Haftungsverteilung bei Unfall auf Parkplatz mit einem rückwärts ausparkenden Fahrzeug

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 18.12.2013 – 20 C 1011/12) haftet bei einem Verkehrsunfall auf einem Parkplatz mit einem rückwärts ausparkenden Fahrzeug das rückwärts fahrende Fahrzeug zu 80% und das vorbeifahrende Fahrzeug zu 20 %.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

  1. […] L[…]

– Kläger u. Widerbeklagter –

  1. [V]ersicherung […]

– Drittwiderbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

  1. […] Tausend, […]

– Beklagter u. Widerkläger –

  1. […] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter am Amtsgericht […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2013

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 335,24 € nebst 4 Prozent Jahreszinsen aus 330,24 € vom 15.08.2012 – 24.09.2012 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 335,24 € ab dem 25.09.2012 und vorgerichtliche nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten i.H.v 48,73 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.12.2012 zu zahlen.
  2. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Beklagten zu 1) 1.414,54 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2013 zu zahlen und den Beklagten zu 1) von der Bezahlung der Rechnung der Firma […] GmbH vom 28.11.2012, Rechnungs-Nr.: 4000801760, i.H.v. 184,03 € freizustellen.
  3. Die weitergehende Klage und die weitergehende Widerklage werden abgewiesen.
  4. Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu 47 %, der Kläger allein zu weiteren 15 %, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu weiteren 10 % und der Beklagtezu 1) allein zu weiteren 28 %.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die beiden Beklagten als Gesamtschuldner 16 %, der Beklagte zu 1) allein weitere 22%. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 54 %, der Kläger allein 9 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt der Kläger 60%. Von den außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten trägt der Beklagte zu 1) 37 %.

Im Übrigen findet eine Kostenausgleichung nichtstatt.

  1. Das Urteil ist für den Bekl. zu ) gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  2. Der Streitwert der Klage wird mit 838,14 €, der Streitwert der Widerklage mit 2.526,97 €, der Streitwert des Rechtsstreits insgesamt mit 3.365,11 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die haftungsrechtlichen Folgen eines Verkehrsunfalls, der sich am 14.08.2012, gegen 16.15 Uhr, auf dem Parkplatz im Einkaufspark […] ereignet hat. Der Kläger hatte seinen Pkw Audi mit dem amtlichen Kennzeichen […] vor dem Elektronikgeschäft […] abgestellt und wollte rückwärts fahrend wieder ausparken, um das Gelände zu verlassen. Der Beklagte zu 1) befuhr zeitgleich mit dem Pkw Mazda, amtliches Kennzeichen […] auf der Parkstraße, die quer zur Parkfläche angelegt ist, auf der der Kläger seinen Pkw Audi abgestellt hatte. Beim Ausparken kollidierte der Kläger mit dem Pkw Mazda des Beklagten zu 1). An beiden Fahrzeugen entstand durch die Kollision Sachschaden. Der Pkw Audi ist bei der Drittwiderbeklagten, der Pkw Mazda bei der Beklagten zu 2) pflichtversichert.

Vorgerichtlich machte der Kläger gegenüber den Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls Reparaturkosten i.H.v. 1.651,20 € netto nach dem Kostenvoranschlag der Firma […] vom 17.08.2012 und eine Unkostenpauschale i.H.v. 25,00 € erfolglos geltend. Der Beklagte zu 1) machte gegenüber dem Kläger und der Drittwiderbeklagten vorgerichtlich Reparaturkosten gemäß Rechnung der Firma […] vom 04.09.2012 i.H.v. 3.616,48 €, Nutzungsausfall von täglich 43,00 € für 9 Tage, also 387,00 € und eine Unkostenpauschale von 25,00 € geltend und verlangte die Freistellung von den Gutachterkosten der Firma […] vom 21.08.2012 i.H.v. 613,45 €. Die Drittwiderbeklagte zahlte auf die Reparaturkosten 1.808,24 € und weitere 306,73 € an die Firma […]. Weitere Zahlungen lehnte sie ab.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger 50 % des ihm unfallbedingtentstandenen Schadens sowie die ihm vorgerichtlich entstandenen und nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten. Hierzu trägt er vor, dass er bereits zu 2/3 aus der Parktasche herausgefahren sei und gestanden habe, als der Beklagte zu 1) mit überhöhter Geschwindigkeit auf der Parkstraße gefahren sei, so dass er nicht mehr rechtzeitig habe bremsen können.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerich zu verurteilen, an ihn 838,14 € nebst Zinsen i.H.v. 4 Prozent aus 825,64 € für die Zeit vom 15.08. – 24.09.2012 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 838,14 € seit dem 25.09.2012 und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 70,39 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) beantragt darüber hinaus widerklagend,

den Kläger und die Drittwiderbeklagte zu verurteilen, gesamtschuldnerisch einen Betrag i.H.v. 2.220,24 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an ihn zu zahlen und ihn in Höhe eines Betrages von 306,73 € von der Zahlung der Kosten für die Schadensbegutachtung gemäß Rechnung der Firma […] vom 21.08.2012 freizustellen.

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte beantragen,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, dass der Beklagte zu 1) an der Parktasche, in der der Pkw Audi des Klägers gestanden habe, vorbeifahren wollte. Als er sich etwa in Höhe dieser Parktasche befunden habe, sei der Kläger mit dem Pkw Audi unerwartet und plötzlich aus der Parktasche rückwärts herausgefahren. Er, der Beklagte zu 1), habe dabei keinerlei Möglichkeit gehabt, unfallvermeidend zu reagieren. Deswegen verlange er mit der Widerklage den ihm entstandenen Schaden in voller Höhe, und zwar unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Zahlungen der Drittwiderbeklagten einen noch offenen Betrag von 1.808,24 € an noch offenen Reparaturkosten, 387,00 € Nutzungsausfall für 9 Tage und 25,00 € pauschale Unkosten. Ferner verlange er die Freistellung von der Forderung der Firma […] für die Schadensbegutachtung i.H.v. 306,73 €.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzeverwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens eines technischen Sachverständigen. Auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. […] vom 05.09.2013, Blatt 101 -134 dA, wird Bezug genommen. Den Inhalt und das Er gebnis des Gutachtens hat das Gericht in der Verhandlung vom 04.12.2013 mit den Parteivertretern erörtert.

Entscheidungsgründe:

Klage und Widerklage sind zulässig.

