Keine Versagung der Auslagenerstattung des Betroffenen bei einer Einstellung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung

Durch das Landgericht Hildesheim (LG Hildesheim, Beschluss vom 9.8.2018 – 26 Qs 56/18) wurde entschieden, dass dem Betroffenen die Erstattung der ihm entstandenen Auslagen grundsätzlich nicht versagt werden darf, wenn das Ordnungswidrigkeitenverfahren ohne die Durchführung einer Hauptverhandlung eingestellt wird.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

Beschluss

In dem Bußgeldverfahren

gegen: […],

Verteidiger: Rechtsanwalt Stephan M. Höhne, Bautzen,

hat die Strafkammer 16 – als 6. Kammer für Bußgeldsachen – des Landgerichts Hildesheim auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hildesheim vom 09.07.2018, bei Gericht eingegangen am 11.07.2018, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn vom 04.07.2018 (75 OWi 32 Js 9675/18), der Staatsanwaltschaft zugestellt am 05.07.2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Landgericht […], des Richters am Landgericht […] und der Richterin […] am 09.08.2018 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung in dem Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn vom 04.07.2018 (75 OWi 32 Js 9675/18) wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Betroffenen
insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse
zur Last.

Gründe:

I.

Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 59 km/h). Mit Bußgeldbescheid vom 07.09.2017, dem Betroffenen zugestellt am 13.09.2017, hat der Landkreis Gifhorn dem Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 240,00 € auferlegt sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Hiergegen hat der Betroffene über seinen Verteidiger rechtzeitig Einspruch eingelegt. Einlassungen zur Sache sind dahingehend erfolgt, dass der Betroffene im
Rahmen der Anhörung angab, der Fahrzeugführer gewesen zu sein. Den Verstoß gab er allerdings nicht zu.

Die Akten sind nach dem Einspruch vom 20.09.2017 und einem weiteren Schreiben des Verteidigers vom 04.10.2017 ohne erkennbaren Grund erst am 06.03.2018 an die Staatsanwaltschaft abgesandt worden, wo die Akten erst nach Verjährungseintritt am 08.03.2018 eingingen. Der Eingang der Akten bei Gericht war schließlich erst am 04.05.2018. Mit Beschluss vom 04.07.2018 (75 OWi 32 Js 9675/18) hat das Amtsgericht Gifhorn das Verfahren wegen Verjährungseintritts gemäß §§ 46 OWiG, 206 a StPO eingestellt und die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen der Landeskasse auferlegt.

Mit Verfügung vom 09.07.2018 hat die Staatsanwaltschaft Hildesheim daraufhin sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung aus dem Beschluss des Amtsgerichts Gifhorn vom 04.07.2018 (75 OWI 32 Js 9675118) eingelegt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass von einer Auslagenerstattung abgesehen werden könne, wenn ein hinreichender Tatverdacht fortbestehe. Dies sei anhand der vorliegenden Beweismittel der Fall.

II.

Der als „Beschwerde“ bezeichnete Rechtsbehelf der Staatsanwaltschaft ist als das statthafte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anzusehen. Diese auf die Kostenentscheidung beschränkte sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat die notwendigen Auslagen des Betroffenen bei der Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß §§ 46 OWiG, 467 Abs.1 StPO zurecht der Landeskasse auferlegt hat.

1.
Grundsätzlich kann das Gericht nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO im Fall einer solchen Einstellung davon absehen, die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Landeskasse aufzuerlegen, wenn eine Verurteilung nur deshalb nicht erfolgt, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Dies erfordert eine zweistufige Prüfung. Zunächst ist der Verdachtsgrad zu erörtern, bei welchem davon ausgegangen werden kann, dass eine Verurteilung nur aufgrund des Verfahrenshindernisses nicht erfolgt ist. In einem zweiten Schritt hat das Tatgericht sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob eine
Kosten- und Auslagenentscheidung zum Nachteil des Angeklagten ergehen kann (vgl. OLG Celle StraFo 2014, 438-440)

