigung steht ihnen nicht zu.

Zwar betrifft der streitgegenständliche Kratzer die von den Beklagten selbst bei der Klägerin in Auftrag gegebene Sonderverglasung, so dass den Beklagten insoweit eigene Gewährleistungsrechte zustehen. Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die streitgegenständlichen Kratzer im Hinblick auf die nach der mündlichen Verhandlung vorgelegte Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bauwesen (Bl. 74 f) als Mangel zu beurteilen oder zulässig sind. Selbst wenn es sich um einen Mangel handeln würde, müsste die Klägerin dafür nicht einstehen.

Beurteilt man den streitgegenständlichen Sonderwunsch-Vertrag als Werklieferungsvertrag, auf den gemäß §§ 651, 433 f BGB Kaufrecht anzuwenden wäre, käme es darauf an, ob der streitgegenständliche Mangel im maßgeblichen Übergabezeitpunkt vorgelegen hat. Es ist fraglich, wann dieser anzunehmen ist. In Betracht käme insoweit entweder der Lieferungs-/Einbauzeitpunkt, der vor dem 08.12.2010 gelegen haben dürfte, oder spätestens die Abnahme/Übergabe am 09.06.2011. Beurteilt man den Sonderwunsch-Vertrag als Werkvertrag, käme es auf die Abnahme vom 09.06.2011 an.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Kratzer zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhanden gewesen sind. Das Abnahme/Übergabeprotokoll vom 09.06.2011 (Bl. 53 f) das 14 Seiten umfasst, belegt, dass insbesondere auch die Fenster einer genauen Sichtprüfung unterzogen worden sind, bei der die streitgegenständlichen Kratzer, die sich auf den Lichtbildern deutlich zeigen, sowohl von den Beklagten als auch der Vertreterin der Firma B[…] nicht wahrgenommen worden sind, obwohl ansonsten etliche, auch sehr geringfügige Beschädigungen dokumentiert wurden.

Die Beklagten haben die Kratzer erst einige Wochen nach ihrem Einzug, also Ende Juni/Anfang Juli 2011 bemerkt. Des Weiteren handelt es sich um eine mechanisch verursachte Beschädigung, für deren Verursachung verschiedenartige Geschehensabläufe in Betracht kommen. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass die Kratzer erst nach Abnahme/Übergabe entstanden sind.

Die Beweislast dafür, dass der streitgegenständliche Mangel im maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen ist, tragen die Beklagten. Der Kratzer wurde erstmals erst nach Abnahme, nämlich durch die Mail der Firma B[…] vom 22.08.2011 (Bl. 68), und die Mail der Beklagtenseite vom 28.11.2011 (Bl. 35) gerügt. Die vorangegangenen Mails der Beklagten vom 27.02.2011 (Bl. 36) und 25.12.2010 (Bl. 48) betrafen nach Angaben der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung die Vermutung, dass „falsche“ Scheiben, also nicht das bestellte Sonderglas eingebaut worden seien, worauf das Klopfgeräusch hingedeutet habe.

Auch bei Anwendung von Kaufrecht bleibt die Beweislast auf der Beklagtenseite. § 476 BGB kommt auf Grund der Art des streitgegenständlichen Mangels nicht zur Anwendung. Dieser kann nämlich jederzeit durch Dritteinwirkung zustande gekommen sein.

Die Beklagten sind insoweit beweisfällig geblieben. Eine Beweisaufnahme war nicht durchzuführen. Zwar haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, es handele sich um einen typischen Transportschaden und dies unter Sachverständigenbeweis gestellt. Dieser Beweisantritt ist zum Beweis der entscheidungserheblichen Tatsache jedoch nicht geeignet. Es mag nicht auszuschließen sein, dass ein derartiger Schaden auch durch den Transport der Fensterelemente entstanden sein kann. Ebenso sind jedoch auf Grund des Erscheinungsbildes des Schadens und im Hinblick darauf, dass dort mehrere Häuser zugleich samt Aussenanlagen neu errichtet worden sind, etliche andere Geschehensabläufe denkbar, die zu dessen Entstehung geführt haben könnten. Ausreichend sichere Feststellungen dazu, ob das Fensterelement im maßgeblichen Zeitpunkt bereits diese Beschädigung aufgewiesen hat oder nicht, würden sich damit nicht treffen lassen.

Die Beklagten haben daher die restliche Rechnung zu bezahlen.

Der Anspruch auf Bezahlung von Verzugszinsen beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB.Verzugseintritt ist allerdings erst ab Zugang der Mahnung vom 05.09.2011 (Bl. 26) anzunehmen. Die Vorschrift des §286 Abs. 3 BGB ist im Hinblick auf die Beklagten als Verbraucher nicht anwendbar. Weitere Mahnungen sind nicht vorgetragen. Im Gegenteil hatten die Parteien ausweislich der Mahnung vom 05.09.2011 weitere Zahlungen wohl zunächst von der Übersendung der Prüfberichte abhängig gemacht. Verzugseintritt ist damit erst ab 07.09.2011 anzunehmen.

Es war daher wie geschehen zu entscheiden.

Kosten: § 91 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.“

AG Esslingen, Urteil vom 11.10.2012 – 5 C 691/12