Die Klage ist nur zu einem geringen Anteil begründet. Die Widerklage ist überwiegend begründet. Nach Auffassung des Gerichts sind die Unfallfolgen mit einer Haftungsquote von 80 zu 20 zu Lasten des Klägers zu regulieren (§§ 7, 17 StVG, 823, 249 BGB, 115 WG). Dabei ergibt sich für das Gericht der tatsächliche Hergang des Unfalls vom 14.08.2012 aus dem unfallanalytischen Gutachten des technischen Sachverständigen. Der technische Sachverständige hat dabei festgestellt, dass sich der Beklagte zu 1) mit dem Pkw Mazda dem späteren Unfallort nicht mit überhöhter Geschwindigkeit, sondern mit einer Geschwindigkeit von etwa 10 km/h angenähert hat. Zeitgleich ist der Kläger rückwärts aus der Parklücke herausgefahren. Nach den technischen Berechnungen des Sachverständigen befand sich der Pkw Mazda des Beklagten zu 1) in einem Abstand von 1,24 m vor dem Pkw Audi, als dieser aus der Parktasche rückwärts herausfuhr und dabei eine Reaktionsaufforderung für den Beklagten zu 1) darstellte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hätte der Beklagte zu 1) mit einer Geschwindigkeit von 4 – 5 km/h fahren müssen, um die Kollision räumlich noch zu vermeiden. Nicht bestätigt hat der Sachverständige also die Darstellung des Klägers vom Unfallverlauf, der zur Folge der Kläger mit dem Pkw Audi bereits zu 2/3 der Fahrzeuglänge aus der Parktasche herausgefahren sein und gestanden haben soll, als es zur Kollision mit dem Pkw Mazda des Beklagten zu 1) gekommen ist. Nach den Feststellungen des Sachverständigen setzte der Kläger mit dem Pkw Audi vielmehr zum Verlassen der Parktasche an, als sich der Beklagte zu 1) mit dem Pkw Mazda in einem relativ geringen Abstand von 1,24 m vom herausfahren den Pkw Audi befand, wobei der Mazda keineswegs mit einer überhöhten Geschwindigkeit herannahte. Das Gericht folgt den überzeugenden, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten. Die Parteivertreter haben Einwände gegen den Inhalt des Gutachtens auch nicht erhoben.

Nach diesem festgestellten Sachverhalt war für das Gericht aus rechtlicher Sicht nur noch die Frage zu beantworten, ob dem Beklagten zu 1) aufgrund der von seinem Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr eine Mithaftung trifft. Dies war im Ergebnis zu bejahen. Dabei ist das Gerieht zunächst davon ausgegangen, dass es dem Beklagten zu 1) nicht gelungen ist, den Nachweis der Unabwendbarkeit (§ 7 StVG) zu erbringen. Ein unabwendbares Ereignis setzt nämlich voraus, dass der Unfall auch bei Einhaltung der äußerst möglichen Sorgfalt durch einen Idealfahrer nicht abgewendet werden kann. Als sogenannter Idealfahrer hat sich der Beklagte zu 1) nach des Feststellungen des Sachverständigen indes nicht verhalten. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen wäre der Unfall – wenn auch bei sehr geringer Geschwindigkeit des Pkw Mazda – noch vermeidbar gewesen. Ebenso wenig gelangt das Gericht zu der Beurteilung, dass das Verschulden des Klägers die Betriebsgefahr, die vom Fahrzeug des Beklagten zu 1) ausgeht, verdrängt. Dabei geht das Gericht mit der überwiegenden Meinung davon aus, dass § 9 V StVO auf Parkplätzen jedenfalls unmittelbar keine Anwendung findet, sondern hier vielmehr § 2 StVG anzuwenden ist. Denn § 9 V StVO dient dem Schutz des fließenden Verkehrs. Demgegenüber findet auf Parkplätzen der fließende Verkehr eben nicht statt. Teilweise wird angenommen, dass § 9 V StVO auf solchen Parkplätzen, die“Straßencharakter“ haben, analog anwendbarsei. Dabei wird der „Straßencharakter“ eines Parkplatzes dann angenommen, wenn die Parkstraßen so breit sind, dass 2 Fahrzeuge problemlos nebeneinanderfahren können. Ob dies beim streitgegenständlichen Parkplatz […] der Fall ist, kann dahinstehen. Denn nach Auffassung des Gerichts kann auch die analoge Anwendung des § 9 VStVO nicht zueiner schematischen Übernahme der aus dieser Vorschrift abgeleiteten Haftungsregelung führen. Auch bei breit angelegten Parkplätzen muss der Fahrer auf Parkstraßen innerhalb des Parkplatzes damit rechnen, dass andere Fahrzeuge ein- bzw. ausparken oder rangieren. Von einem fließenden Verkehr kann er nicht ausgehen. Aufgrund dieser Erwägung geht das Gericht daher davon aus, dass ein Zurücktreten der Betriebsgefahr auf Parkplätzen nur ausnahmsweise in Betracht kommt, nämlich dann, wenn das Verschulden des rückwärts aus einer Parktasche ausfahrenden Kraftfahrers durch besondere Umstände erschwert ist (so etwa LG Saarbrücken, Urteil v. 27.05.2011, Az: 13S 25/11). Solche Umstände vermochte das Gericht im vorliegenden Streitfall allerdings nicht festzustellen. Den Kläger traf zwar, weil er rückwärts gefahren ist, eine vergleichsweise höhere Sorgfaltspflicht als den Beklagten zu1), der vorwärts gefahren ist. Deswegen wiegt auch der Verkehrsverstoß des Klägers schwer. Dass das Verschulden des Klägers besonders schwer wiegt, so dass ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) angezeigt wäre, vermochte das Gericht allerdings nicht festzustellen. Es hat daher bei der Abwägung nach §17 StVG eine Mithaftungsquote des Beklagten zu 1) i.H.v. 20 %angenommen.

Der Höhe nach kann derKläger von den geltend gemachten veranschlagten Reparaturkosten i.H.v. 1.651,20 € und der Unkostenpauschale von 25,00 € 20 %, also 335,24 € von den Beklagten verlangen. Dabei hat der Gutachter festgestellt, dass die vom Kläger verlangten Reparaturkosten angemessen und ortsüblich sind und insbesondere den Wiederbeschaffungswert nicht um 130 % überschreiten.

Der Höhe nach kann der Beklagte 80 % der Reparaturkosten von 3.616,48 €, des klägerseits nicht angegriffenen Nutzungsausfalls von 387,00 € und der Unkostenpauschale von 25,00 € verlangen. Dies ergibt 3.222,78 €. Abzüglich vorgerichtlich gezahlter 1.808,24 € kann der Beklagte zu 1) noch 1.414,54 €verlangen. Ferner kann er – ebenfalls unter Berücksichtigung vorgerichtlicher Zahlungen – die Freistellung von den Gutachterkosten i.H.v. noch 184,03 € verlangen ( 80 % von 613,45€ abzgl. 306,73€).

Verzugszinsen können die Parteien nach § 286 [BGB] verlangen. Die vorgerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten kann der Kläger von den Beklagten ebenfalls nach § 286 BGB verlangen, da Rechtsverfolgungskosten zum Verzugsschaden gehören.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713, 709 ZPO.“

AG Bautzen, Urteil vom 18.12.2013 – 20 C 1011/12

Anscheinsbeweis bei Missachtung eines Stopp-Schilds

Durch das Amtsgericht Pirna (AG Pirna, Urteil vom 14.11.2013 – 13 C 848/11) wurde entschieden, dass für einen Unfallbeteiligten der Anschein einer schuldhafter Vorfahrtsverletzung spricht, wenn er ein Stopp-Schild missachtet  und es infolge zu einem Verkehrsunfall kommt. Zudem sind Vorhaltekosten einem gewerblich genutzten Fahrzeug sowie die Kosten für eine Akteneinsicht grundsätzlich erstattungsfähig.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

[…]

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

1. […]

– Beklagter –

2. […]

– Beklagte –

3. […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3:

[…]

wegen Schadensersatz
 

hat das Amtsgericht Pirna […] im schriftlichen Verfahren […]

für Recht erkannt:

1. Der Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger EUR 4.156,39 nebst Zinsen p. a. in Höhe von 4 Prozent aus EUR 6.800,58 für die Zeit vom 17.12.2010 bis zum 09.05.2011 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB p. a. aus EUR 4.156,39 seit dem 10.05.2011 zu zahlen.

2. Der Beklagte zu 1. wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger EUR 12,00 nebst Zinsen p. a. in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.08.2011 zu zahlen.

3. Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 2/3 und der Beklagte zu 1. 1/3. Von den außergerichtlichen Kosten tragen der Kläger 2/3 der eigenen sowie die den Beklagten zu 2. u. 3. jeweils entstandenen außergerichtlichen Kosten in voller Höhe, der Beklagte zu 1. seine eigenen in voller Höhe sowie 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

4. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Das Urteil ist für die Beklagten zu 2. u. 3. vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2. u. 3. jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

Der Kläger erhebt weitergehende Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Der klägerische Zeuge […] Z[…] fuhr mit einem klägerischen Lkw Daimler Crysler Sprinter 313 CDI am 16.12.2010 gegen 12.45 Uhr auf der bevorrechtigten Dorfstraße in Ulbersdorf bergauf in Richtung Lichtenhain. Von rechts näherte sich auf der untergeordneten Neudorfstraße der Erstbeklagte mit einem Schaufellader (Radlader). Halter dieser selbstfahrenden Arbeitsmaschine ist die Zweitbeklagte, haftpflichtversichert ist der Radlader bei der Drittbeklagten. Im Kreuzungsbereich kam es zur Kollision zwischen dem Mercedes Transporter bzw. dem Radlader, wobei der nähere Unfallhergang streitig blieb. Zum Unfallzeitpunkt herrschten winterliche Straßenverhältnisse. Die Drittbeklagte hat vorgerichtlich lediglich anteilige Schadenersatzzahlungen an den Kläger geleistet. Vorliegend verlangt der Kläger die volle Übernahme seines Sachschadens.

Der Kläger trägt vor allem vor, dass der klägerische Zeuge mit einer den winterlichen Witterungsverhältnissen angepassten Geschwindigkeit, welche zugleich geeignet gewesen sei, die glatte Straße bergauf zu kommen, gefahren sei, ohne das er sodann trotz Beachtung der gebotenen Sorgfalt weder durch Abbremsen noch durch Ausweichen den Unfall habe verhindern können. Keinesfalls habe er jedoch dadurch die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten. Der Höhe nach seien auch die geltend gemachten Vorhaltekosten erstattungsfähig, da der Kläger als Inhaber eines Speditionsunternehmens eine Vielzahl von Fahrzeugen besitze, und die Anzahl der verfügbaren Fahrzeuge unter wirtschaftlicher Betrachtung so bemessen habe, dass zur Aufrechterhaltung des Betriebes stets ein Fahrzeug auch kurzfristig zur Verfügung steht. Die geltend gemachten Kosten für die Einsicht in die Ermittlungsakte seien gleichfalls gerechtfertigt, da diese Einsicht zur Durchsetzung der Schadenersatzansprüche erforderlich gewesen sei, zumal die Beklagtenseite den von der Klägerseite geschilderten Unfallhergang unter Hinweis auf die Ermittlungsakte bestritten habe. Hinsichtlich des Verzinsungszeitraums sei schließlich auf die entsprechende gesetzliche Regelung hinzuweisen.

Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2012 die Klage zurücknahm, insoweit die Klage sich ursprünglich auch gegen Zweit- und Drittbeklagte richtete, beantragt er nunmehr noch

  1. Der Erstbeklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.156,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % aus 6.800,58 EUR für die Zeit vom 17.12.2010 bis zum 09.05.2011 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 4.156,39 EUR seit dem 10.05.2011 zuzahlen.
  2. Der Erstbeklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger 12,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Insbesondere führen sie aus, dass der klägerische Zeuge Z[…] die vorfahrtberechtigte Dorfstraße mit dem klägerischen Mercedes Transporter mit einer unangepassten Geschwindigkeit befahren habe. Als nämlich der Erstbeklagte mit dem Radlader nach dem ursprünglichen Anhalten am Stop-Schild seine Fahrt über die Hauptstraße fortgesetzt und die Hauptstraßenmitte bereits überfahren habe, habe sich für den Erstbeklagten von links kommend der Zeuge Z[…] mit überhöhter Geschwindigkeit von wenigstens 60 km/h genähert, weshalb es dann zur Kollision mit dem Radlader gekommen sei. Ein weiterer Nutzungsausfall könne der Höhe nach nicht gefordert werden, da die Berechnung der Vorhaltekosten schon nicht nachvollzogen werden könne. Es sei auch zweifelhaft, inwiefern der Kläger überhaupt entsprechende Vorhaltekosten verlangen könne. Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Einsichtnahme in die Ermittlungsakte bestehe nicht. Die Drittbeklagte habe bereits zuvor Einsicht genommen und den Aktenauszug von dem Kläger nicht angefordert. Ein vermeintlicher Zinsanspruch für den Zeitraum zwischen 17.12.2010 und 09.05.2011 könne schließlich nicht nach vollzogen werden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Anhörung der Zeugen […] K[…] und […] Z[…]. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2012 verwiesen. Weitergehend wurde ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten eingeholt. Hier verweist das Gericht auf das auch den Parteien jeweils vorliegende Gutachten vom 14.06.2013.

Hinsichtlich des Parteivorbringens erfolgteine Bezugnahme auf die eingereichten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2012.

Entscheidungsgründe:

I.

Die noch gegenüber dem Erstbeklagten erhobene zulässige Klage musste in voller Höhe Erfolg haben, da der Beklagte zu 1. den ihn im Verfahren treffenden Anscheinsbeweis nicht erschüttern konnte.

1. Im Ausgang hatte der Erstbeklagte das Zeichen 206 („Halt! Vorfahrt gewähren!“- sog. Stop-Schild) zu beachten. D. h., der Kläger hatte gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVO Vorfahrt. Den Erstbeklagten traf hingegen in erster Linie die Verantwortung für die Vermeidung eines Zusammenstoßes im Kreuzungsbereich (vgl. Heß in Burmann/Heß/Jahnke /Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Auflage, § 8 StVO Rn 36). Insofern sei klarstellend angemerkt, dass der Gutachter hierzu festhielt, dass vor dem Anfahrbeginn des Radladers eine Erkennbarkeit des Transporters hinsichtlich dessen Annäherung bei Nutzung des Verkehrsspiegels (durch den Fahrer des Radladers) gegeben gewesen sei. Somit sei eine Vermeidbarkeit des Unfallereignisses für den Fahrer des Radladers bei Nutzung des Verkehrsspiegels gegeben gewesen.

Den Erstbeklagten oblag es dabei als Wartepflichtigen, den klägerischen Fahrer als Vorfahrtberechtigten weder zu gefährden noch wesentlich zu behindern (a. a. O. Rn 38). Zivilrechtlich hat derjenige den Anschein schuldhafter Vorfahrtsverletzung gegen sich, der eine Vorfahrtverletzung begeht, hier also der Erstbeklagte. Liegen keine Besonderheiten vor, haftet der Wartepflichtige allein. Die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Vorfahrtsberechtigten tritt grundsätzlich völlig zurück (a. a. O., Rn. 68 m. w. N.). Bei einer Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit kommt (zwar) auch für den Vorfahrtsberechtigten eine Mithaftung in Betracht. Dies setzt allerdings voraus, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung feststeht bzw. dass sie vom Wartepflichtigen bewiesen werden kann (a. a. O., Rn. 71).

2. Diesen Anscheinsbeweis konnte der Erstbeklagte im Verfahren nicht erschüttern. Insbesondere gelang es ihm nicht, zur vollen Überzeugung des Gerichtes eine Geschwindigkeitsüberschreitung zulasten des klägerischen Fahrers unter Beweis zu stellen.

a) Wenn hier der Zeuge K[…], welcher zum Unfallzeitpunkt Schnee auf seinem Grundstück, welches mit an den Kreuzungsbereich angrenzt, beräumte, der nach seiner Bekundung dem Unfallhergang zufällig verfolgt hat, ausführte, dass der Mercedes Transporter mit überhöhter Geschwindigkeit, also einer Geschwindigkeit, welche den winterlichen Straßenverhältnissen nicht entsprach, gekommen sei, ist insoweit festzuhalten, dass diese Erklärung es zunächst vollkommen offen lässt, welche Geschwindigkeit der Mercedes Transporter tatsächlich aus Sicht des Zeugen gefahren sein soll. Im Übrigen beruhte diese Erklärung augenscheinlich auf den damaligen subjektiven Eindruck des Zeugen, ohne das auch nur ansatzweise dieser Eindruck anderweitig objektivierbar ist. Allein dieser subjektive Eindruck eines Zeugen ist jedoch für das Gericht noch nicht geeignet, um hieraus die sichere Schlussfolgerung ableiten zu können, dass tatsächlich eine entsprechend überhöhte Geschwindigkeit (in welcher Höhe?) vorgelegen hat.

b) Zur Problematik der Geschwindigkeit seitens des klägerischen Mercedes Transporters führte der Gutachter (erneut überzeugend und in sich nachvollziehbar) aus, dass unter Beachtung der wesentlichen Angaben des Fahrers des Transporters im Rahmen einer Annäherungsbetrachtung aus technischer Sicht festzustellen sei, dass das Unfallereignis entsprechend eines derartigen Ablaufs stattgefunden haben könne. Die zur Verfügung stehenden Beurteilungsgrundlagen würden sich mit einem derartigen Ablauf in Einklang bringen lassen. Dies bedeute, dass der Transporter vor Kollision mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h gefahren sein könne. Der Nachweis, dass eine derartige Geschwindigkeit von 40 km/h vorgelegen hat, sei damit nicht verbunden. Eine Geschwindigkeit von mindestens 60 km/h bezüglich des Transporters sei im vorliegenden Verfahren nicht nachweisbar.

D. h., dem Gutachter war letztendlich aus technischer Sicht eine eindeutige Positionierung nicht möglich.

c) Die nunmehr verbleibenden Zweifel bzw. Unsicherheiten gehen zulasten des Erstbeklagten, welcher gegen den Anscheinsbeweis streitet. Somit ist festzuhalten, dass das Gericht bei seiner Entscheidung diesen Anscheinsbeweis zugrunde zu legen hat.

3. Der Erstbeklagte hat daher den klägerischen Unfallschaden in voller Höhe zu übernehmen.

a) Im Anschluss an die Überlegungen im Hinweis- und Beweisbeschluss vom 07.03.2012, dort unter Ziffer 1, ist nochmals festzuhalten, dass angesichts einer für den Radlader ausgewiesenen Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h nach § 8 Nr. 1 StVG nicht nur eine Anwendung von § 7 StVG ausscheidet, sondern vor allem auch eine Haftungsverteilung unter Zugrundelegung von § 17 StVG. Vielmehr hat eine Abwägung primär nach § 254 BGB zu erfolgen, evtl. i. V. m. § 9 StVG (a. a. O., § 8 StVG, Rn 6).

b) Im Rahmen dieser Abwägung ist auf die bisherigen Feststellungen zu verweisen, wonach der Erstbeklagten den ihn treffenden Anscheinsbeweis nicht beseitigen konnte. Für eine klägerseitige Mithaftung besteht keine Veranlassung, da, wie gleichfalls bereits ausgeführt, eine entsprechende Geschwindigkeitsüberschreitung nicht zur sicheren Überzeugung des Gerichtes seitens des hierfür beweispflichtigen Erstbeklagten nachgewiesen werden konnte.

4. Im Ergebnis musste die Klage, insoweit sie sich jetzt noch gegen den Erstbeklagten richtet, in voller Höhe erfolgt haben.

a) Vorhaltekosten sind im Hinblick auf die Erläuterungen des Klägers als grundsätzlich erstattungsfähig zu betrachten (vgl. SandenA/öltz, Kfz-Sachschadensrecht, 8. Auflage, Rn. 226 ff.), also gerade im gewerblichen Betrieb (a. a. O., Rn 231). Im Übrigen wäre wohl andernfalls ein entsprechender Nutzungsausfall zu leisten.