Die konkrete Situation, wann eine Verfolgung allein aufgrund des
Verfahrenshindernisses nicht erfolgt, ist in der Rechtsprechung umstritten. Nach einer Auffassung kommt eine Versagung der Auslagenerstattung nur dann in Betracht, wenn bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit eine Verurteilung zu erwarten gewesen wäre (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Auflage 2013, § 467 Rn. 10a m.w.N.; vgl. u.a. BGH NJW 1995, 1297, 1301; OLG Celle wistra 2011, 239f.; OLG Hamm wistra 2006, 359). Nach einer anderen Auffassung in der Rechtsprechung ist eine Ermessensentscheidung hingegen schon dann eröffnet, wenn zur Zelt der Feststellung des Verfahrenshindernisses ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht und keine Umstände vorliegen, die bei weiterer Hauptverhandlung eine Konkretisierung des Tatverdachts bis zur
Feststellung der Schuld in Frage stellen (vgl. OLG Celle StraFo 2014, 438-440
m.w.N.). Letztere Auffassung wird allerdings dann zur Anwendung gebracht, wenn eben schon eine Hauptverhandlung weitgehend fortgeschritten oder abgeschlossen ist. Für diese Auffassung ist im vorliegenden Fall daher schon nach den Grundgedanken der Strafprozessordnung kein Raum, weil eine Hauptverhandlung, in der der Betroffene Umstände, die einen Verstoß in Frage stellen könnten, vorbringen könnte, gar nicht stattgefunden hat.

Um eine tragfeste Aussage über Verdachtsgrad und die Schuld in Zweifel ziehende Umstände treffen zu können, muss wegen der mit einer belastenden Auslagenentscheidung verbundenen Feststellung und Zuweisung strafrechtlicher Schuld zuvor die Hauptverhandlung bis zur Schuldspruchreife, zumindest aber weitgehend genug für eine tragfeste Grundlage, durchgeführt worden sein. Vor Erreichen dieses Verfahrensstadiums ist von dieser Warte aus für eine Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO kein Raum (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Dezember 1991 – 2 BvR 1590/89 – NJW 1992, 1611). Dies ist schon allein deswegen nachvollziehbar, weil allein ein Akteninhalt nicht Grundlage einer Entscheidung über die Schuldfrage sein darf. Vielmehr sieht die Strafprozessordnung die Durchführung einer Hauptverhandlung für strafrechtliche Schuldfeststellungen vor. Diese Verfahrensgrundsätze gelten auch für Bußgeldverfahren. Ohne diese Grundsätze würde ein Betroffener, der von dem ihm zustehenden Schweigerecht Gebrauch machen möchte benachteiligt. Ein Betroffener, der dagegen aus freien Stücken zu seiner Verteidigung Umstände vorbringt, die eine Verurteilung unwahrscheinlich machen, wäre dagegen im Vorteil,
obwohl der schweigende Betroffene lediglich seine strafprozessualen Rechte wahrnimmt.

Vorliegend kann daher aufgrund des bisherigen Verfahrensgangs ohne eine
Hauptverhandlung somit gerade nicht die Prognose getroffen werden, dass der Betroffene ohne das Vorliegen des Verfahrenshindernisses mit  Sicherheit verurteilt worden wäre. Eine separate Beweiserhebung im Rahmen des Verfahrens über die Kosten verbietet sich (BVerfG NJW 1991, 829).

2.
Doch selbst wenn man die Meinung vertreten würde, § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO wäre vorliegend anwendbar, so käme auch im Rahmen der nunmehr
durchzuführenden Ermessensentscheidung ein Absehen von der Auslagenerstattung nicht in Betracht. Das Gericht hätte nämlich dann zu prüfen, ob auf Grund besonderer Umstände die Belastung der Landeskasse mit den Auslagen des Betroffenen als unbillig erscheint. In der voraussichtlichen Verurteilung des Betroffenen und der zugrunde liegenden Tat dürfen derartige besondere Umstände aber allein nicht gesehen werden.

