Bei einem Verweis auf eine günstigere Referenzwerkstatt muss sich diese in der Nähe des tatsächlichen Standortes des Fahrzeugs befinden.

Durch das Amtsgericht Mitte (AG Mitte, Urteil vom 16.1.2020 – 21 C 3152/19) wurde entschieden, dass sich der Geschädigte vom Schädiger nur dann auf eine günstigere Referenzwerkstatt verweisen lassen muss, wenn sich diese in der Nähe des beschädigten Fahrzeugs und nicht in der Nähe des Unternehmenssitzes befindet.

Im Weiteren wurde durch das Amtsgericht entschieden, dass UPE-Aufschläge im Rahmen einer fiktiven Abrechnung grundsätzlich zu erstatten sind, soweit ein Sachverständiger in seinem Schadengutachten diese als ortsüblich aufführt und der Schädiger nicht auf eine zulässige Referenzwerkstatt verweisen kann, in der diese Aufschläge nicht gefordert werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Im Namen des Volkes
Urteil

ln dem Rechtsstreit
[…]
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, […]

gegen

[…]
– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

hat das Amtsgericht Mitte durch die Richterin am Amtsgericht […] am 16.01.2020 aufgrund des Sachstands vom 03.01.2020 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.175,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.19 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 12 € freizustellen.

3. Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/8 und die Beklagte 7/8.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt restlichen Schadensersatz wegen der unfallbedingten Beschädigung ihres Fahrzeugs mit amtlichen Kennzeichen […]. Die Einstandspflicht der Beklagten für diesen Unfall vom 15.07.18 ist unstreitig.

Die Klägerin legt ein Schadensgutachten vom 01.08.18 […] vor, in dem die Reparaturkosten bei einem Abzug „NfA“ mit 4.896,39 € kalkuliert werden. Der Gutachter geht dabei von den Kosten in des Audi-Zentrums Reutlingen aus. Er berechnet die Reparaturkosten unter Zugrundelegung eines UPE von 10 % und sieht eine Beilackierung vor. Die Wertminderung gibt er mit 100,- € an.

Die Klägerin meldete den Schaden unter Fristsetzung zum 16.01.19 mit Schreiben vom 09.01.19 […]

Die Beklagte hat auf die Reparaturkosten 3.654,72 €, auf die Kostenpauschale 25,- €, auf die Gutachterkosten 631,90 € und auf die Anwaltskosten 413,90 € gezahlt. Sie legt dazu einen sog. Prüfbericht […] vor, in dem die Klägerin auf eine alternative Reparaturmöglichkeit in einer Werkstatt in 09419 Herold verweist, die geringere Stundenverrechnungssätze und keinen UPE-Aufschlag verlange.

Die Kosten einer Beilackierung und Kosten für Kleinteile, Entsorgung und Polierarbeiten hielt die Beklagte nicht für erstattungsfähig. Ebenso hat sie eine Wertminderung, den UPE-Zuschlag und die Kosten einer Beilackierung wurden nicht erstattet.

Wegen der näheren Einzelheiten des Schadensgutachtens und des Prüfberichts wird auf die eingereichte Kopien verwiesen.

Im Laufe des Prozesses wurde die Position Wertminderung unstreitig. Die Position Beilackierung wurde vergleichsweise mit 120,- € und die Positionen Kleinteile, Entsorgung und Polierarbeiten mit 41,- € unstreitig gesellt.

Die Klägerin behauptet, dass sie das Fahrzeug ihrem Mitarbeiter W[…] in 72813 St. Johann überlassen habe, wo sich das Fahrzeug auch befinde.

Die Klägerin beantragt.

die Beklagte zu verurteilen.

a. an die Klägerin 1.341,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.996,39 € für die Zeit vom 18.01.19 bis 31.01.19 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 1.341,67 € seit dem 01.02.19 zu zahlen.

b. die Klägerin gegenüber der Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7/9, 01097 Dresden von der Forderung der nicht anrechenbaren außergerichtlichen Kosten in Höhe von 12 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält den Verweis auf die im Prüfbericht genannte Werkstatt für zulässig.

Das Gericht hat Beweis darüber erhoben, wo sich das Fahrzeug der Klägerin üblicherweise befindet, durch eine schriftliche Zeugenaussage des […] W[…], auf die für das Beweisergebnis verwiesen wird.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum Teil begründet und im übrigen unbegründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schadensersatzes in Höhe von 1.187,58 € gegen die Beklagte, §§ 823, 249 BGB, 7, 17, 18 StVG, 115 VVG.

Dieser Betrag ergibt sich aus folgender Berechnung

a. Reparaturkosten It. Schadensgutachten 4.896,30 €

abzgl. Beilackierungskosten 120,- €

abzgl. Positionen Kleinteile etc. 41.- €

4.735,30 €

b. Wertminderung 100,00 €

c. Kostenpauschale 20,00 €

d. Akteneinsichtskosten 12,00 €

4.867,30 €

Darauf sind gezahlt 3.679,72 €

verbleibt ein Betrag von 1.187,58 €

(im Antrag zu 1) 1.175,58 € und im Antrag zu 2) 12,- )

zu a)

Bei der fiktiven Abrechnung ist dem von der Klägerin eingeholten Schadensgutachten auszugehen. Die Klägerin muss sich nicht auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweisen lassen, die die Beklagte in ihrem Prüfbericht angegeben hat. Dieser Verweis ist unzumutbar sind, denn der Geschädigte kann davon nicht ohne weiteres Gebrauch machen, da die Entfernung zur alternativen Werkstatt zu weit ist.

Die Beweisaufnahme hat hier ergeben, dass das beschädigte Fahrzeug dem Mitarbeiter der Klägerin, Herrn W[…], zur Verfügung gestellt ist, der in St. Johann (Baden Würtenberg) lebt und nur selten an dem Geschäftsitz der Klägerin in Leipzig bzw. ihrer Niederlassung in Chemnitz aufenthältig ist. Damit ist ein Verweis auf eine Werkstatt in 09419 Herold wegen der allzu großen Entfernung unzumutbar.

Über die genannten Abzüge haben sich die Parteien in diesem Rechtsstreit zur Vermeidung einer Beweisaufnahme geeinigt.

Die UPE-Zuschläge, die in dem Schadensgutachten in Höhe von 10 % berücksichtigt wurde, sind nicht abzusetzen, da diese bei einer Reparatur in der in dem Schadensgutachten genannten Werkstatt anfallen würden. Der BGH hat In der Entscheidung vom 25. September 2018 – VI ZR 65/18 – zu der streitigen Frage der Erstattungsfähigkeit von UPE-Zuschlägen Stellung genommen und ausgeführt, dass sich die Frage der “Ersatzfähigkeit der UPE-Aufschläge“ nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten richte; Danach darf der Geschädigte einer Abrechnung auf der Basis fiktiven Reparaturkosten grundsätzlich die üblichen Ersatzteilkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Unter den Voraussetzungen einer zulässigen zumutbaren Verweisung gem. § 254 Abs. 2 BGB ist jedoch auf der Grundlage der günstigeren Reparaturmöglichkeit abzurechnen, die sich auch daraus ergeben kann, dass die Referenzwerkstatt günstigere Ersatzteilpreise, beispielsweise ohne solche UPE-Aufschläge, anbietet.

Die Klägerin hat hier den Anfall eines UPE-Zuschlags in der von gewählten Werkstatt dargelegt, ohne dass die Beklagte hier eine zumutbare Referenzwerkstatt genannt hat, die solche UPE-Zuschläge nicht erhebt.

Zu b)

Dass hier eine Wertminderung von 100,- € eingetreten ist, ist im Laufe des Prozesses unstreitig geworden.

Zu c)

Das Gericht bemisst gern. § 287 ZPO die Kostenpauschale mit 20 €, denn dieser Betrag reicht in der Regel aus, um die einem Geschädigten bei der Unfallregulierung entstehenden Kosten für Porto, Telefon u.ä. auszugleichen. Höhere Kosten sind nicht ersichtlich und nicht von der klagenden Partei dargetan.

Zu d)

Die Kosten, die für die Erstellung von Aktenauszügen aus Ermittlungsakten anfallen, sind der Klägerin zu ersetzen. Grundsätzlich sind diese Kosten einer Akteneinsicht zur außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung oder Abwehr von Schadensersatzansprüchen erforderlich, es sei denn diente lediglich als Entscheidungshilfe für die Einlassung auf einen Rechtsstreit. Es wird regelmäßig von der Erforderlichkeit auszugehen sein, solange keine vollständige Haftungszusage der Schädigerseite vorliegt.

Auch wenn hier die Einstandspflicht der Beklagten letztlich unstreitig gewesen ist, bedurfte es zu einer sorgfältigen Schadensregulierung die Beiziehung der Unfallakten zur Kenntnis von den darin enthaltenen Tatsachen, die einem Unfallgeschädigten nicht vollständig bekannt sein können.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zinsen in gesetzlicher Höhe, jedoch nicht – wie beantragt – ab dem 18.01.19, denn sie hat den Schaden – soweit vorgetragen bzw. ersichtlich – erstmals mit dem Schreiben vom 09.01.19 angezeigt. Jedem Kfz-Haftpflichtversicherer, von dem nach einem Verkehrsunfall Zahlung verlangt wird, ist eine angemessene Prüfungsfrist zuzubilligen, vor deren Ablauf keine Zinsen verlangt werden können. Auch bei zügiger Schadensbearbeitung ist dem Versicherer eine Prüfungszeit von etwa 4 bis 6 Wochen einzuräumen. Eine Fristsetzung von 2 Wochen ab Unfall immer zu kurz. Verzugszinsen können daher erst ab dem 11.02.19 verlangt werden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708, 711 ZPO.“

AG Mitte, Urteil vom 16.1.2020 – 21 C 3152/19