Örtliche Zuständigkeit für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO sowohl für die Hin- und Rückfahrt eines Transportes für ausländische Fahrzeuge, wenn der Transport aus dem Ausland nach Deutschland und zurück erfolgt

Nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) (VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 6.12.2013 – VG 2 L 422/13) ist eine Behörde für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigungen nach § 70 StVZO sowohl für die Hin- und Rückfahrt eines Transportes örtlich zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich sich der Grenzübergang befindet, über den ausländische Fahrzeuge in die Bundesrepublik Deutschland einfahren.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

BESCHLUSS

VG 2 L 422/13

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

des P[…] Transport, […]

Antragstellers,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, Az.: […]

gegen

das Landesamt für Bauen und Verkehr, Lindenallee 51, 15366 Hoppegarten, […]

Antragsgegner,

hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder)

am 6. Dezember 2013

durch

den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts […],
den Richter am Verwaltungsgericht […] und
den Richter am Verwaltungsgericht […]

beschlossen:

1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der Antragstellerin auf ihren Antrag vom 29. Oktober 2013 hin für die beschriebene Fahrzeugkombination über die bereits erteilte Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO für die (Hin-)Fahrt vom Grenzübergang Forst zum Grenzübergang Bad Bentheim hinaus eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO für die (Rück-)Fahrt vom Grenzübergang Bad Bentheim zum Grenzübergang Forst einschließlich der Durchquerung der Bundesländer Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen bis zum 28. Januar 2014 zu erteilen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Antragstellerin,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Antragstellerin auf ihren Antrag vom 29. Oktober 2013 eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO und zur FZV für die in der Anlage zum Schriftsatz vom 29. Oktober 2013 beschriebene Fahrzeugkombination für die Fahrtstrecke vom Grenzübergang Bad Bentheim zum Grenzübergang Forst einschließlich der Durchquerung der Bundesländer Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen für den Zeitraum vom 29. Oktober 2013 bis zum 28. Januar 2014 zu erteilen,

ist nach Maßgabe des Tenors zulässig und begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Der materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der Sache (Anordnungsgrund) müssen glaubhaft gemacht werden (§ 123 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Ein Anordnungsgrund besteht in aller Regel, wenn dem Antragsteller ohne Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 – 1 BvR 1087/91 -, BVerfGE 93, 1, 13 ff.); es müssen Nachteile zu besorgen sein, die die mit einem Zeitverlust stets einhergehenden Belastungen übersteigen und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Anordnung begründen. Der Antragstellerin steht ein glaubhaft gemachter Anordnungsgrund zur Seite, weil die von ihr vorgesehenen Fahrten unter Nutzung der begehrten Ausnahmegenehmigung zwischen dem 29. Oktober 2013 und 28. Januar 2014 stattfinden sollen. Bei einem Abwarten bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache wäre ihre Durchführung mithin nicht mehr möglich.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch mit der für die faktische Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Es besteht ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung der begehrten (weitergehenden) Ausnahmegenehmigung gerichtete Klage der Antragstellerin in der Hauptsache Erfolg haben würde.

Der Antragsgegner ist zunächst – entgegen seiner Auffassung – auch für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die (Rück-)Fahrt vom Grenzübergang Bad Bentheim zum Grenzübergang Forst zuständig.

Die grundsätzliche Zuständigkeit ergibt sich aus Ziffer 1.9 der Richtlinien für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 70 StVZO für bestimmte Arbeitsmaschinen und bestimmte andere Fahrzeugarten (Richtlinien zu § 70 StVZO). Danach erteilen für Halter außerdeutscher Fahrzeuge und Anhänger „Ausnahmegenehmigungen … die zuständigen Behörden, in deren Gebiet die Grenzübergangsstelle liegt“. Die Antragstellerin hat die Ausnahmegenehmigung für in Polen zugelassene Fahrzeuge/Anhänger beantragt; die vorgesehene Fahrt führt über den Grenzübergang Forst in das Bundesgebiet. Mithin ist der Antragsgegner für die Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung zuständig.