Es ist umstritten, ob regelmäßig ein vorwerfbares prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen hinzutreten muss (so z.B. Meyer-Goßner. StPO, 56. Auflage 2013, § 467 Rn. 18 aE; Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Auflage 2013, § 467 Rn. 10b mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; andere Ansicht OLG Gelle StraFo 2014, 438 – 440). Wenngleich dieses hier nicht gegeben war, kann dies auch dahinstehen, weil es schon nicht unbillig ist, die Landeskasse mit den Auslagen des
Betroffenen zu belasten.

Vorliegend beruht das Verfahrenshindernis auf einer Verzögerung des Verfahrens durch den Landkreis Gifhorn. Eine Verurteilungswahrscheinlichkeit ergibt sich insbesondere nicht schon durch die Einräumung der Fahrzeugführereigenschaft des Betroffenen. Hierfür wäre vielmehr auch die Feststellung einer ordnungsgemäßen
Messung erforderlich, was durch den Betroffenen in einem umfangreichen
Schriftsatz angegriffen wurde. Wenngleich in dem Bußgeldverfahren durch das standardisierte Messverfahren grundsätzlich vereinfachte Verfahrensgrundsätze gelten, so würde – wie bereits oben ausgeführt – eine Umgehung der Notwendigkeit einer Hauptverhandlung jedenfalls der Unschuldsvermutung entgegenstehen.

3.
Die Entscheidung über die Kosten- und Auslagen im Beschwerdeverfahren beruht auf § 473 Abs. 1, 2 StPO. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 310 Abs. 2 StPO).“

LG Hildesheim, Beschluss vom 9.8.2018 – 26 Qs 56/18

Anspruch auf Erstattung der zusätzlichen Transportkosten für nicht mehr betriebsbereites Fahrzeug zum Händler des Leasinggebers nach Ende des Leasingvertrages

Durch das Amtsgericht Dresden (AG Dresden, Urteil vom 9.4.2018 – 105 C 6011/17) wurde entschieden, dass durch den Schädiger im Rahmen der Schadensregulierung auch die Kosten für einen zusätzlichen Transport des nicht mehr betriebsbereiten Fahrzeugs zum vom Leasinggeber benannten Händler nach dem Ende eines Leasingvertrages erstattet werden müssen.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit
G[…] GmbH, […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Frings & Höhne, Obergraben 7-9, 01097 Dresden, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung AG, […]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:
[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Dresden durch
Richterin am Amtsgericht […]
ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO am 09.04.2018
für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 303,45 EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hieraus seit dem 09.09.2017 zu zahlen,
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf 303,45 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Danach hat die Klägerin Anspruch auf Ausgleich des offenen Schadensersatzanspruches aus dem Verkehrsunfall vom 13.08.2017 […] in Görlitz, §§ 823 Abs. 2, 1 StVG, 115 WG.
Nachdem die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 164,35 EURO unter dem 05.12.2017 reguliert wurden, wurde der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt und war nur noch über die streitige Position Transportkosten zu befinden.
Auch insoweit haben die Beklagten für die zusätzlichen Kosten für die Verbringung des Fahrzeuges aufzukommen. Ausweislich des als Anlage K1 vorgelegten Schadensgutachtens vom 21.08.2017 war das Fahrzeug nicht mehr betriebsbereit. Da der Leasingvertrag für das beschädigte Fahrzeug zeitnah nach dem Verkehrsunfall ausgelaufen ist und der Kläger Rückgabe des Fahrzeuges beim Autohaus […], verpflichtet war, sind auch die Kosten für die weitere Verbringung des Fahrzeuges erforderlich und daher zu erstatten. Die von der Beklagtenseite zitierte Rechtssprechung steht dem nicht entgegen, da sich diese vom hier zu entscheidenden Fall unterscheidet, wonach die Klägerin zur Herausgabe des nicht mehr fahrbereiten Fahrzeuges an den Eigentümer verpflichtet ist. Eine Reparatur des beschädigten Fahrzeuges vor dem Termin zur Rückgabe des Fahrzeuges wäre der Klägerin nicht mehr möglich gewesen. Zudem wurde erst nach der Rückgabe des Fahrzeuges an das Autohaus […] durch das als Anlage
K1 vorgelegte Schadensgutachten vom 21.08.2017 der Eintritt des wirtschaftlichen Totalschadens festgestellt. Dies hat die Klägerin durch Vorlage der Schreiben Anlage K8, K9 sowie des Gutachtens (Anlage K1) substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt. Das pauschale Bestreiten der Beklagten insoweit ist somit unerheblich.
Soweit die Beklagte die Kostentragung bezüglich des teilweise für erledigt erklärten Betrages negiert, kann sie ebenfalls nicht durchdringen. Bereits mitschreiben vom 02.10.2017 (Anlage K8) wurde die als Anlage K11 vorgelegte Bescheinigung der Steuerberatungsgesellschaft der Klägerin vom 24.10.2017 übersandt, aus der sich die fehlende  Vorsteuerabzugsberechtigung ergibt. Mt dem Ausgleich der Mehrwertsteuer war die Beklagte folglich in Verzug, sodass auch
hinsichtlich des erledigt erklärten Teils die Kosten von Beklagtenseite zu tragen sind, gem. §§ 91, 269 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 ZPO.
Der Zinsanspruch folgt §§ 280, 286, 288 BGB.“

