Zur Beweislast für das Vorliegen von Mängeln bei Gefahrenübergang bei Lieferung und Einbau von Fenstern

Durch das Amtsgericht Esslingen (AG Esslingen, Urteil vom 11.10.2012 – 5 C 691/12) wurde zur Beweislast für das Vorliegen von Mängeln bei Gefahrenübergang bei Lieferung und Einbau von Fenstern entschieden:

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

1) […]

– Beklagte –

2) […]

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:

[…]

hat das Amtsgericht Esslingen

durch die Richterin am Amtsgericht […]

am 11.10.2012 auf die mündliche Verhandlung vom 23.08.2012

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 1.003,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 07.09.2011 zu bezahlen. Hinsichtlich des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar:

Die Beklagtenseite kann die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Streitwert: 1.003,72 €

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die restliche Bezahlung ihrer Rechnung vom 08.12.2010 (Bl. 25) über 3.011,16 €, von der noch 1.003,72 € offen stehen.

Der Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagten, die von der Firma B[…] als Bauträger ein fertiges Einfamilienhaus erworben hatten, beauftragten die Klägerin, die dort die Fensterarbeiten im Auftrag der Firma B[…] ausgeführt hat, mit einem Sonderwunsch, nämlich einer Sonderausführung der Fenster mit Einbruchshemmung und Sonderverglasung P 4 A (Angebot der Klägerin vom 03.09.2010, Bl. 24; Auftragsbestätigung vom 05.09.2010, Bl. 23). Auf Grund ihrer darüber erstellten Rechnung vom 08.12.2010 (Bl. 25) begehrt die Klägerin nunmehr von den Beklagten die restliche Bezahlung dieses Sonderwunsches und stellt

den in der Entscheidung zuerkannten Antrag mit der Maßgabe, dass Zinsen seit 17.12.2010 begehrt werden.

Die Beklagten beantragen

Klagabweisung.

Sie tragen vor, dass eines der feststehenden Fensterelemente in ihrem Wohnzimmer an der Außenseite der Verglasung Kratzer aufweise und daher mangelhaft sei (Lichtbilder, Bl. 64, Skizze Bl. 63, Grundriss Bl. 49). Diese Kratzer seien ihnen bei der gemeinsamen Besichtigung und Übergabe des Hauses am 09.06.2011 (Abnahme/Übernahmeprotokoll, Bl. 53) nicht aufgefallen.

Auch bei ihrem Einzug Ende Juni 2011 – die Fenster seien bereits geputzt gewesen – hätten sie diese nicht bemerkt. Sie hätten die Kratzer erst zwei bis drei Wochen nach ihrem Umzug entdeckt und sofort die Firma B[…] verständigt, die sich diesbezüglich mit der Klägerseite in Verbindung gesetzt habe (Mail vom 22.08.2011, Bl. 68). Die Beklagten selbst hätten dann mit einer weiteren Mail vom 28.11.2011 (Bl. 35) die Beseitigung der Kratzer in der Festverglasung begehrt. Sie sind der Ansicht, dass es sich dabei um einen typischen Transportschaden handele und sie den streitgegenständlichen Restbetrag der Rechnung vom 08.12.2010 erst nach dessen Beseitigung bezahlen müssten.

Die Klägerin tritt dem entgegen. Sie verweist darauf, dass die Kratzer ausweislich des Abnahme- und Übergabeprotokolls vom 09.06.2011 nicht vorhanden gewesen seien. Falls es sich um einen Werklieferungsvertrag handeln sollte, bei dem Kaufrecht zur Anwendung käme, sei auch die Vorschrift des § 476 BGB im Hinblick auf die Art des Mangels nicht anwendbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat bis auf einen Teil des Zinsanspruchs in der Sache Erfolg.

Die Beklagten sind verpflichtet, den Restbetrag aus der Rechnung vom 08.12.2010 in Höhe von 1.003,72 € zu bezahlen. Ein Zurückbehaltungsrecht aus einem Anspruch gegen die Klägerin auf Mängelbeseitigung steht ihnen nicht zu.

Zwar betrifft der streitgegenständliche Kratzer die von den Beklagten selbst bei der Klägerin in Auftrag gegebene Sonderverglasung, so dass den Beklagten insoweit eigene Gewährleistungsrechte zustehen. Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die streitgegenständlichen Kratzer im Hinblick auf die nach der mündlichen Verhandlung vorgelegte Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bauwesen (Bl. 74 f) als Mangel zu beurteilen oder zulässig sind. Selbst wenn es sich um einen Mangel handeln würde, müsste die Klägerin dafür nicht einstehen.

