Blinken reicht nicht: Gericht stellt volle Haftung des Abbiegenden fest

Das Landgericht Görlitz Außenkammer Bautzen (LG Görlitz, Urteil vom 24. Juli 2024 – 6 O 65/23) hat in einem Urteil klargestellt, dass ein abbiegender, wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer die volle Haftung für einen Unfall trägt, selbst wenn der vorfahrtsberechtigte Fahrer den Blinker gesetzt hat. Im zugrunde liegenden Fall fuhr der Kläger auf einer Vorfahrtsstraße und signalisierte durch (unbewusstes) Blinken ein Abbiegen, setzte dieses jedoch nicht um. Die Unfallgegnerin, die abbiegen wollte, vertraute auf das Blinken und verursachte einen Unfall. Das Gericht stellte fest, dass das Setzen des Blinkers allein nicht ausreichend ist, um dem Wartepflichtigen das Vertrauen auf eine sichere Abbiegeaktion zu gewähren. Entscheidend ist, dass der Vorfahrtsberechtigte eindeutig abbiegt oder abbremst, um eine entsprechende Vertrauensgrundlage zu schaffen. Der Wartepflichtige bleibt in der Verantwortung, die Vorfahrt zu beachten und darf nicht allein auf den Blinker vertrauen.

Dieses Urteil verdeutlicht, dass das Blinken nur ein Indiz für das Abbiegen ist und keine verbindliche Zusicherung darstellt. Der Wartepflichtige muss weiterhin sicherstellen, dass der Vorfahrtsberechtigte tatsächlich abbiegt, bevor er selbst abbiegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden, […]

gegen

[…] Versicherung […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz durch

Richter am Landgericht […] als Einzelrichter

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2024 am 24.07.2024

für Recht erkannt:

1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Görlitz – Außenkammern Bautzen – vom 02.11.2023 – Az. 6 O 65/23 – bleibt aufrechterhalten.

2. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

[…]

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Teilklage auf Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalles vom 09.12.2022 gegen 9:45 Uhr in Anspruch.

Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug Kia Venga […] in Bautzen die Stieberstraße Richtung Dr.-Peter-Jordan-Straße. Die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs Ford Kuga […] befuhr die Goethestraße und wollte nach rechts in die Stieberstraße einbiegen. Beide Fahrzeuge kollidierten im Einmündungsbereich. Die Stieberstraße ist mit dem Verkehrsschild: „Vorfahrtsstraße“ ausgestattet. An der Einmündung der Goethestraße zur Stieberstraße steht das Verkehrsschild „Vorfahrt gewähren“.

Der Kläger behauptet, er sei auf der vorfahrtsberechtigten Straße gefahren. Soweit er aufgrund vorher abknickenden Vorfahrt seinen Blinker noch angehabt hätte, hätte dies die Fahrerin des Ford Kuga erkannt, aber nicht auf die Abbiegeabsicht vertrauen dürfen, da er keine Geschwindigkeitsverzögerung vorgenommen habe.

[…]

Die Beklagte behauptet, die Fahrerin des Ford Kuga habe sich mit dem von ihr gesteuerten
Fahrzeug der Kreuzung Goethestraße/ Stieberstraße genähert und sei bis zur Sichtlinie vorgefahren. In diesem Moment sei von links der Kläger mit seinem Fahrzeug mit eingeschaltetem rechten Fahrtrichtungsanzeiger gekommen. In der Erwartung, der Kläger würde in die Goethestraße einbiegen, sei die Fahrerin des Ford Kuga vorgefahren, um rechts abzubiegen. Völlig überraschend habe das klägerische Fahrzeug den Abbiegevorgang plötzlich abgebrochen, um dann geradeaus weiterzufahren.

Hinsichtlich des weitergehenden Vortrags der Parteien wird auf sämtliche wechselseitig eingereichte Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

[…]

Auf der Grundlage der klägerischen Anträge ist in der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2023 ein Versäumnisurteil ergangen, gegen das die Beklagtenseite Einspruch eingelegt hatte.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist erfolglos und die Klage begründet. Das Versäumnisurteil war aufrecht zu erhalten.

[…]

Das Versäumnisurteil war aufrechtzuerhalten und die Klage abzuweisen, da der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz in voller Höhe hat (§§ 7, 8, 17 StVG, 249 BGB 115 VVG).

Der Kläger befuhr die bevorrechtigte Straße. Das Vorfahrtsrecht des Klägers hat die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs missachtet. Sie konnte sich dabei nicht auf ein vertrauensbildendes Verhalten der Klägerseite berufen.

Da sich beide Fahrzeugführer nicht ideal verhalten haben, so dass der Unfall für beide Seiten nicht unvermeidbar war, sind die gegenseitigen Verursachungsbeiträge gegeneinander abzuwägen.

Die Abwägung der beidseitigen Verursachungsbeiträge ergibt, dass die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs den Unfall allein verursacht hat und eine mögliche Betriebsgefahr des vorfahrtsberechtigten durch die Vorfahrtsverletzung zurücktritt.

Der Wartepflichtige hat die Vorfahrt des Berechtigten zu gewähren. Er muss sich entsprechend verhalten, so dass für den Vorfahrtsberechtigten klar ist, dass er die Vorfahrt beachten werde (§ 8 Abs. 2 StVO). Der Wartepflichtige darf nur dann in die Vorfahrtstraße einfahren, wenn er übersehen kann, dass er den, der die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert. Den Wartepflichtigen trifft insoweit eine gesteigerte Sorgfalt, die bedingt, dass er auch mit einem verkehrswidrigen Verhalten des Vorfahrtberechtigten rechnen muss und somit regelmäßig nur auf das Unterbleiben atypischer, grober Verstöße des Vorfahrtberechtigten vertrauen darf (OLG Dresden, Beschluss vom 24. April 2014 – 7 U 1501/13 –, Rn. 7, m.w.N., juris)

Der Wartepflichtige darf nur dann auf ein Abbiegen des Vorfahrtberechtigten vertrauen, wenn über das bloße Betätigen des Blinkers hinaus in Würdigung der Gesamtumstände, sei es durch eine eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit oder aber einen zweifelsfreien Beginn des Abbiegemanövers, eine zusätzliche tatsächliche Vertrauensgrundlage geschaffen worden ist, die es im Einzelfall rechtfertigt, davon auszugehen, das Vorrecht werde nicht (mehr) ausgeübt (OLG Dresden, Urteil vom 20. August 2014 – 7 U 1876/13 –, Rn. 3, juris). Erforderlich ist, dass neben dem Blinken zumindest ein weiteres deutliches Anzeichen dafür gegeben ist, dass der Vorfahrtberechtigte tatsächlich vor dem Wartepflichtigen abbiegt.

Ein solches deutliches weiteres Anzeichen, dass der Kläger vor der Beklagtenseite abbiegen wird, ist nicht ersichtlich. Dies folgt auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, die ein weiteres Anzeichen für einen bevorstehenden Abbiegevorgang nicht behauptet. Die Mitteilung, dass der Abbiegevorgang abgebrochen ist, ist hierfür keine ausreichende Behauptung. Das Gericht sah sich nach der Einlassung des Klägers daher nicht gehalten, eine weitere Beweisaufnahme durchzuführen, da sie lediglich ein Ausforschungsbeweis zugunsten der Beklagtenseite darstellen würde. Eine solche Beweisführung ist unzulässig.

Dieses Ergebnis geht zu Lasten der Klägerseite, da der Wartepflichtige den Anschein der schuldhaften Vorfahrtsverletzung gegen sich hat (vgl. Hentschel/König/Dauer, Rn.: 68 zu § 8 StVO). Wie oben ausgeführt, konnte die Beklagtenseite diesen Anschein durch ihren Vortrag nicht erschüttern.

Über den Hilfsantrag hatte das Gericht nicht zu befinden, da eine Haftung der Beklagtenseite in voller Höhe festgestellt worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last, da sie im Prozess unterliegt. Die Kosten des Rechtsstreits fallen insgesamt der Beklagtenseite zur Last, unabhängig davon, ob sie zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit oder erst nach Rechtshängigkeit gezahlt hat.

In beiden Fällen hat sie die Kosten des Rechtsstreits nach den obigen Erwägungen zu tragen. Es macht insofern auch kein Unterschied, ob die Klage zurückgenommen ist oder für erledigt erklärt hat, da durch das Versäumnisurteil keine Kostenreduzierung durch die Klagerücknahme bzw. eine Erledigungserklärung stattgefunden hätte (§§ 91, 269 Abs. 3, S. 3 ZPO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 u. 3 ZPO).

Die Wertfestsetzung des Streitgegenstandes ergibt sich aus der Höhe der jeweiligen Klageforderung (§§ 48 Abs. 1, 39 GKG, 3, 4 ZPO).“

LG Görlitz, Urteil vom 24. Juli 2024 – 6 O 65/23

Haftungsverteilung 30% zu 70% bei einem Verkehrsunfall zwischen einem nach rechts in eine Grundstückseinfahrt einbiegenden Transporter und einem rechts überholenden Lkw

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt a. M. (AG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.11.2014 – 31 C 2372/11 (83)) ist bei einem Verkehrsunfall zwischen einem nach rechts in eine Grundstückseinfahrt einbiegenden Transporter und einem rechts überholenden Lkw eine Haftungsverteilung 70% zu 30% zu Lasten des Lkw vorzunehmen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

[…]

Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstr. 15, 02625 Bautzen

Geschäftszeichen: […]

gegen

1. [Fahrzeugführer]

2. [Halter des Fahrzeugs]

3. [Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs]

Beklagte

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2, 3: […]

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Richter am Amtsgericht […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2014 für Recht erkannt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.251,01 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 179,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.10.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 56% und die Beklagten 44% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.855,64 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Am 13.01.2011 gegen 6:30 Uhr morgens kam es zwischen Kläger- und Beklagtenfahrzeug zu einem Verkehrsunfall […] im Bereich […] in Höhe der dort befindlichen […] Tankstelle.

Das Klägerfahrzeug war ein PKW vom Typ MB Vito 111 CDI mit dem amtlichen Kennzeichen […], dessen Halterin die Klägerin ist. Fahrer des Klägerfahrzeugs war der Zeuge […] B[…]. Das Beklagtenfahrzeug war ein LKW vom Typ MAN TGA03 A250 mit dem amtlichen Kennzeichen […], den der Beklagte zu 1. fuhr. Die Beklagte zu 2. war Halterin und die Beklagte zu 3. die Haftpflichtversicherung des LKW.

Die Fahrzeuge kollidierten im Bereich der rechten Seite des Kläger- und der linken Seite des Beklagtenfahrzeugs miteinander, als der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs rechts am Kiägerfahrzeug vorbeifahren wollte. Das Klägerfahrzeug wurde am rechten Außenspiegel sowie im Bereich der Beifahrertür und des rechten Kotflügels beschädigt. Das Beklagtenfahrzeug wurde im Bereich der Stoßstange vorne links und im Bereich der Fahrertür beschädigt.

Das Klägerfahrzeug wurde für brutto 4.697,05 Euro […] repariert, wobei die Klägerin das Fahrzeug acht Tage nicht nutzen konnte.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 04.02.2011 forderte die Klägerin die Beklagte zu 3. auf, die Haftung aus dem Unfall dem Grunde nach anzuerkennen. Mit Anwaltsschreiben vom 02.03.2011 forderte die Klägerin die Beklagte zu 3. auf, eine Zahlung in Höhe von 5.034,46 Euro zu leisten […]. Mit Schreiben vom 23.08.2011 teilte die Beklagte zu 3. mit, dass sie eine Haftungsteilung für angemessen halte und, dass sie 2.451,33 Euro an die Klägerin gezahlt habe […].