AG Dresden, Urteil vom 9.4.2018 – 105 C 6011/17

Anspruch eines Autohauses auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren

Nach dem Urteil des Amtsgericht Bautzen (AG Bautzen, Urteil vom 31.7.2015 – 21 C 24/15) hat grundsätzlich auch ein Autohaus einen Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten für die Schadensregulierung.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

Autohaus […]

vertreten durch den Geschäftsführer […]

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Frings & Höhne, Wallstraße 15, 02625 Bautzen, Gz.: […]

gegen

[…] Versicherung[…]

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte:

[…]

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Bautzen durch

Richter […]

im schriftlichen Verfahren, in welchem Schriftsätze bis zum 05.06.2015 eingereicht werden konnten,

am 31.07.2015

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 630,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 630,80 € seit dem 06.08.2014 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist. auf die seitens der Klägerin verauslagten Gerichtskosten Znsen in Höhe von 4% seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Soweit der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt, wird die Berufung nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 630,80 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin macht weitergehende Schadensersatzansprüche in Form von Honorarkosten aus einem Verkehrsunfall vom 10.07.2014, gegen 10:30 Uhr beim Unfallort […] geltend.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Halterin des Pkw Typ VW Caddy mit dem amtlichen Kennzeichen […] und der Fzg.ldent,-Nr. […]. Die Beklagte war die Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen […]. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte dem Grunde nach vollumfänglich haftet.

Die Beklagte hat die geltend gemachten Schadensersatzansprüche bis auf die geltend gemachten anwaltlichen Honorarkosten erstattet. Mit anwaltlichen Schreiben vom 22.07.2014, vom 18.08.2014, vom 09.09.2014 und vom 30.09.2014 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre Schadensersatzansprüche geltend und setzte jeweils entsprechende Zahlungsfristen. Insgesamt wurden für Fahrzeugschaden, Kosten für Schadengutachten, Unkostenpauschale, Nutzungsausfallentschädigung und die Akteneinsichtspauschale für die Ermittlungsakte eine Forderung in Höhe von 7.614,00 € geltend gemacht. Aus diesem Gegenstandswert berechnete die anwaltliche Vertretung der Klägerin eine 1,3-fache Geschäftsgebühr und eine Auslagenpauschale nach Nr. 7002 W RVG sowie eine Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 W RVG. Somit ergibt sich eine Kostennote in Höhe von 630,80 €. 

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass Anwaltskosten auch für Autohäuser, Leasing- und Mietwagenunternehmen erstattungsfähig seien. Aufgrund der wachsenden Komplexität und der unübersichtlich gewordenen Rechtsprechung zum Ansatz und zur Angemessenheit einzelner Schadenspositionen bei Verkehrsunfällen seien Rechtsanwaltsgebühren grundsätzlich erstattungsfähig. Seltene Ausnahmen hierzu bestünden nur in Fällen, wenn ein Unternehmen bei spielsweise eine eigene Rechtsabteilung besitze. Die Klägerin habe unstreitig keine eigene Rechtsabteilung. Weiterhin gebe es für den Rechtsunkundigen keinen einfach gelagerten Verkehrsunfall. Dies gelte auch dann, wenn es sich bei den Geschädigten um eine mittelständige gewerbliche Autovermietung ohne eigene Rechtsabteilung handele.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 630,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 630,80 € seit dem 06.08.2014 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die seitens der Klägerin verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 4% seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass aufgrund der Besonderheiten des Schadensfalles die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nicht in Betracht komme.

Bereits am 22.07.2014 sei der Klägerin eine Reparaturkostenübernahmeerklärung für das streitgegenständliche Fahrzeug übersandt worden. Es liege hier eine eindeutige Haftungsfrage vor. Die Geschädigte ist ein Autohaus, so dass diese geschäftlich gewandt sei und Erfahrungen in der Abwicklung von Verkehrsunfällen besitze. Schließlich habe bereits 12 Tage nach dem Unfall eine Reparaturkostenübernahmeerklärung vorgelegen. Daher seien die Anwaltskosten nicht ersetzbar, da die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes hier nicht erforderlich gewesen sei. Der Sachverhalt sei von vornherein klar und unstreitig gewesen, der Geschäftsführer der Klägerin oder ein anderer Mitarbeiter habe über die geschäftliche Gewandtheit verfügt, eine entsprechende Unfallregulierung selbst vorzunehmen.

Die Klägerin repliziert darauf, dass es richtig sei, dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.07.2014 sich gemeldet habe. Allerdings habe sie darin nicht ihre Zahlungswilligkeit signalisiert. Gerade mit diesem Schriftsatz sei die Ursache fürdie Einschaltung eines Rechtsanwaltes durch die Klägerin gesetzt worden. Denn darin sei lediglich die Zahlung eines geringeren Reparaturkostenbetrages in Aussicht gestellt und auf erfolgte Abzüge verwiesen sowie die Vornahme weiterer Abzüge ausdrücklich vorbehalten worden. Außerdem dürfe nach der aktuellen Rechtsprechung bis zum vollständigen Ausgleich sämtlicher berechtigter Forderungen des Geschädigten dieser sich zu jeder Zeiteines Rechtsanwaltes bedienen.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat einen weitergehenden Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 630,80 € gemäß §§ 7,17 StVG, §§ 823. 249 BGB, § 115 WG.

I.

a) Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist vorliegend unstreitig.

b) Gemäß § 249 Abs. 1 und 2 BGB muss derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Hierzu kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Hierzu schließt sich das Gericht der Ansicht an, dass grundsätzlich zu den erforderlichen Kosten auch die außergerichtlichen Kosten eines Anwaltes zur Durchsetzung der Schadensersatzforderungen gehören. Angesichts der Komplexität heutiger Schadensregulierungen unter mannigfaltigen Regulierungserschwernissen benötigt der Geschädigte anwaltliche Hilfe bei der Beurteilung der Haftungslage, für das Wissen um die ersatzfähigen Schadenspositionen und zur sachgerechten Durchsetzung seiner Ansprüche.

Ausnahmsweise kann dem Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht entgegengehalten werden, dass er sich keines Rechtsanwaltes bedienen musste, wenn er beispielsweise eine eigene Rechtsabteilung hat. Ebenso spricht Einiges dafür, dass sich der Geschädigte keines Anwaltes bedienen muss, wenn die Haftungslage derart eindeutig ist, dass die Haftpflichtversicherung sofort die Haftung dem Grunde nach und der Höhe nach anerkennt.

Jedoch kann dies vorliegend dahingestellt bleiben, ob tatsächlich ein rechtlich einfach gelagerter Verkehrsunfall vorlag, da die Beklagte in ihrem Schreiben vom 22. Juli 2014 gerade nicht den Anspruch der Höhe nach vollumfänglich anerkannt hat. Vielmehr heißt es in dem Schreiben, welches von der Beklagtenseite als Anlage B 1 vorgelegt wurde, dass die unfallbedingten Reparaturkosten von maximal 5.540,80 € brutto übernommen würden. Nach unstreitigen Vortrag der Klägerseite entstanden jedoch Reparaturkosten in Höhe von 6.147,85 € netto. Außerdem wurden Abzüge, welche der Anlage zu entnehmen waren, gemacht. Weitere Abzüge wurden vorbehalten; Verbringungskosten wurden gekürzt. Somit lag gerade kein vollumfängliches Anerkenntnis vor. Mit außergerichtlichen sowie gerichtlichen Auseinandersetzungen durfte daher die Klägerin rechnen. In einem solchen Fall ist dann die Klägerin als Geschädigte berechtigt, sich anwaltlicher Beratung zu bedienen. Dies giltauch, wenn es sich bei der Geschädigten um eine Autovermietung und Reparaturwerkstatt handelt (vgl. AG Bernkastel – Kues, ZfS 2003, 201). Dies ergibt sich unter anderem aus dem Grundsatz der Waffengleichheit, da die Beklagte als Haftpflichtversicherer über eine Rechtsabteilung und entsprechend über ein juristisch geschultes und erfahrenes Personal bezüglich der Abwicklung von Schadensfällen verfügt (AG Darmstadt, ZfS 2002, 71). Dass die Klägerin als Geschädigte jedoch nicht über eine Rechtsabteilung verfügt, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Insofern durfte sich die Klägerin eines Rechtsanwaltes zur Durchsetzung ihrer Forderungen bedienen.

c) Einwände gegen die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren in Form einer 1,3 Gebühr aus dem Gegenstandswert von 7.614,00 € sowie der Auslagenpauschale und der Dokumentenpauschale wurden von der Beklagten nicht erhoben.

d) Die Entscheidung zu den Verzugszinsen und den Feststellungsantrag (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urteil vom 01.03.2012, Az.: 26 U 11/11, zitiert nach Juris) ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB.“

AG Bautzen, Urteil vom 31.7.2015 – 21 C 24/15

Keine Erstattung der zusätzlichen Reisekosten für einen auswärtigen Rechtsanwalt

Nach dem Beschluss des Landgerichts Görlitz (LG Görlitz, Beschluss vom 21.11.2011 – 1 O 278/10) können im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens grundsätzlich nicht die zusätzlichen Reisekosten für einen auswärtigen die Rechtsanwalt geltend gemacht werden, der weder am Sitz der einen noch der anderen Partei seinen Kanzleisitz hat.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Görlitz vom 26.09.2011 ist zwar zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Die mit Schriftsatz vom 01.09.2011 geltend gemachten Reisekosten in Höhe von zusätzlich 137,56 Euro kann die Beklagte bzw. deren Prozessbevollmächtigter von dem Kläger nicht verlangen. Nach der zu beachtenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 91 Abs. 2 ZPO (vgl.: Beschluss vom 12.12.2002, Az.: I ZB 29/02; 21.02.2007,. Az.: VIII ZB 93/06) können die hier geltend gemachten zusätzlichen Reisekosten nicht verlangt werden. Vorliegend ist der Sachverhalt so, dass die Beklagte in ihrem Gerichtsstand verklagt wurde und zu der Wahrnehmung ihrer Interessen einen Rechtsanwalt aus Berlin beauftragt hat. Bei dieser Konstellation handelt es sich bei dem dadurch anfallenden Mehraufwand durch Reisekosten in der Regel nicht um Kosten, die im Sinne von § 91 Abs. 2 ZPO für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung notwendig sind (vgl.: BGH a. a. O.). Das gilt auch für den Fall, dass der auswärtige Anwalt bereits vorprozessual in derselben Angelegenheit tätig geworden ist. Eine zugelassene Ausnahme von der vorgenannten Regel liegt hier nicht vor. Die wäre zum Beispiel gegeben, wenn ein auswärtiger Rechtsanwalt mit Spezialkenntnissen beauftragt werden müsste und ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann. Der Bundesgerichtshof hat im Übrigen in seinem Beschluss vom 12.12.2002 (vgl.: BGH a. a. O.) Folgendes ausgeführt:

„Dagegen rechtfertigt der Umstand, dass die Partei ständig mit dem beauftragten auswärtigen Rechtsanwalt zusammenarbeitet, kein Abweichen von der Regel. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Einschätzung der Notwendigkeit in diesen Fällen stets subjektiv geprägt ist. Für eine Partei mögen die zusätzlichen Reisekosten unerheblich erscheinen, solange sie nur den Anwalt ihres Vertrauens beauftragen kann. Doch muss sie in diesem Fall bereit sein, diese Zusatzkosten auch dann selbst zu tragen, wenn dem Gegner die Prozesskosten auferlegt worden sind.“

Die Erinnerung war daher als unbegründet zurückzuweisen.“

LG Görlitz, Beschluss vom 21.11.2011 – 1 O 278/10

Keine Wertminderung für ein mehr als fünf Jahre altes Fahrzeug

Nach dem Urteil des Amtsgerichts Dresden (AG Dresden, Urteil vom 22.7.2011 – 112 C 2416/11) hat der Geschädigte beim Verkehrsunfall grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung einer Wertminderung, wenn sein Fahrzeug älter als fünf Jahre ist.

Auszug aus der Gerichtsentscheidung:

„Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger kann nicht gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1 und Abs. 2, 251 BGB, 115 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 WG, 1 PflVersG von der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalles vom […].[…].2010 weiteren Schadenersatz beanspruchen.

Zu Gunsten des Klägers greift der Haftungstatbestand aus § 7 Abs. 1 StVG ein, da im Sinne dieser Vorschrift „bei dem Betrieb“ des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw […] eine Sache des Klägers, nämlich sein Pkw […], beschädigt wurde.

Der Fahrer oder die Fahrerin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges haben den Unfall auch allein zu vertreten, sodass kein Haftungsausschluss nach § 17 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 StVG in Betracht kommt. Das steht zwischen den Parteien außer Streit.

Jedoch kommen weitere Schadenersatzansprüche des Klägers nach den §§249 Abs. 1 und Abs. 2, 251 BGB nicht in Betracht, da dieser hier nur noch als Hauptforderung eine merkantile Wertminderung begehrt, die aber angesichts des Alters des Klägerwagens ausgeschlossen ist. Der Klägerwagen war im Zeitpunkt des Unfalles vom […].[…].2010 unstreitig mehr als fünf Jahre alt. Bei einem derartigen Fahrzeugalter ist eine merkantile Wertminderung in der Regel ausgeschlossen (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 68. Auflage 2008, Rn 14 zu § 251 BGB m.w.N.).

Zwar ist die vorgenannte Altergrenze keine starres Limit. Auch bei Fahrzeugen, die älter als fünf Jahre sind, kann ausnahmsweise eine merkantile Wertminderung in Betracht kommen, und zwar dann, wenn das Alter durch außergewöhliche den Fahrzeugwert positiv beeinflussende verkehrswesentliche Eigenschaften kompensiert wird (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O.).

Ist beispielsweise die genannte Altersgrenze von 5 Jahren nur geringfügig überschritten, kann eine Fahrleistung, die für fünfjährige Fahrzeuge als unterdurchschnittlich anzusehen ist, oder auch eine außergewöhnliche Verbesserungsinvest[i]tion – wie etwa ein neuer Motor- zu einer solchen Kompensation führen.

Im Falle des Klägers und seines unfallbeteilten Pkw kann von einem solchen Kompensationseffekt aber nicht ausgegangen werden. Der klägerische Pkw Audi war am […].[…].2002 erstzugelassen worden und befand sich damit im Zeitpunkt des Unfalles schon im neunten Zulassungsjahr. Er hatte zur Unfallzeit außerdem bereits 82.808 km zurückgelegt, und befand sich, als er auf den Kläger zugelassen wurde, auch nicht mehr in erster Hand (vgl. insoweit Gutachten des Kfz-Sachverständigenzentrums […]) Es ist außerdem nicht ersichtlich, dass an dem Wagen außergewöhnliche Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt worden sind.

Die Klage musste demnach insgesamt der Abweisung unterliegen.“

AG Dresden, Urteil vom 22.7.2011 – 112 C 2416/11