Die Richtlinie ist bezüglich der Zuständigkeit dabei nicht so zu verstehen, dass sie nur die Hinfahrt erfasst, denn es ist dort nur von der „Grenzübergangsstelle“ die Rede. Anders wäre die Frage ggf. dann zu beurteilen, wenn der Richtliniengeber ausdrücklich auf die „erste“ oder wenigstens die „jeweilige“ Grenzübergangsstelle abgestellt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Ob die nach einem zeitweiligen Verlassen des Bundesgebietes für die Strecke vom Grenzübergang Bad Bentheim zum Grenzübergang Forst von der Ausnahmegenehmigung erfasst werden kann, ist danach – entgegen der Auffassung des Antragsgegners – keine Frage der Zuständigkeit, sondern liegt in seinem, durch § 70 StVZO eröffneten, Ermessen.

Hier steht es dem Antragsgegner grundsätzlich frei, im Rahmen seines Ermessens die Gültigkeit der Ausnahmegenehmigung auf die Hinfahrt zu beschränken. Vorliegend ist jedoch zugunsten der Antragstellerin durch die Praxis des Antragsgegners eine Ermessensbindung in der Gestalt einer Ermessensreduzierung „auf Null“ eingetreten.

Dies ergibt sich daraus, dass der Antragsgegner der Antragstellerin in der Vergangenheit die beantragten Ausnahmegenehmigungen nach § 70 StVZO – unabhängig von den jeweiligen technischen Einzelheiten – jeweils einheitlich für die Hin- und die Rückfahrt erteilte. Dies belegen die von der Antragstellerin vorgelegten Ausnahmegenehmigungen vom 30. Oktober 2013 und vom 22. Mai 2013, welche jeweils die Hin- und Rückfahrt abdeckten. Diese Genehmigungspraxis ist der Kammer auch aus anderen Verfahren bekannt (vgl. Beschluss vom 23. September 2013 – VG 2 L 305/13; Beschluss vom 30. September 2013 – VG 2 L 324/13 -). Die Antragstellerin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die Bezirksregierung Köln und die zuständige Behörde des Landkreises Grafschaft Bad Bentheim der Auffassung sind, dass vorliegend der Antragsgegner für die Erteilung für die Rückfahrt zuständig ist bzw. eine dortige Zuständigkeit für die Rückfahrt nicht besteht. Da sich aus der im vorliegenden Verfahren bereits erfolgten Erteilung der Genehmigung für die Hinfahrt ohne weiteres ergibt, dass die sonstigen – insbesondere technischen – Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vorliegen, hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung auch für die Rückfahrt.

Sachliche Gründe, die den Antragsgegner zu einer Änderung seiner Verwaltungspraxis berechtigen könnten, sind weder von ihm vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Soweit er geltend macht, die vorgenannte Verwaltungspraxis sei im Bund-Länder Fachausschuss einer Prüfung unterzogen und die Auslegung der Vorbemerkungen zu den Richtlinien zu § 70 StVZO, wonach sich die Zuständigkeit der Behörde nach dem Ort des Grenzübergangs bemesse, in Frage gestellt worden, rechtfertigt diese keine andere Einschätzung. Sein Vorbringen, wonach der tatsächliche Ausnahmetatbestand gar nicht im Land Brandenburg entstanden sei, sondern vielmehr ein Grenzübergang im Land Brandenburg angegeben worden sei, um die tatsächliche Zuständigkeit zu umgehen, ist angesichts des Umstands, dass es sich bei der Antragstellerin um ein polnisches Unternehmen handelt und somit ein Grenzübergang im Land Brandenburg für die Strecke nach Bad Bentheim in Betracht kommt, nicht nachvollziehbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Da die stattgebende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache vollständig vorwegnimmt, war der für die Hauptsache anzusetzenden Auffangwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu halbieren.“

VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 6.12.2013 – VG 2 L 422/13

siehe auch: