Wechselwirkung zwischen zivilrechtlichen Anerkenntnisurteil und strafrechtlicher Einziehungsanordnung

Durch das Amtsgericht Dresden erfolgten im Hinweisbeschluss (AG Dresden, Beschluss vom 29.5.2019 – 114 C 4821/16) Ausführungen zur Wechselwirkung zwischen einem zivilrechtlichen Anerkenntnisurteil und einer strafrechtlichen Einziehungsanordnung zur Klärung der Frage, ob nach einem Erlass eines Anerkenntnisurteils in einem Zivilprozess nach einem vorangegangenen, rechtskräftigen Strafbefehl mit einer Einziehungsanordnung die Gefahr besteht, dass der Beklagte und zugleich im Strafverfahren Verurteilte sodann zweimal die den Schadensbetrag zurückzuerstatten hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

1.
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass dem Erlass eines Anerkenntnisurteils ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin, welches auch bei Erlass eines Anerkenntnisurteils als Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen ist, nicht entgegenstehen dürfte.

2.
Das Amtsgericht Dresden hat […] gegen die Beklagte einen Strafbefehl wegen versuchten Betruges gemäß der §§ 263 Abs. 1 und 2, 22, 23 StGB erlassen und neben einer Geldstrafe auch gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c StGB die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 4.811,93 EUR angeordnet.
Der Einziehung liegt ein Sachverhalt zugrunde, dass die Beklagte bewusst wahrheitswidrig den hier streitgegenständlichen Darlehensvertrag in Abrede gestellt hat, um ein klageabweisendes Urteil zu bewirken und somit sich die Rückzahlung der restlichen Darlehensvaluta in Höhe von 4.811,93 EUR gegenüber ihrer Großmutter zu ersparen.
Der Strafbefehl ist unstreitig rechtskräftig.

3.
Mit Schreiben vom 17.05.2019 hat nunmehr die Beklagte in dem vorliegenden Zivilrechtsstreit die Zahlungsforderung der Klägerin „insoweit“ anerkannt und hiermit Erledigung des Rechtsstreites erklärt. Die Klägerin hat daraufhin mit Schreiben vom 21.05.2019 um den Erlass eines Anerkenntnisurteiis gemäß § 307 ZPO ersucht.

4.
Gemäß § 459h Abs. 2 StPO i.V.m. §§ 459k und 459l StPO kann der Verletzte mit der Rechtskraft der Einziehungsanordnung seine Befriedigung aus dem eingezogenen Wertersatz verlangen.
Grundsätzlich stellt sich im Rahmen des § 73 Abs. 1 StGB die Frage nach Bestehen oder Nichtbestehen eines etwaigen Anspruchs des Verletzten gegen den Täter nicht. Mit der Einziehung soll dem Täter das durch eine rechtswidrige Tat Erlangte wieder genommen werden.
Abzuschöpfen ist jeder der Vermögenswert, den der Täter durch die rechtswidrige Tat erlangt hat, also alles, was dem Täter aus seiner Tat unmittelbar messbar zugute gekommen ist. Dabei erstreckt sich die Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB dem Umfang nach nur grundsätzlich auf das unmittelbar erlangte Etwas, nicht auf etwaige Nebenforderungen, wie hier den Zinsanspruch und die Rechtsanwaltskosten (vgl. OLG München, Urteil vom 20.07.2018, Aktenzeichen; 5 OLG 15 Ss 96/18, Rn. 17 ff.).
Nach § 73 StGB ist die Einziehung des Wertersatzes allerdings ausgeschlossen, wenn der Anspruch des Verletzten aus der Tat auf Rückgewährung des Ersatzes des Wertes des Erlangten erloschen ist. Das Verbot der Einziehung im Fall des Erlöschens besteht jedoch nur bis zum Abschluss des Erkenntnisverfahrens. Nach Eintritt der Rechtskraft der Anordnung der staatlichen Einziehung des Wertersatzes richtet sich das Schicksal der Anordnung der Einziehung nach dem einschlägigen Recht der Strafvollstreckung gemäß der §§ 459g ff. StPO.

5.
Gemäß § 459h Abs. 2 StPO ist der Gegenwert der Einziehung an den Verletzten auszukehren, dem ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist. „Die Kosten der Rechtsverfolgung und die Verzugszinsen bleiben damit ebenso außer Betracht vwe etwaige Schmerzensgeldansprüche.“ (Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Auflage 2019, § 459h, Rn. 4)
Gemäß § 459j Abs. 1 StPO hat der Verletzte seinen Anspruch auf Rückübertragung oder Herausgabe binnen 6 Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung bei der Vollstreckungsbehörde anzumelden. Jedoch kann der Verletzte gemäß § 459j Abs. 5 StPO unbeschadet des Verfahrens nach Abs. 1 seinen
Anspruch auf Rückübertragung oder Herausgabe nach § 459h Abs. 1 StPO geltend machen, indem er ein vollstreckbares Endurteil i.S.d. § 704 der Zivilprozessordnung oder einen anderen Vollstreckungstitel i.S.d., § 794 der Zivilprozessordnung vorlegt, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt.
§ 459j StPO räumt daher dem Verletzten zwei Möglichkeiten der Geltendmachung seines Anspruches auf Herausgabe des eingezogenen Geldbetrages wahlweise ein. Entweder in Form eines sogenannten „Zivilprozess-Light“ (Mansdörfer, jM 2017, 122, 127), wobei dieser Anspruch innerhalb von 6 Monaten nach Zugang der Mitteilung nach § 459i StPO geltend gemacht werden muss, oder auch nach Ablauf der Frist durch Vorlage eines rechtskräftigen vollstreckbaren Titels, hier Anerkenntnisurteil oder Endurteil.
Bereits daraus ergibt sich, dass, auch wenn man dem Strafverfahren Vorrang vor dem Zivilverfahren einräumen wollte, grundsätzlich seitens des Verletzten ein Rechtsschutzinteresse daran besteht, einen vollstreckbaren zivilrechtlichen Titel zu erwerben, um auch nach dieser Frist noch den Anspruch geltend zu machen.

6.
Die Gefahr einer Doppelbeiastung des Betroffenen, hier der Beklagten, dürfte nicht bestehen.
Insofern kann sich der Betroffene auf eine etwaige Entreicherung im Vollstreckungsverfahren nach § 459g Abs. 5 StPO berufen, sofern er aufgrund des zivilrechtlichen Vollstreckungstitels an den Geschädigten leistet.
Umgekehrt kann sich der Betroffene auch gegenüber dem Verletzten im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage auf eine Leistung von Wertersatz an die Strafvollstreckungsbehörde berufen, wobei der Geschädigte dann aufgrund des rechtskräftigen zivilrechtlichen Vollstreckungstitels Herausgabe dieses Betrages an sich selbst von der Volistreckungsbehörde beanspruchen kann.

7.
Zudem ist zu bedenken, dass sich die Einziehung nur auf dasjenige bezieht, was der Betroffene aus der Tat oder aufgrund der Tat erhalten hat.
Konkret bedeutet dies hier, dass die Einziehung sich auf den Vermögensvorteil bezieht, welchen die Beklagte aus dem versuchten Betrug zu erzielen beabsichtigte. Insofern beträfe dies hier einen deliktischen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den §§ 263, 22, 23 StGB.
Streitgegenständlich ist hier jedoch nicht ein deliktischer Schadensersatzanspruch der Klägerin, sondern ein vertraglicher Anspruch aus einem Darlehensvertrag. Dieser vertragliche Anspruch wird von der strafrechtlichen Einziehung nicht umfasst. Allerdings hat sich die Klägerin selbstverständlich auch das gegenrechnen zu lassen, was sie über die Einziehung von der Strafvollstreckungsbehörde ausgezahlt bekommt.

8.
Das Gericht beabsichtigt daher, entsprechend dem Anerkenntnis der Beklagten gegen die Beklagte ein Anerkenntnisurteil zu erlassen.“

AG Dresden, Beschluss vom 29.5.2019 – 114 C 4821/16