Der Zeitraum von 14 Tagen begegne schließlich keinen Bedenken, da die gutachterliche Schadenskalkulation bezüglich des klägerischen Mercedes Transporters mit Datum 21.12.2010 eine Wiederbeschaffungsdauer von 14 Kalendertagen wiedergibt (vgl. Blatt 14 RS d.A).

b) Die Kosten für die Einsicht in die Ermittlungsakte sind gleichfalls als erstattungsfähig zu betrachten. Insofern musste es auch dem Kläger freistehen, diese Einsicht in die Originalakte eigenständig vorzunehmen, also unabhängig davon, ob die Drittbeklagte ihn hierzuauffordert oder gleichfalls (vorab) eine entsprechende Einsicht vorgenommen hat.

5. Nachdem dem klägerischen Rechenwerk der Höhe nach nicht entgegengetreten worden war, war der Erstbeklagte gemäß § 249 Abs. 1 BGB in der Hauptsache in Höhe des noch geltend gemachten Differenzbetrages von EUR 4.156,39 zu verpflichten.

Eine Verzinsung ab dem Schadensereignis kann der Kläger nach § 849 BGB verlangen (vgl. hierzu auch: Palandt-Sprau, 71. Auflage, § 849, Rn 1 u. 2.). Im Übrigen sind weitergehende Zinsen gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB zu leisten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.“

AG Pirna, Urteil vom 14.11.2013 – 13 C 848/11

Haftungsverteilung bei Unfall auf Parkplatz

Nach dem Urteil des Landgerichts Görlitz (LG Görlitz, Urteil vom 17.12.2011 – 2 S 4/11) reicht es bei einem Unfall zwischen zwei ausparkenden Fahrzeugen für eine Verschiebung der anteiligen Haftung nicht aus, wenn ein Fahrzeug nur wenige Sekunden vor dem Anstoß des anderen Fahrzeugs zum Stillstand kam und den anderen Fahrzeugführer nicht durch ein Schallzeichen warnt.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug zunächst in einer Parktasche auf dem Parkplatz des Einkaufsmarktes geparkt. In einer schräg gegenüberliegenden, durch eine Fahrgasse getrennten Parktasche stand der Beklagte Ziffer 1 mit seinem Fahrzeug, das bei der Beklagten Ziffer 2 haftpflichtversichert ist. Die Fahrzeuge der Parteien kollidierten beim Rückwärtsausparken.

[…]

Der statthaften und auch im Übrigen zulässigen Berufung der Klägerin bleibt in der Sache der Erfolg versagt.

Zu Recht hat das Amtsgericht einen über den zuerkannten Anspruch hinausgehenden Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten verneint.

[…]

Mit Recht ist das Erstgericht – ohne dazu explizit in den Urteilsgründen auszuführen – zu nächst davon ausgegangen, dass beide Parteien grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß §§7, 17 StVG i. V m. § 115 VVG einzustehen haben.

Der Nachweis der Unabwendbarkeit des Verkehrsunfalls ist der Klägerin nicht gelungen.

Ein unabwendbares Ereignis setzt voraus, dass der Unfall auch bei Einhaltung der äußersten möglichen Sorgfalt durch einen Idealfahrer nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne des § 276 BGB hinaus (vgl. z. B. BGHZ 117, 337; BGHZ 113, 164).

Dass die Klägerin indes derart sorgfältig gehandelt hätte, ist nicht erwiesen. Wer in einem haltenden Fahrzeug bemerkt, dass er ein rangierendes Fahrzeug gefährdet (oder dieses ihn), aber kein Warnzeichen gibt, macht sich in der Regel mitschuldig (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Rn. 8 zu § 16 StVO). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Klägerin, wenn sie denn solange gestanden hätte, dass dies für die Schadensverursachungsquote relevant gewesen wäre, jedenfalls die Pflicht gehabt hätte, den Fahrer des herannahenden Fahrzeuges durch Hupen auf die gefährliche Situation aufmerksam zu machen. Gehupt hat die Klägerin selbst aber unstreitig nicht.

Steht mithin die Haftung beider Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß §§ 17, 18 Abs. 3 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Wenn, wie hier, beide Fahrer identische Sorgfaltspflichten – hier entsprechend § 9 Abs. 5 StVO – erfüllen müssen, begründet ein beiderseitiger Verstoß gegen diese Sorgfaltspflichten grundsätzlich eine Haftungsquote von 50 %.

Eine höhere Haftungsquote der Beklagten hätte die Klägerin nur für den Fall durchsetzen können, dass es ihr gelungen wäre, zu beweisen, dass ihr Fahrzeug bereits längere Zeit gestanden hat. Dieser Beweis ist ihr nicht gelungen.

Die Angaben der Klägerin selbst zu der Frage, wie lange ihr PKW gestanden hat, bevor es zur Kollision kam, waren ungenau. Sie meinte, es seien „Sekunden“ gewesen.

Auch die Zeugin S[…] gab an, dass die Klägerin „nur Sekunden“ gestanden hätte, bevor es zum Zusammenstoß kam.

Diese Angaben genügen nicht, um zu belegen, dass die Gefährdung, die die Klägerin durch ihr eigenes Rück[w]ä[…]rtsfahren gesetzt hat, durch längeres Anhalten neutralisiert worden wäre.

Vielmehr geht auch das Berufungsgericht davon aus, dass es sich allenfalls um einen sehr kurzen Zeitraum gehandelt haben kann, in dem das klägerische Fahrzeug vollständig zum Stillstand gekommen war. Jedenfalls war der Zeitraum so kurz, dass die Klägerin selbst offen sichtlich nicht zum Hupen gekommen ist, um den Beklagten Z[i]ffer 1 zu warnen.

Die Beklagten sind daher der Klägerin lediglich zum hälftigen Schadensersatz verpflichtet.“

LG Görlitz, Urteil vom 17.12.2011 – 2 S 4/11

Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall, bei dem der Abbiegende kurzzeitig zuvor den Fahrtrichtungsanzeiger setzte und wieder ausschaltet

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 407/11) trifft den Wartepflichtigen bei einem Verkehrsunfall die überwiegende Haftung, wenn der vermeintlich Abbiegende nur den Fahrtrichtungsanzeiger setzte und wieder ausschaltet.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf weiteren Schadensersatz in zuerkannter Höhe nach §§ 7,17 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG.

Nach den genannten Vorschriften ist für die Haftung dem Grunde nach auf die Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der am Unfall beteiligten Kraftfahrer und ihrer Fahrzeuge abzustellen. Die Abwägung aller unfallrelevanten Verschuldens- und Verursachungsanteile führt im vorliegenden Streitfall dazu, dass der Kläger 1/3, die Beklagten 2/3 der Unfallfolgen zu tragen haben.

Dabei hat das Gericht durch die Beweisaufnahme folgenden Sachverhalt festgestellt:

Am Unfalltag, dem […].08.2011, fuhr die Zeugin T[…] mit dem Pkw des Klägers auf dem G[…]ring. In Annäherung an die von rechts kommende Einmündung der F[…]straße sah die Zeugin T[…] hinter der Einmündung auf dem G[…]ring eine Baustelle und dachte zunächst, dass ein Vorbeifahren an dieser Baustelle nicht möglich sei, weshalb sie mindestens zweimal den rechten Fahrtrichtungsanzeiger betätigte. Den rechten Fahrtrichtungsanzeiger schaltete die danach wieder aus, weil sie dann sah, dass vor ihr auf dem G[…]ring fahrende Fahrzeuge die Baustelle passieren konnten. Die Beklagte zu 1), die mit ihrem Pkw Renault an der Einmündung der F[…]straße zum G[…]ring angehalten hatte, sah zunächst nach links in Richtung des herannahenden Pkw Audi. Sie sah dabei den rechten Fahrtrichtungsanzeiger zweimal blinken. Außerdem sah sie, dass die Zeugin T[…] die Fahrt verlangsamte. Danach blickte die Beklagte zu 1) nach rechts. Ohne sich nochmals nach links zu vergewissern, fuhr sie danach in den G[…]ring ein. Zwischenzeitlich hatte die Zeugin T[…] ihre Abbiegeabsicht aufgegeben, so dass es zu einer Kollision der beiden Fahrzeuge kam. Dieser festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Angaben der Beklagten zu 1) und der Zeugin V[…]. Die Zeugin V[…] hat angegeben, dass die Zeugin Laura T[…] mindestens zweimal den rechten Fahrtrichtungsanzeiger betätigt und die Fahrt verlangsamt hat. Die Beklagte zu 1) hat angegeben, dass die Zeugin T[…] den rechten Fahrtrichtungsanzeiger viermal hat blinken lassen. Im Gegensatz zur Angabe der Zeugin T[…] geht das Gericht davon aus, dass die Zeugin T[…] die Fahrt verlangsamt hat und mindestens zweimal rechts geblinkt hat. Die Beklagte zu 1) hat ferner bestätigt, dass sie sich vor dem Einfahren in den G[…]ring nicht nochmals nach links orientiert hat.

Die sich aufgrund dieser Sachverhaltsfeststellung ergebende Rechtsfrage, ob sich der Wartepflichtige auf ein Blinkzeichen des Pkw auf der vorrangigen Straße verlassen kann, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Pkw-Fahrer auf der Vorfahrtsstraße, der den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt, für den Wartepflichtigen einen Vertrauenstatbestand schafft, auf den sich der Wartepflichtige auch verlassen kann. Demgegenüber folgt das erkennende Gericht der Gegenmeinung (OLG Dresden, Versicherungsrecht 1995, S. 234, OLG Hamm, NZV2003, S. 414), nach der sich der Wartepflichtige allein auf den betätigten Fahrtrichtungsanzeigers des Pkw auf der vorrangingen Straße nicht verlassen darf; vielmehr muss der Wartepflichtige solange mit dem Einfahren in die Vorfahrtsstraße warten, bis er erkennen kann, dass der Pkw auf der vorrangigen Straße entsprechend dem gesetzten Fahrtrichtungsanzeiger auch wirklich abbiegen wird.

Tut der Wartepflichtige dies nicht, vertraut er also allein auf den gesetzten Fahrtrichtungsanzeiger, dann trifft ihn die überwiegende Haftung. Diese ist regelmäßig mit zwei Dritteln zu bemessen. So verhält es sich auch im Streitfall. Die Beklagte zu 1) hat sich allein auf den Fahrtrichtungsanzeiger der Zeugin T[…] verlassen. Sie hat dann nach rechts gesehen. Als aus dieser Richtung kein Verkehr mehr kam, ist sie dann losgefahren und in die vorrangige Straße eingefahren, ohne sich durch einen Blick nach links zu vergewissern, ob die Zeugin T[…] wirklich nach rechts in die F[…]straße einbiegt. Die Beklagte zu 1) trifft daher das überwiegende Verschulden. Aber auch die Zeugin T[…] hat durch das Betätigen des rechten Fahrtrichtungsanzeigers zum Unfall beigetragen. Ihre Mithaftung ist entsprechend den genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte mit einem Drittel zu bewerten.“

AG Bautzen, Urteil vom 19.10.2011 – 20 C 407/11

Keine Wertminderung für ein mehr als fünf Jahre altes Fahrzeug

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Dresden (AG Dresden, Urteil vom 22.7.2011 – 112 C 2416/11) hat der Geschädigte beim Verkehrsunfall grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung einer Wertminderung, wenn sein Fahrzeug älter als fünf Jahre ist.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger kann nicht gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1 und Abs. 2, 251 BGB, 115 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 WG, 1 PflVersG von der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalles vom […].[…].2010 weiteren Schadenersatz beanspruchen.

Zu Gunsten des Klägers greift der Haftungstatbestand aus § 7 Abs. 1 StVG ein, da im Sinne dieser Vorschrift „bei dem Betrieb“ des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw […] eine Sache des Klägers, nämlich sein Pkw […], beschädigt wurde.

Der Fahrer oder die Fahrerin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges haben den Unfall auch allein zu vertreten, sodass kein Haftungsausschluss nach § 17 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 StVG in Betracht kommt. Das steht zwischen den Parteien außer Streit.

Jedoch kommen weitere Schadenersatzansprüche des Klägers nach den §§249 Abs. 1 und Abs. 2, 251 BGB nicht in Betracht, da dieser hier nur noch als Hauptforderung eine merkantile Wertminderung begehrt, die aber angesichts des Alters des Klägerwagens ausgeschlossen ist. Der Klägerwagen war im Zeitpunkt des Unfalles vom […].[…].2010 unstreitig mehr als fünf Jahre alt. Bei einem derartigen Fahrzeugalter ist eine merkantile Wertminderung in der Regel ausgeschlossen (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 68. Auflage 2008, Rn 14 zu § 251 BGB m.w.N.).

Zwar ist die vorgenannte Altergrenze keine starres Limit. Auch bei Fahrzeugen, die älter als fünf Jahre sind, kann ausnahmsweise eine merkantile Wertminderung in Betracht kommen, und zwar dann, wenn das Alter durch außergewöhliche den Fahrzeugwert positiv beeinflussende verkehrswesentliche Eigenschaften kompensiert wird (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O.).

Ist beispielsweise die genannte Altersgrenze von 5 Jahren nur geringfügig überschritten, kann eine Fahrleistung, die für fünfjährige Fahrzeuge als unterdurchschnittlich anzusehen ist, oder auch eine außergewöhnliche Verbesserungsinvest[i]tion – wie etwa ein neuer Motor- zu einer solchen Kompensation führen.

Im Falle des Klägers und seines unfallbeteilten Pkw kann von einem solchen Kompensationseffekt aber nicht ausgegangen werden. Der klägerische Pkw Audi war am […].[…].2002 erstzugelassen worden und befand sich damit im Zeitpunkt des Unfalles schon im neunten Zulassungsjahr. Er hatte zur Unfallzeit außerdem bereits 82.808 km zurückgelegt, und befand sich, als er auf den Kläger zugelassen wurde, auch nicht mehr in erster Hand (vgl. insoweit Gutachten des Kfz-Sachverständigenzentrums […]) Es ist außerdem nicht ersichtlich, dass an dem Wagen außergewöhnliche Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt worden sind.

Die Klage musste demnach insgesamt der Abweisung unterliegen.“

AG Dresden, Urteil vom 22.7.2011 – 112 C 2416/11

Vollständige Haftung eines rückwärts auf ein stehendes Motorrad fahrenden Fahrzeugs

Nach dem Urteil des Amtsgericht Dresden (AG Dresden, Urteil vom 21.4.2011 – 115 C 2286/10) haftet ein Fahrzeugführer, der mit seinem Pkw rückwärts auf ein stehendes Motorrad auffährt, im vollen Umfang für den hieraus entstandenen Schaden.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Die zulässige Klage war im wesentlichen begründet. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch aufgrund des Unfalls […] gegen die Beklagten zu.

1) Der Anspruch auf Schadenersatz gegen den Beklagten zu 1 als Fahrer des Pkw VW Passat besteht gemäß §§ 7, 18 StVG.

Der Kläger ist Eigentümer des geschädigten Motorrads. Der Beklagte zu 1 war Fahrer des Kraftfahrzeugs VW Passat. Kraftfahrzeuge im Sinne des Gesetzes sind gemäß § 1 Abs. 2 StVG Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an
Bahngleise gebunden zu sein. Bei dem Fahrzeug des Beklagten handelt es sich um ein solches.

a) Der Schaden am Fahrzeug des Klägers ist bei dem Betrieb des Fahrzeugs durch den Beklagten zu 1 entstanden. In Betrieb ist ein Fahrzeug, sobald und solange das Fahrzeug noch irgendwelchen Verkehrszwecken dient, auch beim Parken auf der
Fahrbahn. Diese betriebsspezifische Gefahr hat sich in dem eingetretenen Schaden verwirklicht.

b) Die Haftung des Fahrzeugführers ist nicht gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG ausgeschlossen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Unfall nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht wurde. Die Vermutung in § 18 StVG spricht für ein Verschulden des Fahrers, so dass er die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, das kein Verschulden vorliegt, ansonsten ist von Fahrlässigkeit im Sinne des § 276 BGB auszugehen. Ihn treffen bereits vor Fahrtantritt Sorgfaltspflichten. Er muss vor Fahrtantritt prüfen, ob er selbst gesundheitlich in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Er ist gemäß § 23 StVO für das Kraftfahrzeug verantwortlich und muss dafür Sorge tragen, dass das Kraftfahrzeug fahrbereit ist, also fahrtechnisch in Ordnung und keine Mängel erkennbar sind (BGH NVZ 95, 31; OLG Celle VersR 97, 202). Er muss das Fahrzeug mit gesammelter Aufmerksamkeit fahren, dabei die sich aus den Umständen ergebende Möglichkeit eines unrichtigen Verhaltens anderer berücksichtigen und auch in schwierigen Lagen richtig handeln. Andererseits darf nichts Unmögliches verlangt werden (BGH VRS 10,12). Seine Haftung entfällt bereits dann, wenn feststeht, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eines wenigstens durchschnittlich geübten Fahrers beachtet hat (BGH VersR 1982, 442; 1987, 158).

c) Die Haftung des Fahrers ist gemindert durch ein Mitverschulden des Verletzten gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB bei der Entstehung des Schadens. Dabei wird das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Verschulden des Verletzten gemäß § 9 StVG gleichgesetzt. Es kommt auf die Verursachungsanteile des Fahrers und des anderen Beteiligten an. Die Abwägung der Verursachungsanteile führt dazu, dass dem Beklagten zu 1 100% der Versuchung zuzuordnen sind. Die Haftungsquote ergibt sich aus der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichtes. Die Zeugin […] hat den klägerischen Vortrag bestätigt. Sie hat bekundet, dass sie Beifahrerin auf dem Motorrad war.Sie habe nach vorne geschaut, als das Motorrad zum Stehen gekommen sei. Das Auto sei dann rückwärtsgefahren und es sei zum Anstoß an das Motorrad gekommen. Dabei seien die Schäden entstanden. […] Der Vortrag der Klägerseite wird weiterhin bestätigt durch das Sachverständigengutachten. Der Sachverständige führt aus, dass die
festgestellten Schäden am Motorrad nur dann in dieser Wahl Art und Weise entstehen können, wenn der Pkw rückwärts gefahren ist und das Motorrad gestanden hat. Er legt dar, dass andere Schäden entstanden wären, wenn das Motorrad auf das Auto aufgefahren wäre.

2) Die Beklagte zu 2 haftet dem Geschädigten als Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs VW Passat unmittelbar aus § 3 PflVG aF bzw § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Der Halter eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers ist gemäߧ 1 PflVG verpflichtet, für sich, den Eigentümer und den Fahrer ein Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden abzuschließen und aufrechtzuerhalten, wenn das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen (§ 1 StVG) verwendet wird. Gemäß § 3 Nr. 1 PflVG aF bzw § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG kann der Geschädigte im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen der Nr. 4 – 6 seinen Anspruch auf Ersatz des Schadens auch gegen den Versicherer geltend machen. Der Versicherer hat den Schadenersatz in Geld zu leisten. Gemäß § 3 Nr. 2 PflVG aF bzw §§ 115 Abs. 1 Satz 4 116 VVG haften der Versicherer und der Versicherungsnehmer als Gesamtschuldner. Dem Anspruch kann gemäß § 3 Nr. 4 PflVG aF bzw § 117 Abs. 1 VVG nicht entgegengehalten werden, dass der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer von der Leistung frei geworden ist. Der Versicherer haftet, wie der Halter sprich: Versicherungsnehmer haftet. Insoweit kann auf oben Bezug genommen werden.

3) Die Beklagten sind dem Kläger zum Ersatz des entstandenen Schadens in der tenorierten Höhe verpflichtet. Der Schaden ist zu ermitteln durch den Vergleich der Hypothetischen Güterlage ohne das schädigende Ereignis mit der tatsächlichen Lage nach Einbeziehung aller adäquat kausal zurechenbaren Vor- und Nachteile (Differenzmethode); die Verteilung der Verursachungsanteile ist zu berücksichtigen. Der maßgebliche Zeitpunkt zur Berechnung ist die Geltendmachung des Schadens. Zu den Nachteilen bei einem Vergleich der realen und der hypothetischen Lage zahlen alle Nachteile an Rechten, Rechtsgütern, rechtlich geschütztem Vermögen die durch das schädigende Ereignis verursacht worden sind, es sei denn: nicht adäquat verursacht; nicht vom Schutzbereich der Norm umfasst; der Schaden wäre ohnehin eingetreten, wie dies bei rechtmäßigem Alternativverhalten auch der Fall gewesen wäre. Vorsorgekosten oder allgemeine Verwaltungskosten der Schadenfeststellung und -abwicklung. Vorteile die bei dem Vergleich der Vermögenslagen entstehen sind schadensmindern anzurechnen: ersparte Aufwendungen, soweit sie adäquat kausal verursacht und nach dem Schutzzweck der Norm anrechenbar sind, bzw. pflichtwidrig unterlassene Schadensminderung des Erwerbs von Vorteilen.; durch pflichtgemäße Schadensminderung erzielte Vorteile; Erträge und Substanz aus einer Erbschaft nur dann, wenn und soweit sie nicht ohnehin später zugefallen wären, wobei Leistungen von Unfall- und Lebensversicherungen nicht anzurechnen sind; bei Schadenersatz „neu für alt“ Abzug des Mehrwerts der neuen Sache.

4) Der Schadenausgleich ist gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 BGB als Naturalrestitution zu leisten. Statt der Wiederherstellung durch den Schädiger kann der Gläubiger gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache statt der Wiederherstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Insoweit schafft die gesetzliche Regelung eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers. Hat der Gläubiger einmal Geldersatz verlangt, ist er an diese Wahl gebunden (BGH NJW 1993, 727). Andernfalls kann der Geschädigte dem Ersatzpflichtigen gemäß § 250 BGB zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, dass er die Herstellung nach Ablauf der Frist ablehne. Nach Ablauf der Frist, ohne dass eine Herstellung erfolgt wäre, kann der Geschädigte nur noch Ersatz in Geld verlangen. Der Anspruch auf Herstellung ist gemäß § 250 Satz 2, 2. Halbsatz BGB ausgeschlossen. Der Versicherer haftet gemäß § 3 Nr. 1 Satz 2 PflVG aF bzw § 115 Abs. 1 Satz 3 VVG stets nur auf Geld.

a) Kosten des Sachverständigengutachtens sind zu ersetzen, soweit sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (BGH NJW 1974, 35; 05, 3042). In Kfz-Unfallsachen darf der Geschädigte – von Bagatellschäden bis 700,00 EUR (BGH NJW 05, 356), in den neuen Ländern bis 500,00 EUR (AG Chemnitz VersR 98, 202) – einen Sachverständigen hinzuziehen und zwar auch dann, wenn bereits der Schädiger einen beauftragt hat (KG OLGZ77, 317, Roß NZV01, 321).

b) Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden. Dies ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten und ist nicht bestritten. Unbestritten geblieben ist auch der Vortrag der Beklagten Seite, man aber ein Angebot für
den Restwert in Höhe von 400 € abgegeben. Insoweit ist von dem Restwert in Höhe von netto 2247,90 € der Betrag von 400 € in Abzug zu bringen. Der zu ersetzender Schaden beläuft sich damit auf 1847,90 €. Der Kläger hat keinen Beweis dafür angeboten, dass er das Fahrzeug weiterhin nutzt. Es ist daher nicht in die von der Klägerseite angewandte Berechnungsart zu Grunde zu legen.

c) Die allgemein anerkannte Unkostenpauschale beläuft sich auf 25 €.

5) Hieraus ergibt sich bei einer Haftungsquote auf Beklagtenseite von 100 %, Ein Anspruch in Höhe von insgesamt 2352,91 €. Der darüber hinausgehende Betrag war nicht zu erstatten.

6) Aus diesem teilweise unterliegen ergibt sich die quotenmäßige Kostenverteilung.

7) Die Nebenentscheidungen folgende Paragraphen 91, 92, 709, 708 Nummer 11, 711 ZPO.“

AG Dresden, Urteil vom 21.4.2011 – 115 C 2286/10

Haftungsverteilung bei Kollision eines Fahrradfahrers mit einem unbeleuchteten Bauzaun

Nach dem Urteil des Amtsgericht Dresden (AG Dresden, Urteil vom 24.3.2011 – 116 C 3704/10) trägt ein Fahrradfahrer, der innerhalb einer Stadt auf einer beleuchteten Straße mit einem unbeleuchteten Bauzaun kollidiert, ein 50% Mitverschulden.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Das  Abstellen  des  unbeleuchteten  Bauzauns  auf dem  für  Radfahrer freigegebenen  Fußweg stellt auch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten der Beklagten dar. Von einem solchen  unbeleuchteten  Absperrgitter  gehen  insbesondere  zur  Nachtzeit  erhebliche  Gefahren aus.  Ein  solches  Gitter  ist,  da es sich aufgrund seiner transparenten Konstruktion nur unwesentlich  von  der  Umgebung  abhebt,  insbesondere bei  difusen  oder  nächtlichen Sichtverhältnissen, nur schwer zu erkennen.

[…]

Allerdings haftet die  Beklagte aufgrund  ihrer Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht alleine für die  Unfallfolgen des Klägers. Vielmehr muss sich der Kläger ein Mitverschulden im Sinne von  § 254  BGB anrechnen lassen. Der Kläger hätte seine Fahrweise darauf einrichten müssen, auch auf plötzlich auftretende bzw. schwer erkennbare Hindernisse reagieren zu können. Der Bauzaun hat quer auf dem Gehweg gestanden, er wäre daher, wenn konstruktionsbedingt auch nur schwer, zu erkennen gewesen. Die jeweiligen Verursachungsbeiträge gewichtet das Gericht etwa gleichstark, so dass sich eine hälftige Mithaftung des Klägers ergibt.“

AG Dresden, Urteil vom 24.3.2011 – 116 C 3704/10