Die Klägerin behauptet, der Zeuge B[…] habe unmittelbar vor dem Unfall mit einer leichten Lenkbewegung nach links ausholen müssen, um nach rechts in die Grundstückseinfahrt […] einfahren zu können. In diesem Moment sei das von hinten kommende Beklagtenfahrzeug in die rechte Seite des Klägerfahrzeugs gefahren. Zuvor habe der Zeuge B[…] den Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts gesetzt, die Geschwindigkeit verringert und mit Blicken in Rück-, rechten Seitenspiegel und über die rechte Schulter versichert, dass sich kein anderes Fahrzeug neben ihm befunden oder zum Überholen angesetzt habe. Die Klägerin meint, ihr stünde gegen die Beklagten ein Anspruch in Höhe von insgesamt 5.348,77 Euro zu, auf den die Beklagte zu 3. lediglich 2.491,33 Euro gezahlt habe […].

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 2.855,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4% aus 4.397,10 Euro für die Zeit vom 14.1.2011 bis um 22.3.2011 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 5.348,77 Euro seit dem 23.3.2011 bis zum 24.8.2011 und weitere Zinsen In Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins satz nach § 247 BGB aus 2.855,64 Euro seit dem 25.8.2011 zu zahlen.
  2. die Beklagten werden darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 239,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basis zinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, der Fahrer des Klägerfahrzeugs habe den Unfall verursacht. Er sei trotz angekündigten Linksabbiegevorgangs und Einordnens auf dem Fahrstreifen nach links in Richtung der Tankstelle ohne Setzen eines Blinkers plötzlich nach rechts geschwenkt, so dass der sich im Geradeausverkehr normal weiter bewegende Beklagte zu 1., der am Kläger fahrzeug vorbeifahren wollte, keine Chance gehabt habe, dem Klägerfahrzeug auszuweichen.

Auch sei der Fahrer des Klägerfahrzeugs seiner Rückschauverpflichtung nicht nachgekommen, da er das Beklagtenfahrzeug ansonsten hätte sehen müssen. Dass sich das Klägerfahrzeug nach links eingeordnet habe, ergebe nur Sinn, wenn in Richtung der Tankstelle gefahren werden sollte. Ein Ausholen nach links sei zum Abbiegen nach rechts in die Einfahrt nicht erforderlich gewesen. Die Beklagten tragen vor, die geltend gemachten Abschleppkosten seien nicht zu ersetzen, da diese abgetreten worden seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen […] B[…], […] K[…], […] H[…] und […] S[…] sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Auf die Protokolle zu den Beweisaufnahmen des Amtsgerichts Bautzen vom 25.04.2012 […], 10.05.2012 […], des Amtsgerichts Löbau vom 30.10.2012 […] und des Amtsgerichts Zittau vom 07.05.2013 […] sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr.-lng. […] K[…] vom 31.03.2014 […] wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Im Übrigen hat die Klage in der Sache keinen Erfolg.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 18, 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG in Höhe von 1.251,01 Euro zu.

1.

Die Voraussetzungen der Haftung der Beklagten dem Grunde nach gemäß §§ 7 Abs. 1 und 18 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WG, 1 PflVG, 823, 249 BGB liegen vor. Das Klägerfahrzeug wurde beim Betrieb des Beklagtenfahrzeugs beschädigt. Die Halterhaftung der Beklagten zu 2. resultiert aus § 7 Abs. 1 StVG, die Haftung des Beklagten zu 1., der das Beklaglenfahrzeug gefahren ist, folgt aus § 18 StVG. Der Anspruch kann gemäß §§115 WG, 1 PflVG auch direkt gegen den Haftpflichtversicherer, d.h. gegen die Beklagte zu 3., geltend gemacht werden.

Die Ersatzpflicht der Beklagten zu 2. ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Der Unfall wurde nicht durch höhere Gewalt verursacht. Die Ersatzpflicht des Beklagten zu 1. ist nicht wegen § 18 Abs. 1 S. 2 StVG ausgeschlossen, da der Schaden nicht nicht durch ein Verschulden des Beklagten zu 1. verursacht worden ist.

2.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz aus dem Unfall jedoch nur im Umfang einer Haftungsquote von 70% zu.

a)

Gemäß § 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 3 StVG hängt bei einer Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge auch im Verhältnis der Fahrzeughalter und -führer untereinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach der unter Berücksichtigung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge gemäß §§ 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG vorzunehmende Haftungsabwägung trägt derjenige Halter bzw. Fahrer der unfallbeteiligten Fahrzeuge den größeren Verantwortungs- und damit auch den größeren Haftungsanteil, dessen Verhalten den Eintritt des Schadens in höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. BGH NJW 98,1137).

b)

Die Ersatzpflicht nach § 17 Abs. 1, 2 StVG ist vorliegend nicht aufgrund von § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen. Nach § 17 Abs. 3 StVG ist die Verpflichtung zum Ersatz für denjenigen Unfallbeteiligten ausgeschlossen, aus dessen Sicht den der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist. Als unabwendbar gilt ein Ereignis gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 StVG nur dann, wenn sowohl der Halter wie der Fahrer jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet haben. Dies Ist vorliegend indes nicht geschehen.

Weder der Fahrer des Klägerfahrzeugs noch der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs haben die nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet. Der Fahrer des Kiägerfahrzeugs hat die Sorgfaltsanforderungen aus §§ 9 Abs. 1, Abs. 5, 10 S. 2 StVO missachtet. Der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs hat beim Überholen des Klägerfahrzeugs gegen § 5 StVO verstoßen.

Das Gericht ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung sowie aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme gemäß § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass der Unfall sich ereignet hat, als das Klägerfahrzeug, nachdem es auf die Straße […] abgebogen war, die keine Fahrstreifenmarkierung aufwies, und ohne Benutzung eines Fahrtrichtungsanzeigers sowie ohne Tätigung eines Schulterblicks sich in Richtung Tankstelle orientiert hat, als das Beklagtenfahrzeug versucht hat, rechts zu überholen. Dies, obwohl dem Beklagtenfahrzeug ein Überholen ohne Nutzen des neben der Straße befindlichen Gehstreifens nicht möglich war und nicht klar war, ob das Klägerfahrzeug tatsächlich nach links in Richtung Tankstelle fahren wird.

Hierbei stützt sich das Gericht auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des schriftlichen Sachverständigengutachtens zum Unfallhergang und zur Unfallposition der Fahrzeuge zueinander sowie im Verhältnis zu den örtlichen Begebenheiten. Der Sachverständige hat aufgrund der Aussage des Zeugen B[…], der mitgeteilt hat, dass der LKW nach der Kollision halb auf Rad- und Fußweg rechts gestanden habe, und aufgrund des in Höhe des Unfallortes befindlichen Straßenschildes sowie der Unfallschäden an den Fahrzeugen dargetan, dass das Kfz der Klägerin sehr weit ausgeholt haben muss, d.h. einen Bogen gefahren sein muss, bevor es zur Kollision gekommen ist. Soweit die Zeugen K[…] und S[…] dahingegen angegeben haben, dass der Zeuge B[…] lediglich kurz nach links ausgeschwenkt sei, um in die Grundstückseinfahrt zu gelangen, ist das Gericht von der Richtigkeit dieser Aussagen schon aufgrund des Sachverständigengutachtens nicht überzeugt. Darüber hinaus haben die Zeugen B[…], der Fahrer des Klägerfahrzeugs gewesen ist, und des Zeugen H[…] einen solchen Linksschwenker nicht bestätigt, zumal nach den Angaben dieser Zeugen, was der Sachverständige bestätigte, ein solcher Schwenker zur Einfahrt in das Grundstück mit dem Klägerfahrzeug überhaupt nicht erforderlich gewesen ist.

Die Frage, ob der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs im Zeitpunkt der Kollision den Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts angeschaltet hatte, vermochte die Beweisaufnahme aus Sicht des Gerichts nicht zu klären. Insofern geht das Gericht davon aus, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs keinen Blinker gesetzt hatte. Zwar haben die Zeugen B[…] und K[…] angegeben, dass der Zeuge B[…] einen Blinker gesetzt habe. Jedoch wurden diese Aussagen durch die Zeugen H[…] und S[…], die sich ebenfalls im Klägerfahrzeug befanden, nicht bestätigt. Entgegen den Zeugen B[…] und K[…] hat der Beklagte zu 1. im Rahmen seiner informatorischen Anhörung angegeben, dass das Klägerfahrzeug nach links und nicht nach rechts geblinkt habe. Bei seiner Würdigung der Aussagen der Zeugen B[…] und K[…] hat das Gericht berücksichtigt, dass nicht erklärlich ist, weswegen der Zeuge B[…] zunächst den Blinker rechts setzt, um dann – obwohl ein solcher Schlenker nach eigener Aussage des Zeugen B[…] für die Einfahrt in das Grundstück nicht erforderlich sei – sehr weit nach links zu fahren. Soweit der Beklagte zu 1. angegeben hat, der Zeuge B[…] habe nach links geblinkt, geht das Gericht auch hiervon nicht aus, zumal die Zeugen übereinstimmend angegeben haben, man habe nicht zur Tankstelle fahren wollen.

Das Gericht ist gemäß § 286 ZPO weiter davon überzeugt, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs, der Zeuge B[…], vor der Grundstückseinfahrt keinen Schulterblick nach rechts getätigt hat. Soweit die Klägerin dies vorgetragen hat, wird der Vortrag bereits durch die Zeugenaussage des Zeugen B[…] widerlegt. Der Zeuge hat angegeben, sich nur im Rückspiegel orientiert zu haben. Insoweit ist die Aussage des Zeugen K[…], der den Schulterblick gesehen haben will, unbeachtlich, zumal ein Schulterbiick vor einem Lenken nach rechts den Unfall hätte verhindern können, da der Zeuge B[…] dann den herannahenden Beklagten-LKW hätte sehen müssen.

c)

Im vorliegenden Fall treffen nach der Abwägung gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG die Beklagten aufgrund der erhöhten Betriebsgefahr sowie des Umstandes, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs das Klägerfahrzeug entgegen § 5 Abs. 1 StVO rechts überholen wollte, obwohl aufgrund des Fahrverhaltens des Fahrers des Klägerfahrzeugs ein Fall des § 5 Abs. 7 S, 1 StVO nicht vorgelegen hat, ein größerer Verantwortungsanteil an dem Unfall. Dabei berücksichtigt das Gericht, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs den Unfall ohne weiteres hätte vermelden können, wenn er abgewartet hätte, in welche Richtung das vor Ihm befindliche und damit gut sichtbare Klägerfahrzeug weiterfährt. Ein Fall des § 5 Abs. 7 S. 1 StVO liegt nicht vor. Danach ist, wer seine Absicht nach links abzubiegen, ankündigt und sich eingeordnet hat, rechts zu überholen. Nach den Feststellungen des Gerichts fehlt es bereits daran, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs angekündigt hat, dass er nach links abbiegen wollte. Ferner hat er sich nicht so weit nach links eingeordnet, dass es dem Beklagtenfahrzeug überhaupt möglich gewesen wäre, ohne Mitbenutzung des Gehstreifens an dem Klägerfahrzeug vorbeizufahren. Insofern galt die Regel des § 5 Abs. 1 StVO, wonach links zu überholen ist, wogegen der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs ebenso verstoßen hat, wie gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, wo nach ein Überholen bei unklarerVerkehrslage unzulässig ist. Im vorliegenden Fall war unklar, ob der nicht blinkende Fahrer des Klägerfahrzeugs überhaupt nach links abbiegen wollte.

Auf Seiten der Klägerin war das Fehlverhalten des Zeugen B[…], der gegen die Sorgfaltsanforderungen der §§ 9 Abs. 1, Abs. 5, 10 S. 2 StVO verstoßen hat, zu berücksichtigen. Insoweit trifft die Klägerin einen Mitverursachungs- und damit einen Haftungsbeitrag in Höhe von 30%, zumal auch der Zeuge B[…] den Unfall durch einen Schulterbiick sowie ein klares Fahrverhalten in Richtung der rechtsseitigen Grundstückseinfahrt hätte verhindern können, wobei sich das Herannahen des Beklagtenfahrzeugs nicht in seinem direkten Blickfeld zugetragen hat.

d)

Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs ist das Gericht von der von Klägerseite geltend gemachten Forderung von 5.348,77 Euro ausgegangen, die die Beklagten hinsichtlich der der Höhe nicht in Abrede gestellt haben. Soweit die Beklagten vorgetragen haben, die Abschleppkosten seien nicht zu ersetzen, da sie abgetreten worden seien, ist der Vortrag mangels hinreichender Substantiierung nicht zu berücksichtigen.

Nach der Haftungsquote von 70% stand der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagten in Höhe von 3.744,14 Euro zu. Diesen Anspruch hat die Beklagte zu 3. durch vorgerichtliche Zahlung in Höhe von 2.491,13 Euro teilweise erfüllt (§ 362 BGB). Der Klägerin steht gegen die Beklagten daher noch ein Anspruch in Höhe von 1.251,01 Euro zu.

Die Klägerin hat zudem gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 179,25 Euro. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gehören als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung ebenfalls zum ersatzfähigen Schaden.

Ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch insoweit besteht jedoch nur in der Höhe, in welcher der Schadensersatzanspruch gegeben ist. Insoweit kann der Kläger von den Beklagten Kostenerstattung lediglich nach Maßgabe der Haftungsquote ausgehend von einem Streitwert von 3.744,14 Euro verlangen. Eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 W RVG beträgt nach dem vorliegend anwendbaren W RVG in der Fassung gültig bis 31.07.2013 318,50 Euro, abzüglich einer 0,65 Gebühr verbleiben 159,25 Euro. Zuzüglich 20,00 Euro Pauschale belaufen sich die vorgerichtlich notwendigen Rechtsanwaltskosten auf 179,25 Euro.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Hauptforderung resultiert aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Erstmals mit Anwaltsschreiben vom 02.03.2011 wurde die Beklagte zu 3. bis zum 09.03.2011 zur Zahlung aufgefordert. Hinsichtlich der Nebenforderung ergibt sich der Zinsanspruch aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Die Klage wurde den Beklagten am 21.10.2011 zugstellt.

IV.

Die Kostenentscheidung ergeht aufgrund von §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Ausgehend von dem Klageantrag in der Hauptsache in Höhe von 2.855,64 Euro hat die Klägerin in einem Umfang von 44% (Verhältnis 1.251,01 Euro / 2.855,64 Euro) obsiegt. Die geltend gemachte Nebenforderung ist gemäß § 43 Abs. 1 GKG dem Hauptanspruch im Rahmen des Kostenstreitwerts nicht zu berücksichtigen und wirkt sich daher nicht auf die Kostengrundentscheidung aus. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht für den Kläger gemäß § 709 ZPO und für die Beklagten gemäß §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung basiert auf §§ 3 ZPO i. V. m. 48 Abs. 1 GKG.“

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.11.2014 – 31 C 2372/11 (83)

Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall, bei dem der Abbiegende kurzzeitig zuvor den Fahrtrichtungsanzeiger setzte und wieder ausschaltet

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 407/11) trifft den Wartepflichtigen bei einem Verkehrsunfall die überwiegende Haftung, wenn der vermeintlich Abbiegende nur den Fahrtrichtungsanzeiger setzte und wieder ausschaltet.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz in zuerkannter Höhe nach §§ 7,17 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG.

Nach den genannten Vorschriften ist für die Haftung dem Grunde nach auf die Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der am Unfall beteiligten Kraftfahrer und ihrer Fahrzeuge abzustellen. Die Abwägung aller unfallrelevanten Verschuldens- und Verursachungsanteile führt im vorliegenden Streitfall dazu, dass der Kläger 1/3, die Beklagten 2/3 der Unfallfolgen zu tragen haben.

Dabei hat das Gericht durch die Beweisaufnahme folgenden Sachverhalt festgestellt:

Am Unfalltag, dem […].08.2011, fuhr die Zeugin T[…] mit dem Pkw des Klägers auf dem G[…]ring. In Annäherung an die von rechts kommende Einmündung der F[…]straße sah die Zeugin T[…] hinter der Einmündung auf dem G[…]ring eine Baustelle und dachte zunächst, dass ein Vorbeifahren an dieser Baustelle nicht möglich sei, weshalb sie mindestens zweimal den rechten Fahrtrichtungsanzeiger betätigte. Den rechten Fahrtrichtungsanzeiger schaltete die danach wieder aus, weil sie dann sah, dass vor ihr auf dem G[…]ring fahrende Fahrzeuge die Baustelle passieren konnten. Die Beklagte zu 1), die mit ihrem Pkw Renault an der Einmündung der F[…]straße zum G[…]ring angehalten hatte, sah zunächst nach links in Richtung des herannahenden Pkw Audi. Sie sah dabei den rechten Fahrtrichtungsanzeiger zweimal blinken. Außerdem sah sie, dass die Zeugin T[…] die Fahrt verlangsamte. Danach blickte die Beklagte zu 1) nach rechts. Ohne sich nochmals nach links zu vergewissern, fuhr sie danach in den G[…]ring ein. Zwischenzeitlich hatte die Zeugin T[…] ihre Abbiegeabsicht aufgegeben, so dass es zu einer Kollision der beiden Fahrzeuge kam. Dieser festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Angaben der Beklagten zu 1) und der Zeugin V[…]. Die Zeugin V[…] hat angegeben, dass die Zeugin Laura T[…] mindestens zweimal den rechten Fahrtrichtungsanzeiger betätigt und die Fahrt verlangsamt hat. Die Beklagte zu 1) hat angegeben, dass die Zeugin T[…] den rechten Fahrtrichtungsanzeiger viermal hat blinken lassen. Im Gegensatz zur Angabe der Zeugin T[…] geht das Gericht davon aus, dass die Zeugin T[…] die Fahrt verlangsamt hat und mindestens zweimal rechts geblinkt hat. Die Beklagte zu 1) hat ferner bestätigt, dass sie sich vor dem Einfahren in den G[…]ring nicht nochmals nach links orientiert hat.

Die sich aufgrund dieser Sachverhaltsfeststellung ergebende Rechtsfrage, ob sich der Wartepflichtige auf ein Blinkzeichen des Pkw auf der vorrangigen Straße verlassen kann, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Pkw-Fahrer auf der Vorfahrtsstraße, der den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt, für den Wartepflichtigen einen Vertrauenstatbestand schafft, auf den sich der Wartepflichtige auch verlassen kann. Demgegenüber folgt das erkennende Gericht der Gegenmeinung (OLG Dresden, Versicherungsrecht 1995, S. 234, OLG Hamm, NZV2003, S. 414), nach der sich der Wartepflichtige allein auf den betätigten Fahrtrichtungsanzeigers des Pkw auf der vorrangingen Straße nicht verlassen darf; vielmehr muss der Wartepflichtige solange mit dem Einfahren in die Vorfahrtsstraße warten, bis er erkennen kann, dass der Pkw auf der vorrangigen Straße entsprechend dem gesetzten Fahrtrichtungsanzeiger auch wirklich abbiegen wird.

Tut der Wartepflichtige dies nicht, vertraut er also allein auf den gesetzten Fahrtrichtungsanzeiger, dann trifft ihn die überwiegende Haftung. Diese ist regelmäßig mit zwei Dritteln zu bemessen. So verhält es sich auch im Streitfall. Die Beklagte zu 1) hat sich allein auf den Fahrtrichtungsanzeiger der Zeugin T[…] verlassen. Sie hat dann nach rechts gesehen. Als aus dieser Richtung kein Verkehr mehr kam, ist sie dann losgefahren und in die vorrangige Straße eingefahren, ohne sich durch einen Blick nach links zu vergewissern, ob die Zeugin T[…] wirklich nach rechts in die F[…]straße einbiegt. Die Beklagte zu 1) trifft daher das überwiegende Verschulden. Aber auch die Zeugin T[…] hat durch das Betätigen des rechten Fahrtrichtungsanzeigers zum Unfall beigetragen. Ihre Mithaftung ist entsprechend den genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte mit einem Drittel zu bewerten.“

AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 407/11