Beurteilt man den streitgegenständlichen Sonderwunsch-Vertrag als Werklieferungsvertrag, auf den gemäß §§ 651, 433 f BGB Kaufrecht anzuwenden wäre, käme es darauf an, ob der streitgegenständliche Mangel im maßgeblichen Übergabezeitpunkt vorgelegen hat. Es ist fraglich, wann dieser anzunehmen ist. In Betracht käme insoweit entweder der Lieferungs-/Einbauzeitpunkt, der vor dem 08.12.2010 gelegen haben dürfte, oder spätestens die Abnahme/Übergabe am 09.06.2011. Beurteilt man den Sonderwunsch-Vertrag als Werkvertrag, käme es auf die Abnahme vom 09.06.2011 an.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Kratzer zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhanden gewesen sind. Das Abnahme/Übergabeprotokoll vom 09.06.2011 (Bl. 53 f) das 14 Seiten umfasst, belegt, dass insbesondere auch die Fenster einer genauen Sichtprüfung unterzogen worden sind, bei der die streitgegenständlichen Kratzer, die sich auf den Lichtbildern deutlich zeigen, sowohl von den Beklagten als auch der Vertreterin der Firma B[…] nicht wahrgenommen worden sind, obwohl ansonsten etliche, auch sehr geringfügige Beschädigungen dokumentiert wurden.

Die Beklagten haben die Kratzer erst einige Wochen nach ihrem Einzug, also Ende Juni/Anfang Juli 2011 bemerkt. Des Weiteren handelt es sich um eine mechanisch verursachte Beschädigung, für deren Verursachung verschiedenartige Geschehensabläufe in Betracht kommen. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass die Kratzer erst nach Abnahme/Übergabe entstanden sind.

Die Beweislast dafür, dass der streitgegenständliche Mangel im maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen ist, tragen die Beklagten. Der Kratzer wurde erstmals erst nach Abnahme, nämlich durch die Mail der Firma B[…] vom 22.08.2011 (Bl. 68), und die Mail der Beklagtenseite vom 28.11.2011 (Bl. 35) gerügt. Die vorangegangenen Mails der Beklagten vom 27.02.2011 (Bl. 36) und 25.12.2010 (Bl. 48) betrafen nach Angaben der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung die Vermutung, dass „falsche“ Scheiben, also nicht das bestellte Sonderglas eingebaut worden seien, worauf das Klopfgeräusch hingedeutet habe.

Auch bei Anwendung von Kaufrecht bleibt die Beweislast auf der Beklagtenseite. § 476 BGB kommt auf Grund der Art des streitgegenständlichen Mangels nicht zur Anwendung. Dieser kann nämlich jederzeit durch Dritteinwirkung zustande gekommen sein.

Die Beklagten sind insoweit beweisfällig geblieben. Eine Beweisaufnahme war nicht durchzuführen. Zwar haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, es handele sich um einen typischen Transportschaden und dies unter Sachverständigenbeweis gestellt. Dieser Beweisantritt ist zum Beweis der entscheidungserheblichen Tatsache jedoch nicht geeignet. Es mag nicht auszuschließen sein, dass ein derartiger Schaden auch durch den Transport der Fensterelemente entstanden sein kann. Ebenso sind jedoch auf Grund des Erscheinungsbildes des Schadens und im Hinblick darauf, dass dort mehrere Häuser zugleich samt Aussenanlagen neu errichtet worden sind, etliche andere Geschehensabläufe denkbar, die zu dessen Entstehung geführt haben könnten. Ausreichend sichere Feststellungen dazu, ob das Fensterelement im maßgeblichen Zeitpunkt bereits diese Beschädigung aufgewiesen hat oder nicht, würden sich damit nicht treffen lassen.

Die Beklagten haben daher die restliche Rechnung zu bezahlen.

Der Anspruch auf Bezahlung von Verzugszinsen beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB.Verzugseintritt ist allerdings erst ab Zugang der Mahnung vom 05.09.2011 (Bl. 26) anzunehmen. Die Vorschrift des §286 Abs. 3 BGB ist im Hinblick auf die Beklagten als Verbraucher nicht anwendbar. Weitere Mahnungen sind nicht vorgetragen. Im Gegenteil hatten die Parteien ausweislich der Mahnung vom 05.09.2011 weitere Zahlungen wohl zunächst von der Übersendung der Prüfberichte abhängig gemacht. Verzugseintritt ist damit erst ab 07.09.2011 anzunehmen.

Es war daher wie geschehen zu entscheiden.

Kosten: § 91 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.“

AG Esslingen, Urteil vom 11.10.2012 – 5 C 691/12